Die Welt - 02.03.2020

(Brent) #1
NNNRW-Ministerpräsident Armin Laschet legt in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem neben der ewigen Flamme einen Kranz niederRW-Ministerpräsident Armin Laschet legt in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem neben der ewigen Flamme einen Kranz nieder

REUTERS

/ RONEN ZVULUN

A


ls Armin Laschet den israe-
lischen Staatspräsidenten
Reuven Rivlin in kleinem
Kreis traf, musste er ihm
auch eine sorgenvolle Bot-
schaft übermitteln. „Wir alle dachten:
Nie wieder, und erneut gibt es Antise-
mitismus, erneut gibt es Rassismus, er-
neut gibt es rechte Gewalt, und ich
schäme mich, dass wir das in Deutsch-
land 75 Jahre nach der Befreiung von
Auschwitz wieder erleben“, sagte Nord-
rhein-Westfalens Ministerpräsident am
Sonntagmittag in einem Empfangszim-
mer von Rivlins Amtssitz in Jerusalem.

VON KRISTIAN FRIGELJ
AUS JERUSALEM UND TEL AVIV

Er bekräftigte bei Rivlin eine Garan-
tie, die Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) 2008 der israelischen Regierung
gegeben hatte. „Die Staatsräson
Deutschlands ist, die Sicherheit des
Staates Israel zu sichern, ja, das stimmt.
Aber die Staatsräson ist auch, die Si-
cherheit von Juden in Deutschland zu
garantieren“, betonte Laschet. Es gebe
in Deutschland einen starken Staat, ei-
ne starke Zivilgesellschaft, die Rassis-
mus, Antisemitismus und Diskriminie-
rung bekämpfe. Er kündigte an, dass er
am Abend ein neues NRW-Auslandsbü-
ro in Tel Aviv eröffnen werde, um die
Beziehungen zu Israel zu vertiefen. Zu-
vor hatte der Christdemokrat einen
Kranz in der Gedenkstätte Yad Vashem
niedergelegt.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsi-
dent hatte sich kurzfristig mit einer
großen Delegation auf die große Bühne
der Außenpolitik begeben. Laschets
zweite Israel-Reise seit seinem Regie-
rungsantritt 2017 stand unter dramati-
schen Vorzeichen. Die rechtsradikalen
Mordanschläge auf den Kasseler Regie-
rungspräsidenten Walter Lübcke, in
Halle an der Saale auf die dortige Syna-
goge und in Hanau auf Migranten haben
internationale Bestürzung ausgelöst.
Laschets Kurzbesuch sorgte noch aus
einem anderen Grund für Aufmerksam-
keit: Der 59-Jährige hat vor wenigen Ta-
gen seine Kandidatur für den CDU-Par-
teivorsitz angekündigt. Im Wettbewerb
zwischen ihm und seinen Konkurrenten
Friedrich Merz und Norbert Röttgen
geht es auch darum, wem am ehesten
die Kanzlerkandidatur für die nächste
Bundestagswahl spätestens 2021 zuzu-
trauen ist, wer über ein souveränes Auf-
treten bei bundes- und weltpolitischen
Themen verfügt. Merz war zehn Jahre
lang Vorsitzender der traditionsreichen

Atlantik-Brücke zur Förderung der
deutsch-amerikanischen Beziehungen,
und Röttgen führt den Auswärtigen
Ausschuss des Bundestages. Sie haben
sich eine außenpolitische Expertise er-
arbeitet.
Laschet ist jedoch als Ministerpräsi-
dent einer schwarz-gelben Landesregie-
rung im bevölkerungsreichsten Bundes-
land, als Vorsitzender des mitglieder-
stärksten CDU-Landesverbandes «in
NRW und CDU-Bundespolitiker kein
schlichter Landespolitiker.
Der Christdemokrat beschäftigte sich
seit seiner Zeit als Bundestags- und Eu-
ropaabgeordneter ab den 90er-Jahren
intensiv mit internationaler Politik. La-
schet hat früh begriffen, dass Außenpo-
litik Aufmerksamkeit generieren und ei-
ner persönlichen Profilierung dienen
kann. Seit mehr als 15 Jahren gehört er
dem Direktorium der Karlspreis-Gesell-
schaft in seiner Heimatstadt Aachen an,
die Persönlichkeiten für europäische
Verdienste auszeichnet. 2018 wurde
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel
Macron geehrt. Laschet forderte da-
mals, sich an dem dynamischen Franzo-
sen zu orientieren: „Wir sollten ent-
schlossen seine Initiative aufgreifen
und die Zögerlichkeit beenden.“ Diese
Haltung hat er immer wieder bekräftigt,
zuletzt auf der Münchner Sicherheits-
konferenz vor zwei Wochen: „Heute
macht der französische Präsident Vor-
schläge, wir brauchen zu lange, bis man
reagiert“, sagte er und erinnerte an die
große Initiativen während der Kanzler-
schaft Helmut Kohls.
Die Distanzierung von Merkel in die-
sem Punkt ist eine Ausnahme, sonst
legt Laschet Wert darauf, seine Loyali-
tät gegenüber der Bundeskanzlerin zu
betonen.
Vor rund einem Jahr, im Januar 2019
ergab sich eine weitere Gelegenheit, sei-
ne Präsenz auf dem internationalen
Parkett zu erhöhen. Damals wurde La-
schet für drei Jahre zum deutsch-fran-
zösischen Kulturbevollmächtigten der
Bundesregierung ernannt. Wie viel
Strahlkraft dieses Amt haben kann, lässt
sich aus einem Foto vom Oktober ver-
gangenen Jahres ableiten: Darauf ist der
deutsch-französische Ministerrat zu se-
hen, der aus den Kabinetten beider Re-
gierungen besteht. Merkel und Macron
stehen im Zentrum, hinter der linken
Schulter des Franzosen hat sich Laschet
postiert. Er gehört nun zu den bevor-
zugten deutschen Politikern in Paris.
Dem Aachener lässt sich ein zentraler
außenpolitischer Satz zuschreiben:
„Wir brauchen mehr Europa.“ Dies wie-

derholt er immer wieder, sei es in der
Euro-Krise, in der Flüchtlingskrise oder
bei der Frage, wie Deutschland interna-
tionale Stärke bewahren kann. Laschet
legt Wert auf eine differenzierte Sicht,
weil die Weltlage unübersichtlich und
komplex ist, doch das erzeugt Erklä-
rungsbedarf. Laschet vertritt einen in-
tegrativen, pragmatischen Politik-
ansatz, der sich als „kritischer Dialog“
beschreiben lässt.
Er kritisierte 2017 öffentlich US-Prä-
sident Donald Trump, als jener Nordko-
rea mit „Feuer und Wut“ drohte. Dieses
„Gerede“ von Trump sei „inakzepta-
bel“, schrieb Laschet beim Kurznach-
richtendienst Twitter. Andererseits be-
zeichnete er die Kritik von Grünen-
Chef Robert Habeck an Trump beim
Weltwirtschaftsgipfel in Davos als „un-
beherrscht und maßlos“. Die Amerika-
ner seien die „wichtigsten Verbündeten
Europas“.
Laschet akzeptiert die entscheidende
Rolle des türkischen Staatspräsidenten
Recep Tayipp Erdogan in der Flücht-
lingspolitik und war 2018 sogar bereit,
ihn auf einem Schloss in Nordrhein-
Westfalen zu empfangen. Das Zusam-
mentreffen scheiterte, weil die Eigentü-
mer intervenierten.
Laschets Haltung zu Russland und
dessen Präsident Wladimir Putin ist
kompliziert. Laschet verurteilt die An-
nexion der Krim durch Russland, doch
er hat sich den Ruf eingehandelt, ein
„Putin-Versteher“ zu sein. Das vom
Kreml gesteuerte staatliche Propagan-
da-Medium RT Deutsch beschäftigt sich
in einem aktuellen Artikel mit der au-

ßenpolitischen Haltung von Merz und
Laschet, die um den Parteivorsitz kon-
kurrieren. Darin wird die „im Vergleich
zum Rest der Partei ausgewogene, des-
halb fast schon russlandfreundlich klin-
gende Rhetorik Laschets“ erwähnt.
Bereits 2014 beklagte Laschet einen
„Anti-Putin-Populismus“ und eine „Dä-
monisierung Putins“. 2019 trat der
NRW-Ministerpräsident beim Deutsch-
Russischen Forum in Berlin auf und be-
tonte: „Russland ist von zentraler Be-
deutung für die internationale Sicher-
heit. Allein schon dafür braucht es den
Dialog. Selbst während der größten An-
spannung im Kalten Krieg hat es immer
einen Austausch mit dem Westen gege-
ben: in Wissenschaft, Wirtschaft, Kul-
tur und beim zivilgesellschaftlichen
Dialog.“
Wenige Monate später begrüßte La-
schet den russischen Außenminister
Sergej Lawrow beim Petersburger Dia-
log in Bonn und betonte trotz der Diffe-
renzen: „Das Verbindende zwischen un-
seren Ländern müssen wir stärken, die
Bänder fester knüpfen und die Verstän-
digung intensivieren, das Trennende
gilt es offen anzusprechen.“ Laschet
sieht Russland als entscheidende Kraft
im Syrien-Konflikt, ohne die eine Be-
kämpfung der Terrororganisation Isla-
mischer Staat (IS) und ein Weg zu ei-
nem Friedensprozess nicht möglich sei.
Allerdings ist Russland auch dafür ver-
antwortlich, dass bei Luftangriffen
zahlreiche Zivilisten starben.
Vor seiner Israel-Reise stellte Laschet
via „Bild“-Zeitung klar: Er habe den sy-
rischen Machthaber Baschar al-Assad
„noch nie in meinem ganzen Leben ver-
teidigt“, Russland sei auf der Krim ein
„Aggressor“.
Beim Kurzbesuch in Israel wurde La-
schet auch zu den Kämpfen in der nord-
syrischen Provinz Idlib gefragt, die eine
neue Migrationsbewegung nach Europa
auslösen könnten. Der NRW-Minister-
präsident stand am Sonntag auf einem
schlichten Podest im Hinterhof des
Ben-Gurion-Hauses in Tel Aviv und
mahnte, es sei dringend erforderlich,
dass eine geschlossene EU diplomatisch
auf Putin und Erdogan einwirke. La-
schet warb dafür, „dass man eine huma-
nitäre Lösung findet, nicht mit Flücht-
lingen spielt und nicht Flüchtlinge qua-
si als Druckmittel gegen Deutschland
und Europa einsetzt“.
Laschet stieß in diesem Moment auch
an die Grenzen seines aktuellen politi-
schen Amtes. Als NRW-Ministerpräsi-
dent steht ihm vorerst kaum mehr als
ein dringlicher Appell zur Verfügung.

Proben für die große Bühne


Im Wettbewerb um


den CDU-Vorsitz


arbeitet Armin


Laschet an seinem


außenpolitischen


Profil. Bei einem


Kurzbesuch in Israel


wurde der 59-Jährige


auch mit den


aktuellen


Flüchtlingsproblemen


in Idlib konfrontiert


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02.03.20 Montag,2.März2020DWBE-HP


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4 POLITIK DIE WELT MONTAG,2.MÄRZ


Ich wähle Netanjahu, weil er ein großarti-
ger Staatschef ist. Er hat sein Leben un-
serem Land gewidmet und aus Israel ei-

nen wunderbaren Ort gemacht. Unsere
exzellenten internationalen Beziehungen
beruhen auf Bibis Kontakten zu den Füh-
rern dieser Welt. Er ist ein sehr guter
Botschafter für Israel und hat seinen
Platz in der Geschichte verdient. Deswe-
gen sollte er jede Stimme bekommen, ge-
rade jetzt, wo die Linken, die Staatsan-
wälte, die Polizei und die Medien eine wi-
derliche Hetzjagd gegen ihn veranstal-
ten. Den ganzen Tag lang schreien sie
nur: „Korruption!“ Wenn man anfängt zu
suchen, findet man doch bei jedem
Dreck, keiner ist sauber. Warum ermit-
teln sie nicht gegen seine Feinde? Die
wollen ihn doch nur loswerden, um ihre
eigenen Geschäfte machen zu können.

KONTRA


Wir befinden uns in einer unmöglichen
Situation mit Netanjahu und seinen ul-
traorthodoxen Koalitionspartnern. Es
darf nicht sein, dass religiöse Autoritä-
ten unsere Freiheit einschränken: Keine
öffentlichen Verkehrsmittel am Schab-
bat, staatliche Finanzierung von ultraor-
thodoxen Schulen, in denen nicht einmal
Mathematik unterrichtet wird. Es gibt zu
wenig Krankenhäuser und Ärzte, überall
fffehlen die Mittel – nur die religiösen Ge-ehlen die Mittel – nur die religiösen Ge-
meinden kriegen eine neue Klinik, ein-
fffach so, weil sie eine eigene wollen. Net-ach so, weil sie eine eigene wollen. Net-
anjahu hat ein Team von Leuten um sich
versammelt, die denken, sie stünden
üüüber dem Gesetz. Sie haben das liberaleber dem Gesetz. Sie haben das liberale
Grundgerüst der Gesellschaft beschädigt
und den Generalstaatsanwalt, der sie an-
geklagt hat, in unsäglicher Art und Weise
beschimpft. Netanjahu redet von einer
VVVerschwörung der Justiz – er kopierterschwörung der Justiz – er kopiert
Trump.

Bibi hat einen Keil zwischen uns getrie-
ben, der Spalt zwischen links und rechts
war noch nie so groß. Die gesamte Ge-
sellschaft ist seiner Schwarz-Weiß-Rhe-
torik verfallen: „Wenn du links wählst,
verrätst du dein Land“ – „Wenn du Ara-
ber liebst, hasst du Israel“. Unter ihm ist
das Leben auch immer teurer geworden.
Arme Leute, die Unterstützung vom
Staat brauchen, interessieren ihn nicht,
er handelt nur zum Vorteil seiner rei-
chen Freunde, den Millionären, die ihn
mit Zigarren und Champagner überhäu-
fffen. Eine Hand wäscht die andere. Unden. Eine Hand wäscht die andere. Und
dabei schafft Bibi auch noch, es so hinzu-
stellen, als sei Korruption etwas völlig
Normales. Er verdreht die Moral. Wenn
er nicht geht, leben wir bald in einer Bi-
bi-Diktatur.

Netanjahu ist sehr schlau: Er weiß, wie er
die Israelis manipulieren kann, und setzt
im Wahlkampf auf ihre Angst vor uns
Arabern. Die Politiker der arabischen
Parteien Israels sind die Einzigen, die
seinem Hass etwas entgegensetzen, des-
wegen stimme ich für sie. Ich fände es
gggut, wenn Netanjahu endlich mal dieut, wenn Netanjahu endlich mal die
WWWahl verliert, aber am Ende macht esahl verliert, aber am Ende macht es
keinen großen Unterschied, ob er oder
ein anderer regiert. Einen eigenen Staat
fffür uns Palästinenser wird es nicht ge-ür uns Palästinenser wird es nicht ge-
ben, solange er von der Zustimmung Is-
raels abhängt. Nur wenn ein mutiger
amerikanischer Präsident gewählt wird
und die USA in den Vereinten Nationen
nicht mehr ihr Veto gegen ein unabhän-
giges Palästina einlegen, wird sich hier
etwas ändern.

I


srael verzeichnet in diesem Jahr drei
Rekorde. 1: Am 2. März gehen die
Bürger zum dritten Mal innerhalb
von zwölf Monaten wählen, weil sich
die Parteien nicht auf eine Regierungs-
koalition einigen konnten. Benjamin
Netanjahus Likud und das Bündnis
Blau-Weiß seines Rivalen Benny Gantz
liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

VON CHRISTINE KENSCHE
AUS TEL AVIV

2 : Benjamin Netanjahu ist mit insge-
samt mehr als 13 Jahren der am längsten
amtierende Ministerpräsident Israels. Er
hat damit den Staatsgründer Ben Gurion
(((1948–1953 und 1955–1963) überholt. 1948–1953 und 1955–1963) überholt.
3 : Benjamin „Bibi“ Netanjahu ist nicht
nur der am längsten währende Regie-
rungschef, sondern auch der erste, der in
seiner Amtszeit angeklagt wird. Israels
Generalstaatsanwalt wirft ihm Korrupti-
on, Untreue und Bestechlichkeit vor. Im
Mittelpunkt von insgesamt drei Ermitt-
lungskomplexen steht die Einflussnah-
me auf Medien: Netanjahu soll von dem
Eigentümer der Nachrichtenseite „Wal-
la“ positive Berichte über sich und seine
Familie eingefordert und dafür kartell-
rechtlich umstrittene Transaktionen ge-
nehmigt haben. Die vorherige Wahl ist
zu einem Referendum über Netanjahu
geworden: Die eine Hälfte der Bevölke-
rung will ihn aus dem Amt jagen; die an-
dere möchte ihn weiter als Regierungs-
chef sehen. Wir haben mit sechs Wäh-
lern aus unterschiedlichen Orten, Alters-
tufen und Einkommensschichten ge-
sprochen und gefragt, warum sie „Bibi“
verehren – oder verachten.

PRO


Bibi kann auf allen Feldern Erfolge
vorweisen: die beste wirtschaftliche
Lage in der Geschichte Israels, eine
niedrige Arbeitslosenquote und Si-
cherheit an allen Fronten. 2019 war
das Jahr mit den niedrigsten Verlusten
unter unseren Soldaten. Israels au-
ßenpolitischen Beziehungen sind bes-
ser als je zuvor – wir haben sogar neue
Beziehungen zu arabischen Staaten!
Die Wahl ist auch eine Frage der Iden-
tität: Die Linke hat keine Verbindung
zu unseren Traditionen, sie ist ohne
WWWurzeln, beliebig. Selbst wenn dieurzeln, beliebig. Selbst wenn die
VVVorwürfe gegen Bibi stimmen – im Na-orwürfe gegen Bibi stimmen – im Na-
hen Osten ist es besser, einen ein biss-
chen korrupten, aber starken Anfüh-
rer zu haben, als einen schwachen.

Meine Nachbarn und ich wissen, dass nur
eine starke Regierung in der Lage sein
wird, unsere Siedlungen in Judäa und Sa-
maria (Westjordanland, Anm. d. Red.) zu
beschützen. Deswegen wähle ich Netan-
jahu, damit er den Auftrag zur Regie-
rungsbildung bekommt und eine Koaliti-
on mit den rechten Parteien eingeht.
Niemand hier will eine große Koalition
mit Benny Gantz. Sollte es tatsächlich
dazu kommen, dass er die Wahl gewinnt,
dann müssen dringend noch mehr Leute
in die Siedlungen ziehen und zeigen, dass
wir unsere angestammten Gebiete auf
keinen Fall aufgeben werden.

MIRIAM LOTTNER

„Lieber ein bisschen korrupt


und stark als schwach“


Israelische Wähler und ihre Meinung zu Netanjahu


CHRISTINE KENSCHE

CHRISTINE KENSCHE

REPHAEL COHEN, 31
JURA-STUDENT
JERUSALEM

RACHEL MOORE, 47
UNTERNEHMERIN
SIEDLUNG NEVE DANIEL

MICHAL LEVANON, 51
LOHNBUCHHALTERIN
PETACH TIKWA

LEON GRUNHAUS, 71
PSYCHIATER
HERZLIA

RONIT TAYAR, 46
FILMEMACHERIN
MOSCHAW BEIT HERUT

SHABAN SHABAN, 34
VERMESSUNGSTECHNIKER
TUURAN

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