56 wissenschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 21. JULI 2019, NR. 29
V
orzwei Wochen ging es in die-
ser Rubrik um Fraktale bezie-
hungsweise um die berühmten
Mandelbrotschen „Apfelmännchen“.
Gleich mehrere Leserinnen und Leser
meldeten sich mit weiteren Links zu
diesem Thema, das mathematisch wie
ästhetisch interessant ist. Ingo Kellner
aus Aachen wies mich zum Beispiel
auf ein fast süchtig machendes Fraktal-
puzzle hin, das ich Ihnen auf keinen
Fall vorenthalten möchte. Zu finden
ist es im Internet unter: thatmichael-
park.github.io/fractal-jigsaw-puzzle/
fractaljigsaw.html.
Dieses Online-Puzzle besteht aus
zahlreichen Levels, die in Bezug auf ih-
ren Schwierigkeitsgrad mit jedem Le-
vel etwas fieser werden. Das Spielprin-
zip ist bekannt: Sie müssen die Puzzle-
teile mit der Maus an die richtige Stel-
le schieben. Im Unterschied zu ande-
ren Puzzles haben die Stücke bei die-
sem jedoch keine glatten Seitenränder,
sondern wirken etwas zerfranst, was
die Sache erheblich erschwert.
Mein Tipp wäre, die Einzelteile vor
dem Spiel erst einmal am Spielfeldrand
zu gruppieren, geordnet nach der An-
zahl der Andockstellen, ob nach außen
ragend oder nach innen eingebuchtet.
Und eine Hilfestellung gibt es immer-
hin: Wenn Sie ein Puzzleteil an die
richtige Stelle geschoben haben, rastet
es ein und kann danach nicht mehr
wegbewegt werden.Sobald Sie ein Puz-
zle vollständig gelöst haben, kommt
das nächste, schwerere. Freundlicher-
weise merkt sich die Website, an wel-
cher Stelle man ist – Sie können also
pausieren, das Browserfenster schlie-
ßen und am nächsten Tag da weiterma-
chen, wo Sie zuvor aufgehört haben.
Nun unser Rätsel: Wie nennt man
denn ein Puzzle, bei dem alle Teile die
gleiche Form haben? Bitte schicken
Sie Ihren Lösungsvorschlag an netzra-
[email protected]. Unter allen richtigen
Einsendungen verlosen wir einen
ebook-Einkaufsgutschein im Wert
von 25 Euro. Einsendeschluss ist der
- Juli 2019, 21 Uhr. Das Lösungswort
des Rätsels der vorvergangenen Wo-
che lautet: „fraktal“, gewonnen hat Syl-
vie Radtke aus München.
PUZZLE
MIT FRANSEN
VON JOCHEN REINECKE
D
ie Mondlandung war das größ-
te Medienereignis des 20. Jahr-
hunderts. Es kombinierte das
bis dahin kaum ausgeschöpfte Potential
des Fernsehens, die Teilnahme an weit
entfernten Ereignissen zu vermitteln,
mit akribischer Planung und Organisa-
tion. So war es möglich, dass große Tei-
le der Welt nicht nur sehr schnell über
ein bedeutendes Ereignis informiert
und mit bewegten Bildern versorgt wur-
den (wie zum Beispiel nach der Ermor-
dung John F. Kennedys), sondern
„live“ dabei sein konnten. Mehr als
eine halbe Milliarde Menschen, so die
Schätzungen, nutzten diese Chance.
Die Tragweite des Ereignisses war
nicht nur offensichtlich, sie war durch
die Überlagerung verschiedener Bedeu-
tungsdimensionen überdeterminiert:
Es ging um die Leistungsfähigkeit und
Verlässlichkeit moderner Technologie
und damit um die Frage der Selbstbe-
hauptung des Menschen in einer feind-
lichen Umwelt. Es ging aber auch um
einen Schritt in eine „neue Welt“, der
oft – prominent von Kennedy – mit
der Entdeckung und Eroberung Ameri-
kas verglichen wurde, deren unschöne
Begleiterscheinungen aber nicht wie-
derholt werden sollten. Und schließ-
lich war da noch der Kalte Krieg, in
dessen Kontext die bemannte Raum-
fahrt zu einem Wettrennen mit hohem
Prestigefaktor geworden war.
Trotz der immer wieder betonten
Bedeutung der Mission genoss sie kei-
neswegs breite Unterstützung in der
Öffentlichkeit. Der Soziologe William
Sims Bainbridge zeigt anhand von Um-
fragedaten aus der Zeit, dass auch
kurz vor der erfolgreichen Mondlan-
dung große Teile der Bevölkerung
skeptisch waren und insbesondere die
hohen Ausgaben nicht für gerechtfer-
tigt hielten. Auch in der wissenschaftli-
chen Öffentlichkeit war diese Schwer-
punktsetzung umstritten: Nicht am
Programm beteiligte Wissenschaften
sahen die Förderung ihrer eigenen For-
schung bedroht.
Die Nasa und die amerikanische Re-
gierung hatten also ein Interesse dar-
an, die Mondlandung angemessen zu
inszenieren und ihr eine breite Öffent-
lichkeit zu sichern. Damit wurde vor
der „Apollo 11“-Mission begonnen: Be-
reits bei vorangegangenen Weltraum-
flügen waren die Fernsehkameras da-
bei gewesen. Die Mondlandung er-
schien so nicht als singuläres Ereignis,
sondern als Teil, wenn nicht sogar als
Höhepunkt einer Serie von Ereignis-
sen. In einem Rückblick auf die Mond-
landung als Medienereignis argumen-
tiert Andreas Rosenfelder, dass die be-
sondere Faszination der „Apollo“-Se-
rie darin lag, dass diese die von ande-
ren Serienformaten bekannte Synchro-
nisierung des Publikums vor den Bild-
schirmen mit der Ungewissheit einer
„Live“-Sendung kombinierte, die
nicht zuletzt die Möglichkeit eines Un-
falls mit sich führte.
Die an der Mission beteiligten Orga-
nisationen waren auf beides vorberei-
tet: das Scheitern und den Erfolg. Für
den amtierenden Präsidenten Nixon
lag auch eine Rede für den Katastro-
phenfall in der Schublade. Und die
Fernsehsender wussten, dass es keine
Garantie auf erfreuliche Bilder gab.
Doch für den Erfolgsfall hatte die Nasa
das Mondfernsehen als festen Bestand-
teil der Mission eingeplant: Ganz oben
auf der Aufgabenliste nach der Lan-
dung stand, eine externe Fernsehkame-
ra aufzustellen – und die Frage nach
der Übertragungsqualität war Thema
der Funkgespräche zwischen den Astro-
nauten und der Bodenstation.
Dennoch hat niemand die Mondlan-
dung selbst live gesehen. Sie wurde
gar nicht übertragen. Die Bilder der
innen am Fenster der Landefähre mit-
geführten Kamera konnten erst nach
der Rückkehr ausgewertet werden.
Nicht nur an dieser Stelle entstanden
für das Fernsehformat „Apollo“ missli-
che Lücken im Bilderstrom, die durch
Inszenierungen in den Fernsehstudios
kompensiert werden mussten: Dort
wurde dann, zum Beispiel bei der
ARD, die Situation nachgestellt – in-
klusive nachgebauter Mondfähre und
Ersatzastronauten. „Tatsächlich be-
stand das wichtigste Merkmal des
Weltraumfernsehens in einem eklatan-
ten Mangel an Bildern aus dem Welt-
raum“, konstatiert Rosenfelder.
Die Fernsehsender waren abhängig
vom Ton- und Bildmaterial der Nasa,
sie hatten keine eigenen Kameras vor
Ort. Die Aufnahme und Übermittlung
von Fernsehbildern war zwar Bestand-
teil der Mission (und den Fernsehsen-
dern wurden diese gegen Gebühr zur
Verfügung gestellt), doch über die glei-
chen Antennen mussten auch die für
den Ablauf der Operation nötigen In-
formationen übermittelt werden. Das
führte dazu, dass es gar nicht so viel
Bildmaterial gab, wie die Fernsehsen-
der für ihre Berichterstattung rund um
die Uhr benötigt hätten: Magere 130
Minuten, davon immerhin 90 Minuten
in Farbe, standen letztlich zur Verfü-
gung, um teilweise mehr als 20 Stun-
den Weltraumfernsehen zu gestalten.
Grund genug, nicht nur die ingenieurs-
technische Leistung der Nasa zu würdi-
gen, sondern auch das inszenierungs-
technische Geschick der Massenme-
dien, aus wenig viel zu machen.
Bainbridge, William Sims (2015): The Meaning and Va-
lue of Spaceflight: Public Perceptions. Cham: Springer.
Rosenfelder, Andreas (2003): Medien auf dem Mond:
Zur Reichweite des Weltraumfernsehens. In: Irmela
Schneider, Torsten Hahn und Christina Bartz (Hg.):
Medienkultur der 60er Jahre (Diskursgeschichte der
Medien nach 1945, Band 2). Wiesbaden: Westdeut-
scher Verlag, S. 17–34.
G
oldene Äpfel sind das Rezept
der nordischen Götter. Durch
den Genuss erhalten sie, was
sich alle Menschen wünschen:
ewige Jugend und Unsterblichkeit, und
Idun, die Erneuernde, gilt als Wächterin.
Im Frankfurter Hauptbahnhof bedient
uns nun keine Sagengestalt, sondern eine
muntere Italienerin reicht die Getränke.
Schwarzer Kaffee – und Apfelschorle, für
das Treffen an diesem Freitagmorgen ge-
nau das Richtige, schließlich dreht es sich
nicht um irgendwelche Mythen, sondern
um Molekularbiologie und den Kampf
gegen die Seneszenz.
Steve Horvath ist auf Stippvisite in der
hessischen Heimat. Tags zuvor aus Los
Angeles angereist, findet der Biostatisti-
ker zwischen der Geburtstagsfeier seines
Vaters und einem Familienausflug in die
Berge noch die Zeit, über eine erstaunli-
che Verjüngungskur, die gerade für Wir-
bel sorgt, und über eine besondere Art
von Uhren zu sprechen. Jene, die er an
der University of California seit 2011 ent-
wickelt und von denen die erste unter
Fachleuten seinen Namen trägt. Mit der
„Horvath’s Clock“ lässt sich das biologi-
sche Alter eines Menschen so genau be-
stimmen, wie es zuvor noch nie möglich
war. Als Anhaltspunkte dienen biochemi-
sche Veränderungen des Erbguts: ein epi-
genetisches Muster, das sich aus im Laufe
der Zeit hinzugefügten Methylgruppen
ergibt. Das sei nicht einfach „damage“
oder Entropie, sagt Horvath, kein Scha-
den, sondern alles sehr viel komplexer. Er
nennt es manchmal Rost, obwohl diese
Uhr schon in fötalen Zellen zu ticken be-
ginnt, „die ja sicher nicht schon rosten“.
„Spricht man über epigenetische Uh-
ren, muss man den Plural wählen. Es
gibt inzwischen ganz verschiedene mit
anderen Eigenschaften und zu anderen
Zwecken“, sagt Horvath. An sich selbst
getestet, erscheine er je nachdem ein
paar Jahre älter oder etwas jünger, statt
der seit seiner Geburt
vergangenen 51 Jahre.
„Mein Zwillingsbru-
der hingegen ist bio-
logisch betrachtet
immer jünger, war-
um auch immer.“
Die auf Statistik
beruhenden Uh-
ren würden an Tau-
senden von Proben
geeicht, und bei der
Anwendung müsse man
unterscheiden, ob man das
Alter messen wolle, die Lebens-
spanne oder wie lange jemand
gesund bleibe. Für die verschie-
densten Gewebe habe er eine
spezielle Uhr, und so überprüfe
„GrimAGE“ etwa das Blut, be-
rücksichtige außerdem den Le-
bensstil.
Mit dieser Uhr wertete
Steve Horvath eine erste klini-
sche Studie zu einer experi-
mentellen Kur aus – und kam
zu verblüffenden Ergebnis-
sen. Die Teilnehmer wirkten
in mehrfacher Hinsicht ver-
jüngt, wie der Journalist Ulrich
Bahnsen aufZEIT-Onlineals Ers-
ter berichtete. Die Resultate sind
zwar noch nicht in einem Fachjour-
nal publiziert, wurden aber kürzlich
auf einer Konferenz in New York vorge-
stellt. Neun Probanden, allesamt gesun-
de Männer zwischen Anfang 50 und Mit-
te 60, erhielten demnach ein Jahr lang
eine spezielle Mixtur: das Wachstumshor-
mon hGH, das Steroidhormon DHEA
und das Diabetesmedikament Metfor-
min. Durch sie wollte Gregory Fahy, Mit-
gründer der Firma Intervene Immune,
vor allem die Sicherheit testen, es gab we-
der eine Kontrollgruppe, noch nahmen
Frauen daran teil. Fahy hatte zuvor aber
einen Selbstversuch gewagt, durch den
sich sein Thymus vergrößert hatte, und
das war nun ein erwünschter Effekt, der
sich unter anderem tatsächlich zeigte.
„Ich kenne alle Daten, sei es die Zahl
der Blutzellen oder Magnetresonanzauf-
nahmen“, sagt Horvath, und analysiert
habe er das Blut. Als Biostatistiker sei er
sehr vorsichtig, wünsche sich immer
mehr Daten für eine nüchterne Auswer-
tung: „Doch der Unterschied war signifi-
kant, trotz der kleinen Zahl. Dass einem
dann statt grauer Haare wieder dunkle
Haare wuchsen, darüber schmunzle ich
eher, das überzeugt mich nicht.“ Aber im
Durchschnitt seien die Männer nach der
Kur zweieinhalb Jahre jünger gewesen:
Ein phantastisches Ergebnis, das schrieb
er an Greg Fahy gleich nach der Auswer-
tung begeistert, man müsse die Studie
bald publizieren und mit fünfzig Leuten
wiederholen. Was jetzt auch die Skepti-
ker fordern: mehr Probanden, eine Place-
bo-Gruppe. Für diese nächste klinische
Studie versuche Fahy jetzt die nötigen Fi-
nanzmittel einzuwerben, sagt Horvath.
Dass von den Altersforschern nun der
Thymus ins Visier genommen wird, über-
rascht nicht besonders. Das Organ wird
fast mystisch mit Jugendlichkeit gleichge-
setzt, weil es sich nach der Jugend stark
verändert. Es schrumpft, und dort, wo
sich zuvor die wichtigen Immunzellen auf
einem Epithel entwickelten, wird dann
zunehmend Fett eingelagert. „Ein aktiver
Thymus besteht aus dem Stroma und ei-
ner großen Zahl von unreifen T-Lympho-
zyten“, erklärt Hans-Reimer Rodewald
vom Deutschen Krebsforschungszen-
trum in Heidelberg. Der Immunologe
vergleicht das lymphatische Organ mit ei-
nem Durchlauferhitzer, der allerdings
T-Zellen selektiert und den Körper mit
einem breiten Repertoire für die Immun-
abwehr ausrüstet. Ein lebenswichtiges Or-
gan, aber eine Drüse, wie ursprünglich an-
genommen, sei es keineswegs. Bei Tieren
und dem Menschen ist der Thymus bis
zur Pubertät normalerweise sehr aktiv, da-
nach baut er erheblich ab. „Das fängt bei
uns im Alter zwischen 20 und 30 an“, sagt
Rodewald. Manche Forscher würden sich
an diesem Prozess der „Involution“ stö-
ren, doch nach seiner Meinung müsse die-
ser Rückgang nichts Schlechtes bedeuten:
„Es entstehen immer noch naive T-Zel-
len. Das natürliche Repertoire ist bei al-
ten Menschen eingeschränkt, aber norma-
lerweise lange ausreichend.“ Für die Invo-
lution gebe es vermutlich Gründe, und
Rodewald mahnt zur Vorsicht: Wenn
man jetzt versuche, „daran herumzu-
schrauben“, könne das ungeahnt zu Pro-
blemen führen und das System womög-
lich aus dem Takt bringen. Man kennt
mehrere Methoden, die den Thymus zu-
mindest vorübergehend vergrößern, etwa
durch Verabreichung des Wachstumshor-
mons, Stresshormone hingegen schaden
der Funktion. Ob eine solche Vergröße-
rung auch immunologisch Sinn ergebe,
sei dahingestellt. „Außerdem muss alles
zusammenpassen. Der Durchfluss, der
Turnover der Zellen ist wichtig – und der
ist proportional zur Größe des Thymus
und vermutlich zum Nachschub aus dem
Knochenmark“, sagt Rodewald. Wäre
der Nachschub für das nun erweiterte Or-
gan gering, könnten die Zellen länger im
Thymus bleiben und dort altern, was
nicht normal sei, befürchtet er.
Unerwünschte Nebeneffekte, die will
jeder seriöse Forscher vermeiden, deshalb
geht man die Verjüngung erst langsam in
klinischen Studien an. Zudem sind diese
teuer, die Kosten lassen sich kaum mit
öffentlichen Fördermitteln finanzieren.
Also gründen mehr und mehr Wissen-
schaftler eigene Start-up-Firmen, um
ihre Ansätze erproben zu können, auch
wenn das bedeutet, dass sie ihre Vorträge
manchmal auf obskuren Veranstaltungen
halten, um dafür zu werben. Aber von
haltlosen Utopisten, den üblichen Groß-
mäulern und Spinnern einmal abgesehen,
widmen sich durchaus ernstzunehmende
Experten dem Anti-Aging. Die Grundla-
genforscher erleben derzeit einen Gold-
rausch in diesem Feld, das sich regelmä-
ßig trifft, zum Beispiel zur „Biology of
Aging – Gordon Research Conference“,
die vergangene Woche in Maine statt-
fand. Dort drehte sich einiges um die Fra-
ge, wie man möglichst lange jung bleibt,
„how to die young at a very old age“, und
es spielten Überlegungen zur Kalorien-
aufnahme eine Rolle. Nebst Fliegen,
Würmern, Mäusen dienten menschliche
Zellen in verschiedenen Tests; dabei ging
es oft um Elementares, wenn von kleinen
Molekülen, SIRT6 oder einer mTOR-
Hemmung die Rede war. Und an Epige-
netik kommt indiesem Gebiet niemand
mehr vorbei, so stellte Wolf Reik vom
Babraham-Institut im britischen Cam-
bridge hier eine Art epigenetische Land-
karte des Alterns vor, auf Zellebene.
Wenn nun Methylierungsmuster im
Erbgut ermittelt werden, die Aufschluss
über das Alter eines Organismus geben
können und sogar über dessen Lebens-
spanne, ist nicht klar, was genau gemes-
sen wird. Sind die epigenetischen Verän-
derungen nun Teil des Alterungsprozes-
ses, also Ursache oder nur Resultat?
Und daran forscht Steve Horvath nicht
allein. „Wir haben molekulare Zeitmes-
ser dafür entwickelt, wissen allerdings
noch immer nicht, welche Mechanis-
men dahinterstecken“, erzählt Wolf
Reik via Skype, der jene Vorgänge er-
forscht, die zu diesem „Degradieren“
führen. Würde man die beteiligten Enzy-
me kennen, ließe sich vielleicht einmal
daran drehen, wie es dem japanischen
Nobelpreisträger Shinya Yamanaka 2006
erstmals mit Hautzellen gelang. Dessen
Methode versetzt differenzierte Körper-
zellen in einen fast ursprünglichen Zu-
stand zurück, es entstehen sogenannte
iPSe, wandelbar wie Stammzellen. Ganz
so weit zurück wollen Altersforscher mit
dem menschlichen Gewebe nicht reisen,
man will die persönliche Uhr ja nicht
auf null stellen, nur leicht zurückdrehen
- und das Gesamtbild verjüngen. Wie
das in kleineren Schritten gelingen könn-
te, ohne dass Zellen ihre Identität verlie-
ren, erforscht Reik mit seinem Team,
das in dieser Frage mit etlichen anderen
Gruppen weltweit konkurriert, und
selbst Horvath treibt diese Idee um. Al-
lerdings sind Eingriffe mit den Yamana-
ka-Faktoren nicht harmlos, daher
möchte man davon abkommen und
eine andere Verjüngungskur finden.
Es befinden sich einige in der Ent-
wicklung oder sogar im Test, dar-
unter eine Substanz aus der Erdbee-
re, auf die man an der Mayo-Kli-
nik setzt. Von wirkungsvollen Se-
nolytika träumt die Menschheit
jedenfalls seit Ewigkeiten, wer
wird schon gerne alt?
Ob die von Greg Fahy propa-
gierte Therapie mit hGH,
DHEA und Metformin zum
Ziel führt, wird sich erst be-
weisen müssen. Neun Pro-
banden sind dafür zu weni-
ge, und die Studie ist noch
nicht veröffentlicht. Exper-
ten wie Reik sind daher zu-
rückhaltend mit ihrer
Einschätzung, auf das
Renommee eines Steve
Horvath vertrauen sie
jedoch. Der wiederum
beschreibt Fahy als
gründlich, er habe je-
den Wert überprüft.
Ein Vorteil der Thera-
pie sei, dass man die
Mittel seit langem ken-
ne: Sie dürfte sicher
sein. Nein, er wolle
nicht den Tod ab-
schaffen, sagt Steve
Horvath: „Aber mein
Vater wurde jetzt 86.
Ich würde zum Bei-
spiel viel für eine Pille
tun, die ich ihm geben
könnte, damit er noch
zehn gute Jahre erlebt. Ge-
sund, ohne Demenz.“
Vor fünfzig Jahren lief auf allen Fernsehern Apollo.
Dabei wurde die Landung selbst gar nicht übertragen
Von Boris Holzer
Das Altern aufzuhalten,
diesen Traum hegt die
Menschheit seit langem.
Es ticken molekulare
Uhren – und die drehen
Forscher jetzt zurück.
Von Sonja Kastilan
INS NETZ GEGANGEN
IM GESPRÄCH SOZIALE SYSTEME
Ewig jung, schön und gesund
Mondfernsehen:
Irgendwie dabei
Idun, die Göttin der Jugend, von
Hermann Wilhelm Bissen mit
ihren wundersamen Äpfeln
verewigt. Statt Magie soll heute
aber Molekularbiologie wirken.
Foto CC-BY-3.0/Orf3us