Der Standard - 02.03.2020

(coco) #1

14 |MONTAG, 2. MÄRZ2020DKultur ER STANDARD


Kommen Sieauf die

Gewinnerseite.

Gutmenschen vonYa el Ronen und
Ensemble kommt zurück auf die
große Bühne desVolkstheaters:

Maryam lädt ihren Bruder Elias
und das bewegliche Familiengefüge
zum gemeinsamen Abendessen. Im
Wohnzimmer wirdder Lifestyle sämt-
licher Familienmitglieder nach mora-
lischen Gesichtspunkten diskutiert –
draußen rückt Österreich nachrechts
und der CousinYousef bekommt
einen negativen Asylbescheid.
Gutmenschen führt pointenreich
und bissig vom Familientisch zwi-
schen die Fronten einer polarisierten
Gesellschaft.

Gutmenschen vonYa elRonen

Foto: http://www.lupispuma.com,Volkstheater

DER STANDARD verlost
5x2Theaterkarten für das Stück
Gutmenschen am 6. März 2020
Volkstheater in der Halle E, MQ
http://www.volkstheater.at
Teilnahmeschluss:
Mittwoch, 4. März 2020
derStandard.at/Gewinnspiele
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Imbunten


Puppenheimder


Klischeeskepsis


Der „Zigeunerbaron“ an
derWienerVolksoper

Ljubiša Tošic

W

as stereotypbefreite Be-
griffe anbelangt, erweckt
der Titel Zigeunerbaron
gewisse Beklemmungen. Ein zeit-
gemäßer Werkname ist allerdings
noch nicht gefunden. Romabaron ,
Sintibaron oder einfach Baron
Neureich haben sich nicht durch-
gesetzt. Rückten andere Charakte-
re ins Zentrum–wie der Würstel-
macher Zsupán (routiniert Kurt
Rydl)–böte sich vielleicht Der
Schweinekapitalist an.
Tränen der Liebe womöglich? Er
würde zur Beziehung zwischen
Saffi (etwa schrill Kristiane Kai-
ser) und Barinkay (angenehmes
Timbre Lucian Krasznec) passen.
Man sieht jedoch, es bleibt noch
einiges an Grübelei...
In der Regie von Peter Lund
jedenfalls sind Sinti und Roma die
wahren integren, humanen Zeit-
genossen. Allen anderen wäre mit
Skepsis zu begegnen: Der Beamte
(eindringlich Boris Eder) ist kor-
rupt; Held Sandor ist ein Hallod-
ri, Ottokar (David Sitka) eher ein
Depp. Und der Soldatenfischer
Homonay (Marco Di Sapia) bleibt
bedenklicher Militarist, der hier
zum gruselig-lustigen Marionet-
tensoldaten wird.
Lund sucht aus Klischees durch
Überzeichnung und karikatur-
haft-groteske Verpuppung auszu-
brechen (exemplarisch die Figur
der Arsena, dargestellt von Anita
Götz). Leider wird die Inszenie-
rung, die mit Videos anfänglich
elegant abhebt, langsam von blei-
erner Schwere befallen. Dass zum
Schluss alles in einem Bilderrah-
men stattfindet, ist schade. Es hät-
te –obder Statik–auch zu frühe-
ren Szenen gepasst. Das Bemü-
hen, sich von fragwürdigen As-
pekten des Werkes zu distanzie-
ren und doch zu unterhalten,
scheint Bremseffekte ausgelöst zu
haben, denen sich etwa Martina
Mikelic (als Czipra) und Regula
Rosin (als Mirabella) entziehen.
Das Orchester unter Alfred
Eschwé klingt gediegen, hilft aber
kaum. Es dominiert eine wiegen-
liedhafte Gemütlichkeit, die nie
Energie und Intensität hervor-
bringt. Seltsam maschinell, ja fast
indifferent klingt es mitunter. Als
wollte man dem Werk einen neu-
en Titel insinuieren – Der Schlaf-
baron. 4.,7., 11., 14.,18.,22.,26.,30. 3.

Variationen über denVirtuosen


Das Beethoven-Jahr bringt auch produktive Exzentrik:Künstliche Intelligenzkomponiert
die 10.Symphonie desJubilars.ImMusikvereinwerden zahlreicheUraufführungen präsentiert.

und versetzt uns immer wieder in
Erstaunen.“ Seine Variation „ist
eine wilde, ziemlich virtuose Toc-
cata, die sich mit Diabellis Walzer
auseinandersetzen will. Trotzdem
schaut Ludwig selber immer wie-
der kurz herein. Wie gesagt: Es ist
schwer, ihn zu ignorieren!
Zum Stichwort Tradition ant-
worten die zeitgenössischen Ton-
künstler höchst unterschiedlich:
Während sie für Dean „stets eine
willkommene und nicht verpönte
Wegbegleiterin ist, die man aber
manchmal vergessen muss, damit
das Ganze eine Frische behält“,
sagt etwa Johannes Maria Staud,
Tradition interessiere ihn nicht:
„Musikgeschichte funktioniert
für mich nicht chronologisch, sie
besteht aus unzähligen Seiten-
strängen und Nebenwegen. Ich
vertiefe mich allerdings häufig in
einzelne Meisterwerke, die mich
bewegen, inspirieren und auch
provozieren.“

Gestisch unverkennbar
Dazu gehörte für ihn Beethoven
bereits, als Staud acht Jahre alt
war. Nun versuchte er, „Diabellis
ThemaalsKomponistdes21.Jahr-
hunderts ernst zu nehmen und in
meine harmonische Welt zu ent-
führen, aber gestisch unverkenn-
bar am Vorbild zu bleiben“.
Rodion Schtschedrin hält sich
hinsichtlich der Tradition an den
Dichter Horaz, dessen Werke auch
in Beethovens Bibliothek standen:

I

mJahr 1819 hatte der vormali-
ge Klavier- und Gitarrenlehrer
und nunmehrige Musikverle-
ger Anton Diabelli eine folgenrei-
che Idee: Er lud praktisch alle
damals bekannteren „vaterländi-
schen“ Komponisten ein, für ein
Sammelwerk eine Variation über
einen eigenen, musikalisch eher
schlichten Walzer zu verfassen,
darunter Czerny, Hummel, Franz
Xaver Mozart, Schubert und Liszt.
Fast alle lieferten brav das Ge-
wünschte. 50 Beiträge konnte Dia-
belli in einem Band publizieren.
Doch der ebenfalls wie die ande-
ren angefragte Ludwig van Beet-
hoven wirbelte das Projekt ordent-
lich durcheinander und machte es
zu einem ungeahnten Erfolg, in-
demereinenganzeneigenenBand
für den Verleger füllte.
Statt einer Variation über den
„Schusterfleck“, wie er Diabellis
Thema nannte, lieferte er deren
33 in bewusster Übertretung
einer ungeschriebenen Norm:
Denn 30 oder maximal 32 Varia-
tionen waren bislang das Maxi-
mum des Üblichen bei derartigen
Kompositionen gewesen. Der Rest
ist (Musik-)Geschichte.
Genau 200 Jahre danach wur-
den etliche Zeitgenossen vom
Wiener Musikverein angefragt,
auf Diabellis Thema schöpferisch
zu reagieren. Elf neue Werke –
etwa von Lera Auerbach, Chris-
tian Jost oder Max Richter–sind
entstanden, die der Pianist Rudolf


Buchbinder nun am Dienstag im
Goldenen Saal der Gesellschaft
der Musikfreunde–neben Diabel-
lis Original, Beethovens Riesen-
werk und einer Auswahl der sel-
ten gespielten Stücke des ur-
sprünglichen Projekts–urauffüh-
ren und anschließend auch an-
derswo präsentieren wird.

Nicht tonal
Ein Rundschreiben an die kom-
ponierenden Zeitgenossen stellte
dabei auch die Frage nach der
jeweils persönlichen Beziehung
zu Beethoven: Zwei Jahrhunderte
später nennt Philippe Manoury
seinen Beitrag, der „Muster des
Themas von Diabelli in eine nicht-
tonale Umgebung transformiert“.
Ludwig van Beethoven ist für
den Live-Elektronik-Pionier „der
Mann, der die alte Tradition in
einen Raum verwandelt hat, in
dem wir jetzt leben“. Er selbst
sieht sich in Fortsetzung des euro-
päischen Komponierens: „Dieses
besteht zu 60 Prozent aus Schrei-
ben,zu35ProzentausExperimen-
ten und zu fünf Prozent aus Ener-
gie, um die Menschen davon zu
überzeugen, dass das, was wir
schaffen, weiterhin Musik ist.“
Für Brett Dean –ehemaliger
BratschistderBerlinerPhilharmo-
niker–„kann man unter allen gro-
ßen Alten Meistern den Ludwig
am schwersten ignorieren. Er be-
rührt, er überrascht, verwirrt und
verblüfft immer wieder aufs Neue

„Ändere deinen Stil häufiger,
hatderDichtereinmalempfohlen.
So möchte ich auf eine andere
Art und Weise etwas Eigenes im
Walzer von Diabelli hören, etwas,
das man vorher nicht gehört hat,
etwas von heute.“
Währenddessen hat der Mos-
kauer seine Nähe zum Jubilar
Beethoven etwa so ausgedrückt,
dass er ein Orchesterstück mit
dem Titel Beethovens Heiligen-
städter Testament geschriebenhat.

Die Zehnte kommt
Auch für den Amerikaner Brad
Lubman ist „Beethoven einer der
wichtigsten Komponisten“ über-
haupt, seine Variation handle
„vom Geist seiner Musik, wie er
durch Diabellis Walzerthema ge-
sehen wird“, während Beethoven
für Toshio Hosokawa „die Hoff-
nung, das Licht“ verkörpert. Sein
Stück Verlust –das wie alle seine
Werke „in einem Spannungs-
verhältnis zwischen westlicher
Avantgarde und traditioneller ja-
panischer Kultur“ steht–soll „die
Schönheit jedes einzelnen Kla-
viertons intensiv hören“ lassen.
Ein sehr moderner Komponist
fehlt allerdings hier–die künst-
liche Intelligenz. Sie hat indes
noch viel Größeres vor: Mit ihrer
Hilfe soll aus den Bruchstücken
von Beethovens 10. Symphonie
eine Ganzheit entstehen.
Diabelli-Variationen, Rudolf Buchbinder:


  1. 3., Wiener Musikverein,19.


2020 ,imJahrseines250. Geburtstags, wird der Komponist Ludwig van Beethoven in Bild und Ton neu interpretiert.

Foto: Fassbender

Daniel Ender

*

Arsena (Anita Götz) und
Sandor(Lucian Krasznec).
Foto: Volksoper
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