Die Zeit - 25.07.2019

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  1. Juli 2019 DIE ZEIT No 31 WIRTSCHAFT 21


John Kay (70) lehrte Volkswirtschaft an der
Universität Oxford, gründete die Denkfabrik
Institute for Fiscal Studies in London und
berät Unternehmen. Seit der Weltfinanzkrise
interessiert ihn vor allem eine Frage: Wie soll
man noch wirtschaften in einer Welt, in der
sich immer weniger vorhersagen lässt?

DIE ZEIT: Sie sitzen gerade an einem Buch über
»radikale unsicherheit«, gemeinsam mit dem
ehemaligen britischen Notenbankchef Mervyn
King. Sie beschreiben eine Welt, in der die Öko-
nomen mit ihren Modellen scheitern: Sie können
kaum noch etwas vorhersagen.
John Kay: ich bin mir nicht sicher, ob sie das je-
mals konnten. Viele Wirtschaftswissenschaftler
glauben, dass man Risiken managen und Ereig-
nisse vorhersagen kann, indem man mathemati-
sche Modelle baut, die die Welt abbilden. und
wenn das nicht klappt, schließt man daraus, dass
die Modelle noch nicht kompliziert genug sind!
ZEIT: Sie glauben, dass man die Welt gar nicht in
mathematischen Modellen abbilden kann?
Kay: Ökonomische Modelle können uns gute
grundlegende Einsichten über komplizierte Si-
tuationen vermitteln, Geschichten erzählen, da-
für sind sie großartig. Aber wie benutzt man
Modelle richtig? Zuletzt haben wir mithilfe von
Modellen leider ein Weltfinanzsystem samt Risi-
komanagement dafür aufgebaut, das uns vorgau-
kelt, wir wüssten praktisch alles über die Welt.
Das hat in die Weltfinanzkrise geführt, die 2008
ausbrach. Die Sache fängt mit einem fundamen-
talen Missverständnis darüber an, was »Risiko«
überhaupt ist.
ZEIT: Wie lautet dieses Missverständnis?
Kay: Es geht bis in die 1920er-Jahre zurück. Da-
mals lief eine entscheidende Debatte zwischen
den führenden Ökonomen der Epoche, und am
Ende gewann die falsche Seite. John Maynard
Keynes aus Cambridge und Frank Knight von der
Chicago School argumentierten damals: Die Welt
sei von »radikaler unsicherheit« dominiert. Die
meisten Dinge könnten wir nicht vorhersagen.
ZEIT: Knight fand das eher gut, Keynes hatte
eher Angst davor ...
Kay: und dagegen hielten Frank Ramsey, eben-
falls aus Cambridge, und Jimmie Savage, der an
mehreren uS-universitäten tätig war. Die beiden
behaupteten, dass alle, wirklich sämtliche unwäg-
barkeiten im leben mithilfe der Wahrscheinlich-
keitsrechnung bestimmt werden könnten. Das
beherrscht bis heute das ökonomische Denken.
Schon weil man mit dieser Annahme wunderbar
mathematische Modelle bauen kann.
ZEIT: Zum Beispiel in der Versicherungswirt-
schaft, wo man Risiken kalkuliert, um sie mit
Policen abzusichern. Oder bei Portfolios von
Wertpapieren, die man so zusammenstellt, dass
das Gesamtrisiko überschaubar bleibt.
Kay: und? Bleibt es das? Eine der einflussreichs-
ten ideen dazu ist die Portfoliotheorie von Harry
Markowitz ...
ZEIT: ... nach der man Wertpapiere so geschickt
diversifizieren kann, dass man das Gesamtrisiko
überschaut.
Kay: Markowitz sagt: Wie viel Risiko ein einzel-
ner Anleger eingeht, hängt nicht von den einzel-
nen Wertpapieren ab, die er kauft, sondern von
der Kombination aller Wertpapiere. Darauf
wandte er dann die Wahrscheinlichkeitsrechnung
an. Ja, und kürzlich wurde er von einem Journa-
listen gefragt: Wie haben Sie ihre Altersrücklagen
angelegt? Er sagte: Halb in Aktien, halb in Anlei-
hen. Von der Portfoliotheorie hat er nichts er-
wähnt. ich mache das ja auch so. Man entwickelt
diese Modelle, um sie an Kunden zu verkaufen.
ZEIT: Glauben Sie, dass solche statistischen Ver-
fahren in unserer globalisierten und beschleunig-
ten Welt nichts mehr taugen?
Kay: ich glaube schon an die Voraussetzung
nicht: dass die Wahrscheinlichkeitsrechnung die
meisten Entwicklungen beschreiben kann.
ZEIT: Aber wir treffen doch den ganzen Tag lang
Entscheidungen, bei denen wir abschätzen, wie es

um die Risiken und um die Erfolgschancen steht.
Wenn ich Brötchen kaufen gehe, mache ich das
auch deshalb, weil es sehr unwahrscheinlich ist,
auf der Straße erschossen zu werden. Wenn ich
meinen urlaub in einem Resort für frisch verhei-
ratete Ehepaare buche, rechne ich nicht damit,
dort einen neuen lebenspartner zu finden.
Kay: Beides ist aber nicht unmöglich, und man
könnte Sie jetzt fragen: Würden Sie 500 Euro
gegen einen Euro wetten, dass Sie in dem Resort
doch einen neuen lebenspartner finden? Oder
300 Euro? 200 Euro?
ZEIT: und auf diese Weise herausfinden, wie ich
das Risiko einschätze.
Kay: So machen das viele Ökonomen. und Sie
werden das rational abwägen und sagen: Seien Sie
nicht albern!
ZEIT: Bitte?
Kay: Wenn Sie vernünftig sind, werden Sie mir
die Wette ausschlagen und in eine Bar für Singles
gehen. in solchen Situationen haben weder Sie
noch ich genug informationen, um die Situation
beurteilen zu können. und weder Sie noch ich
wissen, was der andere weiß. Das gilt auch für fast
alle Vorgänge an den Finanzmärkten, wo infor-
mationen ungleich verteilt sind und man viele
Dinge schlicht nicht beurteilen kann. leider neh-
men viele Ökonomen trotzdem an, dass an den
Finanzmärkten überall auf alles gewettet wird
und dass auf der Basis von Wahrscheinlichkeiten
Preise gebildet werden. Daraus folgern sie, dass
der Markt komplett ist. Bloß ist das alles unver-
einbar mit vernünftigem Verhalten.
ZEIT: Haben Sie eine bessere idee?
Kay: Wir brauchen eine neue Ökonomie, die
unter Risiken wieder eher das versteht, was auch
der Mann auf der Straße damit meint: nichts
Ausgewogenes, sondern etwas eher Schlechtes im
Vergleich zu bestimmten Plänen und Erwartun-

gen. Niemand sagt: »Es besteht ein Risiko, dass
ich im lotto gewinne«, so reden höchstens Statis-
tiker. Es sagt auch niemand: »Es besteht ein Risi-
ko, dass ich nicht im lotto gewinne«, weil man
gar nicht davon ausgeht, zu gewinnen.
ZEIT: Wovon sprechen Sie stattdessen?
Kay: Wir sprechen von einer Erzählung: Die leu-
te haben eine Erwartung im Kopf, wie sich die
Dinge entwickeln sollen. Ein Risiko ist, was diese
Referenzerzählung stört. unsicherheit ist, dass
man einfach nicht weiß, was geschehen wird.
und das ist meistens der Fall! Radikale unsicher-
heit macht den größten Teil der Welt aus.
ZEIT: Kein Mensch wird Sie als Anlageberater
einstellen. Die leute würden vor Angst eingehen.
Kay: Aber in Großbritannien empfehlen ihnen
Anlageberater derzeit, ein Portfolio mit »niedri-
gem Risiko« zu führen, in dem viele Anleihen ste-
cken. Anleihekurse haben eine niedrige Volatili-
tät. Bloß bringt ein 50-jähriger Bond, der die in-
flation ausgleicht, derzeit minus 1,8 Prozent.
Wenn Sie das so machen, vermeiden Sie jede Art
von unsicherheit: Sie werden garantiert einen mi-
serablen Ruhestand genießen.

ZEIT: Darf ich mal fragen, wie Sie für den Ruhe-
stand vorgesorgt haben?
Kay: ich verrate ihnen die investmentstrategie
meines Oxford-Colleges. Wir haben eine Menge
immobilien im Portfolio: Häuserblocks in Berlin,
Grundstücke in der britischen Ortschaft luton
und ein Bürogebäude in San Francisco. ich kann
ihnen nicht sagen, wie die Gewinne aus diesen
drei Anlagearten in 20 Jahren aussehen werden,
aber ich weiß: Was diese Gewinne bestimmt, ist
in allen drei Fällen sehr unterschiedlich.
ZEIT: Das klingt doch nach Portfoliotheorie ...
Kay: ... aber was ich eigentlich mache, ist etwas
anderes. ich formuliere eine robuste Referenz-
geschichte, eine Erwartung an die kommenden
Jahre. und das Risiko, das gegen diese Referenz-
geschichte steht, halte ich durch Diversifizierung
im Schach. ich stelle keine hoch mathematischen
Kalkulationen mit erfundenen Verbindungen
zwischen meinen drei Arten von Anlagen an.
ZEIT: Eigentlich sagen Sie: Managt Eure Finan-
zen mit gesundem Menschenverstand! Wird das
modernen Erfordernissen gerecht?
Kay: Heute findet in Wertpapierhäusern, bei
Zentralbanken, bei Versicherungen und in un-
ternehmen das Gegenteil statt. Da schaffen Öko-
nomen riesige und eigentlich irrelevante Modelle
über Branchen oder ganze Volkswirtschaften. in
einer Tabelle habe ich einmal einen Wert für die
folgende Frage entdeckt: Wie viele Menschen
werden an einem Freitag im Jahr 2036 zwischen
16 und 19 uhr in einem Auto sitzen? Wir wissen
doch nicht mal, ob es dann noch Autos gibt.
ZEIT: Wenn das alles überhaupt nicht funktio-
nierte, wären alle Versicherer schon bankrott, und
Prognoseinstitute lägen ständig grob daneben.
Kay: Es gibt leider nicht viel Gutes über die Vor-
hersagekraft dieser Art Modelle zu sagen.
ZEIT: Sie haben mal gesagt: Eine Welt voller radi-
kaler unsicherheit hat auch ihre Vorteile.
Kay: Ja, sicher. unternehmertum, Kreativität,
spannende Experimente und dergleichen entste-
hen nur in einer Welt, in der Überraschungen
noch möglich sind. Nur ist das ein schrecklich
missverstandenes Argument.
ZEIT: Was wird da missverstanden?
Kay: Es geht um die richtige Kombination. ich
glaube, dass unwägbarkeiten eine gute, anregen-
de Sache sind – solange das Risiko vom Scheitern
der eigenen lebenserwartungen nicht zu groß ist.
Was man nicht will, sind Wirtschaftsordnungen,
die extreme Stagnation festschreiben. Etwa als die
Chinesen und Japaner vom 16. bis zum 19. Jahr-
hundert ihre Gesellschaften nach außen hin ab-
schlossen. in der früheren DDR war es so ähn-
lich. Da gibt es kein Risiko mehr, aber auch keine
Überraschungen.
ZEIT: Klingt so, als wünschten Sie sich eine So-
zial demokratie. Die Dynamik der Marktwirt-
schaft, aber ein leben ohne soziale Totalabstürze.
Kay: Ja, zusammen mit einem belebenden Plura-
lismus in der Gesellschaft. Viele Gesellschaften
haben da kollektiv sehr sinnvolle Systeme hervor-
gebracht. Dazu gehört auch, dass wir in Europa
zumindest einen Teil der Altersvorsorge oder
auch des Krankheitsrisikos kollektiv absichern.
Nicht nur mit Versicherungen und an den Wert-
papiermärkten.
ZEIT: in der Folge reden Sie hier einer radikalen
Vereinfachung und auch einer deutlichen Ver-
kleinerung der Wertpapiermärkte das Wort.
Kay: Die Finanzkrise ab 2008 hat uns das doch
gelehrt: Wir brauchen nicht all diese komplexen
instrumente. Keinesfalls hilft uns die breite Streu-
ung von Wertpapieren dabei, das Risiko von Zu-
sammenbrüchen zu verhindern. und wir lösen
auch Europas Wirtschaftsprobleme nicht, indem
wir einen vereinigten Kapitalmarkt an derivativen
Wertpapieren aufbauen. Das wird immer nur
dazu führen, dass leute mit guten informationen
diese Wertpapiere auf andere leute abschieben,
die weniger davon verstehen. und den Überblick
hat dann keiner mehr.

Die Fragen stellte Thomas Fischermann

Chance oder Risiko?


Ich glaube, dass


Unwägbarkeiten


eine gute, anregende


Sache sind


John Kay

Der britische


Ökonom John Kay


fordert eine


neue Art von


Volkswirtschaftslehre,


die besser für


eine unsichere Welt


geeignet ist


Fotos [M]: ddp images; Lubitz + Dorner/plainpicture

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