Süddeutsche Zeitung - 02.03.2020

(Nora) #1

Prince Owusu hat mit einer Aktion ge-
schafft, was Prinz Charles in seinem gan-
zen Leben nicht gelang. Der Brite, mittler-
weile 71, wird einfach nicht König, weil sei-
ne Mutter Elizabeth mit 93 Jahren immer
noch regiert. Owusu, 23, köpfelte in der
Nachspielzeit das 4:3 für den TSV 1860 ge-
gen den Chemnitzer FC – und setzte dieser
wahnwitzigen Partie die Krone auf. Stadi-
onsprecher Stefan Schneider brüllte ins Mi-
krofon: „Das Tor für Sechzig erzielte
Prince ...“ Die Fans ergänzten: „Owusu!“
Wieder Schneider: „Prince ...“ Die Fans:
„Owusu!“ Und noch einmal Schneider: „Kö-
nig ...“ Die Fans: „Owusu!“
Königin Elizabeth regiert seit fast 68
Jahren. Die Löwen sind seit 13 Spielen un-
besiegt, das sind mehr als 120 Tage. Sie dür-
fen eher als Prinz Charles von einem Auf-
stieg träumen. Aber reden wollten sie her-
nach nicht davon, die Spieler nicht, der
Trainer nicht.


Trainer Michael Köllner hatte Quirin
Moll, 29, und Timo Gebhart, 30, anstelle
von Dennis Dressel, 21, und Noel Niemann,
20, für die Startelf nominiert. Routine statt
Jugend, wie in Großbritannien. Köllner
glaubte wohl, dies sei das probate Mittel ge-
gen robuste und formstarke Chemnitzer.
Moll agierte als Sechser, Gebhart als Zeh-
ner. Das gehörte zum Matchplan der Lö-
wen. „Wenn du Gott zum Lachen bringen
willst, erzähl ihm von deinen Plänen“, sag-
te der Philosoph Blaise Pascal. Es kommt al-
so im Leben, und im Fußball, ohnehin an-
ders, als man denkt. „Man hat sich vorher
1000 mal den Kopf zerbrochen, wie ein
Spiel gehen könnte“, sagte Köllner nach
der Partie. „Aber das, was heute passierte,
kann man sich nicht ausmalen.“
Schon die Ereignisse der zweiten Minu-
te warfen vieles, vielleicht alles über den
Haufen: Niklas Hoheneder, auch schon 33,
köpfelte aus vier Metern; Tormann Marco
Hiller parierte; Hoheneder staubte ab. Die
Löwen, in Person des zugeteilten Dennis
Erdmann, hatten den Fehler gemacht, den
Schützen alleine zu lassen; und der
Schiedsrichter und seine Assistenten hat-
ten den Fehler gemacht, dessen Abseits-
stellung zu ignorieren. Schiedsrichter Mar-
cel Gasteier missachtete außerdem, dass
Tim Rieder nach einer Verletzungspause
seit 68 Jahren an der Seitenlinie bereit
stand, um wieder herein gewunken zu wer-
den. Gasteier ließ Rieder draußen stehen
wie ein Busfahrer einen ungezogenen
Schüler, und die Gäste nutzten die Über-
zahl zum 0:2 (36.). Die Löwen leisteten er-
neut ihren Beitrag, diesmal in Person von
Aaron Berzel, der einen langen Ball vor die


Füße von Philipp Hosiner köpfelte. Hosi-
ner passte, bedrängt von Hiller und Erd-
mann, auf Erik Tallig, der die Kugel flach
ins leere Tor bugsierte. In der Blitztabelle
war Chemnitz auf zwei Punkte an 1860 her-
an gerückt. „Jeder weiß, was hier los gewe-
sen wäre, wenn wir heute verloren hätten“,
sagte der Fußballweise und 1860-Kenner
Sascha Mölders nach dem Spiel.
Oh ja, Löwen können sehr kritisch sein,
sehr nostalgisch, sehr euphorisch – und
sehr wütend. Gasteier bekam das nach
dem 0:2 zu hören. Das ganze Stadion pfiff
und brüllte, auch die Spieler und der Trai-
ner, der dafür Gelb sah, waren außer sich.
Stefan Lex war der Erste, der Wut in Ener-
gie verwandelte. Er umkurvte Hoheneder
und Matti Langer und hob den Ball über
Torhüter Jakub Jakubov ins lange Eck. Das
geschah drei Minuten vor der Pause. Und
jeder Fußballweise weiß, wie wichtig ein
Anschlusstreffer vor der Pause ist.
Die Löwen kamen dann früher aus der
Kabine als die Gäste, so früh, dass der Ra-
sensprenger, der das Spielfeld wässerte,
seinen Betrieb noch nicht eingestellt hatte.
Berzel und Philipp Steinhart wurden nass
gespritzt, weil sie ins Gespräch vertieft wa-
ren. Aber das löschte ihr Feuer nicht. Als
Maximilian Oesterhelweg den energisch
aufgerückten Steinhart im Strafraum foul-
te, verwandelte Gebhart den Strafstoß
(54.). Eigentlich ist Steinhart der Elfer-
schütze, aber Gebhart ist offenbar in jeder
Szene ein genialer Ballbehaupter. Er
schnappte sich die Kugel, traf und zeigte
nach dem Tor auf seine Rückennummer:
Ich war’s. „Ich bin nicht sauer auf Timo“,
sagte Steinhart hernach. „Ich bin froh,
dass er ihn rein gemacht hat.“

Als Lex wenig später einen Ball in den
Strafraum schaufelte, stoppte Mölders, die-
ser geniale Ballverarbeiter, das krumme
Ding mit der Brust und wuchtete es mit
rechts in Tor (58.). Aber als Efkan Bekirog-
lu mit einem schlampigen Außenristpass
Hosiner bediente und dieser für die Chem-
nitzer zum 3:3 ausglich (64.), dachten vie-
le: typisch Sechzig. Reißen mit dem Hin-
tern ein, was sie aufgebaut haben. Doch
dann stürmte der TSV 1860 mit Mann,
Maus und Mentalität. Köllner, der den Sieg
„mit Gewalt“ wollte, wie er sagte, brachte
den Stürmer Nico Karger und den Stürmer
Owusu, der zu diesem Zeitpunkt noch
Prince mit Vornamen hieß. Owusu köpfel-
te das 4:3 nach einer Ecke von, natürlich,
Stefan Lex. Dann war Schluss, das Grün-
walder Stadion jubelte, und Bekiroglu, der
Pechvogel, sprang König Owusu erleich-
tert in die Arme. gerhard fischer

von felix haselsteiner

W


enn man sie offensiv agieren
lässt“, hatte FC-Bayern-Trainer
Oliver Kostic vor dem Spitzen-
spiel über den Gegner Oldenburg gesagt,
„ist das eine sehr gute Mannschaft, die je-
dem Team Probleme bereiten kann.“ War-
nungen wie diese gehören zum Alltag eines
Trainers, vor dem Spiel zumindest. Selte-
ner muss man in der Basketball-Bundesli-
ga (BBL) die bereits geäußerte Warnung in
der Halbzeit noch einmal wiederholen, so
wie Oliver Kostic am frühen Sonntag-
abend. „Ich habe in der Halbzeit erneut dar-
über gesprochen, dass wir mit viel Energie
spielen müssen“, sagte er nach der Partie.
Es war eine Ansage mit Wirkung, denn auf
eine desaströse erste Halbzeit ließen die
Basketballer des FC Bayern eine herausra-
gende zweite folgen und besiegten den Ta-
bellenfünften aus Oldenburg 79:58 (29:41).

Die Münchner, ohne die weiterhin ange-
schlagenen Nihad Djedovic und Petteri Ko-
ponen sowie den wegen der Ausländerre-
gel aussetzenden Mathias Lessort im Ka-
der, begannen schwach. Greg Monroe sorg-
te mit den ersten seiner insgesamt 14 Punk-
te zwar für eine schnelle 4:0-Führung,
dann jedoch trafen nur noch die Oldenbur-
ger: Ein 16:0-Lauf brachte ihnen eine deut-
liche Führung, erst nach sechs Minuten
und einer Auszeit punkteten T.J. Bray und
Danilo Barthel mit zwei Dreier-Würfen wie-
der für die Münchner. Sie taten sich aller-
dings weiter schwer gegen effiziente Olden-
burger, bei denen in der ersten Halbzeit
vor allem der Österreicher Rasid Mahalb-
asic herausragte (insgesamt neun Punkte
und acht Rebounds) und Greg Monroe vor-
ne wie hinten beschäftigte.
Bis die Münchner Offensive zum Zug
kam, dauerte es zwölf Minuten: Paul Zip-
ser und Maodo Lo trafen im zweiten Viertel
für drei Punkte, Monroe verwertete Zuspie-
le unter den Korb. Die Leistung blieb trotz-
dem schwach, die Bayern verloren auch
das zweite Viertel verdientermaßen mit
sechs Punkten Unterschied. Oldenburg
führte zur Halbzeit 41:29, ohne dafür eine
spektakuläre Leistung zeigen zu müssen.
Die Effizienz von Rickey Paulding (elf
Punkte) und die Spielfreude von Braydon
Hobbs reichten aus, um die uninspiriert
wirkenden Bayern in den ersten zwanzig
Minuten zu dominieren. „Ich hatte das Ge-
fühl, dass wir in der ersten Halbzeit noch
geschlafen haben“, sagte Kostic später.

Es folgte dann allerdings eine Reaktion,
die deutlich darlegte, warum die Münch-
ner die BBL-Tabelle unangefochten anfüh-
ren: Das dritte Viertel gehörte vom ersten
Wurf an den Bayern, die nun ihre spieleri-
sche Stärke demonstrierten. Zipser erziel-
te acht seiner insgesamt 15 Punkte in den
ersten zwei Minuten nach Wiederanpfiff
und brachte die Heimmannschaft damit
zurück ins Spiel, dann folgten Dreierwürfe
von Lo und Alex King sowie vier Punkte
von Monroe. Als stünde eine komplett an-
dere Mannschaft auf dem Feld, wirkten die
Münchner nun agil und spielfreudig, kom-
binierten sich durch die Oldenburger Ab-

wehr und hatten in Person von King (insge-
samt elf Punkte, darunter drei Dreier) auch
einen Spieler auf dem Feld, der das Publi-
kum mitriss. Weil den Oldenburgern in die-
ser Phase offensiv gar nichts mehr gelang
(bis auf einen (!) Freiwurf von Malhabasic),
beendeten die Münchner das dritte Viertel
mit 25:1 Punkten und damit in einer ge-
wohnten Position: mit zwölf Punkten Vor-
sprung.
Die Oldenburger, sichtlich mitgenom-
men von der aus ihrer Sicht desaströsen
Spielwendung, versuchten in den verblei-
benden zehn Minuten zurückzukommen,
scheiterten jedoch an ihren ungenutzten

Chancen. Die Münchner Defensive war, an-
ders als das Ergebnis vermuten lässt, auch
in der zweiten Halbzeit längst nicht fehler-
frei, Oldenburgs mäßige Trefferquote aller-
dings sorgte früh für klare Verhältnisse.
Zwei weitere Dreierwürfe vom starken
King erstickten jegliche Ansätze einer Auf-
holjagd umgehend.
Die 21 Punkte Vorsprung lesen sich am
Ende wie der ideale Start in die Vier-Spiele-
Woche mit jeweils zwei Euroleague- und
Bundesliga-Partien, den sich die Münch-
ner erhofft hatten. Die enttäuschende Leis-
tung in der ersten Halbzeit ist aber Grund
genug für weitere Warnungen von Kostic.

Am Samstag um kurz vor zwölf Uhr verab-
schiedete sich Robert Hettich von der
Mannschaft. Es tat ihm leid, dass er das
nicht persönlich tun konnte, die Spieler
hatten zwei Tage trainingsfrei, und so
musste er das über eine WhatsApp-Grup-
pe tun. Einige der Spieler des Fußball-Regi-
onalligisten Türkgücü München dürften
aus allen Aufstiegswolken gefallen sein.
Die Presseerklärung, die eine Stunde
später verschickt wurde, warf viele neue
Fragen auf. Der scheidende Geschäftsfüh-
rer Hettich wurde unter anderem so zitiert:
„Da Hasan Kivran und ich uns einig waren,
die Zusammenarbeit ab dem Sommer
nicht weiter fortzusetzen, haben wir uns
auf eine sofortige Auflösung verständigt.“
Mit anderen Worten: Weil man die Zusam-
menarbeit beenden möchte, hat man sie
noch früher beendet.


Über die genauen Gründe wollte Hettich
auch am Telefon keine Auskunft geben.
Nur so viel: Trainer Reiner Maurer wird sei-
ne Arbeit fortsetzen. „Der ist ein Vollprofi,
für ihn zählt nur der Aufstieg“, sagte der
44-Jährige. Präsident Kivran, der sich im
offiziellen Statement für Hettichs Arbeit
bedankte, war am Wochenende nicht zu er-


reichen. Dass dessen Arbeit in der Tat
„maßgeblich“ (Kivran) zu den Erfolgen der
jüngsten Zeit beigetragen hat, ist unum-
stritten: Hettich hatte den Kader des zwei-
fachen Aufsteigers für diese Saison zusam-
mengestellt, den Ex-1860-Trainer Maurer
zurück nach München geholt und war erst
vergangenen Sommer zum Geschäftsfüh-
rer befördert worden. Türkgücü führt mit
acht Punkten Vorsprung die Liga an und
kämpft ab dem nächsten Wochenende um
den direkten Aufstieg in den Profifußball.
Rein sportlich läuft also alles prima, in-
sofern erfolgt die Trennung zu einem selt-
samen Zeitpunkt. Sie könnte mit der Frage
nach der sportlichen Heimat im Profifuß-
ball zu tun haben. Der DFB hatte kürzlich
bekanntgegeben, dass maximal zwei Dritt-
liga-Teams im Grünwalder Stadion ihre
Heimspiele austragen dürfen. Allerdings
beanspruchen die U23 des FC Bayern, der
TSV 1860 und der designierte Regionalliga-
Meister Türkgücü das Stadion für sich.
Nach SZ-Informationen hat Türkgücü im
Lizenzierungsantrag, der an diesem Mon-
tag beim DFB eingehen muss, das Grünwal-
der als Spielstätte eingetragen. Ein Ge-
spräch von Vertretern der Klubs mit Mün-
chens Oberbürgermeister Dieter Reiter
(SPD) zum Stadionstreit ist nach SZ-Infor-
mationen erst für die Zeit nach der Kom-
munalwahl am 15. März anberaumt. cal

Nach der Aufregung um einen rauchenden
Pizzaofenund der vorübergehenden Räu-
mung der Augsburger Arena benötigte
Martin Schmidt nur zwei Worte, um den
Feueralarm nach dem Abpfiff mit der
2:3 (0:0)-Niederlage gegen Borussia Mön-
chengladbach in Zusammenhang zu stel-
len. „Punkte: Fehlalarm“, sagte der Trainer
des FCA. Seine Mimik kam dabei bittersüß
daher, und sie fasste die sportlichen Ge-
schehnisse des Samstags aus Augsburger
Sicht ganz gut zusammen.
Einerseits hatte seine Mannschaft ihre
magere Jahresbilanz auf fünf Niederlagen
in sieben Spielen erweitert, weshalb es bei
vier Punkten in 2020 geblieben ist. Zusam-
mengeschmolzen auf sechs Zähler ist zu-
dem der Vorsprung auf Fortuna Düssel-
dorf, das den Relegationsplatz belegt. An-
dererseits durften die Augsburger in dem
weiteren verlorenen Spiel durchaus hoff-
nungsvolle Signale erkennen, da sie nach
den Gegentoren von Ramy Bensebaini
(49. Minute) und Lars Stindl (53./79.) zwei
Mal nach einem Zwei-Tore-Rückstand
noch in die Reichweite eines Unentschie-
dens gekommen waren.

Zunächst hatte Eduard Löwen bei sei-
nem Startelfdebüt den FCA mit einem
Kopfball auf 1:2 herangebracht (57.), später
leitete der eingewechselte Alfred Finnboga-
son mit seinem Rechtsschuss zum 2:3 (83.)
eine turbulente Schlussphase ein, in der er
in der Nachspielzeit den Ausgleich nur um
einen Schritt verpasste. Und das gegen ei-
ne Gladbacher Mannschaft, die sich noch
theoretische Chancen auf den Meistertitel
ausrechnen darf und den FCA in der Hin-
runde beim 5:1 regelrecht auseinander ge-
nommen hatte. Hinzu kam, dass nun Dani-
el Baier gelbgesperrt fehlte. Vom ballsiche-
ren und nahezu fehlerfreien Carlos Gruze-
ro wurde der Kapitän auf der Sechs gut ver-
treten. Auch das durfte als hoffnungsvol-
les Zeichen gewertet werden, ebenso wie
Löwens Engagement und körperliche Prä-
senz weiter vorne im Mittelfeld.
Vor allem aber, das hob der stets kriti-
sche Jeffrey Gouweleeuw hervor, habe
man nun „wieder ein bisschen Fußball ge-
spielt, das ist sehr wichtig. Die Art und Wei-
se muss uns Vertrauen geben“, sagte der In-
nenverteidiger über die Niederlage, die er
mit einiger Berechtigung als Fortschritt
wertete. Zuletzt gegen Freiburg (1:1) und
bei in Leverkusen (0:2) habe man mit dem
Ball „gar nichts gemacht“, erinnerte er. Das
sah nun schon besser aus, jedenfalls in der
zweiten Halbzeit, als auch die Rückkehr
zur einst kultivierten Augsburger Wucht
gelang und die spielerische Armut über-

wunden wurde. Allerdings rannten sie da
schon jenen Gegentoren hinterher, an de-
nen sie sich wieder einmal einen beträchtli-
chen Anteil zuschreiben mussten. Gouwe-
leeuw stufte die ersten beiden Gegentore
als „Geschenke“ an Gladbach ein.
So ärgerlich das aus seiner Sicht war, plä-
dierte er als Verfechter eines spielerischen
Ansatzes dennoch dafür, nicht zu verza-
gen. „Ich habe es lieber, dass Leute Fehler
machen, als dass sie mit Angst spielen und
den Ball gar nicht haben wollen“, sagte der
Belgier, um seine übergeordnete Sicht der
Dinge plakativer zu veranschaulichen.
Und: „Ich habe es lieber, dass wir so verlie-
ren, als dass wir alle Kacka in den Hosen ha-
ben, so wie gegen Freiburg.“ Anlass dazu
böte die nun anstehende Dienstreise durch-
aus: Am Sonntag geht es zum FC Bayern.
Wohl auch deshalb konnte sich Trainer
Schmidt nicht zu einer überwiegend positi-
ven Betrachtung der Lage durchringen. Ge-
wiss könne man von einer Steigerung re-
den, sogar in allen Bereichen, befand er,
„aber auf einem relativ flachen Niveau.“
Seine Mängelliste geriet jedenfalls länger
als jene mit den Verbesserungen. „Wir stol-
pern wieder über unsere Defensivarbeit“,
klagte der Schweizer und wollte über den
Anteil von Torwart Tomas Koubek am 0:1
gar nicht erst reden. „Wir haben genug an-
dere Baustellen“, sagte Schmidt. Er ver-
wies auf die schon 50 Gegentore nach 24
Spielen, „das ist zu viel, da müssen Lösun-
gen her.“ Und was das Verteidigen angehe,
Schmidt machte es mit einer Geste vor, „da
nehme ich jeden seiner Profis am Ohr.“
Klar sei, „dass wir in den nächsten drei
Spielen gegen Bayern, Wolfsburg und
Schalke was holen müssen. Das Polster
schmilzt.“ All das klang vor allem nach:
Punktealarm. maik rosner

Es war schon ein gewitzter Versuch, einen
gestürztenFußballverein wieder auf die
große Bühne in Deutschland zu hieven. Bei
einer Pressekonferenz zum neuartigen Co-
ronavirus erklärte der Innenminister und
gebürtige Ingolstädter Horst Seehofer am
Donnerstag, welche Großveranstaltungen
in Deutschland künftig ausfallen könnten:
Entscheidend sei dabei, führte er aus, ob
besonders viele Menschen aus belasteten
Ländern kämen. Dann sagte er: „Das muss
man anders beurteilen, als wenn der FC In-
golstadt gegen Unterhaching spielt.“

Seehofer lachte, erst halbherzig, dann
heftig – der Klub seiner Heimat, vor drei
Jahren noch Bundesligist, spielt ja mittler-
weile Drittligafußball. Und das nicht son-
derlich berauschend, wie man am Sonntag
besichtigen konnte: Der FCI trat da zwar
nicht gegen Unterhaching an, sondern ge-
gen das abstiegsbedrohte Viktoria Köln.
Mehr Glück brachte das aber auch nicht, In-
golstadt verlor 0:1 (0:0) und bleibt damit
zum vierten Mal in Serie ohne Punkt. Seit
mehr als 350 Spielminuten sind die Ober-
bayern ohne eigenen Treffer. Und anders
als bei einem Derby gegen Haching kamen
auch nur 4972 Zuschauer in den 15 000 Zu-
seher fassenden Sportpark, so wenig wie
noch nie in dieser Saison. Was im Übrigen
der Definition nach, dass sich 5000 Besu-
cher zeitgleich auf dem Veranstaltungsge-
lände befinden, geradeso eine Großveran-
staltung darstellte – wenn man Spieler
und Trainer der Teams dazuzählt.
Die Ingolstädter haben das Gewinnen
verlernt und stecken nun in der größten
Krise der Saison. Direkt nach der Winter-
pause waren sie noch hoffnungsvoll von ei-
nem Aufstiegsplatz in die Rückrunde ge-
startet, nun sind sie auf dem Weg nach un-

ten – bis auf Rang fünf. „Es läuft momen-
tan nicht, insofern kann man schon von ei-
ner sportlichen Krise reden“, sagte der Trai-
ner Jeff Saibene bereits vor der Partie. „Es
sind schwierige Phasen, die wir überste-
hen müssen, wir müssen zusammenste-
hen“, fügte er dann noch geknickt an.
Auch seine vier Wechsel in der Startelf
konnten die momentanen Defizite nicht ka-
schieren, die Unsicherheit der Niederlagen
sind den Spielern anzumerken. Sie agier-
ten anfangs ungewohnt abwartend, als
wollten sie erst einmal kein neuerliches Ge-
gentor kassieren. Anfang Dezember beim
2:0 gegen Magdeburg spielten sie ja zum
letzten Mal zu Null. Erst nach wenigen Mi-
nuten traute sich der FCI am Sonntag dann
mehr zu und erspielte sich erste Chancen –
doch die Präzision beim letzten Pass und
beim Torabschluss fehlten. Der Angreifer
Dennis Eckert Ayensa trat den Ball aus we-
nigen Metern übers Tor (17.), sein Kollege
Maximilian Beister schoss aus zehn Me-
tern nicht scharf genug (25.), danach traf
Eckert Ayensa Kölns Torwart André Weis
(28.). „Ich glaube, Dennis hätte in so einem
Spiel vor ein paar Wochen zwei, drei Tore
gemacht. Im Moment gehen sie halt nicht
rein“, sagte Saibene. „Üben, üben, üben
und das Glück erzwingen“ wolle er jetzt
mit seinen Spielern.
Es ist ja nicht so, dass Ingolstadt das am
Sonntag nicht auch versuchte: Aber wenn
zehn Eckbälle nicht dazu reichen, eine Tor-
chance zu kreieren, offenbart das eine ent-
scheidende Schwäche in der Offensive.
Treffsicher zeigte sich stattdessen kurz
nach der Halbzeit der Gegner, als er erst-
mals gefährlich vors Tor kam. Der für den
verletzten Kölner Toptorjäger Albert Bunja-
ku in die Startelf gerückte Stürmer Micha-
el Seaton entwischte seinem Gegenspieler
Nico Antonitsch und spielte den Ball dann
weiter in den Strafraum, wo der ehemalige
Würzburger Steven Lewerenz ins kurze
Eck traf. Einen Spalt zu weit öffnete der
Tormann Fabijan Buntic sein Tor, es war
der entscheidende Fehler, der empfindlich
bestraft wurde (53.). „Diese Niederlage tut
richtig weh“, fand Antonitsch.
Nach der Partie gegen Viktoria Köln dau-
erte es etwas länger als üblich, ehe er und
seine Mitspieler wieder aus der Kabine ka-
men, sie hielten eine kurze, krisenbeding-
te Mannschaftssitzung ab. „Wir haben ge-
sagt: Wir müssen jetzt zeigen, was es wirk-
lich heißt, eine Mannschaft zu sein“, ver-
riet der Verteidiger. Die Ingolstädter haben
dazu nächsten Sonntag kurioserweise die
Gelegenheit bei einem Team, das in den
vergangenen Wochen noch tiefer gestürzt
ist als sie selbst: beim Halleschen FC, der
zuletzt neun Spiele nicht gewinnen konnte


  • acht davon hat der Tabellenfünfzehnte
    sogar verloren. johannes kirchmeier


Schlupfloch: Paul Zipser, mit 15 Punkten erfolgreichster Werfer des FC Bayern, findet auch zwischen den großgewachsenen
Oldenburgern PhilippSchwethelm (links) und Rashid Mahalbasic noch eine Lücke. FOTO: CHRISTINA PAHNKE / SAMPICS

Wie verwandelt aus der Kabine


Im Bundesliga-Spitzenspiel gegen Oldenburg lassen die FC-Bayern-Basketballer auf eine desaströse erste Halbzeit
eine herausragende zweite folgen: Die Reaktion demonstriert, warum sie die Tabelle unangefochten anführen

Im dritten Viertel gelingt den
Oldenburgern offensiv gar nichts


  • bis auf einen Freiwurf


Seltsamer Zeitpunkt


Türkgücü München trennt sich von Geschäftsführer Hettich


Niederlage als Fortschritt


Nach dem 2:3 gegen Gladbach richtet sich Augsburg wieder auf


Gewinnen verlernt


Ingolstadtsteckt nach dem 0:1 gegen Köln in einer Krise


FCA-Trainer Schmidt verweist auf
50 Gegentore in nur 24 Partien

Die Trennung könnte mit der


Stadionfrage zu tun haben


„Jeder weiß, was hier los gewesen


wäre, wenn wir heute verloren


hätten“, sagte Sascha Mölders


In der 64. Minute dachten viele:
typisch Sechzig. Reißen wieder
ein, was sie aufgebaut haben

König Owusu


Der TSV1860 München beeindruckt beim 4:3 gegen Chemnitz


22 HMG (^) SPORT IN BAYERN Montag,2. März 2020, Nr. 51 DEFGH
Turbulente Schlussphase eingeleitet, Aus-
gleichverpasst:Augsburgs Alfred Finnbo-
gason (am Pfosten). FOTO: K. R. KRIEGER / IMAGO
Ziel verfehlt: Ingolstadts Dennis Eckert
Ayensa schoss erst über die Latte – und
dann auf Kölns Torhüter. FOTO: IMAGO
„Das, was heute passierte, kann man sich nicht ausmalen“: Sechzigs Prince Owusu
trifft perKopf in der Nachspielzeit zum 4:3 gegen Chemnitz. FOTO: RENATE FEIL / MIS / IMAGO

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