Neue Zürcher Zeitung - 06.03.2020

(Jacob Rumans) #1

34 REFLEXE Freitag, 6. März 2020


Kartellrechtliche Untersuchungen


Hat sich die Weko mit der


Swatch Group übernommen?


Andrea Martel· Mit ihrer Einwilligung, derSwatch
Group beim Abbau ihrer marktbeherrschenden
Stellung und der Lieferpflicht zu helfen, haben
sich dieWettbewerbshüter eine grosseAufgabe
aufgehalst, vielleicht eine zu grosse. Das zeigt sich
jetzt, wo es darum geht, zu beurteilen, ob der Plan
aufgegangen ist. Dieser sah vor, mitkontrollierten
Lieferreduktionen bei derSwatch-Group-Tochter
ETA deren dominante Stellung vorsichtig abzubauen,
umMitbewerbern die Möglichkeit zu geben, sich zu
etablieren undWettbewerb entstehen zu lassen. Gibt
es genug alternative Lieferquellen, damit es dieETA
als Grundversorgerin nicht mehr braucht? Und sind
die neuen Mitbewerber stark genug, dass es dieETA
als «normale», frei am Markt agierendeKonkurrentin
verträgt? DieseFragen müssen dieWettbewerbshüter
beantworten, und das scheint gar nicht so einfach zu
sein. Der für Dezember angekündigte Entscheid
wurde auf den Sommer verschoben.
Kritiker hatten bereits 2013, noch vor dem
Abschluss derVereinbarung mit derSwatch Group,
moniert, dieWeko überschreite ihreKompetenzen.

Es sei nicht dieAufgabe einerWettbewerbsbehörde,
einem marktbeherrschenden Unternehmen zu helfen,
seine dominantePosition loszuwerden.Zudemkenne
das Kartellgesetz auchkeine Pflicht vonKunden eines
marktbeherrschenden Unternehmens, selbst eine
Alternative zum Monopolisten aufzubauen.
DieWeko sah dies hingegen nicht als Problem.
Sie ist im Gegenteil stolz auf ihren kreativen Ansatz,
Wettbewerb (wieder)herzustellen, auch wenn – oder
vielleicht sogar weil –sie damit international eine
Ausnahme darstellt. Aber ob zulässig oder nicht:
Der Beweis, dass ein solches Market-Engineering
tatsächlich funktioniert, steht noch aus. DieWeko
muss dasVerfahren erst zu einem erfolgreichen
Abschluss bringen, sonst steht sie mit abgesägten
Hosen da. Sie hat derSwatch Group Hoffnungen
gemacht, sich ihrer kartellrechtlichen Pflichten
entledigen zukönnen,und vor allem hat sie mit ihrem
Vorgehen Dritte dazu gebracht,in einen Markteintritt
zu investieren.Wenn diese Unternehmen nun in ihrer
Existenz gleich wieder bedroht werden, hätten die
Wettbewerbshüter definitiv etwas falsch gemacht.

MatthiasBenz, Wien· Seit Wochen wird ergebnis-
los verhandelt,die Menschengehen streikend auf
die Strasse. Für daskonsensorientierte Österreich
ist das ungewöhnlich. Die Arbeitgeber und Arbeit-
nehmer in einer bestimmten Branche stehen sich
unversöhnlich gegenüber.
DerKonflikt entzündet sich vor allem an der
Frage der Arbeitszeiten. Die Gewerkschaft fordert
die Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem
Lohnausgleich, weil man dringend die Arbeits-
bedingungen in der Branche verbessern müsse. Den
Arbeitgebern geht das aber viel zu weit. Sie wol-
len höchstens leicht und auf lange Sicht von der
bisherigen 38-Stunden-Woche abrücken. Sonst ent-
steheauf einen Schlag eine grossePersonallücke,
argumentieren sie. Und die Arbeitszeitverkürzung
komme einer drastischen Lohnerhöhung gleich, die
man sich unmöglich leistenkönne.
Mankönnte denken, dass es sich bei den
Arbeitgebern um böse Kapitalisten handelt, die
nur an Gewinnmaximierung interessiert sind.
Aber weit gefehlt. DerKonflikt spielt sich in der

sogenannten Sozialwirtschaft ab. Die Arbeitgeber
sind überwiegend gemeinnützige private Unter-
nehmen im Sozial- und Gesundheitsbereich: die
Volkshilfe, Pflegedienste, Behinderteneinrich-
tungen oder Kinderkrippen. Rund 125000 Men-
schen beschäftigen die gut 400 Organisationen der
Sozialwirtschaft. Dass siekein Herz für soziale
Anliegen hätten, kann man ihnen schwerlich vor-
werfen. Und sie wissen zweifellos, dass ihre Ange-
stel lten oft eine herausfordernde und beschwer-
liche Arbeit bewältigen.
Aber auch nichtgewinnorientierte Unterneh-
men müssen wirtschaftlich arbeiten. Bei einer
plötzlichenPersonallücke wären ihre Dienste ge-
fährdet. DieKosten einer drastischen Lohnsteige-
rung müsste man erst einmal wieder hereinholen.
HöhereAufwendungen lassen sich nicht so einfach
auf den Staat und die Steuerzahler überwälzen, die
letzten Endes viele derAusgaben in diesem Be-
reich bezahlen. So ist die 35-Stunden-Woche ein
rotes Tuch für Unternehmen geworden, die sich das
Sozialeauf dieFahnen schreiben.

Streiks inÖsterreich


Nicht nur Kapitalisten sind


geg en 35-Stunden-Woche


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