Die Welt am Sonntag Kompakt - 21.07.2019

(Wang) #1

WELT AM SONNTAG NR. 29 21. JULI 2019 DEUTSCHLAND & DIE WELT 7


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cherheit, am Samstag vermittelte sie
diese schon: „Deutschland kann sich auf
Sie verlassen“, rief sie den Rekruten
und ihren Angehörigen zu, „und Sie
können sich auf mich verlassen.“
Ein würdiges Gelöbnis gelang – was
in Berlin keine Selbstverständlichkeit
ist. Unter Bundeskanzler Gerhard
Schröder versuchten nackte Störer, die
Soldaten zu beschämen, seine Nachfol-
gerin Angela Merkel nahm am Samstag
zum ersten Mal seit vielen Jahren wie-
der an dem Ritual teil. Das Verstecken
der Bundeswehr im öffentlichen Raum
ist deutscher Alltag. Dies zu ändern hat
sich die neue Verteidigungsministerin
auch vorgenommen.
Die Premiere als Verteidigungsminis-
terin gelang Kramp-Karrenbauer also.
Als CDU-Parteivorsitzende schien zu-
letzt hingegen gar nichts mehr zu klap-
pen – nicht einmal eine Telefonschalt-
konferenz funktionierte. Vergeblich
versuchte die Telekom am Dienstag-
abend um 21 Uhr, unter der vom Kon-
rad-Adenauer-Haus übermittelten
Nummer Angela Merkel zu erreichen.
Auch das Lagezentrum im Kanzleramt,
das immer einen minutengenauen Ter-
minplan hat und jederzeit die Regie-
rungschefin verständigen kann, wurde
nicht gefunden. Erst als Kanzleramts-
chef Helge Braun 20 Minuten später auf
die Idee kam, händisch zu seiner Chefin
zu verbinden, konnte Kramp-Karren-
bauer das Gespräch beginnen.
Sie hinterließ eine perplexe CDU-
Führung. Am Ende längerer Ausführun-
gen, fast beiläufig, erklärte sie, Verteidi-
gungsministerin werden zu
wollen – ohne vorher irgend-
jemand eingeweiht zu haben.
Noch am gleichen Vormittag
war im Austausch mit ausge-
suchten CDU-Spitzenpoliti-
kern davon nicht die Rede
gewesen. Ihre Sprecherin
war nicht informiert, ihren
Büroleiter ließ sie in dieser
der Woche in den Urlaub
fahren. Dem Koalitionspart-
ner CSU war der Schritt am
Vortag als eine von mehre-
ren Möglichkeiten vorge-
stellt worden.
Sozialdemokratische Ka-
binettsmitglieder zeigten
sich am Morgen darauf in-
tern verärgert. Die Kanzlerin
habe ihnen noch kurz zuvor
eine andere Lösung ange-
deutet: Jens Spahn hätte Ver-
teidigungsminister werden
sollen und die Integrations-
beauftragte und Chefin der Frauen-Uni-
on Annette Widmann-Mauz als Ge-
sundheitsministerin nachrücken. Sie ist
nicht nur Fachpolitikerin, sondern hät-
te als Baden-Württembergerin auch
Quote und Proporz im Kabinett befrie-
digt. Dieses Personalpaket ging am
Dienstag so auch schon durch die Me-
dien, nachdem es zu einem in der rhei-
nischen CDU gut vernetzten Reporter
durchgestochen worden war.
Erst spät, sehr spät, entschied
Kramp-Karrenbauer, es doch lieber
selbst zu machen. „Am Mittag“ sei das
gewesen, wird nachträglich berichtet.
Da habe die Parteivorsitzende der
Kanzlerin ihre Entscheidung mitgeteilt.
Gesichert ist: Merkel hatte ihr schon
lange zum Eintritt ins Kabinett geraten.


Schon in den Koalitionsverhandlungen
vor zwei Jahren. Und noch einmal, als
sich Anfang Juli die Möglichkeit auftat,
dass das Verteidigungsministerium frei
werde könnte, falls Ursula von der Ley-
en nach Brüssel wechseln sollte. Merkel
riet, andere drängten sogar: Der Frakti-
onsvorsitzende Ralph Brinkhaus redete
der CDU-Vorsitzenden zu, ins Kabinett
zu gehen. Nordrhein-Westfalens Minis-
terpräsident Armin Laschet soll Anfang
der Woche dafür plädiert haben, aus
Proporzgründen einen Niedersachsen
in die Regierung zu holen. Erkennbar
wollten die beiden vor allem einen wei-
teren Aufstieg ihres Erzrivalen Spahn
verhindern. Der hat sich innerhalb des
letzten Jahres vom CDU-Querdenker
zum erfolgreichsten Minister der gro-
ßen Koalition hochgearbeitet. „Der
schafft was weg“, lobte ihn am Freitag
sogar die Kanzlerin.

KANZLERIN DER RESERVE? Hat auch
Kramp-Karrenbauer in letzter Minute

die Angst befallen, da wachse im 15. Jahr
von Merkels einsamer Regentschaft
doch noch ein Reservekanzler im Kabi-
nett heran? Nahm sie deshalb lieber
selbst den Platz von der Leyens ein? Ei-
gentlich hatte sie einen anderen Plan:
Sie wollte bewusst kein Staatsamt. Sie
gab den Posten der saarländischen Mi-
nisterpräsidentin vor zwei Jahren auf,
nicht um Bundesministerin zu werden,
sondern um der CDU zu dienen: als Ge-
neralsekretärin.
Die von Merkel lange vernachlässigte
Partei war damals geradezu entzückt.
Und im Kampf um den Parteivorsitz im
Herbst 2018 war diese Selbstlosigkeit
ein entscheidendes Argument im Wett-
bewerb mit Friedrich Merz, der erkenn-
bar schon auf das Kanzleramt zielte:
„Man darf um nichts in der Welt den
Eindruck erwecken, man nütze ein sol-
ches Amt nur, weil man den nächsten
Sprung ins nächste Staatsamt machen
will. Das wäre absolut fatal“, sagte
Kramp-Karrenbauer vor einem Jahr.

Noch Anfang Juli bekräftigte sie dies in
einem „Bild“-Interview als „bewusste
Entscheidung“ und fügte hinzu: „Es gibt
in der CDU viel zu tun.“
Das war ehrlich gemeint. Kramp-Kar-
renbauer hat oft erklärt, warum es ihr
ein Herzensanliegen sei, einer scheinto-
ten CDU wieder Leben einzuhauchen.
Hier unterscheidet sie sich wirklich von
Merkel. Die Kanzlerin hat einen kühlen
Blick auf die politische Landschaft und
analysiert mit dem Mannheimer Demo-
skopen Matthias Jung, dass sich die
Volksparteien längst zu überalterten
„Parallelgesellschaften“ entwickelt ha-
ben, die dem politischen Willen der
Deutschen eher im Weg stehen, als da-
ran noch wirklich mitzuwirken.
Kramp-Karrenbauer sieht das anders.
Sie glaubt, dass ohne wiederbelebte
Volksparteien langfristig kein demokra-
tischer Staat zu machen sei. Deshalb
sollten Werkstattgespräche die Jahre der

Deutschland


kann sich auf


Sie verlassen,


und Sie


können sich


auf mich


verlassen


ANNEGRET
KRAMP-KARRENBAUER
zu den Rekruten

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