Frankfurter Allgemeine Zeitung - 04.03.2020

(Darren Dugan) #1
In der Energie- und Klimapolitik hat sich
Österreichs türkis-grüne Regierung be-
sondersviel vorgenommen. Schon im
Jahr 2040, und damit zehn Jahrefrüher
als vonder deutschen Regierung und der
EU-Kommissiongeplant, soll das Land
„klimaneutral“ sein, sollenCO 2 -Emissio-
nenvermieden oder kompensiertwer-
den. Als Zwischenschritt soll schon in
zehn Jahren, 2030, dieStromerzeugung
vollständig auf Erneuerbareumgestellt
sein–zumindestauf das Jahrgerechnet.
Mit dem Ende der Heizperiode wird
Österreichjetzt bald sein letztesKohle-
kraftwerkschließen.„Eine guteNach-
richt“ nennt Bundesklimaschutzministe-
rinLeonoreGewessler das im Gespräch
mit derF.A.Z. und dem „Kurier“.Aber
die grüne „Superministerin“, sie istauch
für Umwelt, Energie, Mobilität, Innovati-
on undTechnologie zuständig,weiß, dass
das nur ein erster,kleiner Schritt ist.
Die ganze Dimension desAusbauplans
macht LeonhardSchitter ,der Präsident
des österreichischen Energieverbands, an
einemRechenbeispielaugenfällig: „Wir
müssen alle drei Minuteneine Photovol-
taikdachanlage, alle vierTage eineWind-
kraf tanlageund alle zweieinhalb Jahre
ein großes Wasserkraftwerkbauen.“
Schitter istzuversichtlich, dassdas ge-
lingt.Nur müsse dieRegierung mit einer
speziellenFörderung für unterschiedliche
Energieträger denrichtigenRahmen set-
zen. Daran habe es zuletztgefehlt.
Dabeisteht Österreichiminternationa-
len Vergleichgut da.Vorallemwegendes
hohenWasserkraftanteils beträgt der An-
teil regenerativer Energien amStromver-
brauch75Prozent.Jedochist er in den
vergangenen Jahren kaum gewachsen.
Hier liegt das Problem, das Gewessler

jetzt beheben will. Dazuwolle sie bis zum
Sommer dasrunderneuerte Erneuerbare-
Ausbau-Gesetzvorlegen, auf dasseszum


  1. Januarkommenden Jahres in Krafttre-
    te.Die oppositionelleSPÖ signalisiert
    schongrundsätzlicheZustimmung. Das
    istfür dieRegierung wichtig. Denn für
    die Gesetzesänderung braucht sie die
    StimmenvonzweiDritteln derAbgeord-
    netenimNationalrat, und so viel bringt
    sie allein nicht auf dieWaage.
    Gewessler selbstnennt dieAusbauzie-
    le bis 2030 „ambitioniert“.Aber bangeist
    ihr nicht davor, die Kapazitäten an Photo-
    voltaik binnen zehn Jahren zuverzehnfa-
    chen. „Wenn man nachBayernschaut,
    dann hat es dortgenau so eine Entwick-
    lunggegeben. Dortist es gelungen, eine
    ähnlicheMengeinzehn Jahren auszubau-
    en. Warumsolltedas in Österreichnicht
    gelingen?“
    Bayern istdas Land mit den meistenSo-
    laranlagen in Deutschland, gut einVier-
    telder Kapazität istdortinstalliert. Im
    vergangenen Jahrwarenes13 200 Mega-
    watt, gut 9000 Megawatt mehr alsvor
    zehn Jahren. Das CSU-geführte Bayern
    als GewesslersMaßstab? „Von Bayern
    kann man lernen, imPositiven wie in den
    Herausforderungen“, lautetdie Antwort
    der Grünen-Politikerin, die die deutsche
    Energie- und Klimapolitik nacheigenem
    Bekundengenau verfolgt.
    WiebeimNachbarnimNorden wird
    die Beschleunigung der österreichischen
    Energiewende nicht ohne zusätzliches
    Geld auskommen.„Wir haben unsvorge-
    nommen, denAusbau im Schnitt über
    drei Jahremit jeweils einer Milliarde
    Euroüber das derzeitigeUmlageverfah-
    renauf den Pfad zu bringen“, sagt die Mi-
    nisterin. Daswäre ein wenig mehr als in
    den vergangenen Jahren. Netzausbau-


und andereInfrastrukturkosten kämen
nochhinzu. ImRegierungsvertrag wird
die Milliarde als „Maximum“ bezeichnet.
WieinDeutschland zahlen dieStrom-
kunden in Österreich, hier aber auchdie
Großindustrie, für den Ökostromausbau.
Aktuell sind dafür zehn Prozent der
Stromrechnungfällig und damitweniger
als die Hälfte dessen,wasdie deutschen
Str omlieferanten dafür aufschlagen.Über-
hauptfallen diestaatlichveranlassten Zu-
satzkostenmit gut einem Drittel erheb-
lichgeringer aus als in Deutschland,wo
Abgaben undSteuernmehr als die Hälfte
der Stromrechnung bestimmen.„Wir dür-

fenunsnichtnuraufdenAusbaukonzen-
trieren, mehr Effizienz und Energiespa-
rengehören auchdazu“, mahnt die Minis-
terin. Dochauchihr is tbewusst,dassdie
Modellrechnungen davonausgehen, dass
der Ökostromanteil binnenzehn Jahren
um ein Drittelwachsen muss.
„Wir werden sehr viel mobilisieren
müssen“, sagt Gewessler,und: „Wir wer-
den sehr viele Dächer brauchen, aber
auchDoppelnutzungen aufversiegelten
Flächen wie Lärmschutzwänden, Depo-
nien, Dächernvon Industrieanlagen oder
Einkaufzentren.“Notwendig seien „eine
Million Dächer oder mehr“. Sicher,auch
in Österreichgebe es Proteste und Kritik.
„DerRückenwind für die Energiewende
istsogroßwie nie in Österreich, aber wir
werden auchweiterhinÜberzeugungsar-
beit leistenmüssen.“ Dazu sollen die Be-
hörden besser ausgestattet, die Bürger
mehr einbezogenwerden.
DerKoalitionsvertrag setzt aber auch
klareVerbotssignale: BeiNeubauten sol-
len Ölheizungen und ab 2025 auchGas-
heizungenverbotenwerden, alteKessel
alsbald ausgetauschtwerden, derAusbau
der Gasnetze für Raumwärmegestoppt
werden. Schließlichsoll auchErdgas
2040 keine Rolle mehr in der Energiever-
sorgung spielen. Das würde auchÖster-
reichsgrößtesUnternehmen treffen, den
weltweit tätigen Gas- und Ölkonzern
OMV,andem derStaat knapp ein Drittel
der Aktien hält.Aufdie Frage, ob sie
OMV bis 2040 abwickeln wolle, antwor-
tetGewessler:„Die Diskussionwerden
wir in Österreichmit allen Energieversor-
gern führen, nicht nur mit den Erneuerba-
ren, sondernauchmit der OMV.Langfris-
tig bedeutet Klimaneutralität in Öster-
reich, Europa und derWelt für alle eine
Veränderung.“

WasÖsterreichs Grüne vonBayernlernen wollen


Der starke Ausbau der Photovoltaik soll die Energiewende im Alpenstaat vorantreiben / VonAndreas Mihm,Wien
che. SINGAPUR.Genau zu demZeit-
punkt, an dem Europa endlicheine wei-
tere Annäherung an Südostasiensucht,
verstört es dieRegion zugleich mit aus
ihrer Sicht harschen Entscheidungen.
Zumeinenschwelt derPalmöl-Streit
mitIndonesien und Malaysia. Zum an-
de renwilldie EUKambodschadie be-
vorzugteZollbehandlung inTeilen ent-
ziehen.Das betrifft auchdeutscheTex-
til- und Schuhhersteller .Unter derHan-
delsvereinbarung„Alles außerWaf-
fen“ (EBA)gewährtdie EU einemder
ärmstenLänderAsiens Zugang zuih-
remMarkt ohne Zölle undQuoten.
Nunwarnt dieKommission vorder
„ernste nund systematischen Verlet-
zung der Menschenrechte“ in dem
Land mit 16 Millionen Einwohnern.
„Mit dem Handel hat die EU ein wichti-
gesWerkzeug, um dieMenschenrech-
te, die Pfeiler einernachhaltigen Ent-
wicklungsind, anzusprechen,zustüt-
zenund (derenUmsetzung) zuverbes-
sern“, sagte Kommissions-Vizepräsi-
dent JosepBorrell.
Kommt es MitteAugustzur Umset-
zung des Beschlusses,wäre rund ein
Fünfteldes Exports Kambodschas in
die EU betroffen–neben Kleidung auch
Schuhe,Rucksäcke und Zucker. Wäh-
rend die Europäer denFreihandel mit
dem Stadtstaat Singapur und demkom-
munistischenVietnamvereinbaren, die
Probleme mitgrundlegendenRechten
haben, droht Borrell Kambodscha: „Die
EU wirdnicht dastehen und zuschauen,
wie Demokratie ausgehöhlt, Menschen-
rech te beschnitten und die freieRede
eingeschränkt wird.“Während die EU
um die Annäherung an denWirtschafts-
raum mit seinen 630 Millionen Men-
schen ringt, zeigen sichdamit nun
schon drei Regierungen Südostasiens
vonEuropa enttäuscht.

Kambodschaist die drittkleinste
Volkswirtschaftdes südostasiatischen
Staatenbundes Asean. Seit sieben Jah-
renist derenWirtschaftsleistung um je-
weilsmehrals 7Prozentgewachsen,
dochdie politische Lagehat sichstän-
digverschlechtert. Ministerpräsident
Hun Sen hat diefreiePresseausge-
schaltet, dieoppositionelleNationale
Partei zur RettungKambodschas
(CNRP) perGerichtsurteil verboten
und ihreFührerins Gefängnisgewor-
fen. Hun Senkann sich denKonflikt
mit den Europäern erlauben,weil er
das LandmitwachsenderUnterstüt-
zung Chinas führt–wasihn vonande-
rensüdostasiatischen Ländernunter-
scheidet. „Was dasEBA-Abkommen
für unsgetanhat, wirdzerstörtwer-
den.Der Einflussder EU wirdsich ver-
ringern. Das heißt nur, sie beteiligen
sichdaran ,die Opposition zuvernich-
ten“, sagteder Ministerpräsident.
Sandra D’Amico, Vizepräsidentin
deskambodschanischenUnt ernehmer-
verbandes, fürchtetden Verlustvon Ar-
beitsplätzen: „DieEUmusssehrgenau
prüfen, wassie entscheidet, denn das
wirddie Beziehungen belasten. Es
wirdeine großeZahl ihrer Investitio-
nen in Kambodschaunterminieren
nach Jahrzehnten, die sie dem Landge-
holfenhat, sich zu erholen.“Kambo-
dscha giltnachBangladesch als größ-
terProfiteur desEBA-Abkommens. Da-
mit haben dieEuropäer einengroßen
Hebel: Mehrals 700 000Kambodscha-
nerarbeiten in derTextil- und Schuhin-
dustrie, rund drei MillionenMenschen
hängen an ihr.Die EU istKambo-
dschas größterHandelspartnerund
nimmt 45 ProzentseinerAusfuhren ab
–ein Wert von5,4 Milliarden Euro. 95
Prozent davonkönnen derzeit zoll-
undquotenfrei in Europaeingeführt
werden.

A


strid-Sabine Busse istGrund-
schulrektorin in Berlin-Neu-
kölln.Sie is tes gerne, und das
seit 28 Jahren. „Die Leiterin ei-
ner Schulekann mehr bewegenals eine
einzelne Lehrkraft“, sagt Busse.Warum
sichLehrkräfte für die Leitung einerSchu-
le intere ssieren,weiß Pierre Tulowitzki,
Professorfür Bildungsmanagement und
Schulentwicklung. „Siewollen Ideen ent-
wickeln und erproben und eigene Ent-
scheidungen treffen“, sagt der Deutsche,
derander Fachhochschule Nordwest-
schweiz inWindischforscht.„Aber auch
die größere Verantwortung, derAbwechs-
lungsreichtum und die Möglichkeit, für
das Wohl der Schülerinnen und Schüler
und Lehrkräfte zu sorgen, sind wichtige
Motive.“Undinder Tat: Die Leitung ist
für den Erfolg einer Schule zentral. Fehle
sie, dannwerdedas schnell zu einem „Rie-
senproblem und einer BelastungimKolle-
gium,denn eine gute Leitungkann viel
kompensieren“, sagtTulowitzki.
Immermehr deutsche Schulensehen
sichgenau damitkonfrontiert: Sie stehen
ohne Direktor da.Rund 40 000 Schulen
gibt es hierzulande. „Mindestens 1000

Schulleiterstellen sind nicht besetzt“, sagt
GudrunWolters-Vogeler,Vorsitzende des
AllgemeinenSchulleitungsverband
Deutschlands. Hinzukämen ausgeschrie-
beneStellen, die nurkommissarischbe-
setz tseien.Außerdem leite so mancher Di-
rektor zwei Schulen. „Besonders betroffen
vomDirektorenmangel sind die Grund-
schulen,vorallemwenn sie sichauf dem
Landoder im sozialen Brennpunkt befin-
den“, berichtetWolters-Vogeler überein
Muster, das man vomLehrermangel
kennt.InNordrhein-Westfalen zum Bei-
spielwarenzum Schuljahresbeginn 457
Schulleiterpostennicht besetzt, davon
an Grundschulen,wie es aus dem Schulmi-
nisterium heißt.Knapp jedezehnte
Grundschulewar betroffen. In Baden-
Württembergwaren 250 Posten offen,
davonmehr als 150 an Grundschulen(6,
Prozent).
Selbstineiner attraktivenStadt wie
Hamburgsei es schwierig, Direktoren zu
finden,wenn die Schule im Brennpunkt
und amStadtrand liege, sagtWolters-Vo-
geler,die dorteine Grundschule leitet.
„Wenn dannnochgebundener Ganztag
hinzukommt, wirdesnochschwieriger.
Denndann istdie Schulevonmorgens um
sechs Uhr bis abends um 18 Uhr zu lei-
ten.“ Wenig Schwierigkeiten hätten hinge-
gengut dotierte Gymnasien, Gesamtschu-
len und Berufsschulen, dasgelte fürganz
Deutschland.
Seit 2017 mache derVerband auf den
MangelanDirektoren und auchKonrekto-
renaufmerksam,sagt Wolters-Vogeler.
Die Lückewerde nochgrößer werden, was
auchamGenerationswechsel in den Schu-
len liege.„Außerdem haben wirsteigende
Schülerzahlen:Konnteman früher einen
Teil des Mangelskompensieren, indem
man Schulen zusammenlegte,geht das
heutenicht mehr.“
Einegute Schulleitung hebtauchdie
Leistungen der Schüler.„Auf indirektem
Weg,indemsiezumBeispielfürguteAr-

beitsbedingungensorgt und dasKollegi-
um motiviert“, erklärtTulowitzki. Die Ber-
liner Schulleiterin Astrid-Sabine Busse,
die auchVorsitzendedes Interessenver-
bands Berliner Schulleitungen ist, sagt:
„Eine Schulemussgeleitetwerden, sonst
geht siekaputt.“Ohne Leitungkönne nur
das Kerngeschäftaufrechterhaltenwer-
den, Schulentwicklungfinde dann nicht
mehr statt.Sei dann endlicheine neue Lei-
tung gefunden,dauereesJahre, die Schule
wiederaufzubauen.

„Leitungkann einsam machen“
Eine Schule zu leiten isteine wichtige
Aufgabe.DochwarumscheuensichLeh-
rer, diese Aufgabe zu übernehmen? Hier-
zu forschtTulowitzki derzeitmit Kollegen
der UniversitätenTübingenund Lüne-
burg. Die Auswertung istnochinvollem
Gang, docheinigeHindernisse kristallisie-
rensichschon heraus:geringefinanzielle
Anreize, eine mangelnde Vorbereitung
und einehohe Beanspruchung. „Das ist
ein anspruchsvoller Job, der auch von
Komplexität und Unsicherheit geprägt
ist“, erklärtTulowitzki.„Leitung kann
aucheinsam machen“, berichtetBusse
über die negativen Seiten ihrerTätigkeit.
Man müsse mitFrustration,Trauer und
Angstumgehenkönnen–und demständi-
genSpagat zwischenKollegen, Elternund
Schülern.Unddann sei da noch„die un-
endliche Bürokratie“.
In der Öffentlichkeit sei angesichts der
stärkerenSelbständigkeitvonSchulen das
Bild entstanden, die Schulleitungwürde
wenigerverwalten und mehrgestal ten–
managen und entwickeln und viele Impul-
se setzen, erklärtTulowitzki. Das stimme
durchaus, doch wisse man ausTätigkeits-
studien, dassSchulleitung auchheutzuta-
ge nochviel Administrationbeinhalte.
Schulleitungen müssten als Pädagogen,
Manager undVerwaltungskräfte agieren.
Das bekämen Lehrer mit;die Motivation,
sichfür eine derartfordernde Laufbahn zu

bewerben, sinke. „Der Verwaltungsauf-
wand hat sichinden vergangenen zehn,
fünfzehn Jahren verzehnfacht“, beklagt
Busse.FürVorgänge, für die sie früher ein
Blattgeschrieben oder ausgefüllt habe, sei-
en nun zehn Blätter notwendig. Gerade
habe sie für die Einstellung einerVertre-
tungskraftfür zehnStunden in derWoche
sechzig Seiten an diePersonalstelleinder
öffentlichenVerwaltunggeschickt.
Insgesamtkann Busse ihrem Beruf je-
dochsehr viel abgewinnen.Sie beschreibt
sichals „gelerntePädagogin im Manage-
ment-Beruf“, die eine Institutionmit
mehr als 100Pädagogen und gut 650 Schü-
lernimGanztag führe. Sie hat zwarkeine
volle Budgetverantwortung,darfaber
über 250 000 EuroimJahr selbstbestim-
men.Auch darfsie ihrPersonal selbstaus-
wählen und einstellen –jedochnicht ent-
lassen. Damit hat sie in Berlinrelativ
hoheFreiheitsgrade.„In vielen Bundeslän-
dernkann man seinPersonal nicht selbst
einstellen, dortgibt esRanglisten und zen-
traleEinstellungsverfahren“, berichtet
Wolters-Vogeler vomSchulleitungsver-
band.

Mehr als 40Stunden in derWoche

Die Erwartungen an Schulleiter sindstark
gestiegen.Undsie sind deutlich mehrge-
fordertals Lehrer.Werden sie entspre-
chend entlohnt?EingrößererAbstand zu
den Lehrergehälternsei geboten,findet
Wolters-Vogeler.„Direktoren arbeiten
mehr als vierzig Stunden in derWoche.
Das zeigen alleStudien“, berichtet die Ver-
bandschefin. Sie hätten viel mehr Präsenz-
pflicht als Lehrer.„Mankann nachdem
Unterricht nicht nach Hausegehen, man
hat Abendtermine.Kollegenhaben ein bis
zweiZeugniskonferenzen,ich habe 24.“
Grundschulrektorenbekämen in derRe-
gelzwischen A12 und A14, Grundschul-
lehrer erhielten A12 und in manchen Bun-
desländern A13. An weiterführenden
Schulenwerdeder Leiter mit A15 ent-

lohnt.Ein Gymnasialdirektor bekomme
sogar A16.„Das isteine adäquateBesol-
dung.“
Die Vergütung solltesteigen, findet
auchTulowitzki. Dies alleinwerdeden
Mangelabernicht beheben. „Dieeine
Wundermaßnahme gibt es nicht, das muss
man systematischangehen.“Wichtigsei-
en zum Beispiel auch:wenigerUnterrichts-
verpflichtung und damit mehrZeit für Lei-
tung. Zu überlegen sei zudem, ob man die
vieleVerwaltungsarbeit zumindest inTei-
len auf andere Positionenverlagernkönn-
te,zum Beispiel eineVerwaltungsassis-
tenz einrichten könnte. Die Bedeutung
des Berufsmüsse zudemstei gen, fordert
der Wissenschaftler.Dazu gehöreeine um-
fangreichereQualifizierung.
Da liegtnachAngaben des Schullei-
tungsverbandsviel im Argen. „Würde man
vorher gutqualifizieren, dannkönnteman
aus dem bestehenden Lehrerpoolgenü-
gend guteSchulleiterrekrutieren“, istWol-
ters-Vogeler überzeugt.Leiderwerdevor
allemvorAmtsantritt zuwenig qualifi-
ziert. „Wir wissen aus der Managementfor-
schung,dassdie er sten 100Tage entschei-
dendsind für den Erfolg.“ Gehe man mit
wenig Vorerfahrung in den Beruf, sei die
Gefahr,dassman nichtrichtig führe, ziem-
lichhoch. „Schulen sind Expertenorgani-
sationen, mankann sie nur über Ziele,
nicht über Einzelmaßnahmen führen. Das
mussvorher gelerntwerden“, erklärtWol-
ters-Vogeler.
Oftwerden auchHerausforderungen
wiedie gestiegene Heterogenität der Schü-
lerschaftdafür verantwortlichgemacht,
dasssichLehrkräfte nicht auf diePosition
des Direktorsbewerben.„Wenn man sich
anschaut,warumsichMenschen für Schul-
leitung interessieren, habe ichnicht den
Eindruck, dasssolche Probleme abschre-
cken“, sagt hingegenTulowitzki. Eine hete-
rogenereSchülerschaftmache dieAufga-
be nicht per se uninteressanter,sagt Wol-
ters-Vogeler.„Schulleiter habeneinenho-
hen pädagogischen Impetus.“

Alleingelassen: Viele Schüler müssen nicht nur ohne Lehrer,sondernauchohne Schulleiter auskommen. FotoImago

MinisterinLeonoreGewessler Fotodpa

Sch ulleiter? KeinInteresse!


niza.FRANKFURT. Die Deutschen
habenimvorigenJahrabermalsmehr
Stundengearbeitetals je zuvor seit
der Wiedervereinigung.Mit 62,7 Milli-
arden Stunden stieg das Gesamtvolu-
men auf einen Höchststand, wie das
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufs-
forschung (IAB) inNürnbergamMitt-
woch mitteilte. Hauptgrund is tdie Re-
kordbeschäftigungvon45,3 Millionen
Erwerbstätigen. Konjunkturbedingt
fiel derZuwachsmit 0,6 Prozent bin-
nen Jahresfristaber deutlichschwä-
cher aus als in den zurückliegenden
fünfJahren, als er im Mittel 1,1 Pro-
zentbetrug. Auch sankdie durch-
schnittliche Arbeitszeit jeKopf um
0,3 Prozent.Der IAB-Forscher Enzo
Weber verweistauf denRückgang der
Überstunden. Gerade in derZeitar-
beit und IndustrieseienStellen mitho-
her Arbeitszeitweggefallen.
Im Durchschnittkamjedererwerbs-
tätigeDeutsche imvergangenen Jahr
auf 1386Stunden.Nachwie vorgibt
es je nach Berufsstandgroße Unter-
schiede. So arbeitete nSelbstständige
mit 1902Stunden überdurchschnitt-
lichviel und deutlichmehr als inVoll-
zeit beschäftigteArbeitnehmer,die
auf 1642Stundenkamen. Aufdie
Arbeitstageheruntergerechnetergibt
das 7,6 respektive6,6 Stunden am
Tag. Teilzeitbeschäftigtekamenauf
Grundlage der IAB-Zahlen auf 771
Stunden im Jahrund 3,1Stunden je
Arbeitstag.Die durchschnittlichver-
einbarteWochenarbeitszeit derVoll-
zeitbeschäftigten bliebmit 38Stun-
den unverändertverglichen zumVor-
jahr,die der Teilzeitbeschäftigten
stieg leicht auf 17,7Stunden.

sibi.FRANKFURT. Die Inflation in
der Eurozone istimFebruar auf 1,
Prozentgefallen.Wiedas Statistik-
amt EurostatamDienstagaufgrund
vorläufigerZahlen mitteilte, lag die
Teuerung damit wieder niedriger als
im Januar,indem dieVerbraucher-
preise auf Jahressicht um 1,4 Prozent
gestiegenwaren. Analystenhatten ei-
nen solchenRückgang erwartet.Im
Monatsvergleicherhöhten sichdie
Verbraucherpreise um 0,2 Prozent.
Teurer alsein Jahr zuvorwarenimFe-
bruarvorallem Lebens- und Genuss-
mittel. Die Preise für Energiegaben
im Februar im Euroraum um 0,3 Pro-
zent nach, nachdem sie im Januar um
1,9 Prozentgestiegenwaren. Dienst-
leistungenverteuertensichum1,
Prozent,während industriellgefertig-
te Güter 0,5 Prozentteurerwarenals
voreinem Jahr.
Die Europäische Zentralbank
(EZB)strebt auf mittlereSicht eine
Teuerungvon„unter,aber nahe2Pro-
zent“ an. Derzeit gibt es Erwägun-
gen, dassdie EZB ihrePolitikwegen
der Coronavirus-Kriseweiter lockern
könnte. Eine niedrigeInflationkönn-
te solcheÜberlegungenstützen.

Kambodscha in der Kritik


EU droht Handelspartner mit Zöllen für Kleidung


In Deutschlandfehlen


nichtnur Lehrer,


sondernauch


Direktoren .Estrifftvor


allem Grundschulenin


Brennpunkten. Geld


allein hilft nichtweiter.

VonLisa Becker,

Frankfurt

Deutsche


arbeiten mehr


als je zuvor


Inflationfällt


auf 1,2 Prozent


FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Wirtschaft MITTWOCH, 4.MÄRZ 2020·NR.54·SEITE 17

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