Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - 21.07.2019

(Tina Meador) #1

12 leben FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 21. JULI 2019, NR. 29


Wenn man als Kriti-
ker die Weinregio-
nen dieser Welt be-
reist, besucht man
natürlich die Spitzen-
betriebe. Man muss
ja wissen, wo die
Champions sind, um
die Herausforderer entdecken zu
können. Denn wenn alle Menschen
nur die Ikonen haben wollten, könn-
te man sie bald gar nicht mehr bezah-
len. Da lohnt sich ein Blick zu den
nachrückenden Generationen. Etwa
zu Studert-Prüm in Wehlen an der
Mosel. Der 2,5-Hektar-Betrieb wird
mittlerweile vom 26-jährigen Micha-
el Studert geführt. Seine 2018er Kabi-
nett-Weine sind wundervoll und las-
sen selbst triste Vormittage in hel-
lem Glanz erstrahlen.
Versuchen Sie den feinherben Ka-
binett aus der weltberühmten Wehle-
ner Sonnenuhr. Von rund 50-jähri-
gen Reben stammend und im Edel-
stahl vergoren, zeigt sich hier ein
mundfüllender, saftig-würziger und
fein strukturierter Riesling, dessen
Generosität derart leichtfüßig daher-
kommt, dass er Sie umstandslos in
andere Sphären entführt, auf Wol-
ken, von denen Sie nicht mehr her-
unter möchten. Nur 700 Flaschen
gibt es davon, und die würden sich
selbst dann noch verkaufen, wenn
der Preis dreimal so hoch wäre. Er
bleibt aber bei neun Euro.
Von einer Parzelle, die 1910 ge-
pflanzt wurde, kommt Andreas und
Barbara Adams Piesporter Gold-
tröpfchen Kabinett des Jahrgangs


  1. Dieser Riesling ist überaus fein
    und schieferwürzig im Duft wie am
    Gaumen, wo er mit Eleganz eine In-
    tensität herbeizaubert, die eines
    Crus durchaus würdig ist. Das ani-
    mierend salzige Finish hebt diesen fi-
    nessenreichen Moselwein in schwin-
    delerregende Höhen. Das ist große
    Riesling-Kunst selbst für die Adams,
    deren 2018er Rieslinge ohnehin von
    großer Klasse sind.
    Die gesamte Serie ist überaus prä-
    zise, fein und elegant und birgt nur
    Highlights. Eines davon ist – völlig
    unerwartet, doch zu dieser Jahreszeit
    gerade recht – ein Rosé. Die Trau-
    ben für den 2018er Spätburgunder
    Rosé wurden bereits am 8. Septem-
    ber gelesen und haben einen Wein
    hervorgebracht, der feingliedrig,
    leicht und elegant wie Moselriesling
    ist, aber eben auch delikat fruchtig,
    saftig und sinnlich wie Pinot Noir.
    Ich könnte baden darin!
    Womit wir zu den Auslesen kom-
    men. Dieses Prädikat prangt auf vie-
    len der feinsten deutschen Rieslinge,
    die, wenn sie gut sind, immer mehr
    frucht- als zuckersüß sind. Hin und
    weg von der Präzision, Finesse and
    seidigen Fruchtfülle war ich beim tra-
    ditionsreichen Weingut Maximin
    Grünhaus der Familie von Schubert
    an der Ruwer. Acht 2018er Auslesen
    haben sie dort gefüllt, eine schöner
    als die andere und jede einzelne so in-
    dividuell wie ein kleines Kind. Keine
    einzige davon kam mit Bortrytis-Aro-
    men über den Glasrand – ganz ein-
    fach deshalb, weil es 2018 so gut wie
    keinen botrytis cinerea genannten
    Edelpilz gab. Dieser braucht nicht
    nur Wärme, sondern auch Feuchtig-
    keit und lässt die Beeren zu Rosinen
    schrumpfen.
    Diese Konzentration übernahm
    letztes Jahr die Sonne; daher blieben
    die Beerenhäute intakt, ohne
    Botrytispilz, der dem Wein eine
    edle, würzige, honigsüße Trocken-
    frucht verleiht. Die 2018er Grünhäu-
    ser Auslesen sind von grandios kla-
    rer, frischer und reiner, gleichwohl
    generöser Frucht, und ihre den Spei-
    chelfluss fördernde Süße kommt mit
    derart animierender Schieferwürze
    und feiner Säure daher, dass man
    gleich die Badewanne neu füllen und
    eintauchen möchte.
    Allein, diese Füllung würde ein
    Vermögen kosten; daher besser ins
    Glas damit und andächtig genießen.
    Göttertrank sind diese Auslesen alle-
    samt, doch wer einen Teil seines Ver-
    mögens in die Abtsberg Auslese Fass
    Nr. 68 investieren möchte, die als
    „Lange Goldkapsel“ im September
    versteigert wird, bekommt Riesling
    nahe der Perfektion.
    Der Wehlener Sonnenuhr Kabinett feinherb von
    Studert-Prüm für 9 Euro ist über Telefon
    0 65 31 / 24 87 zu beziehen. A. J. Adams Riesling
    Kabinett Piesporter Goldtröpfchen kostet 17 Euro,
    der 2018er Spätburgunder Rosé 10 Euro, Tel.
    0 65 07 / 93 93 71 3. Die diversen Maximin-Grün-
    haus-Auslesen kosten zwischen 35 und 75 Euro,
    Tel. 06 51 / 51 11.


Nur das Essen ist
analog:Lieferung
von „McDelivery“.
Foto Wolfgang Eilmes

REINER WEIN


Badewannen


voll Riesling


Es gibt Weine, in die
möchte man eintauchen,
findetStephan Reinhardt.

A

ls Andreas Tuffentsammer und
Max Kochen vor drei Jahren
nach der richtigen Idee für ein
modernes Schnellrestaurant
suchten, stand relativ schnell
fest, was es dort nicht geben sollte: Pizza,
Pasta, Burger. Sondernhealthy casual food
mit frischen, schnell kombinierbaren Zu-
taten in der Schale oder als Wrap. Um
zu testen, wie die Kombinationen mit
Chili-Brokkoli, Edamame-Erbsen, Cran-
berry-Rotkohl, Quinoa und Hummus
bei der möglichen Kundschaft ankom-
men, lieferten die Gründer Test-Gerich-
te an Büros aus. „Wir haben dadurch
ziemlich schnell gelernt: Die Bowls funk-
tionieren supergut im Transport, außer-
dem sehen die Gerichte in der Bagasse-
Schale phantastisch aus“, sagt Kochen.
Aber erst mal war der Laden wichtiger.
Im Sommer 2016 eröffnete das Duo in
Berlin-Mitte „Beets & Roots“, das nicht
nur in der Nachbarschaft sofort gut an-
kam. Sondern auch bei Foodora. „Uns
war klar, dass wir ein Außer-Haus-Ge-
schäft anbieten und die großen Liefer-
anbieter dazunehmen“, erinnert sich Ko-
chen. Aber als ständig Kuriere im Laden
standen, um Essen abzuholen, stellte
sich heraus, dass das Delivery-Geschäft
zu einem festen Bestandteil des Kon-
zepts werden würde.
Mittlerweile gibt es vier „Beets &
Roots“-Restaurants in Berlin und eins in
Hamburg. Gerade haben Tuffentsammer
und Kochen von Investoren einen Millio-
nenbetrag erhalten, um bis 2020 weitere
Filialen in Köln, Düsseldorf, Frankfurt
und München zu eröffnen. Dort sollen
Kunden noch deutlicher als bisher signali-
siert bekommen, dass sie ihre Lieblings-
bowl am besten im Netz vorbestellen, be-
vor sie ins Restaurant kommen, um nicht
mehr an der Kasse zu warten. Kochen
sagt: „Wir glauben, dass Online ein un-
trennbarer Teil der ,Beets & Roots‘-Er-
fahrung für die Kunden ist.“
Diese Paarung gilt längst nicht mehr
nur für die hippe Großstadtgastronomie.
Wir kommunizieren, shoppen, verpart-
nern uns mobil – und ordern dazwischen
halt auch unsere Mahlzeiten per App.
Mit Werbekampagnen („Gönn dir doch
mal wieder eine Auszeit vom Kochen“)
und einer Flut an Gutscheinen haben
Plattformanbieter wie Lieferando (zu
dem Foodora inzwischen gehört) und
Deliveroo dafür gesorgt, dass digital be-
stelltes Restaurantessen innerhalb weni-
ger Jahre selbstverständlich geworden ist.
Die Kurierfahrer mit den bunten Unifor-
men sind aus dem Straßenbild vieler
Städte kaum noch wegzudenken. Das hat
nicht nur Auswirkungen darauf, wie wir
essen; es verändert ganze Teile der Gas-
tronomie von Grund auf.
Über ihr Konsumentenpanel Crest er-
mitteln die Marktforscher von NPD
Group Deutschland regelmäßig, wie sich
der sogenannte Außer-Haus-Markt ent-
wickelt, und berechnen daraus Progno-
sen. 2018 entfielen hierzulande knapp
fünf Prozent der Konsumentenausgaben
auf gelieferte Speisen und Getränke. Bei
insgesamt 80 Milliarden Euro, die die
Deutschen pro Jahr fürs Auswärtsessen
ausgeben, entspricht das 3,8 Milliarden.
Das sieht erst mal nicht nach viel aus –
zumal die Prognosen für Großbritan-
nien und die Vereinigten Staaten viel hö-
her liegen. Aber der Delivery-Anteil
wächst schnell.
Während Besuche in klassischen
Schnellrestaurants 2019 voraussichtlich
um 1,9 Prozent zunehmen, liegt die Pro-
gnose für Delivery bei neun Prozent.
„Lieferdienste werden also rund vier
Mal schneller als der Markt wachsen“,
sagt Regina Stahl, Senior Account Mana-
ger bei NPD Group Deutschland.
Abends gehen die meisten Bestellungen
ein. Fast die Hälfte ist bereits digital, 80
Prozent davon laufen wiederum über
eine der großen Online-Vermittler. Der
niederländische Plattformbetreiber Ta-
keaway.com (Lieferando) gibt an, nach
der Übernahme der deutschen Marken
von Delivery Hero hierzulande auf rund
47 Millionen Bestellungen pro Jahr zu
kommen.
Verantwortlich dafür sind vor allem
die Millennials – Kunden zwischen 16
und 34 Jahren, die einen überdurch-
schnittlich hohen Anteil der Digitalauf-
träge ausmachen. „Bei App-Bestellungen
hat diese Zielgruppe ein noch höheres
Gewicht“, sagt Stahl.
Das können auch international erfolg-
reiche Systemgastronomen schwerlich
ignorieren. „McDonald’s hat schon vor
einigen Jahren erkannt, dass wir uns
weltweit der digitalen Transformation
stellen müssen“, sagt Nicolas von Sob-
be, Vice President Technology bei
McDonald’s in Deutschland. Seit 2016
gibt es Big Mac, Chicken Nuggets und
Pommes auf Kundenwunsch zwar auch
geliefert. Aber bei zwei Millionen Gäs-
ten pro Tag – allein in deutschen Restau-
rants – war klar, dass sich das ganze Sys-
tem verändern müsste.
Deshalb baut die Burgerkette ihre Fi-
lialen zu „Restaurants der Zukunft“ um.
Dort können Kunden ihre Bestellungen
an Terminals mit Touchscreen einge-
ben, per Karte bezahlen und sich ihr
Menü anschließend am Pick-up-Tresen
abholen. Genaue Nutzungszahlen verrät
McDonald’s nicht. Aber man ahnt den
Erfolg, wenn man sich mal in einem Re-
staurant wie dem im Berliner Bahnhof

Zoo anschaut, wie selbstverständlich ins-
besondere junge Kunden und Familien
die Geräte ansteuern.
„Die Terminals haben uns sehr dabei
geholfen, Gäste frühzeitig auf die Digita-
lisierung in den Restaurants vorzuberei-
ten“, sagt von Sobbe. Seit einiger Zeit
können Kunden in rund 900 deutschen
McDonald’s-Filialen ihr Wunschmenü
auch per App bestellen – selbst wenn sie
erst noch auf dem Weg dorthin sind.
Halten sie sich in unmittelbarer Nähe
auf, registriert das die App per Geolokali-
sierung und fragt, ob die Bestellung abge-
sendet werden soll.
„Ich kann mir gut vorstellen, dass wir
in den kommenden zwei Jahren die ers-
ten Restaurants sehen werden, in denen
Bestellungen zu gleichen Anteilen digi-
tal und analog passieren, und in der Zu-
kunft die ersten Standorte einen klaren
digitalen Schwerpunkt haben werden“,
sagt von Sobbe – und beeilt sich zu er-
gänzen, dass die neuen Technologien
nicht zur Pflicht werden: „Unsere Gäs-
te haben auch weiterhin die Möglich-
keit, an der Kasse zu bestellen und bar
zu bezahlen.“
Wie ernst die amerikanische Kette
den Wandel nimmt, zeigt sich auch dar-
an, dass das Küchensystem in den moder-
nisierten Restaurants umgekrempelt wur-
de, um digitale Bestellungen zu verarbei-
ten. Früher waren die Küchen darauf aus-
gelegt, basierend auf einer Verkaufspro-
gnose auf Vorrat zu produzieren. „Dieses
Muster haben wir aufgebrochen, um al-
les auf Bestellung frisch zuzubereiten“,
sagt von Sobbe. „Das ermöglicht es uns
auch, flexibler mit größeren Bestellmen-
gen über zusätzliche Kanäle wie der App
umzugehen.“
Für den Burgerriesen ist die Digitalisie-
rung aber auch deshalb wichtig, weil sich
über die Registrierung in der App erst-
mals eine direkte Beziehung zu Gästen
aufbauen (und festigen) lässt – zum Bei-
spiel mit personalisierten Gutscheinen,
vielleicht auch mal einem Gratisburger
zum Geburtstag. „In den neunziger Jah-
ren hat Marketing vor allem funktioniert,

wenn es groß und laut war. Marken ha-
ben Statements abgegeben und darauf ge-
hofft, dass die Kunden deshalb zu ihnen
kommen“, sagt von Sobbe. Heute werde
von einer Marke viel stärker erwartet,
dass sie sich Mühe gebe, Kunden auf un-
terschiedlichen Kanälen zu erreichen.
„Der Gast muss sich auf neue Touch-
points und Prozesse einlassen. Und wir
müssen uns umgewöhnen, indem wir den
Gast besser kennenlernen und Angebote
machen, die zu ihm passen.“
Daran arbeitet auch das britische Lie-
fer-Start-up Deliveroo, in das Amazon ge-
rade eine dreistellige Millionensumme in-
vestiert hat, um im Delivery-Markt nicht
den Anschluss zu verlieren. In deutschen
Großstädten bringen die Radkuriere mit
dem Känguru-Logo seit vier Jahren Es-
sen nach Hause – längst nicht mehr nur
aus Restaurants ohne eigenen Liefer-
service. „Wir wissen ziemlich genau, wo-
nach die Kunden auf unserer Plattform
suchen, und überlegen uns, wie wir auf
diesen Bedarf reagieren können“, sagt Sa-
scha Knoop, Head of Business Develop-
ment bei Deliveroo Germany.
Das heißt konkret: Wenn Kunden im
Umkreis ihres Zuhauses Lust auf Sushi,
Griechisch oder Mexikanisch haben, die
Deliveroo-Suche aber im Liefergebiet
kein Angebot finden kann, wird das im
Berliner Hauptquartier registriert. Und
sorgt im Zweifel dafür, dass in der App
bald genau das Angebot auftaucht, das
sich die Kunden wünschen.
Dafür spricht Deliveroo Gastrono-
men an, die bereits auf der Plattform ver-
treten sind, und fragt sie, ob sie ein „vir-
tuelles“ Zweit-Restaurant eröffnen wol-
len, um die identifizierte Lücke mit neu-
en Gerichten (und unter separatem Na-
men) zu schließen. Ein auf Asiatisches
spezialisierter Laden kann zusätzlich
Poké Bowls liefern, ein Burger-Restau-
rant theoretisch auch Fleischbällchen-
Gerichte anbieten. „Korean Barbecue
funktioniert in Berlin schon sehr gut“,
sagt Knoop. „In Frankfurt gab es bislang
kein Angebot; deshalb haben wir mit ei-
nem Partner ein Konzept ausgearbeitet.“

Inzwischen macht die neue Marke den-
selben Lieferumsatz wie das Hauptres-
taurant, dessen Geschäft darunter nicht
gelitten hat.
Die Idee ist simpel, aber effektiv –
auch weil sich mit Restaurants, die nur in
der App existieren, frühzeitig internatio-
nale Food-Trends abbilden lassen, ohne
die für klassische Neueröffnungen übli-
chen Kosten zu riskieren. „Wichtig für
den Erfolg ist, ob der Partner ein Zusatz-
angebot überhaupt leisten kann und die
Küche dafür geeignet ist“, sagt Knoop.
Fühlen sich die Nutzer nicht überfor-
dert, wenn in der App permanent neue
Angebote aufploppen? Bislang nicht,
meint Knoop. Deliveroo sorge ja nur da-
für, den Kunden das zugänglich zu ma-
chen, wonach sie ohnehin suchen. „Und
wenn eine Idee funktioniert, kann der
Gastronom damit auch in seinem loka-
len Markt expandieren.“ Gut möglich,
dass die erfolgreichen Restaurantkonzep-
te der Zukunft auf Lieferplattformen im
Netz geboren werden.
Je mehr sich Kunden daran gewöh-
nen, dass ihnen ihre Wünsche quasi aus
dem Suchverlauf der App abgelesen wer-
den, desto stärker verändert sich auch
ihre Erwartungshaltung gegenüber der
klassischen Gastronomie. Dort muss
man sich vor allem auf immer individuel-
lere Wünsche der Gäste einstellen.
Stammkunden von „Beets & Roots“ wol-
len schon jetzt ganz genau wissen, wel-
che Gerichte glutenfrei und vegan sind,
ob mögliche Allergene enthalten sind –
und im Zweifel ihre eigene Bowl aus den
zur Verfügung stehenden Zutaten kombi-
nieren. „Mit zwei, drei Hacks können
wir zum Beispiel aus jeder Bowl ein vega-
nes Gericht machen. Das ist aber im La-
den schwer zu vermitteln, weil der Platz
auf den Menü-Boards begrenzt ist“, sagt
Gründer Kochen. „Online geht das viel
einfacher.“
Gleichzeitig helfen die neuen Ge-
wohnheiten dabei, die Umsätze zu stei-
gern: Branchenübergreifend berichten
Gastronomen, dass Kunden bereit sind,
bei digital abgesendeten Bestellungen

mehr Geld auszugeben – weil sie sich we-
niger gehetzt fühlen oder aufgeschlosse-
ner sind, Neues ausprobieren. Das
schafft auch Raum für eher kuriose Ge-
schäftsmodelle wie das des amerikani-
schen Start-ups Allset, das seinen Kun-
den eine Art Prepaid-Restaurantbesuch
verspricht. Gäste reservieren im Lokal ih-
rer Wahl einen Tisch im Voraus, suchen
sich sofort aus, was sie später essen wol-
len, bezahlen und bekommen das fertige
Menü serviert, sobald sie sich in ihrem
Timeslot an den Platz setzen. Das mag
praktisch sein, wenn man es sehr eilig
hat – aber dann bestellt halt auch nie-
mand noch ein Glas Wein mehr als ge-
plant oder ein spontanes Dessert.
Letztlich hat auch die Durchökonomi-
sierung eines gesellschaftlich-kommuni-
kativen Rituals – dem Essengehen mit
Freunden – ihre Grenzen. Bislang könne
man aus dem Verhalten von Lieferessen-
Bestellern lediglich in geringem Maße ei-
nen Kannibalisierungseffekt für die klas-
sische Gastronomie ablesen, sagt Regina
Stahl von NPD Group Deutschland:
„Für nur rund jeden vierten Gast wäre
eine andere Versorgungsmöglichkeit als
Alternative zur Bestellung relevant gewe-
sen.“ Das heißt: Das App-Abendessen er-
setzt vermutlich seltener das klassische
Ausgehen – sondern im Zweifel eher die
Tiefkühlpizza aus dem Supermarkt.
(Kein Wunder, dass Markenhersteller
wie Dr. Oetker und Wagner ihre Pizzen
inzwischen aufgebacken von Lieferando
und Deliveroo ausfahren lassen.)
Vor allem Schnellrestaurantketten
müssen sich jedoch neue Wege überle-
gen, um künftig überhaupt noch persön-
lichen Kontakt zu ihren Gästen herzustel-
len, wenn die ihr Essen zunehmend digi-
tal ordern. McDonald’s serviert Burger
und Pommes deshalb auf Wunsch an den
Platz. Außerdem soll es künftig eine Art
Welcome-Service in den Filialen geben,
„um dafür zu sorgen, dass alle, die zu uns
kommen, glücklich sind“, so von Sobbe.
„Das ist aus unserer Sicht die Brücke,
um neue Technik und einen sozialen
Raum wie unsere Restaurants zusammen-
zubringen.“

Vor allem jüngere Kunden ordern ihre Mahlzeiten immer öfter per


App. Das können selbst die Branchenriesen nicht ignorieren – zumal


die neuen Gäste bereit sind, dafür mehr Geld auszugeben.


Von Peer Schader


Hey, Ihr Millennials,


Essen ist fertig!

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