Neue Zürcher Zeitung - 06.03.2020

(Jacob Rumans) #1

24 WIRTSCHAFT Freitag, 6. März 2020


Die inAbu Dhabi beheimatete Etihad befördertweniger Passagiere. FABIAN BIMMER / REUTERS

Etihad Airways sp eckt ab


nz.· Die Fluggesellschaft Etihad Air-
ways schliesst nach dem Abbruch
einer verfehlten Expansionsstrategie
Verlustquellen, aber derTurnaround
braucht wohl mehr Zeit als von den
Kapitalgebern aus Abu Dhabi erhofft.
So sank der konsolidierte Umsatz um
5% auf umgerechnet 5,6 Mrd. $. Unter
dem Strich verblieb einVerlust von
870 Mio. $, damit immerhin 410 Mio. $
weniger als imJahr zuvor.Tony Douglas,
der die EtihadAviation Group führt,
weist auf eine Senkung derKosten und
eineVerbesserung der Kapazitätsauslas-
tung hin. Die erst vor16 Jahren gegrün-
dete Fluggesellschaft habe 2019 einige
harte Entscheide treffen müssen, um die
Transformation voranzubringen.

Etihad Airways hat mit ihren Be-
teiligungen an Alitalia (49%) und der
Air Berlin (29%) sehr viel Geld in den
Sand gesetzt.Seit mehr als einemJahr
steht die Optimierung des Flugange-
bots imVordergrund. AlsFolge davon
sank die Zahl der befördertenPassagiere
2019 um 1,7% auf17,5 Mio. Der Umsatz
reduzierte sich parallel dazu um 4% auf
4,8 Mrd. $. Die Kapazitäten wurdenum
6% auf 104 Mrd.Sitzplatz-Kilometer ge-
senkt,was eineVerbesserung desAuslas-
tungsgrads um 2,3 Punkte auf 78,7% er-
möglichte. Das war offensichtlich nicht
genug zum Überwinden der Gewinn-
schwelle. Douglas lässt in einer Presse-
mitteilungdennauch verlauten, es gebe
noch einiges zu tun.

Inficon ist Opfer


des Handelsstreits


USA - China


gvm.· Als Hersteller von Messinstru-
menten ist Inficon stark vom Investi-
tionsverhalten seiner Grosskunden ab-
hängig. Im vergangenenJahr erreichte
der Umsatz dasVorjahresniveau vor
allem deswegen nicht, weil die asiati-
schen Hersteller von Oled-Bildschirmen
weniger in neueProduktionsanlagen
investierten. Spektrometer, Gasanaly-
segeräte undVakuummessgeräte für
die Halbleiterindustrie sind das Haupt-
geschäft des Unternehmens. Nur zag-
haft verkaufen liessen sich Analysegerä-
ten zur Detektion chemischerWaffen,
sagte derKonzernchef LukasWinkler.
Amstabilsten blieben dieAnwendun-
ge n für das Messen der Dichtigkeit von
Lithium-Ionen-Batterien undKühlanla-
gen. Laut Winkler habe das Unterneh-
men im Halbleiterbereich Strafzölle
zahlen müssen,weil gewisse Produkte
nach China verkauft bzw. in China her-
gestellt werden, die Mehrkosten jedoch
nicht auf denKunden überwälzt werden
konnten.Trotz dieses Gegenwinds blieb
die Rentabilität auf hohem Niveau.

Hauck & Aufhäuser


erwirbt Bankhaus Lampe


(Bloomberg)· Die zur chinesischen
Fosun International Ltd. gehörende
Bank Hauck &Aufhäuser hat mit der
Oetker-Gruppe eine Einigung zum Er-
werb desBankhausesLampe erzielt,
wie die beiden Unternehmen am spä-
ten Donnerstag mitteilten.Durch den
Zus ammenschluss der beiden Häuser
entsteht eine Privatbank mit rund 1400
Mitarbeiternund einem verwalteten
Vermögen von rund 35 Mrd. €. ImJahr
2017 hatte Hauck &Aufhäuser bereits
die Gesellschaften Sal. Oppenheim jr.
& Cie. LuxembourgSA sowie Oppen-
heim Asset Management Services Sàrl
erworben.Zudem wurde 20 19 die Mehr-
heit an der irischen Crossroads Capital
Management gekauft.


IN KÜRZE Grossaktionär Ketterer
stockt Anteil auf
(awp)· BeimBaukonzern Impleniahat
der Grossaktionär NorbertKetterer aus
Rüschlikon seinen Anteil auf gut 10%
der Titel aufgestockt. Das geht aus einer
Meldung der SIX vom Donnerstag her-
vor. Konkret hält er 10,004% derAnteile,
wobei die meldepflichtige Schwelle vor
zweiTagen überschritten wurde. Kette-
rer trat im letzten Oktober bei Imple-
nia erstmals in Erscheinung, als er einen
Anteil von mehr als 3%kommunizierte.
Ende November meldete der deutsche
Investor dann einen Anteil von über
5%. Die Implenia-Papiere sind zuletzt
mit deutlichenAvancen aufgefallen. In
der vergangenenWoche, als es weltweit
rasant bergab ging, legten die Aktien
zu. Ketterer ist bei weiterenFirmen im
Immobilien- undBausektor engagiert.
So meldete er 2016 eine Beteiligung von
5,55% an Züblin, von 2010 bis 2017 hielt
er mehr als 3% anPeach Property.


Übernahme in den USA
gibt Merck Schwung
(awp)· Merck hat mit der milliarden-
schweren Übernahme des US-Halb-
leiterzulieferersVersum Schwung er-
halten. KräftigeAnstiege bei Umsatz
und Betriebsgewinn zumJahresende
tri ebe n die Ergebnisse des Chemie-
und Pharmaunternehmens 2019 in die
Höhe. Neben dem Kauf vonVersum, der
Merck bessere Geschäfte mit der Chip-
und Elektronikindustrie bescheren soll,
halfen auchgute Ergebnisse mit Pharma
undLaborausrüstung demDarmstädter
DAX-Konzern.Im laufendenJahr er-
wartet Merck weiter steigende Umsätze
und Gewinne – verweist aber auf Risi-
ken wegen des Coronavirus. DieFolgen
de r Epidemie seien schwer zu bestim-
men, sagteVorstandschef Stefan Osch-
mann. Man erwarte, dass sich dieLage
im zweiten Halbjahr normalisiere. Dann
würde dasVirus die Umsätze 2020 um
1% belasten.

Continental geht
in ein heikles Autojahr 2020
(dpa)· DerAuto-Abschwung, der Um-
bruch der Branche und die Risiken der
Coronavirus-Epidemie lassen Continen-
tal mit Sorge ins neue Geschäftsjahr bli-
cken. DerDAX-Konzern aus Hannover
meldete am Donnerstag einenMilliar-
denverlust für 2019 – gleichzeitig muss
er sich auf weitere schwierige Monate
einstellen. «DieAutoindustrie durchlebt
derzeit einen der heftigsten Stürme»,
sagteVorstandschef Elmar Degenhart
zur Vorstellung der vorläufigenJahres-
zahlen. «DieAuswirkungen werden uns
noch lange beschäftigen.» 2019 fiel bei
dem Zulieferer einFehlbetrag vonüber
1,2 Mrd. € an, nachdem er 2018 knapp
2,9 Mrd. € verdient hatte. Continental
kündigte im Herbst hohe Abschreibun-
gen an, die vor allem das Geschäft mit
Innenausstattungen vonAutos betref-
fen sollten. Ausserdem wird die Bilanz
durch Umbaukosten belastet.

Henkel will sich
von Marken trennen
(dpa)· Die Geschäfte laufen beim
Persil-Hersteller Henkel zurzeit eher
schlecht. ImWaschmittel- undKos-
metikgeschäft belasten der intensive
Wettbewerb und die gestiegenen Mar-
ketingkosten das Ergebnis. Und die
wichtige Klebstoffsparte leidet unter
derKonjunkturschwäche in derAuto-
mobil- und Elektroindustrie, wie der
Konzern am Donnerstag bei der Prä-
sentation der Jahreszahlen mitteilte.
Henkel will nungegensteuern: unter
anderem durch denVerkauf oder die
Einstellung weniger erfolgreicher Mar-
ken imKonsumgütergeschäft und ge-
zielte Zukäufe. Der Gewinn des Mar-
kenartiklers brach im Geschäftsjahr
2019 unter dem Strich um fast 10% auf
2,1 Mrd. € ein. Der Umsatz stieg nur
aufgrund vonWechselkurseffekten und
Zukäufen noch leicht um 1,1% auf gut
20 Mrd. €.

HERAUSGEGRIFFEN


Bolsonaro schickt aus


Verlegenheit Komiker vor


Nicole Anliker, Rio deJaneiro· Brasiliens PräsidentJair Bolso-
naro hat musterhaft vorgemacht, wie man unangenehmenFra-
gen aus demWeg gehen kann. Statt sich wie üblich den vor
seinerResidenz in Brasilia wartendenJournalisten zu stellen,
schickte derRegierungschef am Mittwochmorgen einen als
Bolsonaro verkleidetenKomiker vor. Mit gelb-grüner Präsi-
dentenschärpe umdie Brust stieg der Humorist aus einem offi-
ziellenAuto des Präsidenten-Konvois, verteilte den Medien-
schaffendenBananen und forderte sie auf, Fragen zu stellen.
Diesen verschlug die Aktion jedoch zunächst die Sprache.
Nach minutenlangem Herumalbern erschien der echte Präsi-
dent sichtlich amüsiert dann noch persönlich.
Rasch wurde klar: Die Aktion war ein Ablenkungsmanö-
ver. Kurz davor waren die Zahlen des zaghaftenWachstums
von 1,1% des Bruttoinlandprodukts (BIP) für das vergangene
Jahr veröffentlicht worden. Das ist der niedrigsteWert seit dem
Ende derRezession imJahr 2016. Im Januar 2019 warnoch ein
Wachstum von 2,6% erwartet worden. Bolsonaro, der seit sei-
nem Amtsantritt Anfang 2019 verspricht, Brasiliens lahmende
Wirtschaft wieder aufVordermann zu bringen, war dies sicht-
lich unangenehm. Als ihn dieJournalisten darauf ansprachen,
forderte der Präsident sein Double auf, Stellung zu nehmen.
«BIP?Was ist das BIP?», fragte derKomiker spottend zurück
und fügte an, dass dies die Angelegenheit vonWirtschafts-
ministerPaulo Guedes sei. Bolsonaro lachte beherzt, dieJour-
nalisten verzichteten auf weitereFragen.
Bolsonaro postete das von offizieller Seite gedrehteVideo
der Aktion später auf seinemTwitter-Konto. Ende Nachmit-
tag nahm er dann doch Stellung zurWirtschaftsleistung, von
der er sich aber nicht beunruhigt zeigte. Er äusserte stattdes-
sen die Hoffnung, dass dieWachstumsrate des BIP 2020 trotz
Coronavirus besser ausfallen würde. WährendWirtschafts-
minister Guedes für 2020 weiterhin von einem Plus von 2%
ausgeht, haben zahlreiche Institute undBanken ihreWachs-
tumsprognosen jedoch herunterkorrigiert: Diese bewegen
sich bei 1,5%.

Inficon in Zahlen
Geldwerte in Mio. $ (Swiss GAAP FER)
2018 2019 ± %
Umsatz 410,4 381,7 –7
Betriebsergebnis Ebit 81,5 64,8 –21
Ebit-Marge (%) 19,9 17,0 –
Konzernergebnis 64,2 52,8 –18
Cashflow aus Geschäftstätigkeit 52,3 53,3 2
Eigenkapitalquote (%) 75,9 75,9 –
Nettoliquidität 62,3 50,1 –20
Personalbestand 1118 1183 6

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Bild:imago images/AFLO

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18.30 bis ca. 20.30 Uhr

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Tickets und Informationen
nzz.ch/podium
044 258 13 83

Fake News –die Erfindung derWahrheit


Referent: Dr.EduardKaeser,Physiker undPhilosoph
Teilnehmende: Prof.Dr. MichaelWolffsohn, Historiker undPublizist
Ingrid Brodnig, Journalistin und Autorin
Moderation: Dr.Martin Meyer, Leit er NZZ-Podium

NZZPODIUMZÜRICH

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