Süddeutsche Zeitung - 22.02.2020

(WallPaper) #1

Es ist ein ungewohnter Anblick in der
Münchner Altstadt: Seit mehr als zwei Mo-
naten steht ein Geschäft leer – in bester La-
ge im historischen Gemäuer des Send-
linger Tors. Ende Dezember zog der „Gür-
telmacher“ Thomas Wilhelm Beckert aus,
neun Jahre lang hatte er den 36 Quadrat-
meter kleinen Laden gemietet, der gleich-
zeitig als Werkstatt diente. Der Füssener
fertigte vor allem wertvolle Auftragsarbei-
ten an, sein Kundenstamm ist groß. Trotz-
dem hat er das Geschäft nun aufgegeben
und ist zurück nach Füssen gegangen.
„Ich wollte halt nicht mehr nach München
pendeln“, sagt der Handwerker am Tele-
fon. Jetzt liegt seine Werkstatt wieder
ganz in der Nähe seines Zuhauses. An der
Ladenmiete hat es auf alle Fälle nicht gele-
gen. Denn Beckert hatte Glück: Das Ge-
schäft gehört zu den 73 Gewerbe- und La-
deneinheiten in der Altstadt, die das Kom-
munalreferat verwaltet und vermietet.
Die Geschäfte sind bei Händlern äu-
ßerst begehrt, denn sie sind im Vergleich
zu den Preisen auf dem freien Markt güns-
tig. Vor knapp zwei Jahren hatte der Stadt-
rat ein Innenstadtkonzept zur Vermietung
von städtischen Ladenflächen neu aufge-
legt, das bereits seit 2006 gilt. Damit sol-
len traditionelle und kleine Einzelhandels-
geschäfte und innovative Angebote von
Start-ups gefördert werden. Denn längst
beherrschen große internationale Filialen
den Markt in der Altstadt zu fast hundert
Prozent. So wird für die inhabergeführten
Geschäfte, die entweder ein Alleinstel-
lungsmerkmal haben oder durch ihre Ori-
ginalität oder Tradition überzeugen, eine
Mindestmiete verlangt und zusätzlich ei-
ne Umsatzmiete, die je nach Branche zwi-
schen 3,5 und zehn Prozent liegt. Dafür
muss der Mieter jährlich seine Umsatzzah-
len vorlegen.


Das Konzept geht auf. Von den 73 Läden
in der Altstadt sind derzeit fast alle belegt.
Lediglich das kleine Geschäft am Send-
linger Tor steht derzeit leer, weil es saniert
wird, doch von 1. April an können sich In-
teressenten bewerben. Ein Schuster soll
unter anderem schon Interesse bekundet
haben. Auch im Herzen der Altstadt wird
bald ein Laden frei. Ende März zieht das
Geschäft „Gewürze der Welt“ in der Passa-
ge der Thiereckstraße neben dem Wirts-
haus „Donisl“ aus, um wieder an seinen al-
ten Stammplatz im von der Stadt vermiete-
ten Ruffinihaus zu gehen, das noch bis
zum Sommer saniert wird. Ganz günstig
ist die Miete in dem 75 Quadratmeter gro-
ßen Geschäft an der Thiereckstraße mit

seiner Hinterhoflage nicht: 2395 Euro plus
130 Euro Heizkosten muss der künftige Be-
treiber monatlich zahlen. Es gibt dort kei-
ne Toilette und nur einen Elektroboiler,
um Wasser zu erhitzen. Der Standard des
Nachkriegsgebäudes sei „einfach“, mittel-
fristig sei eine Sanierung nötig, heißt es
auf der Immobilienseite der Stadt. Da ist
die Lage und die Ausstattung im Ruffini-
haus deutlich besser, weshalb die meisten
der alten Mieter dort wieder einziehen
oder sogar schon wieder geöffnet haben.
Bis auf die Südostseite am Rindermarkt,
wo noch Baugerüste stehen, seien die Lä-
den an die Mieter wieder übergeben wor-
den. „Natürlich wollen alle so schnell wie
möglich eröffnen“, teilt die Stadt mit.

Seit genau zwei Jahren wird das Ruffini-
haus nun generalsaniert. Der knapp
120 Jahre alte Gebäudekomplex, den Ga-
briel von Seidl errichtet hat, beherbergt
künftig nicht nur 20 Läden, von dem einer
ständig als sogenannter Pop-up-Store ge-
nutzt werden soll. Im Dachgeschoss wird
künftig auch Platz für Teile der Stadtver-
waltung sein.
Nur ein paar Schritte entfernt vom Ruf-
finihaus hat das Kommunalreferat noch
weitere begehrte Ladenflächen im Besitz:
am Viktualienmarkt. Der soll zwar wie die
Märkte am Elisabethplatz und am Wiener
Platz sowie der Pasinger Viktualienmarkt
nun saniert und teilweise umgebaut wer-
den, doch immerhin gibt es dort derzeit
ein Standl, das seit geraumer Zeit leer-
steht. Vorn bei der Heiliggeistkirche gibt
es bei den Metzgern in Abteilung V ein
26 Quadratmeter kleines Geschäft, das
derzeit von den Markthallen München an-
geboten wird: 687,70 netto kostet dort mo-
natlich die Mindestgebühr, hinzu kom-
men eine Umsatzgebühr sowie Nebenkos-
ten. Normalerweise warten Händler viele
Jahre, bis sie in einen der begehrten Stän-
de am berühmten Viktualienmarkt ziehen
können. Doch wegen der Sanierung, bei
der auch die Stände teilweise neu errichtet
werden müssen, gilt der Vertrag vorerst
nur bis Ende kommenden Jahres. Laut
Stadtratsbeschluss erhalten die Händler,
die derzeit nur befristete Verträge haben,
nach Ende der Sanierung des Viktualien-
markts unbefristete Verträge.
Die städtischen Läden in der Altstadt
sind mittlerweile fast die einzigen, die
nicht mit Handelsketten belegt sind. Dass
die kleinen Händler überleben können,
hängt aber nicht nur vom Preis, sondern
vor allem davon ab, dass Münchner auch
dort einkaufen. thomas anlauf

Platz für Tradition


In der Altstadt dominieren Filialketten, doch die Stadt bietet mit günstigen Mieten auch kleinen Händlern Chancen


von jakob wetzel

D


ass es jetzt vor Gericht geht,
hätten sie gerne vermieden,
sagt Günther Hanel vom Vor-
stand des Dachverbands Bay-
erischer Träger für Kinderta-
geseinrichtungen (DBTK). Die Mitglieder
seines Verbands sähen sich ja als Partner
der Stadt und nicht als deren Gegner. Seit
vielen Monaten suche man deshalb das Ge-
spräch, doch es ändere sich nichts. Daher
lasse ihnen die Stadt keine Wahl.
Am Donnerstag, 20. Februar, hat nun
ein erster privater Kita-Träger Klage ge-
gen die Stadt eingereicht. Vor dem Bayeri-
schen Verwaltungsgericht München for-
dert er Geld und plädiert auf Gleichbe-
handlung. Denn die Stadt hat zum Septem-
ber 2019 die Besuchsgebühren für die
meisten Münchner Kitas freiwillig deut-
lich gesenkt, ein Großteil der Kindergar-
tenplätze kostet seitdem gar nichts mehr.
Eltern, deren Kinder eine private Einrich-
tung besuchen, bleiben aber außen vor, zu-
mindest wenn sich ihre Kita nicht den Re-
geln der Münchner Förderformel unter-
wirft, einem Zuschusssystem, mit dem
die Stadt für mehr Bildungsgerechtigkeit
sorgen will. Dass damit aber die einen El-
tern entlastet werden, die anderen nicht,
sei alles andere als gerecht, heißt es vom
DBTK. Die Stadt solle allen Eltern dieselbe
Entlastung gewähren.
Der erste Kläger ist die gemeinnützige
Firma Kibiku, die in München drei be-
triebsnahe Kindertagesstätten betreibt,
darunter in Kooperation mit dem Süd-
deutschen Verlag die „SV Pressezwerge“
in dessen Hochhaus. Die Kita steht allen of-
fen und betreut derzeit 38 Kinder. Für die-
se geht es nun vorläufig um knapp
77 000 Euro für ein Jahr Kinderbetreuung
seit Herbst 2019. Eigentlich aber geht es
um mehr: Kibiku klagt stellvertretend für
27 weitere Träger, die ebenfalls bereit wä-
ren zu klagen. Man wolle diese Klage ger-
ne beispielhaft führen, sagte Rechtsan-
walt Johannes Mierau am Freitag in der
Franziskaner-Gaststätte an der Residenz-
straße. Und letztendlich gehe es auch
nicht um die Träger, sondern um die El-
tern, betonte Andreas Lorenz, Geschäfts-
führer des DBTK. Betroffen seien 18 Pro-
zent aller Betreuungsplätze in München.

Im Kern des Streits steht die Frage, wel-
che Bedingungen die Stadt stellen darf,
wenn sie freiwillig Zuschüsse verteilt. Sie
verlangt, sich den Regeln der Münchner
Förderformel zu unterwerfen; eine Kita
muss dann etwa die Elternbeiträge de-
ckeln und darf ihre Erzieher nicht besser
bezahlen als die Stadt. Viele private Kitas
müssten dann aber Angebote wie etwa län-
gere Öffnungszeiten einschränken oder
einstellen, kritisierte Hanel am Freitag.
Diese Bedingung greife in die Autonomie
der Träger ein und sei nicht verhältnismä-
ßig, heißt es in der Klage. Mierau wies dar-
auf hin, dass die Stadt mit ihren Kitas
nicht nur Zuschussgeberin, sondern auch
Konkurrentin der privaten Träger sei.

Der DBTK ringt bereits seit Herbst 2018
mit der Stadt. Er hat seither zwei Rechts-
gutachten vorgelegt, die seine Sicht stüt-
zen. Im Sommer 2019 forderten dann SPD
und CSU im Stadtrat das Bildungsreferat
auf, alle Eltern zu entlasten. Doch am Mitt-
woch, in der letzten Vollversammlung vor
der Kommunalwahl, wurde die Frist eines
Dringlichkeitsantrags der CSU zum The-
ma noch einmal bis Mai 2020 verlängert.
Das Bildungsreferat hatte zuvor gar um
Vertagung bis September gebeten. Die Kla-
ge firmiert nun als Untätigkeitsklage.
Das Bildungsreferat erklärt dazu, es ha-
be zu dem komplexen Thema sieben An-
träge zu bearbeiten, drei davon seien erst
im Februar 2020 eingegangen. Zudem ha-
be man selbst ein Rechtsgutachten in Auf-
trag gegeben, das dauere. Bis Mai 2020
werde es eine Beschlussvorlage geben.
Anwalt Mierau sagte am Freitag, er sei
nicht als Prozesshansel verschrien; gerne
würde man sich weiterhin außergericht-
lich einigen. Eine Klage könne schließlich
ebenfalls lange dauern, damit sei den El-
tern auch nicht geholfen. In der Sache
aber äußerte sich Hanel hart: Man wolle
die Entlastung für alle Eltern rückwir-
kend ab September 2019. „Ansonsten wer-
den wir alle Träger solidarisch unterstüt-
zen, über alle Instanzen hinweg. Das sind
wir auch den Eltern schuldig.“

Die meisten Mieter haben ihre Läden im Ruffinihaus nach der Sanierung bereits
wieder geöffnet. FOTO: ROBERT HAAS

Von der Gebührensenkung profitieren nicht alle Kinder in München – das wollen
private Träger von Kitas nicht hinnehmen. FOTO: DANIEL KARMANN/DPA

Der „Gürtelmacher“ Thomas Wilhelm Beckert führte neun Jahre sein Geschäft am Sendlinger Tor. Seit einigen Wochen steht der Laden leer. FOTO: ALESSANDRA SCHELLNEGGER


Gleiches Geld


für alle Eltern


Erster privater Kita-Träger klagt gegen die Stadt,
weil viele von Zuschüssen ausgeschlossen bleiben

Das Bildungsreferat soll
ein Konzept erarbeiten,
um alle Eltern zu entlasten


DEFGH Nr. 44, Samstag/Sonntag, 22./23. Februar 2020 MÜNCHEN R5


City ofBirmingham
Symphony Orchestra
Tschaikowsky: KlavierkonzertNr. 1
Brahms:Symphonie Nr.3
Gabriela Montero,Klavier
Mirga Gražinyte ̇-Tyla, Leitung

DI ·17.3.20·20Uhr ·Philharmonie

SO ·22.3.2 0·20 Uhr ·Prinz regententheater

Matthias Goerne&Jan Lisiecki
Ausgewählte Lieder von Beethoven

DIERÜCKKEHRDER JEDI-RITTER
IN CONCERT
PILSEN PHILHARMONIC
LUDWIG WICKI, LEITUNG

Ostern·11.-13.4.20·Philharmonie

SA ·18.4.20·19.30Uhr ·Philharmonie

MünchnerSymphoniker
MünchenerBach-Chor
Hansjörg Albrecht, Leitung

CAR LORFF
Carmina

Burana

SO ·29.3.20·20Uhr
Prinzregententheater
Ein heiterer Abend
mit Christian Ude,
Han’s Klaffl,
Axel Hacke,
den nouWell Cousines
aus der legendären
Well-Familie u.a.
Mit Reaktionen auf
die Rathauswahlen

Ude
&F riends

DO ·9.4.20·20Uhr ·Phil harmonie
Amazing Grace·OhHappyDay
Swing Down Chariot·Hallelujah
WeShall Overcome·Earth Song
u.v.m.

Ostern·11.-13.4.20
Prinzregententheater

John Neumeiers
Bundes-
jugendballett
tanzt „Ein kleiner Prinz“

Der Originalfilm mit
Live-Orchester

Ostermontag,13.4.20
15 Uhr ·Philharmonie

Pilsen Philharmonic Orchestra
LudwigWicki, Leitung

Zusatz-
Vorstellung

Johann-Sebastian Bach:
Matthäus-
Passion
Carolina Ullrich, Sopran
Wiebke Lehmkuhl, Alt
Werner Güra,Tenor (Evangelist)
AndreasPost, Tenor (Arien)
Thomas Laske, Bass (Christus)
Johannes Kammler,Bass (Arien)
Orchester und Chor
der KlangVerwaltung
Tölzer Knabenchor
Jos van Immerseel,
Leitung

Karfreitag·10.4.20·19 Uhr
Philharmonie

SO ·5.4.20·15 &19Uhr
Philharmonie

SO

Grandfathers of Cuban Music

London
Philharmonic
Orchestra
Beethoven:
KlavierkonzertNr. 4
Dvorˇák:Symphonie Nr.8
Seong-Jin Cho,Klavier
RobinTicciati, Leitung

MO ·16.3.20·20 Uhr ·Philharmonie SO ·15.3.2 0·20 Uhr
Prinzregententheater

Russische
Ostern
Moskauer Kathedralchor

Die schönsten
Stimmen Russlands
und die tiefsten
Bässe derWelt

Missa

mystica

Missa

mystica

SanFrancisco
Symphony
Saint-Saëns: CellokonzertNr. 1
Strawinsky: „DerFeuervogel“
Gautier Capuçon,Violoncello
MichaelTilson Thomas, Leitung

MO ·30.3.20·20Uhr ·Philharmonie

SO ·29.3.20·11Uhr ·Prinzregententheater

Nils Mönkemeyer
Mozart:Symphonie Nr.9
Mozart:Konzertfür Viola und Orchester
A-Dur (nach dem KlarinettenkonzertKV622)
Haydn:Symphonie Nr.41
Kammerorchester desSymphonieorchesters
des Bayerischen Rundfunks
Radoslaw Szulc, Leitung

SO·29.3.20·15.30Uhr·Prinzregententheater

Kammerorchester Basel
Mendelssohn: Streichersymphonie Nr.10
Mendelssohn:Konzertfür Violine,
Klavier und Streichorchester
Dvorˇák: Serenade für Streichorchester
Marc Bouchkov,Violine
Claire Huangci, Klavier
Howard Griffiths, Leitung

Daniel Hope
„Belle Epoque“
Werke von Elgar,Sinding, Massenet,
Strauss&Chausson
Zürcher Kammerorchester
Simon Crawford-Phillips, Klavier

SA ·29.2.20·20 Uhr
Prinzregententheater

8./9.4.20 ·20Uhr ·Prinzregententheater

Familie
Flöz
Neues Programm:
„Dr.Nest“

ONE EARTHTOUR 2020:„LEGACY“ FR ·6.3.20·20Uhr ·Prinzregententheater

21./22.3.20
Philharmonie
im Gasteig

Die Trommelsensation aus Japan

31.3.-5.4.20
Prinzregenten-
theater

DIENEUETANZSHOW

Kent Nagano
Schumann:Symphonie Nr.3
„Rheinische“
Brahms:Symphonie Nr.1
DeutschesSymphonie-
Orchester Berlin

FR ·28.2.20·20 Uhr ·Philharmonie

Münchener
Kammerorchester
Respighi: „Antiche danze ed arie
per liuto“–Suite Nr.3
Rossini: „Une larme“
Offenbach: „HommageàRossini“
Tschaikowsky: „Souvenir de Florence“
Raphaela Gromes,Violoncello

SO ·8.3.20·15.30Uhr ·Prinzregententheater

SO ·8.3.20·20 Uhr
Philharmonie

25.2./22.3.20·Prinzregententheater
München inSandgemalt
Die Magie der
Sandbilder

SySy

We

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