Neue Zürcher Zeitung - 06.03.2020

(Jacob Rumans) #1

18 ZÜRICH UNDREGION Freitag, 6. März 2020


Der Axpo-Vertrag steht auf der Kippe


Regierungsrat will Regelwerk für den Stromkonzern durch das Parlament pauken – tr otz grossem Widerstand


STEFANHOTZ


Wenn die zuständige Sachkommission
des Kantonsrats signalisiert, dass sie
einem Geschäft nicht zustimmen kann,
ist dieRegierung gut beraten, über die
Bücher zu gehen. Anders beim Axpo-
Vertrag: ObwohleineMehrheit ungewiss
ist , hatdieRegierung das umstrittene Ge-
schäft demParlament überwiesen, wie am
Donnerstag bekannt geworden ist.
SVP und SP spannen nur selten zusam-
men. EineAusnahme betrifft dieRegeln
für die Beteiligung am Energiekonzern
Axpo. Im letzten September forderten
sie gar in einer gemeinsamenFraktions-
erklärung zwingend eine Überarbeitung
des Entwurfs. Andernfallskönnten sie
der neuen Axpo-Struktur nicht zustim-
men. Hauptpunkt der Kritik ist die Be-
teiligung an denWasserkraftwerken.Für
SVP und SP ist nicht gesichert, dass sie
aufDauer in Schweizer Hand bleiben.
Die Axpo gehört zu je gut 18 Prozent
dem Kanton Zürich und seinen Elektri-
zitätswerken, die übrigen 63 Prozent
acht weiteren Kantonen undihrenWer-
ken. Sie besitzt nebenWasserkraftwer-
ken die AKW Beznau 1 und 2 und ist
an jenen von Gösgen und Leibstadtbe-
teiligt. DieRechtsgrundlage derAxpo
bildet noch immer der Gründungsver-
trag der einstigen Nordostschweizeri-
schen Kraftwerke(NOK) von 1914 , der
in jeder Hinsicht überholt ist.


Vertragsentwurf «ungenügend»


Die Neuaushandlung aber hatTücken.So
sind daran neun Kantone und vier kanto-
naleWerke beteiligt. DieVerhandlungen
während über zweierJahre fanden unter
Geheimhaltung statt.Was nicht verhin-
dernkonnte, dass dasErgebnis im letz-
tenJahr unkoordiniert an die Öffentlich-
keit kam.Das Regelwerk umfasst einen
Aktionärsbindungsvertrag und eine
Eignerstrategie, im Kanton Zürich zu-
dem eine Ergänzung des Energiegesetzes.
Wie gross die Opposition ist, zeigt
der nun publizierte Antrag derRegie-
rung. DieKommission für Energie, Ver-
kehr und Umwelt (Kevu) des Kantons-
rats hat nämlich am 2.Juli 2019 zum
Entwurf Stellung genommen. Grund-
sätzlich ist unbestritten, dass die Axpo
eine neue Rechtsgrundlage braucht.
Eine Mehrheitwill aberexplizit, dass die
grossenWasserkraftwerke «vollständig
in Schweizer öffentlicher Hand» blei-
ben. DieVorgabe einer Mehrheitsbetei-
ligung von mindestens 51 Prozent werde
als ungenügend erachtet, schrieb sie.
Das Geschäft ist stark absturzgefähr-
det. Denn der Kantonsrat kann ihm nur
zustimmen oderesablehnen. Eine Neu-
verhandlung mit allenPartnern,diewie
der KantonThurgau zumTeil bereits zuge-


stimmt haben, ist nicht möglich.Für Kevu-
Präsident Alex Gantner (fdp.) stehen die
Vorzeichen schlecht. Dazukomme,dass
dieVorlage noch dem fakultativenRefe-
rendum unterstehen würde.

SVP zieht eine rote Linie


Die Begründung der Kritiker ist nicht völ-
lig deckungsgleich.Für SVP-Fraktions-
chef Martin Hübscher ist die imVertrag
festgehaltene Mehrheitsbeteiligung der
öffentlichen Hand ausreichend. Pièce de
résistance für dieSVP sei, dass derVertrag
nach achtJahren auslaufe. Dannkönnte
die Axpo in andere Hände übergehen, und
da mache seinePartei nicht mit, sagt Hüb-
scher. Er hofft, dass in diesem Punkt eine
kreative Lösung gefunden werde.
NebenSVP und SP ist mindestens
eine weitereFraktion gegen denVer-
trag, sonst hätte nicht eine Mehrheit der
Kevu gleich mehrere Punkte kritisiert.
Die Grünen fordernKorrekturen, und
die neue Öko-Allianz imRat ist spürbar.
DieKevu-Mehrheit fordert, es sei eine
Ausstiegsstrategie für fossile und nuklear
betriebene Kraftwerke (auch für Beteili-
gungen) in die Eignerstrategie aufzuneh-
men. Die SP will, dass dieWasserkraft-
werke vollständig in öffentlicher Hand

bleiben, und fordert zudem eine parla-
mentarischeAufsicht über die Axpo. Ihr
Fraktionschef Markus Späth versteht an-
gesichts der starken Opposition diesture
Haltung der Axpo-Kantone nicht.
Tatsächlich haben derenVertreter und
jene der Kantonswerke am 12. September
2019 die Situation an einemTr effen disku-
tiert.Auch das war bis anhin nicht bekannt
undgeht nun aus dem Antrag derRegie-
rung hervor. Dabei stellten die Axpo-
Eigentümer fest, dass das ausgehandelte
Vertragswerk eine «erheblicheVerbesse-
rungzum bestehenden NOK-Gründungs-
vertrag darstellt und Anpassungen an den
vorliegenden Dokumenten das Projekt
zum Scheitern bringen würden». Sie be-
schlossen, die Genehmigungsprozesse, die
auch in anderen Kantonen aufWiderstand
stossen, fortzuführen.
DerBaudirektor Martin Neukom ist
zuversichtlich, dass eine Lösung gefun-
den wird. Er sei mitSVP und SP im Ge-
spräch, sagt er auf Anfrage. Vergessen
gehe manchmal, dass die Axpo auf der
veralteten Rechtsgrundlage eigentlich
machenkönne,was sie wolle. «Das vor
meinerAmtsübernahme ausgehandelte
Vertragswerk ist zwarkeinWunschpro-
gramm, aber eine vertretbare Lösung und
eine klareVerbesserunggegenüber dem

derzeitigen Zustand», sagt Neukom aus
Anfrage. Verständnis zeigt er für die Kritik
an derVertragsdauer von achtJahren.Das
sei nach der Genehmigung anzugehen. Er
werde sich bei den anderen Kantonen für
eine klareund stetigeRegelung einsetzen,
mit der die Mehrheit der Kraftwerke in
Schweizer Hand aufDauergesichert sei.
Der noch immer neueBaudirektor
wird Überzeugungsarbeit leisten müssen.
Eine Grund für das Misstrauen imPar-
lament ist der Umstand, dass der Axpo-
Vertrag hinter verschlossenenTüren
ausgehandelt wurde. «Es herrschte Ge-
heimniskrämerei», sagtKevu-Präsident
Gantner. Die nach denWahlen neu zu-
sammengesetzteKommission entdeckte
im Kantonsratsgesetz einen vergessen
gegangenenPassus, wonach die zustän-
dige Sachkommission des Kantonsrats
bei der Entwicklung der interkantonalen
Zusammenarbeit mitwirkenkönne. Das
ist laut Gantner nicht geschehen.
DieKevu klopfte auf denTisch und
konnte bereits nach zwei Monaten die er-
wähnteStellungnahme abgeben, die jetzt
öffentlich geworden ist. Laut Ganter for-
mulierte sie dabei auch eine eigentliche
Protestnote über dasVorgehen desRegie-
rungsrats, ein Punkt, den dieser in seinem
Antrag jedoch geflissentlich übergeht.

Der Muttseespeist das Pumpspeicherwerk Limmern,welches zur Axpo HoldingAGgehört. GrosseWasserkraftwerkesollen
gemäss einer Mehrheit imParlament «vollständig inSchweizer öffentlicherHand» bleiben. AXPO VIA KEYSTONE

Kommandant der


Polizei entlastet


Strafverfahreneingestellt


FABIANBAUMGARTNER

Das Strafverfahren liess aufhorchen,
denn dieVorwürfe waren massiv. Wegen
Amtsmissbrauchs und Begünstigung er-
öffnete der Bündner StaatsanwaltPatrik
Bergamin am7. März 20 19 gegenDaniel
Blumer, denKommandanten der Stadt-
polizei Zürich, sowie gegen einen Zür-
cher Staatsanwalt ein Strafverfahren.
Nun hat der ausserordentlich vom
Zürcher Regierungsrat eingesetzte
Staatsanwalt dasVerfahren gegen Blu-
mer und den beschuldigten früheren lei-
tenden Staatsanwalt eingestellt, wiedie
Oberstaatsanwaltschaft am Donnerstag
schreibt. Im Zuge der Untersuchung war
dasVerfahren auf denVorgesetzten des
Staatsanwaltsausgedehntworden. Auch
diesesVerfahren ist nuneingestellt wor-
den. Die Begründung: Es hätten sich trotz
diversen Befragungenkeine Hinweise auf
ein strafbaresVerhaltenergeben.

Ein Mann, zwei Identitäten


Hintergrund der Geschichte war ein
Vorfall von Anfang 2015, wie die«Welt-
woche» im letzten Sommer berichtete.
DiePolizei nahm damals einen Mann
fest, der sich als Dominikaner auswies.
Dieser befand sich in Begleitung eines
gesuchten Drogenhändlers und Einbre-
chers. Ein Abgleich derFingerabdrü-
cke ergab jedoch, dass sich derLatein-
amerikaner bereits dreiJahre zuvor in
der Schweiz aufgehalten und sich da-
mals alsVenezolaner ausgegeben hatte.
Die Dokumente, welche er 2012 vorge-
wiesen hatte,waren vomForensischen
Institut Zürich ebenso für echt befun-
den worden wie die neuen, welche ihn
als Dominikaner auswiesen.
Danach soll sichFolgendes zuge-
tragen haben: Mit einem entsprechen-
denRapport übergab die Stadtpoli-
zei denLateinamerikaner dem später
vom Strafverfahren betroffenen Staats-
anwalt. Dieser stellte dasVerfahren je-
doch nur elfTage später ein und setzte
den Mann wieder auf freienFuss.
Das wiederum sorgte bei den invol-
vierten Mitarbeitern der Stadtpolizei für
Ärger. Immerhin handelt es sich um eine
Straftat, die von Amtes wegen verfolgt
werden müsste. EinFeldweibel soll des-
halb die Oberstaatsanwaltschaft schrift-
lich über denVorfall informiert haben.
Weil aber offenbar nichts passierte, in-
formierte er schliesslich auch seinen
KommandantenDaniel Blumer. Dieser
soll ihm jedoch unter Androhung perso-
nalrechtlicherKonsequenzen verboten
haben, aktiv zu werden – und hätte da-
mit selbst eine Straftat begangen.
So zumindest lauteten dieVorwürfe.
Sonderstaatsanwalt Bergamin kam in sei-
nen Ermittlungen jedoch zum Schluss, der
beschuldigte Staatsanwalt habe die Straf-
untersuchung damals inrechtlichkorrek-
terWeise eingestellt und die Anweisun-
gen Blumers unter Berücksichtigung der
Umstände seien nicht zu beanstanden.
Der Polizeikommandant habe sicher-
gestellt, dass der direkteVorgesetzte des
möglicherweisefehlbaren Staatsanwalts
über denVorwurf informiertgewesen sei.

Noch nicht rechtskräftig


Die Einstellungsentscheide gegen Blu-
mer und die Staatsanwälte sind noch nicht
rechtskräftig. Hinter der Strafanzeige
steht die ZürcherRechtsanwältin Bettina
Schmid.Auf Anfrage sagt sie: «Als An-
zeigeerstatterin stehen für mich nach wie
vor Handlungen vonKommandant Blu-
mer imRaum wie Hinderung einer Amts-
handlung, Nötigung, Amtsmissbrauch.»
EinKommandant stehe nicht über dem
Recht, sagt Schmid. «Es geht für mich da-
her nicht an, dass sichKommandant Blu-
mer entgegen der Strafprozessordnung
erlaubt, einemPolizisten unter Andro-
hung von personellenKonsequenzen zu
untersagen, seiner Pflicht nachzukommen
und Strafanzeige gegen einen Täter zu er-
heben, der nachweislich mit falschemPass
in die Schweiz eingereist ist.» Dies nur des-
halb, weil auch noch ein Staatsanwalt als
Verdächtiger in die Untersuchung invol-
viert gewesen sei und man es sich offen-
sichtlich nicht mit der Staatsanwaltschaft
habe verderben wollen.

Universität Zürich


schränkt Betrieb ein


Zwei Institute schliessen wegen Coronavirus vorübergehend


jow.· Das Coronavirus breitet sich auch im
Kanton Zürich aus. Sechs weiterePatien-
ten im Alter zwischen 26 und 40Jahren
sind nach Angaben der Gesundheitsdirek-
tion positiv getestet worden. Damit wur-
den bis Donnerstagabend insgesamt 19
Fälle gezählt. Allein 12 der Erkrankten
sind Studierende oder Dozierende der
Universität Zürich. Diese Information
hat die Hochschule selbst im Internet
veröffentlicht.EinDoktorand des mathe-
matisch-naturwissenschaftlichen Institu-
tes war aus Mailand krank zurückgekehrt,
der Mann hatKollegen angesteckt. Das
Institut an derWinterthurerstrasse bleibt
mindestens bis am 22. März 2020 geschlos-
sen, Studierende und Dozierende sollen
von zu Hause aus arbeiten.
Ebenfalls einenVerdachtsfall gibt es
am Zentrum für Zahnmedizin (ZZM)
im Gebäude an der Plattenstrasse. Zu
viele Mitarbeitende des ZZM seien in

Quarantäne, deshalb sei der Lehrbetrieb
bis am15. März eingestellt, schreibt die
Universität. Die kantonale Gesund-
heitsdirektion geht davon aus, dasses
täglich neue Erkrankte geben wird.
Sie sieht zurzeit trotzdem von einem
Veranstaltungsverbot ab und verlangt
auch nicht, dass imVorfeld eines Anlas-
ses eine Bewilligung eingeholt werden
muss. Es gebe so viele Anlässe, dassder
Aufwand dafür schlicht nicht zu bewerk-
stelligen sei, hält die Gesundheitsdirek-
tion fest. Bis auf weiteres geöffnet blei-
ben zudemBars und Klubs. Sie sollen
aber Hygienespender aufstellen und Be-
sucheram Eingang namentlichregistrie-
ren, damit bei einer allfälligen Erkran-
kung dieVerbreitungskette nachverfolgt
werdenkönnte. Darüber hinaus empfeh-
len die Behörden Senioren über 65 Jah-
ren oder chronisch Kranken,Veranstal-
tungen generell fernzubleiben.

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