SEITE 10·MONTAG,2.MÄRZ2020·NR.52 Krimi FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
Neverchange awinnin gteam. Eigentlich
hatt eesgeheißen,nachdreiBände nsei
Schluss, der vierteBand werd evon etwas
ganz anderemhandeln.Aber nu nkonnte
der1963 geborene dänische Thrillerau tor
undvormali ge JournalistJensHenrikJen-
sender Versuchung nichtwider stehen. Erhat der„Oxen“-Trilogi eeinen vierten
Band spendiert.Und da sist keine durchge-
hend guteNachricht.
Dochvon vorne: Niels Oxen,der am
höchsten dekorierte Elitesoldat seines Hei-
matlandes–Jugosl awien-Krieg,inAfgha-
nistan siegreichgegen eineÜbermachtder
Taliban –, istauchnachdreiFällen imAuf-
trag des mittlerweile pensioniertenPolizei-
geheimdienst-Chefs Mossmannochnicht
wieder in derbürgerliche nWelt angekom-
men. Zwarversucht er,eineBeziehungzu
seinemvierzehnjährigenSohn Magnus auf-
zubauen, aber traumatisiert,wie er ist,hat
eremotional docherheblicheDefizite. Im
dritten Band „Gefrorene Flammen“
(F.A.Z.vom7.Januar2019) gelang es dem
gegensätzlichen Duomit Hil fe der Agentin
Margarethe Frank,den sogenanntenDane-
hof auszuheben, einengeheimenStaat im
Staat, derseit demMittelal terdie Geschi-
ckeDänemarks lenkte.Wer si ch hier an
Stieg Larssons„Millennium“-Trilogie erin-
nertfühlt, liegtrichtig –dortgab es mitder
„Sektion“ einen ähnlichen Geheimbund.
Der Danehof istalsoGeschichte,aber
ausseinenRuinen taucht ein„Schatten“
auf.Der schlaue Mossman hatnicht alle
Aktenvernichtet, sondern alsPensionist
weiter gesucht–nacheiner Organisation
namensLupus, die Selbstjustiz übt,woder
Rechtsstaat vermeintlichzuzögerlich
agiert. Um einensolche nFallkönnt ees
sich beiIdris Nassar handeln,einemge-walttätigen Muskelpaket,dem manKnie
undArmezerschossen hat.Ein Racheakt,
kaltblüti gundprofessionell. DieErmittlun-
genvon zw ei normalenKriminalernbeglei-
tenals Seitenstrang denHandlungskern
rund um Niels Oxen.AmEnde folgtalles
dem Befehl Mossmans:Findet Lupus. Die
Spur führtnachJütlan dineinen herunter-
gekommenenHof, auf demein ehemaliger
Staatssekretärwohnt ,von demseit Wo-
chen jedeSpurfehlt. EchteWölfespielen
aucheine Rolle,aber eher als Garnierung.
Denn auch sieentziehensichder Beobach-
tung, wenn au ch ausanderen Gründen.
Jense nverstehtes, Spannung aufzubau-
en und zu halten, ohne allzu sehr aufplatte
Cliffhanger zu schielen. In hundertdurch-
schnittlichsechs Seiten langen,durchnum-
meriertenKapiteln bespielt erroutiniertdi-
versePerspektiven,darun tereine Rück-
blende ins Jahr1963, dievon der Entfüh-
rung un dVergewaltigun gder schönenAg-
nethe handelt.Das Mädchenwirdzwar
freigelassen,gerettet werd en kann es nicht
mehr. Jense nschreibtGebrauchsprosa
ohneliterarische Ambition,anentschlack-tenSätzen haterkein Interesse. Sei nPubli-
kumstelltervor keine unüberwindlichen
Herausforderungen ,und dieÜberlängeist
Teil de sVerkaufskonzepts–viel Buchfürs
Geld. JensensdeutscheGesamtauflagelag
vorAuslieferung desviertenBandesbei
350000 Exemplaren ,der ebenfalls beim
DeutschenTaschenbuchverlag erscheinen-
de dä nische AuflagenmillionärJussi Ad-
ler-Olsen istihm ei ngutes Stückvoraus.
AufWeinetikettensteht:EnthältSulfite.
Hier fehltder Hinweis: EnthältRedundan-
zen. Denn wie oftfälltLupus als„Schat-
ten“ in MossmansWelt, wie oftlesenwir
vondesse nanglophilenNeigungen, leiden
mitFrank am Verlustihre rSchweizer Uhr,
undmit wi evielenSuper lativenwirddem
Leser dieTapferkeitdes Jägersoldaten ein-
getrichtert. Im letztenDrittel legtder Ro-
man dennochanRaffinement zu.Die Auf-
lösungversöhntmit mancher durchlittener
Durststrec ke.Und wernicht mehrvon
Oxenlassen kann,musssichvermutlich
keineSorgenmehr machen,dass da nicht
nochein fünfter Bandmöglic hwäre. Und
ein se chster. HANNESHINTERMEIERE
sist wasmit Zählen“, hat Uwe
Johnson in seinen„Vorschlägen
zur Prüfung einesRomans“ in
seiner unnachahmlichen Artge-
schrieben.Undnur weil seinText ein
paar Jahrzehnte alt ist, müssen dieVor-
schlägejanicht unbrauchbargeworden
sein. Fangen wir also an, bei Jan Costin
WagnersneuemRoman zu zählen:Perso-
nen, Vorfälle, Schauplätze, Motive, bis
ein Geflecht entsteht, je dichter,desto
besser.
„Sommer beiNacht“, mit demWagner
nachseinenRomanenumden finnischen
Kommissar Kimmo Joentaa eine neueRei-
he eröffnen will, enthält vierzehnverschie-
dene Stimmen oderPerspektiven in insge-
samt hundertdreiundzwanzig nicht allzu
langenAbschnitten. Da es sichumeinen
Kriminalroman handelt, entfällt mehr als
die Hälfte dieserAbschnitteauf die beiden
Ermittler BenNevenund Christian Sand-
ner undnochmal ein Achtel aufBens Men-
tor, den pensionierten Landmann. Es sind
nichtganz so viele Schauplätze wieAb-
schnitte, abervomOrt der Entführung, ei-
nem SchulfestinWiesbaden, führtder
Wegüber Frankfurt, Berlin, Salzburgund
Rosenheim zurückauf einen Camping-
platz am See imRaum Wiesbaden.Die ersten Blicke gehören jedochdem
Täter, der Marko heißt und mit zwei
Plüschteddysauf das Schulfestkommt.
Der fünfjährigeJannisgeht einfachmit.
Auch er wirdspäter einenAbschnitt ha-
ben. Es bleibt ein Bildvonbeiden,vonei-
ner ÜberwachungskameraimParkhaus
gegenüber.„Flauschig“ wirkt derTäter
darauf, wie einTeddy;„schlecht“ sei das,
sagt Landmann,weil er so unauffällig sei,
dassman ihn sofortvergesse. Abgebrüht
istder Mann,der den unbedarften Marko
ausnutzt, ihm ein Alibiverschafft und
glaubt, diePolizistenaustric ksen zukön-
nen. An den vierzehnAbschnitteerkennt
man seineRolle im Plot.
Durch diese häufigen Blick- und Sze-
nenwechsel könnteleicht der Eindruck
aufkommen, derRoman seigebaut wie
ein Drehbuch,woraus dann immerge-
schlossen wird, das Erzählen sei „fil-
misch“.Natürlic hkann man an Episoden-
filme denken, an einen Klassiker wie
„ShortCuts“ vonRobertAltman,indem
dieWegeder Ak teure einandereher zufäl-
lig kreuzen.Aber Wagner verfährtan-
ders. DasVerbrechen istder Magnet,auf
den sichalle anderen Elementeausrich-
tenwie Eisenspäne, die ja auchnicht alle
in dieselbe Richtungweisen.Bei Wagner schaut manvorallem in
die Köpfeder Figuren, hörtden Ermitt-
lernzu, erlebt, wie sie Schlüsse ziehen
und Spuren deuten.Undweil man als Le-
ser mit ihnenteilt, wasdie Figurennicht
miteinanderteilen, blickt man auchindie
Abgründe einerPerson, vonBen Neven,
der bei der Suche nachdem Tätereiner ei-
genen Obsessionfolgt.Sie machtihn un-
geeignetzum Helden und istdochein
mächtiger Antrieb bei seiner Arbeit.
Nevenist eine komplizierte Figur,wie
überhauptinden fiktionalenWelten von
Jan Costin Wagner Grautöne überwie-
gen, gut und böse nie sauber und ordent-
lichauftauchen wie in Aktenordnern.
Auch Nevens KollegeChristiankämpft
mit seinen Dämonen. Sie treten plötzlich
in die Gegenwart,sie lassen ihn mit einer
Anteilnahme eintauchen in denFall, die
nicht ungefährlichist.
Diese Streuung der Perspektiven ist
eine Stärke des Romans. Sowerden die
verschiedenen Gemütslagen und Empfin-
dungen sichtbar,auchdie zentrifugalen
Kräf te in derFamilie des entführtenJun-
gen, weil Schwester, Mutter undVaterje-
weils soganz andersreagieren auf den
Schock. Undweil Wagner auchMusiker
ist, hat er ein sicheres Gespürfür denRhythmus, in dem dieseAbschnitteauf-
einanderfolgen müssen, für dasTiming
und für dieverschiedenenTempi.
Seine Sprache besteht aus sehr klaren,
einfachen,fast schmucklosen Sätzen. Er
hält sichstrikt an dieWahrnehmung der
jeweiligenPerson, schreibt ihr nichts zu,
wasüber ihren Horizont ginge. Manch-
mal gehen diese Sätze wievonselbstüber
in kleine Alltagslyrik,wenn Christian in
Salzburgaus dem Fensterder Polizei
schaut:„Hinter demFensterergießt sich
wie auf einerPostkartedas Bergmassiv in
die Silhouette der Stadt.“ Nurseltenver-
rutschen sie zu hochgestochen klingen-
den Sentenzen, die eher nachauktorialer
Einflüsterung klingen, als dasssie zur Ge-
dankenwelt dessengehörten, aus dessen
Perspektivedaerzählt wird.
Am präzisestenwirdWagnersProsa,
wenn sievonden kleinenAbsencen der
AkteureimAlltag handelt, Momenten, in
denen dieRealität kurz verrutscht.Lauter
Mikrowahrnehmungen, wie man sie
kennt, wenn man zu langeauf einen
Fleckschaut oder anderen zuhört, ohne
zu verstehen, wassie sagen. „DieWorte
verschwimmen wieder,dann verkleben
sie, trocknen in Sekundenschnelle, sind
hartund undurchdringlichwie Be ton“ –so er geht es BenNeveninder Talksho w,
in die er eingeladen wurde und in der an-
lässlichder Entführung über Kindesmiss-
brauc hgerede twird.
Aufdiese Weise entsteht langsamein
dichtes erzählerisches Gewebe, ohne
dassWagner es dabei aufkunstvolleVer-
rätselungen anlegte. Allenfalls könnte
man bemängeln, wie er den entscheiden-
den Durchbruc hbei derFahndung insze-
nierthat.Daist,mehr soll nichtverraten
sein, ein bisschen mehrZufall im Spiel,
als manglauben mag.Kaum vorstellbar,
dassein Autorvon WagnersSouveränität
nicht eine elegantereLösung hättefinden
können. Aber das sind Kleinigkeiten.
„Sommer beiNach t“ is tein Roman, des-
sen Wirkung nicht zu Endegeht, wenn
man das Buchschließt.Daschwelt eini-
gesweiter. PETERKÖRTEGeht’s nochunausstehlicher,zickiger,
skrupelloser? Schwerlich.Undesgeht
auchkaum lustiger,jedenfalls für alle,
die Spaß anfederleichtem Sarkasmus
haben. MercedesRosende, 1958 in Mon-
tevideo inUruguaygeboren, Anwältin
und Schriftstellerin, hat ihren Span-
nungsbogen perfekt raus. Nach den
preisgekrönten „Krokodilstränen“ istso-
eben auf Deutschihr Kriminalroman
„FalscheUrsula“ erschienen.UndRo-
sende denkt nicht daran, diegrässlichen
misanthropischen–von misogyn nicht
zu reden –An- und Einsichten ihrerUr-
sula López zurechtzurücken.
Diese hat,vonBeruf Übersetzerin,
nochmehr sensibleFacetten, zum Bei-
spiel dasvoyeuristische Belauernande-
rerLeutebeim Sex. Ihreaufges tauten
Frustrationen tobt sie aus alsStatistin in
der lästerlichenTV-Show„Und, zu Hau-
se heutealles klar?“ in derRolle als aus
dem Publikumgegenalle Erotik zetern-
de Hausfrau. Siequält gern mal eine
kleineFriseurin bis zuTränen; immer-
hin verfügt sie über perfide Eloquenz.
Obendrein istsie geschlagen mit ihrer
schlanken, attraktiven jüngeren Schwes-
terLuz, die mit demvermögenden Gat-
teninMontevideos NobelviertelCarras-
co auf einem prächtigen Anwesen lebt.
Das alles machtUrsula nicht netter,
im Gegenteil.Wobei sie, das sei fairer-
weise gesagt, ihrerseits seit der Kindheit
vonVorur teilen und Marginalisierung
geplagt ist. Denn sie istviel zufett.Der
aussichtsloseKampfgegen dasÜberge-
wicht wirdmanifestineiner Gemüse-
suppen-Diät,derenGestank in derWoh-
nung selbstdie Leserin zu riechen
meint;dabei hatUrsula einen sehrfei-
nen Geruchssinn. Eine Protagonistin
also, die in einer ganz eigenen Liga
spielt.
Rosende schreibt ihre„Falsche Ursu-
la“, bis auf ein einzigeskurzes Kapitel,
in der Ich-Form. Es beginnt, zunächst
scheinbarohne Ursula, das absurde
Theater um die Entführung des Ge-
schäftsmanns Santiago Losada, den ein
kleiner Ganove,als Polizistverkleidet,
auf demWegzum Flughafen in seinemMercedes abfängt und später einsperrt.
Weil es natürlichumLösegeldgeht, ist
Losadas Gattindie Ansprechpartnerin.
Docherlebt getrenntvonihr,kann oder
will nicht ihreTelefonnummer nennen,
nur denNamen –Ursula López. Esge-
hörtzur abgründigen Ironie desRo-
mans,wo jetzt dasTelefon klingelt:Un-
erwartet abgelenktvonihrer Dauerma-
laise, lässt sichdie „falsche“Ursula auf
ein Treffenmit dem fremden Anrufer
ein, dergesagt hat:„Wirhaben Ihren
Ehemann.“
Sie, deren kriminelleEnergie nichtge-
ring ist, nimmt die Herausforderung der
Rolle alsgetrennteEhefrau an.Wäh-
rend sic hdie Geschichte haarsträubend
und wahnsinnig komischentwickelt,
bleibtRosende hartander Seite ihrer
Heldin, die im Alltag eineveritable Kra-
wallschachtel ist–ständiggesteuertvon
ihrer Essgier,entsprechend daueraggres-
siv,verlogen selbstihrer Psychothera-
peutingegenüber und überhauptwahr-
scheinlichlängstmit der einen oder an-
derenfamiliären Leiche imKeller ihrer
dunklen Seele.
Dennoch–irgendwann sind wirvon
Mercedes Rosendes wunderbarerEr-
zählkunst, die auchinder deutschen
ÜbersetzungvonPeter Kultzen funktio-
niert,soverführt, dasswir mit Ursula ge-
hen; dasswir Ursula garden Er folg bei
ihrem Zusammenspiel mit den anderen
Losernindieser Stadt Montevideo wün-
schen. Die unerwarteteWendung, zu
der es schließlichkommt, darfnicht ver-
raten werden. Aber am Ende wittertdie
unorthodoxe Ursula „Bergamotteduft,
ein wenig Kardamom istauchdabei“:
„Ichstehe auf undgehe hinter ihr her.“
Wirhoffenunbedingt auf mehrvondie-
ser neuenFährte. ROSE-MARIAGROPPJens Henrik Jensen:
„Oxen.Lupus“. Thriller.
Ausdem Dänischenvon
Friederik eBuchinger.
dtv Verlagsgesellschaft,
München 2020.
607 S., br., 16,90 €.Jan CostinWagner:
„Sommer bei Nacht“.
Roman
Galiani BerlinVerlag,
Berlin 2020.
320 S.,geb., 20,– €.MercedesRosende:
„FalscheUrsula“.
Kriminalroman.
Ausdem Spanischen
vonPeter Kultzen.
Unionsverlag,
Züric h2020.
208 S., br., 18.– €.Ein englisches Sprichwortbesagt,
man solle ein Buchnicht nachsei-
nem Coverbeurteilen. Nunmüssen
wir ergänzen: bitteauchnicht nach
seinerAutorin. Unterdem Pseud-
onym NicciFrench erschreiben sich
die Eheleute Nicci Gerrard und Sean
Frenchseit mehr als zwanzig Jahren
einen Psychopathenstadl, dessen
ideales Habitat die Bahnhofsbuch-
handlung abgibt: Dutzendwarefür
den Last-Minute-Kauf.Vonganz an-
deremKaliber istihr neuer Thriller
„Was sie nicht wusste“ (C. Bertels-
mann, 448 S., br., 16,– €).Neve,ver-
heiratet,drei Ki nder,erhält eine SMSvonihrem Liebhaber:„Komm, so-
bald dukannst.“Sie gehorchtund fin-
detihn in seinem Apartment bereits
in der Horizontalenvor–mit einge-
schlagenem Schädel.Statt diePolizei
zu rufen, schreitet sie zu einemPost-
mortem-Wohnungsputz,womit sie je-
dochnicht nur die Spuren des Ehe-
bruchs,sondernauchdes Mordesver-
wisc ht.Anschließendwebt sie eine
engmaschigeTextur ausLügenund
Geheimnissen, die den Plotdynami-
siertund zugleichins Wanken bringt.
Obwohl es sichumeinen Roman
in der drittenPerson handelt,weicht
der Leser nievonNeves Seite. Jede
Dummheit, jedenFehler und jeden
Affekt nimmt er wie durch ein Brenn-
glas wahr.ImMittelpunktstehenmit-
hin dieWinkelzügeder Pr otagoni-
stin, nicht dieNach forschungen der
LondonerPolizei. Zu den Verdächti-
genzählen bald alle wichtigenFigu-
ren, was, kombiniertmit der grandio-
sen Schilderungfamiliärer Schiefla-
gen, einen Sog erzeugt, dem man sich
kaum entziehenkann.
Das lässt sichüber Stefan Slupetz-
kys neuen Krimi „Im Netz des Lem-
ming“ (Haymon, 200 S., geb.,
19,90 €) nicht behaupten. Im sechs-
tenRomanum Leopold „Lemming“
Wallisch, der früherPolizistwar und
inzwischen alsNachtwächter imWie-
ner Zooarbeitet,stürzt sichein Junge
in denTod, nachdem er auf dem
Smartphone eineNach richtgelesen
hat.DaWallisch zuvor mit dem Jun-
geninder Straßenbahngesehen wur-
de, vermuten dieTrolle der sozialen
Netzwer ke,ersei schuld an dem
Selbstmord. Daraufhin beginnt eine
Recherche, dievonUnterhaltung zu
Unterhaltung führt,wobei die Ge-
sprächspartner zuStammtischgeheu-
le im Endstadium neigen:Political
Correctnesshier,Binnen-I da.
Weil dieserKolumnenroman um
die Abgründe des Internets kreist,ver-
sucht sichSlupetzky an der Diktion
der DigitalNatives: „Gib Check, Dig-
ga“, „Wetehaa“, „O Em Dschi“,
„Chill dein Leben“,„Voll episch“.
Kleine Aphorismengehen daneben
fast unter :„Weißt du, das Erbärm-
lichs te am Altwerden istnicht derkör-
perliche Niedergang, es ist, dassdein
Geschmacknicht mitaltert.“Hüb-
sche Beobachtung, aberkeineswegs
satisfaktionsfähig,wenn man Slupetz-
ky mit den beidengroßen österrei-
chischen Sprachverdrehernund Wort-
kaskadeurenWolf Haas und Heinrich
Steinfestvergleicht.
Vergleiche liegen ebenfalls nahe,
sobald es umTrue Crimegeht, denn
auf diesem Gebiethaben die Ameri-
kaner stilbildend undvoluminösvor-
gelegt.Der Journalist Carlos Hani-
mann übt sichinseinem Bändchen
„Caroline H. Diegefä hrlichste Frau
der Schweiz?“ (Echtzeit, 79 S., br.,
24,– €) allerdings inZurückhaltung.
Aufwenig Raum wirdwenig ausge-
breit et:Caroline H. hat 2001 ausge-
sagt, zweiFrauen in Zürichermordet
zu haben. Spuren? Keine. Motiv?
Nicht erkennbar.Zeugen?Fehlanzei-
ge.Außerdem soll sie fürKörperver-
letzungen undmehr alsfünfzig Brand-
stiftungenverantwortlich sein. Spä-
terhat Caroline H. ihr Geständnis wi-
derrufen. Is tdas glaubhaft? Hani-
mann schreibt:„In der Kriminologie
weiß man, dassGeständnisseeine
häufigeFehlerquelle sind.“
Undinder Publizistikweiß man,
dasseine Geschichtetragfähig sein
muss,vorallem wenn sie als Bucher-
scheint.Viele Klassiker des Genres
sind ellenlang,weil das Material er-
giebig ist. Hier verhält es sichanders.
So umfangreichdie Recherchedes
Autors auchgewesen sein mag, am
Ende lesen wirvonanonymen Brie-
fen, schweigsamenAnwälten und
Hinweisen zu einem Mann,der einen
der Morde, die Caroline H. zur Last
gelegt werden, begangen habenkönn-
te –zufriedenstellend überprüfen
lässt sichdas aber nicht.„Oftlandete
ichineiner Sackgasse“, bekennt Hani-
mann. Das liestman dem Buchauf
fast jeder Seitean. KAI SPANKEVerrutschte
Realität
STREIFSCHUSS
Mein istdie Rache, spricht der Wolf
Jens Henrik Jensen schickt seinen Jägersoldaten Niels Oxen abermals insFeld
In OxensVisier:Die Geheimorganisation, die sichnachCanis lupus benannt hat. F otodpaDer Albtraum aller Eltern: Dataucht beim Schulfestein unscheinbarerTypmit zwei überdimensionalenTeddybären auf–undwenig später istein fünfjähriger Jungeverschwunden. FotoGettyUnorthodoxe Ursula
MercedesRosendes übergewichtigeHeldin begeistert
Komm,
sobald du
kannst
Krimis inKürze: Stefan
Slupetzky,Nicci French
und Carlos Hanimann
Pädokriminalität,wo man sie nicht
vermutet:Jan Costin Wagner wagt
sichanein heikles Thema.