Neue Zürcher Zeitung - 06.03.2020

(Jacob Rumans) #1

22 PANORAMA Freitag, 6. März 2020


ZAHLENRÄTSEL NR. 55

SPIELREGELN «KAKURO»:Die Zahlen 1
bis 9müssenin einer Reihedie Gesamt-
summe ergeben.Diese istin den schwar-
zen Kästchenlinksdavon bzw.darübervor-
gegeben.JedeZahldarfinnerhalbeiner
Summe nur einmalvorkommen.

Auflösung:
Zahlenrätsel Nr. 54

Psychiater-Streit


umrenitenten


RentnerKneubühl


(sda)· Bisher galt derrenitente Bieler
RentnerPeter HansKneubühl als wahn-
haft gestört. An der Gerichtsverhand-
lung zur allfälligenVerwahrung Kneu-
bühls hat nun aber ein bekannter Ber-
ner Psychiatrieprofessor dieseThese in-
frage gestellt.
Werner Strik, Direktor der Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie der Uni-
versitären Psychiatrischen Dienste Bern
(UPD), behandelte Kneubühl, als die-
ser 20 17 imVerlauf eines Hungerstreiks
ins Inselspital und in die UPD eingelie-
fert wurde.
Vor demRegionalgericht in Biel sagte
Strik am Donnerstag, die bisher mit dem
Fall beschäftigten Psychiater hätten
Kneubühls Situation nicht gut genug er-
fasst. Eine Gutachterin habe ihren Be-
fund beispielsweise nur auf dieTat von
2010 abgestützt, als Kneubühl vor der
bevorstehenden Zwangsräumung sei-
nes Hauses aufPolizisten schoss.


Strik nennt Fall einzigartig


Ein anderer Psychiater habeKneubühl
nur anhand seiner Schriften beurteilt.
Dochreiche das nicht. Im Gespräch habe
Kneubühl immer wiederAussagenrela-
tiviert. KneubühlsFall sei einzigartig,
so Strik. Der Berner Professor sieht bei
Kneubühl einePersönlichkeitsstörung
bzw. – laut Gerichtspräsident Markus
Gross, der aus einemGutachtenStriks
zitierte – eine schizoidePersönlichkeit.
Auf dieFrage,was passieren würde,
wenn man Kneubühl in dieFreiheit ent-
liesse, sagte Strik, der 76-Jährige sei an
sich ungefährlich – ausser wenn er in die
Enge getrieben werde. Es habe 2010 viel
gebraucht, bis er zum Gewehr gegriffen
habe. Das Rückfallrisikosei gering, wenn
Kneubühlkeine unverständlichen be-
hördlichen Anweisungen erhalte.
Ganz anders stellte dieLage Elmar
Habermeyer dar, einer der von Strik
kritisierten Experten. Er ist Direktor
der Klinik fürForensische Psychiatrie
der Psychiatrischen Universitätsklinik
Zürich. Seit1992 sei bei Kneubühl nach-
weisbar, dass dieser sich von derPoli-
zei überwacht fühle. KneubühlsWahn
zeige sich etwa darin, dass es bei ihm
keinen Zufall mehr gebe. DerRentner
glaube, dass alles mit dem Grundkon-
flikt zusammenhänge, dem Streit mit sei-
ner Schwester um das Elternhaus.


Gewisse Logik derTat


Kneubühl sei aber nichtkomplettrea-
litätsfremd, wie das bei schizophrenen
Menschen derFall sei. Seine Denk-
in halte seien nichtkomplett bizarr.
SeineTat von 2010 habe eine gewisse
Logik gehabt: Im Glauben, dass nie-
mand ihm helfe, habe er sich selbst ge-
holfen und sich gewehrt.Das Rückfall-
risiko bei Kneubühl beurteilt Haber-
meyer als hoch: «Er kann sich schnell
wieder in einer Notlage sehen.» Polizeieinsatzwegen Toilettenpapier inAustralien


Wegen des Coronavirus gehen in den Supermärktenauf dem fünften Kontinent die weissen Papierrollenaus


ESTHER BLANK,SYDNEY

In den Supermarkt-RegalenAustra-
liens, in denen sich bis vor kurzem noch
ganze Berge von WC-Papierrollen sta-
pelten, herrscht gähnende Leere. Ge-
stressteKunden fahren kilometerweit
auf der Suche nach einem abgelege-
nen Geschäft, in dem es vielleicht noch
Toilettenpapier gebenkönnte. Super-
märkte, die in ihrenLagerräumen noch
letzteVorräte haben,rationieren die Ab-
gabe an ihre Stammkunden.
Erfolgreiche Toilettenpapier-Jäger
brüsten sich in den sozialen Netzwer-
ken mit Bildern der weissenPapier-
rollen. Doch die meisten Einkäufer
gehen zurzeit leer aus – trotz 24-Stun-
den-Schichten bei den grossen Hygiene-
artikel-Herstellern. «Unser Produkt
kommt bald wiederrein», verkünden
sie auf Schildern an Supermarktregalen.
«Es gibtkeinen Grund zurPanik», be-
ruhigt der Manager eines Internet-Ver-
sands fürToilettenpapier und fordert
dieKunden auf, sich inWartelisten für
daskostbareProdukt einzutragen.Auf
einerRubriken-Website wird gehorte-

tes WC-Papier gar für bis zu 10 00 Dol-
lar dasPaket angeboten.
Die Ursache für den neuenWahn ist
dieAusbreitung des Coronavirus inAus-
tralien.Fünfzig Menschen haben sich mit
demVirus infiziert, zweiPersonen sind
bereits gestorben. Die meisten Infizierten
haben sich imAusland angesteckt. Doch
wurden auch Infektionen ineinem Alters-
heim und in einemSpitalfestgestellt,
deren Herkunft nicht erklärlich ist.

Neue Ängste


Die australischeRegierungreagiert mit
drastischen Massnahmen. Schon länger
dürfenReisende ausChina nicht mehr
direkt nachAustralien einreisen. Seit die-
sem Donnerstag gelten die gleichenRe-
geln auch für Südkorea.Reisende aus Ita-
lien werden an den Flughäfen untersucht
und müssen sich in eine zweiwöchige Qua-
rantäne begeben, wenn sie auf ihrenRei-
sen mit Infizierten zusammen waren.Die
australischen Spitäler entlassenPatien-
ten, um Betten für Erkrankte freizustel-
len.Fussballstadien wurden als Notspitä-
ler und Quarantänestationen designiert.

Nach dem kläglichenVersagen der
australischenRegierung bei den verhee-
renden Buschbränden, dieAustralien in
den vergangenen Monaten heimsuch-
ten, will sich derRegierungschef Scott
Morrison diesmal als vorausschauender,
energisch handelnder Krisenmanager
positionieren. Doch die täglichenWar-
nungen haben bei vielen bereits von den
Bränden gestresstenAustraliern neue
Ängste ausgelöst. Der Gesundheits-
minister von Queensland,Steven Miles,
versucht die Menschen zu beruhigen.
Das Rote Kreuz werde alle Menschen
in Quarantäne mit allem Notwendigen
versorgen, auch mit WC-Papier.

VermeintlicheKontrolle


Doch seineWorte stossen offenbar auf
taube Ohren. Der Sturm auf diePapier-
rollen hält an.EinSupermarkt-Manager
berichtete imRadio, dass er morgens bei
der Öffnung seines Geschäfts von einem
wild entschlossenen Haufen vonToilet-
tenpapier-Shoppern überrannt worden
sei. Im OrtTamworth im südöstlichen
Gliedstaat New SouthWales musste die

Polizei mit Elektroschockern eingrei-
fen, um eine Prügelei vor demToilet-
tenpapier-Regal zu stoppen.
Für Niki Edwards, Gesundheits-
Expertin an der Queensland University
ofTechnology, istder Sturm auf das WC-
Papier erklärlich. «DasToilettenpapier
ist einSymbol fürKontrolle», schreibt
sie in einem Artikel der akademischen
Zeitung«T he Conversation». Die Men-
schenfühlten sich angesichts derAus-
breitung des Coronavirus hilflos. Auf
Vorrat gelagertes WC-Papier gebe ihnen
das Gefühl, dieKontrolle über Hygiene
und Sauberkeit zu behalten. Die Dozen-
tin mahnt die Medien, angemessen über
dasVirus zu berichten und die Ängste
der Menschen nicht weiter anzuheizen.
Eine kleine Zeitung weit oben im
tropischen NordenAustraliens hat be-
reits praktische Schritte unternommen,
um dieToilettenpapier-Hysterie zu be-
kämpfen: Die «NorthernTerritory
News» brachte eine herausnehmbare
Sonderausgabe mit acht leeren Seiten
heraus – schon perforiert für guten Ab-
riss und zum sofortigem Gebrauch am
stillen Örtchen.

Kreuzfahrten imSturmtief «Corona»


Verunsiche rung in der Branche über die längerfristigen Folgen der Ausbreitun g des Virus


RUDOLF HERMANN

Für diePassagiereder «AidaAura» ist
es gerade nochmals gut ausgegangen.
Der Coronavirus-Test, der am Mon-
tag aufVerlangen der Reederei, die
das Schiff betreibt, bei zweiReisenden
durchgeführt wurde, fiel negativ aus.
Nachdem dasResultat am Dienstag-
nachmittag eingetroffen war, konnte das
unplanmässig im Hafen der westnorwe-
gischen Stadt Haugesund festliegende
Schiff dieReise fortsetzen. Am Mitt-
woch befand es sich mitKursTr omsö
auf hoher See.
Coronavirusan Bord,das ist die
Horrorvision, welche die Veranstalter
der in letzter Zeit boomenden Kreuz-
fahrten umtreibt.Das bis heute wohl
drastischste Beispiel betrifft das Schiff
«Diamond Princess», das mit rund 370 0
Menschen an Bord imFebruar vor der
KüsteJapans unter Quarantäne stand,
weil die Anwesenheit des Erregers
festgestellt worden war und schliess-
lich rund 700PersonenSymptome der
Krankheit zeigten.

Konsternation und Zuversicht


Wohin dieReise bezüglich derAusbrei-
tung und Bekämpfung desVirus geht,
ist derzeit nicht abzusehen.Das ver-
ursacht bei den Kreuzfahrt-Veranstal-
tern ein grosses Mass an Unsicherheit.
Laut Skift, einem Analyse-Webportal
derReisebranche, reagierten führende
Reedereien zunächst mit einer Locke-
rung der Buchungsbedingungen. Statt
der üblichen 120TageVorauszahlung für
Reisen werde das Begleichen derRech-
nung je nach Gesellschaft erst 90 oder
sogarnur 60 Tage vorFahrtantrittver-
langt. GewisseVeranstalter zeigten sich
sehr kulant hinsichtlich Absagen bis
kurz vor demReisetermin, wobei dann
Gutschriften fürReisen zu einem späte-
ren Zeitpunkt ausgestellt würden.
In ihrer Bewertung der mittel- und
längerfristigenAussichten der Bran-
che schwanken deren Exponenten zwi-
schenKonsternation darüber, was laut
einem führendenReisevermittler einer
der grössten Schläge der letzten dreis-
sigJahre sein muss, und Zuversicht,
dass sich das Kreuzfahrt-Geschäft als
widerstandsfähig erweisen werde. Die
Fundamentaldaten der Branche seien
gut und deshalb habe man eigentlich
ein gutesJa hr erwartet, sagteein Ex-
perte gegenüber der Nachrichtenagen-
tur Bloomberg.Dochmit der neuen
Situation seien diese Prognosen wert-
los geworden.
In denFokus rückt für die prospek-
tiveKundschaft auf jedenFall der Um-

gang der einzelnenReedereien mit den
Hygienevorkehrungen auf denSchif-
fen. Sie sollten schon zu ruhigeren Zei-
ten stringent sein, denn Probleme mit
Mikroorganismenkönnen nie ganz aus-
geschlossen werden und treten auch
periodisch auf.
Bei denKüstenschiffen der norwegi-
schen Hurtigruten wacht zum Beispiel
am Eingang desRestaurants jeweils
ein Steward auch imNormalbetrieb
mit freundlichem Gesicht, aber schar-
fem Blick darüber, dass sich die Gäste
gewissenhaft die Hände desinfizieren.
Doch die Ungewissheit um das Corona-
virus wirft nun zum Beispiel dieFrage
auf, ob die populärenFrühstücks- und
Mittagsbuffets mit ihrem Schöpfbe-
steck, das durch zahlreiche Hände geht,
nicht grundsätzlich einen zu grossen Un-
sicherheitsfaktor darstellten.

Vertrauen in dieReedereien


Währendsich dieGäste in derRe-
gel freiwillig undrelativ kurzzeitig auf
Kreuzfahrtschiffen befinden, ist die
Lage für die Angestellten anders. Das
Webportal «Business Insider» hörte sich
deshalb auch beim Servicepersonal von

Kreuzfahrtschiffen um, wie es sich zur
neuenLage stellt. DerTenor der (gene-
rell anonym abgegebenen) Meinungen
lautete, dass man grundsätzlichVer-
trauen habe in die Massnahmen, die von
denReedereien ergriffen worden seien,
etwa denEntscheid, gewisse Häfennicht
anzulaufen beziehungsweise dieReisen
fürTouristen in Gebieten mit Infek-
tionsherden nicht anzubieten.
Jemehr sich dasVirus jedoch ver-
breitet, desto schwierigerwird die Hand-

habung dieses Punktes. Laut einem
Kreuzfahrten-Webportal herrscht bei-
spielsweise in der Karibik ein «Corona-
Chaos», weil wiederholtSchiffe von
Häfen abgewiesen würden oder die Er-
teilung derFreigabe zum Anlegen Stun-
den in Anspruch nehme. Die gleiche
Quelle meldet, dass etwaBahrain der-
zeit überhauptkeine Kreuzfahrtschiffe
mehr anlegen lasse und dieReedereien
deshalb kurzfristigeRoutenänderungen
vornehmen müssten.

Der «Grand Princess» wurde die Rückkehr in denHeim athafen SanFrancisco vorerst verweigert. SCOTT STRAZZANTE / AP

«Grand Princess» liegt vor Kalifornien fest


(dpa)· Nach einem erstenTodesfall in
Kalifornien ist ein Kreuzfahrtschiff vor
der amerikanischenKüste für Corona-
virus-Tests gestoppt worden. AllePas-
sagiere mitSymptomen sollen zunächst
auf dasVirus getestet werden, bevor
die «Grand Princess» in SanFrancisco
einlaufen kann.Das sagte Kaliforniens
Gouverneur Gavin Newsom am späten
Mittwochabend (Ortszeit) in der kalifor-
nischen Hauptstadt Sacramento.
An Bord der «Princess» zeigen dem-
nach 21MenschenSymptome. Für die

Tests wird laut Newsom derzeit das
nötige Material zum Schiff geflogen.
Auch der ältere Mann, der in Kali-
fornien als erster Coronavirus-Todesfall
gilt, hatte sich imFebruar auf der «Prin-
cess» befunden – die Kreuzfahrt ging
von SanFrancisco nach Mexiko und zu-
rück.WenigeTage später sei das Schiff
erneut mit «Tausenden Passagieren»
Richtung Hawaii in See gestochen und
nun auf demRückweg gestoppt worden,
sagte der Gouverneur. Er hatte zuvor
den Notstand in Kalifornien ausgerufen.
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