von katja auer
D
en Bayern, speziell denen vom
Land, wird eine große Traditions-
liebe zugeschrieben, manche nen-
nen es auch Beharrungsvermögen oder
schlicht Starrsinn. Die CSU zum Beispiel
hat mit ihrem Narrativ des Bewahrens
jahrzehntelang Wahlen gewonnen, auch
wenn es inzwischen ein bisschen mehr
Laptop als Lederhose sein dürfte, wenn
das schnelle Internet endlich überall
funktionieren würde. Die Lesart, dass je-
nes durchaus Vorteile mit sich bringt, hat
sich weitgehend durchgesetzt, eine gewis-
se grantlerische Skepsis freilich immer
eingeschlossen.
Die gehört dazu, weil früher alles bes-
ser war, so will es die Legende, auch wenn
an der niemand mehr ernsthaft festhält.
Wer einmal Joseph Vilsmaiers „Herbst-
milch“, basierend auf den Lebenserinne-
rungen der niederbayerischen Bäuerin
Anna Wimschneider, gesehen hat, der
mag sich die gute alte Zeit nicht zurück-
wünschen. Der Anna Wimschneider hät-
te man umgekehrt ein paar Errungen-
schaften der späteren Zeit gewünscht, ei-
nen gescheiten Bulldog zum Beispiel
oder ein paar Wochen Urlaub. Wellness
vielleicht sogar, das lässt sich inzwischen
ganz wunderbar in Niederbayern erledi-
gen, „wo kaum oana an Urlaub bucht, do
muss Di eher hi verschlong“, wie Hannes
Ringlstetter in seiner wunderbaren Hym-
ne an den Landstrich singt. Doch dort
gibt es längst Vier- und Fünf-Sterne-Ho-
tels mit Saunalandschaften und Infinity-
Pools, wo früher Wirtshäuser mit ein
paar Fremdenzimmern waren. In den zu-
gehörigen Tiefgaragen reihen sich die teu-
ren Autos mit Kennzeichen von weiter
und gar nicht so weit her aneinander.
Den Wagen muss natürlich niemand
selber parken, so gehört sich das von ei-
ner gewissen Preisklasse an. Aber da blei-
ben die Männer, vor allem die mit erkenn-
bar einheimischen Zungenschlag, skep-
tisch. Könnte ihnen ja einer das Auto
„zammfahrn“, da parken sie lieber selbst.
Haben sie immer so gemacht. Die Hoteli-
ers beweisen Verständnis, beim Parken
wie beim Frühstück, wo zwischen aufge-
schnittenen Südfrüchten, Lachstartar
und Pancakes mit Ahornsirup, immer ein
paar Radl Leberwurst und dick aufge-
schnittener Presssack zu finden sind.
Und zum Salatbuffet am Nachmittag
gibt’s Bratwürste. Völlig wurscht ob aus
Tradition oder Starrsinn.
von florian fuchs
F
rüher sagte man Stadtteilge-
spräch, heute heißt es auch
„Townhall“. Die Grünen auf je-
den Fall treffen sich an diesem
Abend im Februar im Augsbur-
ger Bezirk Göggingen. Es ist Wahlkampf,
Martina Wild stellt sich als Kandidatin für
das Oberbürgermeisteramt vor; es geht
um Energiestandards, 365-Euro-Tickets,
auch um Eiskugeln, die der Eismann nicht
in die mitgebrachte Tupperdose packen
möchte. Da meldet sich eine Frau und
schiebt erst einmal entschuldigend vor-
aus, dass sie ganz klar nicht zur konservati-
ven Wählergruppe gehöre. Sie überlege
aber nun trotzdem, „die Weber zu wählen“.
Wenn sie die Grünen wähle, gehe ihre Stim-
me ja nur wieder verloren. Denn: „Die We-
ber macht’s doch eh.“
„Die Weber“ ist Eva Weber, Oberbürger-
meisterkandidatin der CSU, und auch
wenn die Dame mit den grauen Haaren
mit ihrer OB-Wahl-Prognose im Main-
stream der nicht-repräsentativen Stadtge-
spräche liegt, ist Martina Wild erst einmal
baff. Bevor sie sich doch recht schnell
fängt und erklärt, dass eine Stimme für die
Grünen aus ihrer Sicht natürlich nie eine
verlorene Stimme ist. Ein seltsamer Zeit-
punkt für so eine Frage ist es ja tatsäch-
lich, ausgerechnet dieses Mal, wenn es für
die Grünen laut Wild in Augsburg „eine
Chance gibt, wie es sie in 30 Jahren nie ge-
geben hat“. Sie meint damit nicht, dass der
Platzhirsch abtritt, der unumstrittene
Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU), und
deshalb das OB-Rennen überhaupt offen
ist. Sie meint damit die Welle, auf der wie
die gesamte Partei in Bayern und vor allem
in Großstädten auch die Augsburger Grü-
nen reiten.
Dirk Wurm für die SPD kämpft, Marti-
na Wild für die Grünen sieht sich in der Rol-
le der Herausforderin. Eva Weber für die
CSU führt einen Favoritenwahlkampf. Das
ist in Augsburg die Rollenverteilung vor
der Wahl am 15. März, und es ist eine ganz
interessante Konstellation, in der die aus-
sichtsreichsten Kandidaten zueinander
stehen. Alle drei arbeiten täglich zusam-
men, Weber als Finanzreferentin und Zwei-
te Bürgermeisterin, Wurm als Ordnungsre-
ferent, Wild als Fraktionschefin der Grü-
nen. Man kennt sich, man schätzt sich
auch. CSU, SPD und Grüne bilden in der
Stadtregierung ein Bündnis, gar nicht mal
wenige Kritiker beklagen sogar, dass sich
die drei Kandidaten zu sehr schätzen. Kei-
ner will den anderen so richtig angreifen,
keiner kann den anderen auch so richtig
angreifen, die wichtigen Entscheidungen
haben die OB-Bewerber und Parteien in
den vergangenen sechs Jahren ja vorzugs-
weise gemeinsam getragen. Langweilig
schimpfen viele Augsburger den Wahl-
kampf deshalb.
Was den offenen Schlagabtausch anbe-
langt, hat sich in den vergangenen Mona-
ten am ehesten noch die SPD verdient ge-
macht um die Spannung in Augsburg. Vie-
le Jahre hat die Partei den Oberbürgermeis-
ter gestellt. Wenn bei der letzten Wahl
überhaupt jemand Konkurrent für den am-
tierenden CSU-Oberbürgermeister Kurt
Gribl genannt werden konnte, dann war es
der damalige SPD-Kandidat. 28 Prozent
der Stimmen holte er, damit kam er aller-
dings nicht einmal in die Stichwahl. Nun al-
so Dirk Wurm, immer perfekt gekleidet,
immer perfekt frisiert. Er ist ein Mann für
den großen Auftritt, auf der Bühne fühlt er
sich wohl, da kommt er locker rüber. Er
schimpft dann gerne über die Kostenexplo-
sion beim Staatstheater und über den mi-
serablen Zustand der Augsburger Schu-
len. Den allgemeinen SPD-Abwärtstrend
kann er aber auch nicht weglächeln, der be-
schäftigt die Augsburger Genossen. „Die
SPD definiert sich nicht über Wahlergeb-
nisse, sondern über Werte“, hat die SPD-
Bundestagsabgeordnete und Ortsvorsit-
zende Ulrike Bahr vor Hunderten Zuhören
jüngst beim Neujahrsempfang im Rathaus
vorsichtshalber schon einmal vorgebaut.
Es sollte kämpferisch klingen.
Dass Dirk Wurm sich zwar am weites-
ten vorwagt mit Attacken auf seine politi-
schen Gegner, es aber trotzdem nicht ge-
schafft hat, die ganz großen Debatten im
Wahlkampf loszutreten, liegt auch an den
beiden Konkurrentinnen, die sich eher ge-
genseitig im Blick haben. Vor allem CSU-
Kandidatin Weber führt einen extrem
durchgestylten Wahlkampf, perfekt abge-
stimmt auf alles, was ihr gefährlich wer-
den könnte. Im Fußball würde man sagen:
Die Frau hat einen Matchplan. Dass die
SPD dort als Gegner offensichtlich nicht
vorkommt, ist schon ein Zeichen. Dafür
reibt sich Weber mit Vehemenz an der Viel-
zahl der kleinen Parteien und vor allem an
den Grünen und räumt allzu rückwärtsge-
wandte Vertreter in der eigenen Partei
kompromisslos ab. Die AfD, die in der
ärmsten Großstadt Bayerns mit vielen
niedrig bezahlten Arbeitsplätzen Stim-
menpotenzial für sich sieht, straft Weber
sowieso mit Verachtung. Einen eigenen
CSU-Ortsverband in der Stadt hat sie aber
auch kalt gestellt, weil die Mitglieder dort
ihrer Ansicht nach nicht die bürgerliche
Mitte abbilden, sondern eher den rechten
Rand.
Jung, weiblich, modern und ökologisch,
Weber verkörpert, was die CSU in Groß-
städten darstellen will. Und da passt auch
ein Punkt hinein, in dem sich die 42-Jähri-
ge von ihrem Ziehvater Gribl absetzt. Der
hat die vergangenen Jahre vor allem in Stei-
ne investiert, in Infrastruktur wie am
Hauptbahnhof, der gerade aufwendig um-
gebaut wird. Weber will jetzt wieder „nä-
her am Menschen“ sein, und was wie eine
Wahlkampfphrase klingt, darf man auch
als Antwort auf die Zersplitterung der Par-
teienlandschaft in Augsburg verstehen.
15 Gruppierungen treten zur Wahl an, so
viele wie nie. In ihrem Wahlprogramm hat
die CSU vor ihrem Kernthema Wirtschaft
deshalb gleich an den Beginn einen Punkt
„Miteinander“ gesetzt. Weber will unter
anderem Bezirksausschüsse einsetzen,
wie es sie in München gibt. Sie will sich von
all den kleinen und neu gegründeten Grup-
pierungen nicht mehr sagen lassen, dass
die Politik wieder mehr vom Bürger aus ge-
dacht werden muss. Und von den Grünen
will sie sich nicht vorschreiben lassen, wie
der klimagerechte Umbau der Stadt zu er-
folgen hat: Noch nie war ein Augsburger
CSU-Wahlprogramm so stark von den The-
men Umwelt, Klimaschutz und Nachhaltig-
keit geprägt.
Die Wahl in Augsburg ist für die CSU ins-
gesamt von immenser Bedeutung. Groß-
städte sind nicht gerade ein Erfolgsgarant
für CSU-Bewerber, im Gegenteil: In Mün-
chen geht die Kandidatin gerade unter, in
Nürnberg hat der Kandidat harte Konkur-
renz. Da schaut Ministerpräsident Markus
Söder mit Freude alle paar Tage in der mit
300 000 Einwohnern drittgrößten Groß-
stadt Bayerns vorbei, in der es reelle Chan-
cen auf einen Erfolg gibt. Er ist inzwischen
schon Stammgast: Auftritt im Kinosaal,
Auftritt in der örtlichen Wahlkampfzentra-
le, gerne verbunden mit dem Hinweis, wie
gut die Beziehungen der Stadtregierung
zur Staatsregierung seien, und dass Augs-
burg jüngst nicht nur mit Staatstheater
und Uniklinik doch gut weggekommen
sei. Beim CSU-Neujahrsempfang ließ Sö-
der in einem Nebensatz fallen, dass der
Freistaat 600 neue Studienplätze in der
Stadt schaffe.
Da schwingt dann unterschwellig im-
mer mit, dass die Grünen eben nicht in der
Staatskanzlei sitzen und es ohne eine Ober-
bürgermeisterin Weber mit den reichen
Gaben halt vorbei wäre. Bei ihrem Klima-
programm für die Stadt betont Weber da-
für ein ums andere Mal, dass die Probleme
am besten mit Innovationen zu lösen seien
und nicht mit Verboten. Die angesproche-
nen Innovationen bleiben dabei eher vage;
schöne Grüße an die Konkurrentin von
den Grünen aber trotzdem, auch wenn sie
Martina Wild in dem Zusammenhang nie
erwähnt. Die weist das natürlich weit von
sich, mit Verboten will sie nichts zu tun ha-
ben. Sie erzählt dann lieber, wo die CSU
überall auf halbem Wege stecken bleibt im
Vergleich zu ihrer Partei: Weber will ein
paar Parkplätze in der Maximilianstraße
abschaffen, der zentralen Flaniermeile
der Stadt? Die Grünen wollen eine auto-
freie Innenstadt. Die CSU freut sich über
die zu Beginn des Jahres eingeführte, kos-
tenlose Cityzone für den Nahverkehr. Die
Grünen fordern ein 365-Euro-Ticket. Die
Grünen selbst wollen die Karlstraße, die
die Innenstadt vierspurig brutal zerschnei-
det, begrünen und zur kühlen Meile um-
bauen. „Da klingelt es mir in den Ohren,
wenn die anderen Parteien das plötzlich
auch wollen“, sagt Wild.
Bei der Landtagswahl 2018 kratzten die
Grünen in Augsburg an der 25-Prozent-
Marke, bei der Europawahl 2019 haben sie
diese gerissen. Martina Wild will nun auf
jeden Fall in die Stichwahl. „Und dann
schauen wir weiter“, sagt sie immer wie-
der. „Wir sind das Original“, das muss die
Partei vor dieser Wahl nicht nur auf ihren
Plakaten trotzdem etwas lauter hinaus po-
saunen als in den vergangenen Jahren,
nicht umsonst fragen Gäste bei Stadtteilge-
sprächen, warum sie nicht einfach für die
CSU-Kandidatin stimmen sollen. Da ist es
dann allerdings nicht so hilfreich, wenn
Wild in einem Interview mit dem Stadtma-
gazinNeue Szeneein bisschen ins Schwär-
men gerät, wenn sie von ihrer Konkurren-
tin spricht: „An Eva mag ich, dass sie stets
ein offenes Ohr für uns Grüne hat, und ich
habe in den vergangenen 16 Jahren weiß
Gott auch andere Vertreter der CSU er-
lebt.“ Eine Kampfansage ist das nicht gera-
de. Aber es scheint, als hätten sich da zwei
gefunden für die künftige Augsburger
Stadtregierung.
Katja Auer mag Niederbay-
ern. Als Oberpfälzerin
kommt sie dort gut zurecht.
CSU-Frau Eva Weber gilt als
Favoritin.FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA
Dirk Wurm tritt für die SPD an.
FOTO: PRIVAT
Augsburg– Der Zeitpunkt ist geschickt ge-
wählt: Am Freitag hat das Bürgerbegehren
„Fahrradstadt jetzt“ seine Ziele für Augs-
burg vorgestellt. Da müssen sich die Partei-
en in der finalen Phase des Wahlkampfs
noch einmal positionieren, eine mutmaß-
lich imposante Unterschriftenliste kön-
nen die Initiatoren dann pünktlich zur ers-
ten Sitzung des neuen Stadtrats im Mai
präsentieren. Fahrradstadt will sich Augs-
burg schon lange nennen, es passt aller-
dings nicht so recht zu den tatsächlichen
Gegebenheiten im täglichen Straßenver-
kehr. Weshalb das Begehren, für das vom
- März an Unterschriften gesammelt wer-
den sollen, schon auch als „Misstrauensvo-
tum an die jetzige Stadtregierung“ verstan-
den werden soll, wie Mitorganisator Jens
Wunderwald sagt. Der ADFC, Fridays for
Future und das Forum Augsburg lebens-
wert haben sich für das Bürgerbegehren
zusammengeschlossen. Sie bringen damit
vor allem die CSU in Verlegenheit.
SPD und Grüne sind gleich aufgesprun-
gen auf das Begehren; sie werden offizielle
Unterstützer. Kritik, warum die Fahrrad-
politik in der Stadt bislang nicht so durch-
schlagskräftig war, müssen sich dabei vor
allem die Grünen gefallen lassen. „Wir ha-
ben viele Anträge gestellt und hätten ger-
ne mehr durchgesetzt, aber das war mit un-
seren Partnern nicht immer so leicht“, kon-
tert dann die Kandidatin fürs Oberbürger-
meisteramt, Martina Wild. Mehr und bes-
sere Radwege, sichere Kreuzungen, mehr
Radabstellplätze fordert das Bündnis.
Mehr Radabstellplätze auch für Neu- und
Altbauten, da sind die Initiatoren beson-
ders stolz, weil das so in Deutschland noch
nie gefordert wurde: Demnach soll die
städtische Stellplatzsatzung dahingehend
geändert werden, dass Abstellplätze für
Fahrräder und Sonderabstellplätze etwa
für Fahrradanhänger um 80 Prozent er-
höht werden. Die CSU tut sich mit diesen
Forderungen schwerer als die anderen bei-
den großen Parteien: OB-Kandidatin Eva
Weber hat zwar ihr Auto abgeschafft und
radelt wahlkämpfend mit dem Lastenrad
durch die Stadt. Sie musste sich im Wahl-
kampf aber schon besorgt fragen lassen,
ob es ihre Wähler nicht überfordere, dass
sie in der städtischen Prachtmeile ein paar
Parkplätze testweise abräumen will.
Das Rad soll nicht gegen andere Ver-
kehrsmittel ausgespielt werden, auf diese
Sprachregelung haben sich Weber und die
CSU geeinigt, und das gilt ebenso für den
Nahverkehr. Mobilität ist ganz allgemein
auch in Augsburg ein Megathema vor die-
ser Wahl. Während aber SPD und Grüne
laut nach einem 365-Euro-Ticket rufen,
rechnet Weber anders: Um ein 365-Euro-
Ticket etwa mit einer Erhöhung der Park-
gebühren zu finanzieren, müsste man den
Preis von zwei Euro pro Stunde auf 20 Eu-
ro pro Stunde anheben. „Das ist halt unrea-
listisch“, sagt die CSU-Kandidatin. So sieht
sie auch den Plan einer autofreien Innen-
stadt, wie sie die Grünen mit Vehemenz for-
dern und in kleinen Schritten umsetzen
wollen. Die SPD dagegen, die den Radver-
kehr ausbauen und den Nahverkehr för-
dern will, hat im Herbst ein neues Park-
haus für den Augsburger Zoo gefordert,
die mit Abstand beliebteste Freizeitein-
richtung in der Region. Über so viel Auto-
freundlichkeit neben all den Forderungen
zu einem besseren Radverkehr und Nah-
verkehr waren dann selbst die CSU-Kolle-
gen verwundert.
Die SPD hat sich dafür alle Mühe gege-
ben, das Staatstheater zum Wahlkampf-
thema zu machen, dessen Sanierung deut-
lich teurer wird als ursprünglich vorgese-
hen. Allerhand Vorschläge stehen seitdem
im Raum, etwa dass die zweite Spielstätte
an einer anderen Stelle der Stadt fest veror-
tet werden soll. So ein Kampf gegen teure
Hochkultur kommt an bei der SPD-Klien-
tel, der es eher um praktische Themen wie
bezahlbaren Wohnraum geht. Mit so ei-
nem teuren Staatstheater kann man auch
wunderbar Wahlkampfplakate bespielen.
„Wir haben ein Staatstheater. Moderne
Schulen brauchen wir auch“, steht dann da
auf rotem Hintergrund.
Die Sanierung der Bildungseinrichtun-
gen ist tatsächlich ein Thema, das viele
Augsburger umtreibt, deren Töchter und
Söhne sich manchmal gar nicht mehr auf
die Schultoiletten trauen, weil es dort so
eklig ist. 300 Millionen Euro investiert die
Stadt in Sanierungen. Etwa eine Milliarde
bräuchte man, hat Martina Wild einmal
vorgerechnet. Im hoch verschuldeten
Augsburg scheitern allerdings viele Pläne
am Geld, das letztendlich oft schlicht nicht
vorhanden ist. florian fuchs
München– Bayerns Krankenhäuser ste-
hen vor einer ungewissen Zukunft. In ei-
ner aktuellen Befragung der Bayerischen
Krankenhausgesellschaft (BKG) gaben
62 Prozent der Klinikchefs an, dass ihr
Haus in diesem Jahr voraussichtlich ein
Defizit erwirtschaften wird. Im vergange-
nen Jahr sind 54 Prozent der bayerischen
Krankenhäuser defizitär gewesen, wie
aus dem neuen bayerischen Kranken-
haustrend hervorgeht, der am Freitag ver-
öffentlicht wurde. Nur 18 Prozent der
Häuser erwirtschafteten demnach 2019
noch einen Gewinn.
Innerhalb von zehn Jahren haben sich
damit die Verhältnisse nahezu umge-
kehrt. 2010 waren nur 19 Prozent der Kli-
niken im Freistaat defizitär und 75 Pro-
zent wiesen Gewinne auf. Die Ursache für
diese Entwicklung sieht BKG-Geschäfts-
führer Siegfried Hasenbein im Bestreben
der Gesundheitspolitik in Berlin, „einen
kalten Strukturwandel“ herbeizuführen.
Der Plan sei, durch permanente, immer
höhere Vorgaben die Kliniken wirtschaft-
lich so unter Druck zu setzen, dass einzel-
ne Häuser – insbesondere die kleinen auf
dem Land – aufgeben oder zumindest ein-
zelne Leistungsbereiche abbauen.
„Wir erleben hier eine verantwortungs-
lose Strukturbereinigung durch die Hin-
tertür“, sagte Hasenbein. Wesentliche
Fragen – etwa die, welche Häuser drin-
gend gebraucht werden – würden bei die-
ser Strategie völlig außer Acht gelassen.
„Das geht nach dem Zufallsprinzip, völlig
planlos“, sagte Hasenbein. Die Diskussi-
on darüber, ob man auch in Bayern mit
weniger Krankenhäusern auskomme, sei
ja durchaus legitim, betonte er. Doch um
bei dieser Diskussion zu den richtigen
Schlüssen zu kommen, brauche es „eine
sachlich und fachlich transparente Struk-
turdiskussion“. Hierbei gelte es, neben
der Versorgungssituation unter anderem
auch die regionale Verkehrsstruktur und
die Bevölkerungsentwicklung mit einzu-
beziehen. dietrich mittler
Grünen-Kandidatin
Martina WildFOTO: PRIVAT
UNTER BAYERN
Lachstartar
und Leberwurst
Die
Augsburg
Harmonists
Im Wettstreit um die Nachfolge
von Oberbürgermeister Kurt Gribl
treten drei Kandidaten von CSU,
SPD und Grünen an.
Weil sie sich in vielen Fragen
einig sind, gerät der Wahlkampf
eher mäßig spannend
SPD hat sich alle Mühe
gegeben, das Staatstheater
zum Wahlkampfthema zu machen
Verkehr, Verkehr, Verkehr - und ein bisschen Schulen
Thematisch dreht sich in Augsburg viel um die Frage, wie sich Autofahrer und Radler künftig den Platz auf den Straßen teilen sollen
Immer mehr Kliniken
machen Verlust
Grünen-Kandidatin Wild will
auf jeden Fall in die Stichwahl.
„Und dann schauen wir weiter.“
ILLUSTRATION: SZ, ADOBESTOCK/INSTANTLY
K
O
M
M
U
N
A
LW
AHLEN
(^20)
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DEFGH Nr. 44, Samstag/Sonntag, 22./23. Februar 2020 R13
BAYERN
Schweinsgaudi
Der Verein zur Förderung des Ansehens
der Blut- und Leberwürste huldigt
einem bayerischen Kulturgut Seite 15