Süddeutsche Zeitung - 02.03.2020

(Nora) #1
von sebastian winter

Innsbruck– Kurioses gab es schon vor
dem Anpfiff des Spitzenspiels in der Volley-
ball-Bundesliga zwischen den Hypo Tirol
Alpenvolleys Haching und den United Vol-
leys aus Frankfurt – dem Duell des Tabel-
lendritten gegen den Zweiten aus Hessen –
zu sehen. Der Schiedsrichter war nicht da,
die Spieler standen daher etwas ratlos auf
dem Feld herum. Die Erklärung des Hallen-
sprechers ließ dann auch das Publikum
schmunzeln in der Innsbrucker Olympia-
halle: „Ein technisches Problem an einem
Schloss der Toilette behindert den Schieds-
richter, herauszukommen.“ Ein paar Minu-
ten später kam der Erdinger Unparteiische
Tobias Kilger dann doch noch aufs Feld, lä-
chelnd, aber freilich etwas peinlich be-
rührt. Die Tür hatte aufgebrochen werden
müssen. Spieler applaudierten ihm und lä-
chelten, was dem Alpenvolleys-Trainer Ste-
fan Chrtiansky gar nicht so recht war, wie
er mit einer energischen Handbewegung
verdeutlichte. Er ermahnte sie, sich stär-
ker zu fokussieren auf das so schwere Spiel
gegen Angstgegner Frankfurt.
Es ging ja um viel an diesem vorfrüh-
lingshaften Samstagabend in Tirol, beide
Gegner wiesen vor der Partie 38 Punkte
auf, genauso viele wie der Tabellenvierte
Friedrichshafen. Und alle drei eint das Ziel,
auf Platz zwei hinter dem weit enteilten
deutschen Meister und Pokalsieger Berlin
in die Playoffs zu starten. Denn der Zweite
hat in der Viertelfinal- und einer mögli-


chen Halbfinalserie den Heimspielbonus.
Die Alpenvolleys fanden allerdings ihren
Fokus nur im ersten Satz gegen Frankfurt
wieder. Und sie haben es nun drei Spielta-
ge vor dem Rückrundenende nicht mehr
selbst in der Hand, diesen zweiten Platz zu
erreichen. Denn sie verloren das keines-
falls hochklassige Spiel gegen Frankfurt
vor 1200 Zuschauern fahrig mit 1:3 (25:20,
20:25, 21:25, 22:25) und fallen damit auf
Rang vier zurück – drei Punkte hinter
Frankfurt und Friedrichshafen, das sein
Spiel in Rottenburg mit 3:1 gewann.

Die „schwierige Phase“, die Außenan-
greifer Niklas Kronthaler diagnostizierte,
wird durch weitere Zahlen untermauert:
Es war die dritte Liga-Heimniederlage in
dieser Saison für die Alpenvolleys, die zu-
vor Berlin und Friedrichshafen jeweils mit
2:3 unterlegen waren. Es war die dritte Plei-
te in Serie, nach dem 1:3 in Friedrichshafen
und dem sehr hochklassigen 2:3 gegen St.
Petersburg. Und es war die fünfte Niederla-
ge im sechsten Duell gegen Frankfurt.
Der Abend hatte schon mit einer denk-
bar schlechten Nachricht begonnen, wo-
mit nicht der komplizierte Toilettengang
des Schiedsrichters gemeint ist. Vielmehr
hatte sich Alpenvolleys-Hauptangreifer
Paulo da Silva vor dem Start schon wieder

die Trainingsjacke übergestreift. Der brasi-
lianische Topscorer der Liga war bereits
beim CEV-Cup-Hinspiel gegen St. Peters-
burg wegen Schulterbeschwerden ausge-
fallen. Nach dem Abschlusstraining gegen
Frankfurt traten sie wieder auf – da Silva
soll nun für die Playoffs geschont werden.
Zugleich fehlte er der Mannschaft im rich-
tungsweisenden Spiel gegen die United Vol-
leys vor allem im Aufschlag und im Angriff
in wichtigen Situationen gewaltig.
Sein unerfahrener Ersatzmann Jerome
Cross, der gegen St. Petersburg noch so ge-
glänzt hatte, überzeugte auch gegen Frank-
furt, aber je länger das Spiel dauerte, desto
mehr verließ den Kanadier die Courage.
Immer öfter landeten seine Angriffe im
Block oder im Aus. Auch im Aufschlag
kann Cross dem extrem erfahrenen da Sil-
va noch nicht das Wasser reichen.
An Cross lag es aber nicht nur, dass die
Alpenvolleys die Kontrolle über das Spiel
verloren. Denn auch die anderen Angrei-
fer, wie der sonst so stabile Niklas Krontha-
ler, wirkten diesmal seltsam unkonzen-
triert. Am Ende des dritten Satzes übertrat
erst Jérôme Clère bei einem Hinterfeldan-
griff die Linie, was er nicht darf. Dann wur-
de Pedro Frances geblockt, danach Kron-
thaler. Zum Schluss schlug Clère den Ball
unbedrängt weit ins Aus. Kronthaler sagte
später zerknirscht, „ich muss viel Schuld
auf mich nehmen, denn ich bin fast gar
nicht durchgekommen“. Aber das gesamte
Team zeigte eine fatale Körpersprache,
viel zu oft wurde über Fehler der Mitspie-

ler gemotzt. „Alles war krampfig, und
Frankfurt hat das eiskalt ausgenutzt“, sag-
te Trainer Stefan Chrtiansky.
Hannes Kronthaler, der Alpenvolleys-
Manager, war ziemlich sauer, früh verließ
er die Halle, während im Vip-Saal noch ge-
speist und getrunken wurde. „Das war be-
schissen, eine unreife Leistung. Wenn man
sich bei 20:20 über Punkte ärgert, die man
nicht macht, ist das ein Anfängerfehler. Ich
ärgere mich auch deshalb so, weil ich nicht
wieder Vierter werden will.“ Als Vierter vor
den Playoffs würden die Alpenvolleys sehr
wahrscheinlich wie im Vorjahr im Halbfina-
le wieder auf Berlin treffen – was sie unbe-
dingt vermeiden wollten. Immerhin spie-
len Frankfurt und Friedrichshafen in den
nächsten Wochen noch gegen Berlin: „Wir
müssen jetzt neun Punkte aus unseren
drei Spielen holen“, sagte Kronthaler. Es
könnte ein Herzschlagfinale werden im
Rennen um die beste Ausgangsposition.
Jetzt steht aber erst einmal die Reise
nach St. Petersburg an, am Montagmorgen
startet der Flieger. Mit dem stark erkälte-
ten Blocker Saso Stalekar, der gegen Frank-
furt ausgefallen war, mit Paulo da Silva,
der aber geschont wird. Und ohne Außen-
angreifer Jordan Richards, wegen seiner
Knieprobleme. Chancen sehen die Alpen-
volleys ohnehin kaum auswärts gegen das
Starensemble um Georg Grozer. „Ich habe
ihnen nur gesagt: ,Fahrt’s hin, tut euch
nicht weh und kommt gesund zurück“, sag-
te Kronthaler. Dann verschwand er mit ver-
steinerter Miene in die Nacht.

Krampf und Motzereien


Die Alpenvolleys unterliegen in Innsbruck abermals ihrem Angstgegner Frankfurt – und berauben sich der guten
Ausgangsposition für die Playoffs. Das CEV-Cup-Rückspiel in St. Petersburg wird für sie nun zum Ballast

Dachau– In der vergangenen Trainings-
woche wurde es einsam um Stefan Wei-
dinger, den Trainer der Dachauer Handbal-
lerinnen. Nicht etwa, weil seinen Spielerin-
nen nach elf Pleiten am Stück die Lust am
Üben vergangen wäre. Vielmehr schrumpf-
te der schon dezimierte Kader des Tabel-
lenletzten der 3. Liga nochmal zusammen.
Zwar wütet nicht das Coronavirus in Dach-
au, eine Erkältungswelle aber sorgte da-
für, dass Charleen Hansen und Franziska
Niebert das heimische Bett hüten muss-
ten, anstatt sich auf das Auswärtsspiel in
Pforzheim vorzubereiten. „Ich hatte
Angst, dass wir ohne Rückraumspielerin-
nen antreten müssen“, gestand Weidinger.
So weit kam es dann doch nicht. Hansen
und Niebert meldeten sich pünktlich fit –
und zeigten am Samstagabend eine bemer-
kenswerte Leistung. Hansen steuerte vier
Treffer bei, Niebert durfte sieben Mal ju-
beln. Mit ihren elf Toren hatten sie großen
Anteil daran, dass Dachau zum ersten Mal
seit Mitte Oktober nicht als Verlierer vom
Feld schleichen musste. 24:24 hieß es am
Ende, die ASV-Handballerinnen traten mit
einem gefühlten Sieg im Gepäck die 240 Ki-
lometer lange Heimreise an.
Das Spiel hätte auch anders laufen kön-
nen, wie ein hörbar erleichterter Stefan
Weidinger am Telefon erklärte. Bis kurz
vor Schluss lag Pforzheim in Führung, drei
Minuten vor Ende sogar noch mit zwei To-
ren Unterschied. „Wir haben aber immer
daran geglaubt, dass was zu holen ist“, sag-
te Weidinger. Allen voran Niebert hatte al-
lem Anschein nach keine Lust darauf, sich
umsonst aufs Feld gequält zu haben. Zwei-
einhalb Minuten vor dem Ende verkürzte
sie auf 23:24 – und gab sich damit natür-
lich nicht zufrieden.
Nach einer Auszeit der Gastgeber ge-
langte Dachau kurz vor Schluss nochmals
an den Ball und bekam einen Freiwurf zu-
gesprochen. Über Umwege fand das Spiel-
gerät dann – wie sollte es anders sein –
Franziska Niebert, die den Ball drei Sekun-

den vor Ablauf der Spieluhr per Schlag-
wurf „ins Tor reinschweißt“, wie Wei-
dinger berichtete: „Das gibt uns Auftrieb,
das gibt die Hoffnung zurück.“
Von Hoffnung und Auftrieb war zu Be-
ginn beim Aufsteiger noch wenig zu sehen
gewesen. Nach 13 Minuten führte Pforz-
heim schon mit 7:3. Alles wie gewohnt?
Nein, sagte Weidinger. „Ich hatte auch in
dieser Phase des Spiels nicht das Gefühl,
dass wir die schlechtere Mannschaft sind.“
Oft hätten seine Spielerinnen nur einen
Moment nicht aufgepasst. „Da waren zwei,
drei Abpraller-Tore dabei, die es nicht ge-
braucht hätte.“

Von Verunsicherung sei trotz des miss-
lungenen Starts nichts zu spüren gewesen.
Vor 90 Zuschauern kämpfte sich Dachau
nach und nach zurück in die Partie und ver-
kürzte den Rückstand. „Wir standen sicher
und kamen so zu vielen Ballgewinnen“, lob-
te Weidinger seine Spielerinnen. Mit 14:13
für Pforzheim ging es in die Halbzeitpause.
Danach entwickelte sich ein ebenso intensi-
ves wie knappes Handballspiel. 20 Minu-
ten vor dem Ende gelang Dachau zum ers-
ten Mal der Ausgleich. Erst verkürzte Nie-
bert auf 16:17, ehe die Rückraumspielerin
aus dem Spiel heraus das 17:17 nachlegte.
„Das war schon stark, wie sich Franzi Nie-
bert und Charleen Hansen trotz Krankheit
60 Minuten über den Platz geschleppt ha-
ben“, sagte Weidinger.
Komplett drehen konnte Dachau das
Spiel nicht, blieb aber stets in Schlagdis-
tanz. Nur zehn Gegentreffer ließ der ASV in
Halbzeit zwei zu, laut Weidinger ein Ver-
dienst der starken Deckungsarbeit und der
„überragenden Leistung“ von Torhüterin
Annika Hangleitner. „Wir waren über das
ganze Spiel mindestens gleichwertig“, sag-
te der Trainer und spricht von einem „ver-
dienten Punkt“.
Das Problem: Dieses Pünktchen verbes-
sert die Chancen des Aufsteigers im Ren-
nen um den Klassenerhalt nicht entschei-
dend, mit 6:26 Punkten ziert der ASV wei-
ter das Tabellenende der Süd-Staffel. Wei-
dinger gibt sich dennoch zuversichtlich. Er
stand erst zum zweiten Mal als hauptver-
antwortlicher Cheftrainer an der Linie,
nachdem der Verein vor einigen Wochen
nicht ganz geräuschlos Thomas Lukauer
von seinen Aufgaben entbunden hatte.
Schon im Derby gegen Gröbenzell stellte
Weidinger trotz der 18:28-Pleite einen Auf-
wärtstrend fest, nun folgte der erste Punkt-
gewinn. „Der hebt die Stimmung“, sagte
Weidinger. Eine große Party sei nicht ge-
plant, nach vielen Wochen mit eher tristen
Heimfahrten „drehen wir jetzt im Bus die
Musik aber so richtig auf“. jonas kraus

Herrsching– Eswar ein ungewohntes Er-
gebnis, das am vergangenen Samstag in
Herrsching auf der Anzeigetafel stand: 3:0
leuchtete da zu einem Zeitpunkt auf, an
dem es in der Nikolaushalle normalerwei-
se erst spannend wird. Doch an diesem
Abend brauchten die WWK Volleys Herr-
sching lediglich 71 Minuten für den kurzen
Prozess mit ihren Gästen aus Bühl. „Das
war nicht selbstverständlich, hatte ich
nicht erwartet“, sagte Herrschings Trainer
Max Hauser, und fügte nicht ohne Stolz an,
dass er in der Woche vor dem Bundesliga-
Spiel sehr oft gehört habe, „wie viel Geld
Bühl hat“. Es war in dieser Saison Herr-
schings erster 3:0-Erfolg vor eigenem Pu-
blikum und nach dem 3:1 in Eltmann ein
besonders wichtiger, um den fünften Platz
in der Tabelle abzusichern.
Dabei waren die Voraussetzungen
schwierig gewesen. Außenangreifer Jori
Mantha war sichtlich von einem schweren
Virusinfekt gezeichnet, Herrschings Ge-
heimwaffe im Außenangriff, Tom Stroh-
bach, ist laut Hauser nach wie vor „nicht in
Sicht“. Der Ellbogen schmerzt, Zeitpunkt
der Rückkehr: ungewiss. Hauser schickte
deshalb – wie schon in Eltmann – Jonas Ka-
minski aufs Feld, einen Diagonalangreifer,
über den er sagt: „Der hat vor dieser Saison
noch nie in seinem Leben angenommen.“
Anders als in Eltmann, wo Kaminski
gleich von zwei Assen kalt erwischt wor-
den war und relativ schnell wieder hinter
dem Spielfeld Platz genommen hatte, ge-
lang ihm gegen Bühl ein solider Start. „Der
kann schon Volleyball spielen“, sagte Zu-
spieler Johannes Tille, „und diesmal hat er
sich nicht so in die Hose gemacht.“ Herr-
sching zog im ersten Satz schnell auf 16:9
und 22:10 davon, so dass selbst nach Feh-
lern kaum Unruhe entstand. Kaminski war
anzusehen, wie das Selbstbewusstsein mit
jeder geglückten Aktion wuchs. Doch Hau-
ser reagierte auch nicht, als er den zweiten
Durchgang mit einigen schwachen Annah-
men begann und es 3:6 stand. „Ich war heu-
te sehr zufrieden mit ihm, aber ich hätte
ihn auch nicht ausgewechselt, wenn wir ei-
nen Satz verloren hätten“, sagte er. Der 23
Jahre alte Teilzeitprofi sollte seine Nerven
besiegen, er wird gebraucht. „Er hat sich
durchgebissen und aus der Nervosität raus-

gekämpft“, sagte Hauser anerkennend.
Das Vertrauen sollte sich für das gesam-
te Team auszahlen, denn es verhielt sich da-
mit ein bisschen so wie mit Rabattkarten,
für die damit geworben wird, dass sie sich
bereits am Tag des Erwerbs lohnten. Zu Be-
ginn des dritten Satzes drosch der Bühler
Gregory Petty den Ball mit derartiger
Wucht ins Gesicht von Herrschings Außen-
angreifer Tim Peter, dass der nach dem
Block rücklings zu Boden ging und dort zu-
nächst liegen blieb. Aus medizinischer
Sicht war nichts passiert, aber Peter ver-
schwand erst einmal. Mantha kam in die
Partie – und Herrsching spielte Bühl bis
zum 19:11 schwindelig, als wäre nichts pas-
siert. Mit einem derzeit nur zehn Spieler
starken Kader annähernd gleichwertig aus-
wechseln zu können, klappt nur mit All-
roundern wie Kaminski, die auf mehreren
Positionen trainieren und sie zunehmend
auch im Spiel ausfüllen können.

Kaminski hat zwar noch keinen Vertrag
über die laufende Saison hinaus, die Beto-
nung liege aber auf „noch“, sagte Hauser.
Er ist nicht nur mit Kaminskis sportlicher
Entwicklung und seiner Bereitschaft, zwei-
gleisig zu trainieren, zufrieden. Auch Ka-
minskis Arbeitspensum beeindrucke ihn
tief. Vormittags arbeitet der frühere Junio-
rennationalspieler in München als Chiro-
praktiker, mittags ist er beim Kraft-, dann
beim Balltraining, abends auch. „Das ist ir-
re“, sagte Hauser, „ich hab’ ihm gesagt,
dass ich das nicht erwarte, aber das sieht
der überhaupt nicht ein.“
Große Erwartungen hat Hauser dage-
gen hinsichtlich des Viertelfinal-Heim-
spiels in den Playoffs, das Herrsching am 1.
April im Münchner Audi Dome austrägt. Er
hoffe auf 3000 Zuschauer, „aber 5000 wä-
ren mein ganz persönlicher Traum“. Ein
Derby gegen die schwächelnden Alpenvol-
leys Haching, die nach aktuellem Tabellen-
stand der Gegner in der Best-of-three-Se-
rie wären, käme diesem Traum vermutlich
entgegen. katrin freiburghaus

Fürstenfeldbruck– Manchmallauert für
einen Handballer die größte Gefahr in ei-
ner Führung – besonders gefährlich sind
die deutlichen. Es kann sein, dass man sich
des Sieges zu sicher ist. Das eigene Spiel be-
kommt einen Knacks, und wenn es blöd
läuft, verwandelt der Gegner Frust in
Trotz, mit dem er sich noch einmal auf-
bäumt. Eine Führung verspielen: Das kann
allen passieren. Aber dem TuS Fürstenfeld-
bruck passiert so etwas aktuell nicht.
Auf der Homepage der Brucker konnte
man vor dem Spiel beim HC Erlangen II ei-
nen Bericht lesen. „Geht der Rausch wei-
ter?“, stand darüber. Eine rhetorische Fra-
ge, denn man durfte ja erwarten, dass der
Rausch weiter geht, nach 13 Siegen in Se-
rie. Der 14. würde schon folgen, dachten
die Fans – und nach zehn Minuten waren
sie sich sicher. Der TuS führte bereits mit
fünf Treffern, und keiner glaubte mehr
ernsthaft, dass Erlangen noch einmal zu-
rückkommen könnte. Es müsste momen-
tan schon viel passieren, dass Fürstenfeld-
bruck eine Führung noch verspielt. Aber
die TuS-Spieler blieben konzentriert. Der
Trainer, Martin Wild, sagte: „Wir haben
die letzten 20 Minuten keinen Blödsinn ge-
macht.“ Das reichte schon für den 32:23
(17:9)-Sieg, angesichts der vorangegange-
nen Phase. „Die ersten 40 Minuten waren
weiter wie im Rausch“, sagte Wild.
Wie im Rausch. Den Satz hört man im
Sport oft. Der Rausch erklärt Ereignisse,
die sich eigentlich nicht erklären lassen.
Fürstenfeldbruck hat seit Monaten nicht
mehr in der dritten Liga verloren – wie soll
man das erklären? Und wie, dass sie jetzt
auch noch ignorieren, dass ihnen eigent-
lich etwas fehlt, das jede gute Mannschaft
braucht: ein Linkshänder. Alle drei Links-
händer im Team waren verletzt oder
krank, also kam Stephan Seitz aus Allachs
Bundesliga-A-Jugend zu seinem Debüt.
Seitz machte zwei Tore. Er grinste noch lan-
ge nach dem Spiel, berichtete sein Trainer.
Und auch in jenen Phasen, in denen er


nicht spielte, hatte man nicht den Ein-
druck, als fehlte den Bruckern ein Links-
händer. Doch, es ist wie im Rausch.
Ob diese Mannschaft überhaupt noch
verlieren kann? Natürlich kann sie, man
hat es vor einer Woche beim Heimspiel ge-
gen die Rhein-Neckar Löwen II gesehen.
Kurz vor Schluss lag Bruck hinten. Sie dreh-
ten das Spiel noch und gewannen am Ende
26:25. Das war knapp, aber es war auch ei-
ne Ausnahme. Gegen Erlangen II spielten
sie extrem souverän und entspannt. Er-
staunlicherweise wirkte diese Gelassen-
heit nie überheblich. Die Abwehr war
„überragend gut“, wie Martin Wild sagte.

Vor allem galt das zu Beginn des Spiels: Er-
langen wusste gar nicht, wie es mit der ag-
gressiven Brucker Verteidigung zurecht-
kommen sollte, TuS-Torwart Michael Lu-
derschmid hielt mehr Bälle, als er reinließ.
Dass die Führung nicht noch schneller auf
zehn Tore anwuchs, lag allein an ein paar
Ungenauigkeiten im Angriff. Dann über-
nahm – mal wieder – Falk Kolodziej. Wild
nennt ihn den „Kopf der Mannschaft“.
Man würde bei Kolodziejs Spiel nie von
einem Rausch reden. Es ist schön, aber
nicht brachial. Seine Aktionen leitet er
nicht mit viel Tempo ein, sondern mit klei-
nen Körpertäuschungen; und wenn ein Ver-
teidiger zu stark auf seine Finte reagiert,
passt er den Ball an die frei gewordene Stel-
le. „Er setzt seine Mitspieler unglaublich
gut ein“, sagt Wild, „und er ist selbst wieder
torgefährlich.“ Eine Weile war er das nicht,
er schleppte eine Armverletzung lange mit
sich herum, aber auch ohne Wurfarm ge-
hörte er zu den besten Spielmachern der Li-
ga. Jetzt trifft er auch noch – immer wieder
auch per Unterarmwurf. In Erlangen war
Kolodziej mit sieben Toren bester Werfer.
Auf der Rückfahrt im Bus feierten er,
Wild und alle anderen den Sieg. Per Live-
ticker verfolgten sie, ob auch die Konkur-
renz gewinnen würde. Als klar wurde, dass
der einzig noch halbwegs ernstzunehmen-
de Verfolger, Pfullingen, verlieren würde,
wurde die Party noch ausgelassener. Der
erste Platz ist dem TuS quasi nicht mehr zu
nehmen, sechs Spieltage vor Schluss liegt
Pfullingen zehn Punkte zurück. Realis-
tisch betrachtet ist das nicht mehr aufzuho-
len, bereits am Samstag könnte Bruck ge-
gen Horkheim Meister werden.
Horkheim – wer sich anstrengt, erin-
nert sich vielleicht: Gegen Horkheim hat
der TuS Fürstenfeldbruck letztmals verlo-
ren, das war im Oktober. Gelingt den
Bruckern die Revanche, hätten sie in dieser
Saison gegen jeden Gegner mindestens ein-
mal gewonnen. Martin Wild sagt: „Viel
mehr Vorfreude geht nicht.“ nico horn

Der erste 3:0-Heimerfolg in dieser Saison: Da dürfen sich Jonas Kaminski, Dorde
Ilicund Jalen Penrose (von links) ruhig mal ekstatisch freuen. FOTO: ORYK HAIST/IMAGO

Nach derzeitigem Stand wären
die Alpenvolleys Herrschings
Playoff-Gegner im Audi Dome

Steuerte vier Treffer zum Remis des ASV
bei, obwohl sie grippegeschwächt war:
Charleen Hansen. FOTO: NIELS P. JOERGENSEN

„Kopf der Mannschaft“: In Erlangen war
der lange am Arm verletzte Falk Kolodziej
bester Werfer. FOTO: FISCHER/PASSION2PRESS/IMAGO

Musik im Bus


Drei Sekunden vor Schluss sichern sich Dachaus Handballerinnen Punkt in Pforzheim


Die Stunde


der Allrounder


Herrsching fegt Bühl vom Feld – auch Jonas Kaminski überzeugt


Seltsame Handhaltung: Auch der Block der Alpenvolleys von Jerome Cross (li.), der den verletzten Hauptangreifer Paulo da Silva ersetzte, und Pedro Frances funktionier-
te gegen Frankfurt überhaupt nicht wie gewohnt. FOTO: ALEXANDER PAULI/OH


40-Minuten-Rausch


Brucks Handballerschlagen Erlangen und könnten an diesem Samstag Meister werden


„Das war beschissen, eine unreife
Leistung. Ich ärgere mich, weil ich
nicht wieder Vierter werden will.“

DEFGH Nr. 51, Montag, 2. März 2020 (^) SPORT LOKAL R11

Free download pdf