Frankfurter Allgemeine Zeitung - 16.03.2020

(coco) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Unternehmen MONTAG, 16.MÄRZ 2020·NR.64·SEITE 21


I


ndiesem Ambientefühlt sichWolf-
gang Groß nichtgerade wohl: Im
schwülwarmen Spa-Bereicheines
MünchnerNobelhotelssteht ervor
einemgroßen Pool,umringtvonJournalis-
ten. Die berichten über alles, nur nicht
über Wirtschaf toder gardröge Chemie.
Die schreibenden Mode-, Lifestyle- oder
Beauty-Spezialisten, inklusive Klatsch-
und-Tratsch-Berichterstatter nder Yellow
Press, nehmen ihn auchgar nichtrichtig
wahr.DenndieinteressiertnurTatjanaPa-
titz.SiestehtimMittelpunkt–alsMar ken-
botschafterinfür dierundum erneuerte
Körper-und Hautpflegemarke Fenjal.
Zwei Welten prallen aufeinander.Hier
das deutsche Supermodel, hochgewach-
sen,mitlangen, blondenHaaren, aufLauf-
steg undrote Teppichen zu Hause. Starfo-
tograf Peter Lindbergh hat sie einstauf ei-
nem legendären Schwarzweiß-Bild mit
Naomi Campbell,Cindy Crawford,Chris-
ty Turlington und Linda Evangelista für
dasTitelfotoder „Vogue“ abgelichtet,wes-
halb der begeisterte George Michael sie
für seinVideo „Freedom“ engagierte. Da
istdergrauhaarige, unauffällig-bescheide-
ne Mann im dunklen Anzug und mit Kra-
watte,der–sichnichtsonderlichwohlfüh-
lend, abergeschäftsmäßigsouverän–vor
dem türkisfarbenenPool steht und sein
Manuskriptabliest. Seine Rede klingt,als
würde ervorGeschäftsleuten sprechen,
nicht vorvierzig Vertreternder glamour-
orientiertenPrint- und Sozialmedien.
Dakannernurverlieren .DieMimikvie-
ler Zuhörerverrät Desinteresseanihm.
Großnimmt dasinKauf.Dennesgeht um
die werbewirksame Revitalisierung der
Marke Fe njal. Der Chef derFit G mbH aus
Hirschfelde bei Zittau kriegt doch noch
die Kurveund schaltet auf Smalltalk um.
„Wir haben eine wunderbare, berühmte
Markenbotschafteringewonnen, dieextra
ausLos Angeles angereistist.Wasfür eine
Bereicherung für die Marke Fenjal“, freut
er sich.Wegist die Unsicherheit. „Lassen
Sie sicheinfac hverzaubern“, übergibt er
das Mikrofon anTatjana Patitz.
Das entlegene Hirschfelde, wo sein
Werk direkt an dervonder LausitzerNei-
ße markierten deutsch-polnischenGrenze
liegt, hat nicht das Flair des SunnyState
Kalifornien. Es liegt „hinter den Bergen“,
lacht Groß, derwährend derWocheim
Dachgeschoss eines Gebäudes auf dem
Geländewohnt und amWochenende in
seine Heimat Heidelbergfährt. Diegroße

Bühne braucht er nicht.Verdient hätteer
sie: Groß hat einenVolkseigenen Betrieb
(VEB) zu DDR-Zeitengerettet.
HinterFitstehtderHerstellervonReini-
gungs-,Waschmittel- undKosmetikpro-
dukten,dernachderWende1989demUn-
tergang geweiht war. DDR-Bürgerkennen
Fitals Geschirrspülmittel–das damalige
ostdeutsche Pril–nur zu gut. Chemiker
Groß hat nacherheblichen Anlaufschwie-
rigkeiten heuteein kleines Markenimperi-
um geschaffen. Zur aus dem Leuna-Kom-
binat abgetrenntenFitGmbH gehören
nicht nur die inzwischen imWesten prä-
senteFit-Spülmittelfamilie, sondernauch
Rei, Reiinder Tube, Sanso,Kuschelweich,
Sunil, Gardund ebenFenjal. Wasdie Gro-
ßen der Branche –Procter &Gamble
oderUnilever–nicht mehrhabenwollten,
hat Groß aufgekauft, den MarkenLeben
eingehaucht und wiedergroß gemacht.
„Ichwar fertig“, erinnertersich, als
Ende 1992 derVertrag mitder Treuhand
unterschrieben wurde.Nach Fü hrungspo-
sitionen bei Procter&Gamble, Benckiser
sowie Ciba-Geigywollteersein eigener
Herrwerden und begann am 1. Januar
1993 das zweite Leben alsUnte rnehmer.
Er hat sichmit seineminsechs Monaten
entwickelten Strategieplangegeneinen
mitbietendenreichen Pelzjäger ausKana-
dadur chsetzenkönnen,dernuranderVer-
wertungderImmobilienindervomKohle-
bergbau geprägten Region interessiert
war. Groß indeswolltenur „einStückchen
Fläche“–und dasWerk.
ZweiJahre hatteernacheinemgeeigne-
tenKaufobjektgesucht undfast ein drei-
viertel Jahrverhandelt. Da sWerkwar in
gutemZustand, der Maschinenparkgut in
Schuss. DerWerksleiter und die Beleg-
schaf twaren kompetent und motiviert–
wenn jemand mit Ideenkommt und die
Zukunftsichert. Mit 60 Beschäftigten hat
Groß damals angefangen, heutesind 250
Mitarbeiter angestellt.Das gesamte Pro-
duktsortiment entsteht in Hirschfelde.
Es wareine Sisyphusarbeit,Fitwieder
fitzumachen. Zwei Millionen D-Mark
Schulden hat er übernommen und sechs
Millionen D-Markindie Modernisierung
der Produktion investiert. Fünf Jahreha-
ben Groß und seine Mannschaftfür den
Auf- und Ausbau benötigt.„Zunächs tging
es mir darum, dassFit überlebt“, sagt er.
Der einstigeSpülmittelmonopolist flog
mit derWende aus denRegalen derKon-
sum- und HO-Läden. JederwollteWest-,
niemand Ostmarken. „Die Mitarbeiter ha-
ben gekämpft“, sagt er.Sie or ganisierten
jedenverfügbaren Pritschenwagen, von
denenFit-Spülmittel, Essigreiniger und
Allzweckreinigervorden Supermärkten
verkauftwurden. Mit Erfolg: Im ersten
Jahr kamen 16 Millionen D-MarkUmsatz
und ein kleiner Gewinn zusammen.
Schnellerreicht ederMarktanteilbeachtli-
che45Prozent.Nochheuteist FitinOst-
deutschland mitrund 35 Prozentführend.
Der Wegindie Regale derwestdeut-
schen Supermarktkonzerne solltehinge-
gensteinigerwerden. 1996gabeserste
Verhandlungen,etwa mit dem Handels-
konzernMetro.Dochtrotz neuer und zeit-
gemäßer Produktvarianten –etwamit
Tabs für Geschirrspüler –lief die Offensi-
ve zäh. „Wir brauchten eine Marke,die im
Westen etabliertist“,legt eGroßeineneue

Strategie auf. „Damitgehen wir zu den
Handelsketten –und nehmenFitimRuck-
sackmit.“ Diegroße ChancekamimJahr
2000, als Procter &Gamble begann, sich
auf globale Markenzukonzentrieren und
alles andereauszusortieren. Fiterwarb
die WaschmittelRei, Reiinder Tube und
dasWollwaschmittelSanso.Diezündende
Idee funktionierte. „Das istder Durch-
bruc hfür den Aufbau der Distribution im
Westengewesen.“HeuteistFitvonderAb-
satzmengeher laut Groß die Nummer

zwei in Deutschland mit einem Marktan-
teil von10bis 12 Prozent, hinter Pril aus
dem Hause Henkel und in bester Gesell-
schaf tmit Frosch, Fairyoder Palmolive.
EswarZufallundGlück,alserbeiläufiger-
fuhr,dassUnileverKuschelweichund Su-
nileinstellenwollte.Erbekambeidegüns-
tig,er weiter tedasProduktportfoliounder-
hielt weiter eTüröffner fürwestdeutsche
Supermärkte.Kuschelweichgehörtmit 25
Millionen Flaschen im Jahr zu den meist-
verkauften Produkten in seinemSegment.

Im Jahr 2015gelang der Sprung in das
Haarpflegesegment mit demKauf von
Gardvon der Schweizer DoetschGrether
AG.Und weil es während derVerkaufsge-
spräche in den Baseler Geschäftsräumen
so angenehm „wie bei Omaroch “, fragte
Groß, ob er nichtFenjal gleichmit kaufen
könne. Dochermusst enochein Jahrwar-
ten, weil es das Lieblingsprodukt der Ei-
gentümerinwar. Finanzierenkann Groß
dieZukäufeausdemMittelzuflussdesope-
rative nGeschäfts–und mit Krediten.

Das AufkaufenvonMarkenhat sich
zum Geschäftsmodell entwickelt.„Ich
habe eine Liste mit gutenNamen, die
ichgerne kaufen möchte“, sagt er.Die
bestehenden Spartensollenausgebaut,
der internationaleAuftritt vorangetrie-
ben werd en. Ausdauer,„Die jetzigen Ei-
gentümerwollen partout nichtverkau-
fen.“ Tatsächlich? Henkel hat gerade
angekündigt, Produkte im BereichWa-
schen ,Reinigen und Schönheitspflege
zu verkaufen oder einzustellen. Dazu
werden auchkleine Traditionsmarken
gehören, die gut zuFitpassen.Das dürf-
te Wolfgang Groß auf den Planrufen.
Nach den Erfahrungen mitÚnileverer-
lebt er nun ein Déjà-vu.

Lehrer für Physik, Chemie und Sportist der 69 Jahrealte Wolfgang Groß nur sechs
Wochen gewesen. Dann hat sichder promovierte Chemiker bei Procter&Gamble
vorgestellt, wo er im Jahr 1981angefangen hat und als Produktmanager fürWasch-,
Putz- undReinigungsmittel zuständig war. Drei Jahrespäter wechselteerzu
Benckiser als Produktentwickler.Von 1989 bis 1992 arbeitete er für den Chemie- und
PharmakonzernCiba-Geigy alsStrategie- und Marketingplaner–bis er am 1. Januar
1993 geschäftsführender Gesellschafter der privatisiertenFit GmbH wurde.

Foto MatthiasLüdecke

FIRMENINDEX Seite
Apple ....................................... 18
Bayer ........................................ 19

Bombardier ........................ 19
Curevac .................................. 15
Deutsche Bahn ................ 18

Deutsche Bank ................. 19
DeutscheLufthansa .... 18
FitGmbH .............................. 21

Lieferando.de .................... 18
Microsoft ............................... 20
Paper PlaneRecords ... 20

Saudi Aramco .................... 18
Trumpf ................................... 22
YesBank ............................... 19

DerUnternehmer

Die FitGmbH hat mit einerProduktoffensiveimOsten und später auchimWesten
Deutschlands ihrenUmsatz in zehn Jahren auf 172 MillionenEuroverdreifacht.Das
einstzum Leuna-KombinatgehörendeUnternehmen, in der DDR einziger Anbieter
vonSpülmitteln, hatWolfgang Groß Anfang 1993 erworben. Fitist mit 250 Mit-
arbeiternHersteller vonHaushaltsreinigernsowie mitRei, Reiinder Tube, Sanso,
Kuschelweich, Sunil,Gard undFenjal auchAnbietervon Waschmitteln,Weichspü-
lern, Haarpflegeund Kosmetik.90Prozent desUmsatzesstammen aus dem Inland.

DASUNTERNEHMERGESPRÄCH


„WirbrauchteneineMarke,dieim Westenetabliertist“


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Rei, Sanso,Gardund


Kuschelweichgemacht.


VonRüdigerKöhn,


München

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