Frankfurter Allgemeine Zeitung - 04.03.2020

(Darren Dugan) #1

SEITEN2·MITTWOCH,4.MÄRZ 2020·NR.54 Naturu nd Wissenschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Bienen und Pflanzenverbindeteine
besondersengeBeziehung. Im Gegen-
satz zuKäfern,Fliegen,Wespen und
Schmetterlingen, die sichebenfalls an
Nektar undPollen laben, ernähren
sichBienen schon als Larvenvon sol-
cher Kost.Dassdie Koevolution zwi-
schen Blüten und Bienen bereits mit-
tenimZeitalter der Dinosaurier be-
gonnen hat, bestätigen auchdie Be-
funde argentinischer Paläontologen
um Jorge Fernando GenisevomConi-
cet-Museo Argentino de CienciasNa-
turales in Buenos Aires. Gemeinsam
mit Brian R. Jichavonder University
of Wisconsin-Madisonstudierten die
Forscher imNordostenvon Patago-
nienversteinerte Sedimenteaus der
mittlerenKreide. Dabeistießen sie
auf Nester,die voretwahundertMil-
lionenJahrenvonBienenweibchenge-
bautworden waren.
Die meistender mehretwa 550
Wildbienenarten, die sichheutzutage
in Deutschland tummeln,graben die
Unterkunftfür ihren Nachwuchseben-
falls ins Erdreich. Mit den tränenför-
migen Brutkammern, die direkt an ei-
nem tief hinabreichenden Hauptgang
sitzen,gleichen die Bauwerke aus der
patagonischen Kreide den Bauten
heutigerFurchenbienen. In denfossi-
len Brutkammernfanden sichnach
AussagenvonGenise und seinenKol-
legen allerdings keine SpurenvonPol-
lenpaketen odervonBienenlarven,
die sicheinstansolchenVorräten güt-
lichgetan hatten.Wiedie bis zu einen
Meter langenRöhren haben sichauch
die leeren Brutkammernmit feinem
Sedimentgefüllt,das nun einenAb-
gussdes Bienen-Bauwerks liefert.
Die Forscher konnten die seitrund
hundertMillionen Jahrenverwaisten
Kinderstubenkomplett aus dem Ge-
stein herauslösen. In der Online-Zeit-
schrift„Plos One“ (doi: 10.1371/jour-
nal.pone.0227 789) beschreiben Geni-
se und seineKollegen diese Spurenfos-
silien unter dem wissenschaftlichen
Namen Cellicalichnus krausei .Pflan-
zenreste aus denselben Gesteins-
schichten lassen auf einen Lebens-
raum weitab der Atlantikküste schlie-
ßen. Offenbar tummelten sichdie
kreidezeitlichenWildbienen in eher
troc kenen Waldgebietenodereinersa-
vannenartigen Landschaftmit freigie-
bigen Blütenpflanzen.Bei Über-
schwemmungen hatten sichdortlo-
kalimmer wieder Sedimentschichten
abgelagert,die de nBienenneuen Bau-
grund boten. Wiemolekulargeneti-
sche Analysen zeigen,beganndie Evo-
lutionder Bienenvorschätzungswei-
se 113 bis 132 Millionen Jahren. Da-
mals trenntesichdiese Entwicklungs-

linievonden Grabwespen, deren heu-
tige Nachfahren wie viele andere Wes-
pen oftBlüten besuchen. DieVorfah-
render Bienen sind jedochganz auf
vegane Ernährung umgestiegen:Statt
demNachwuchs eine durchGiftge-
lähmteJagdbeute als Proviant mitzu-
geben, haben dieUr-Bienen ein ähn-
licheiweißreichesFresspaket aus Blü-
tenstaubgepackt.
Als die kreidezeitlichen Furchenbie-
nen ihreNestermit Pollenpäckchen
bestückten,wareninden blühenden
Landschaften auchschon andersarti-
ge Bienen unterwegs. Dergenetische
Stammbaum lässt darauf schließen,
dassdamals zum BeispielVorfahren
der heutigen Sandbienen undPelzbie-
nen vonBlütezuBlüteschwirrten. Of-
fenbar hattesichdas Erfolgsmodell
Biene schonvorrund 100 Millionen
Jahren diversifiziert–und mit ihm
auchdie Blütenpflanzen, die sichvon
solc hen Insekten bestäuben ließen.
Dort,wo fossile Bienennester aus
PatagoniengleichDutzendevonBrut-
kammernaufweisen, hat einstvermut-
lichmehr als nur ein Bienenweibchen
an dem Bauwerkgearbeitet.Bei etli-
chen ArtenvonFurchenbienenist so
eineKooperation heutzutagedurch-
aus üblich. Bei ein paar anderen Spe-
zies derFurchenbienen produziertein
Weibchen sogar,ähnlichwie bei Hum-
meln und Honigbienen, zunächstnur
unfruchtbareTöchter.Diese soge-
nannten Arbeiterinnen sind dann
nicht nur für sämtliche Bau- undHaus-
arbeitenzuständig, sie unternehmen
auchAusflüge, umPollen undNektar
zu sammeln.Mit so fleißigen Helferin-
nen lassen sichimLaufeder Saison
zahlreiche zeugungsfähigeNachkom-
mengroßziehen. DIEMUTKLÄRNER

W


ie die altersbedingte Makula-
degeneration, die häufigste
Ursache für eine Altersblind-
heit in derwestlichenWelt,
genau entsteht, liegt nochweitgehend im
Dunkeln.UnterdringendemTatverdacht
steht gleichwohl das sogenannteKomple-
mentsystem, ein entwicklungsgeschicht-
lichalter Astdes Immunsystems.Unklar
warbislang allerdings,welches der zahlrei-
chen Mitglieder dieserFamilievonIm-
munproteinen derNetzhaut so zusetzt,
dasseszueiner Erblindung kommen
kann.
ForschernumSimon Clarkvom Zen-
trum für ophthalmologischeForschung
der UniversitätTübingenkönnte es nun
gelungen sein, einen derRädelsführer der
schwerenNetzhauterkrankung zu entlar-
ven. DieRede istvon einem Protein aus
den Reihen desKomplementsystems mit
der sperrige Bezeichnung „Factor-H-Rela-
tedProtein-4“,kurz FHR4. WieClarkauf
Anfragesagt, hatteerursprünglichgar
nichtvor, den Ursachen der Makuladege-
neration auf den Grund zugehen. Sein ei-
gentlichesForschungsgebiet, mit dem er
sichschon seit vielen Jahren befasst,ist
dasKomplementärsystem. In demZusam-
menhangwollteereines Tagesklären,wo
sichFHR4 im Körper genau befindet.
„Dazu haben wir einen Antikörpergegen
FHR4 entwickelt und das Immunprotein
damit in mehr als 50 menschlichen Gewe-
ben gesucht.Gefunden haben wie es un-
teranderem in denAugen, allerdings nur
bei manchenPersonen–und zwar aus-
schließlich solchen mit altersbedingter
Makuladegeneration“, erklärtder Bioche-
miker.InweiterenUntersuchungen hät-
tensie dann entdeckt, dassFHR4 aus-
schließlich in der Leber hergestellt wird.
„Da esvondortindie Augengelangt sein
muss,kamen wir auf den Gedanken, im
Blut nachFHR4 zufahnden.“
DiesesVorhaben haben dieWissen-
schaftler in der aktuellenStudieverwirk-
licht, deren Ergebnisse nun in derZeit-
schrift„NatureCommunications“ (doi:

10.1038/s41467-020-14499-3) erschienen
sind. EinVergleichder Blutwerte von
rund 500Patienten mit altersbedingter
Makuladegeneration undetwa gleichvie-
len Personen ohne dasAugenleiden bestä-
tigtedann ihreVermutung.WieValenti-
na Ciprianivonder QueenMaryUniversi-
ty in London, Simon Clarkund die ande-
renStudienautoren berichten, enthielt
das Blut der augenkranken Männer und
Frauen viel mehr FHR4 als jenes derge-
sundenVergleichspersonen. Eingehende
genetische Analysen fördertendann eine
weiter eÜberraschung zutage:Personen
mit reichlichFHR4 im Blutwarenauffal-
lend oftTrägervon genetischenVarian-
ten, die mit einem hohen Risikofür eine
altersbedingteMakuladegeneration ein-
hergehen. „Wie unsereBeobachtungen
zeigen, beeinflussen diese genetischen
Spielartenden BlutgehaltvonFHR4“, er-
klärtClarkund fügt hinzu: „Sie befinden
sichallerdings nicht im GenvonFHR4,
wie man erwarten würde, sonderninje-
nem einesanderen Komplement-Pro-
teins, und zwarvonFaktorH(FH). Das
hat uns sehr erstaunt.“
Weshalb aberreichertsichdas Immun-
protein FHR4imAugeanund treibt hier
seinUnwesen? Am wahrscheinlichsten
hält der britischen Biochemikerfolgen-
des Szenario: Imfortgeschrittenen Alter,
wenn die kleinen Blutgefäße zunehmend
undichtwerden, strömt vermehrtFHR4
aus dem Blut in denAugenhintergrund
undfachthier entzündlicheReaktionen
an. Jegrößer dabeisein GehaltimBlut,
desto eher fügt es derNetzhaut möglicher-
weise Schaden zu. „Personenmit sehr ho-
hen FHR4-KonzentrationenimBlut hat-
tenalle eine Makuladegeneration“,er-
klärtClark. Das Immunprotein infiltriere
denAugenhintergrund nicht etwa,um
dortKrankheitserregerzubekämpfen.
DieHauptaufgabe desKomplementsys-
tems bestehe zwar darin, solche Eindring-
lingeabzuwehren. Bei der altersbeding-
tenMakuladegenerationgebe es aberkei-
ne Indizien für eine Infektion.

Frank Holzvonder Universitäts-Augen-
klinik in Bonn bezeichnetdie Erkenntnis-
se vonClarkund seinenKollegen als neu
und interessant.„Bis jetzt gibt es aller-
dings nochkeine Therapiestudien, die
hier auf aufbauen“,räumtder Ophthalmo-
loge ein. AndereKomplement-Inhibito-
renseien diesbezüglichschon weiter .Ei-
ner davon, ein AntikörpergegenFaktor
D, sei allerdings nicht wirksamgewesen.
Indes habe ein Hemmstoff gegenein wei-
teresKomplement-Protein (C3) in einer
kleinenUntersuchung aussichtsreiche Er-
gebnissegeliefertund würde derzeit in ei-
ner großenStudiegeprüft. „Sollteersich
bewähren,könnteman vielenPatienten
mit der ,trockenen‘ Spätformder altersb-
dingten Makuladegeneration erstmals
eine wirksame Therapie anbieten. Bis-
langgelingt das nur beiPersonen mit der
,feuchten‘ Spätform“, sagt Holz.Wasdie
Terminologie angeht, istdie zweiteVari-
ante meistdie Folgeder ersten: Ausbis-
lang unbekannten Gründen bilden sich
bei manchen Personen imvorgeschädig-
tenAugenhintergrund kleine Gefäße,
die i ndie Netzhaut einwachsen. Siever-
wandelnden vormals „trockenen“De-
fekt somitgleichsam in einen„feuchten“.
Da die neuen Blutbahnen sehr durchläs-
sigsind undleicht bluten, können sie das
Sehvermögen nachhaltig einschränken.
MitMedikamenten, die daskrankhafte
Gefäßwachstum unterdrücken, lässt sich
ein solches Schicksal häufig abwenden.
Gegen dieverschiedenen „trockenen“
Arten einer altersabhängigen Makulade-
generation, dierund 80 bis 90 Prozent
derErkrankungsfälle ausmachen, istda-
gegennochkeinwirksamesMittelgefun-
denworden.Anders als der einheitliche
Begriff altersbedingteMakuladegenerati-
on suggeriert,verbergensichhinter die-
ser Diagnose nämlich sehr unterschiedli-
cheLeiden. Das zeigen auchdie Ergebnis-
se derneuenStudie. So wiesennur etwa
30 der augenkrankenPersonen erhöhte
Mengen an FHR4 im Blut auf. Bei den üb-
rigendürfteder Untergang derNetzhaut-
zellen somit andereUrsachen haben.

Seit dem 1. Märzbesteht in Deutsch-
land einegesetzliche Impfpflichtgegen
Masern.Zeitgleichmit demStartder
Impfpflicht habenVertretermehrerer
Familien mit Kleinkindernbeim Bun-
desverfassungsgericht inKarlsruhe Eil-
anträgeund Verfassungsbeschwerden
gegendas Gesetz eingelegt.Die Kläger
sind nichtgrundsätzlichgegen das Imp-
fen, abergegenden staatlichen Zwang.
SiesehendasGrundrechtaufkörperli-
cheUnversehrtheit der Kinder,das Er-
ziehungsrecht der Elternund Gleich-
heitsgrundsätzeverletzt.Weiter eVer-
fassungsbeschwerden sind inVorberei-
tung.Unterstütztwerden die klagenden
Elternvon der „Initiativefreie Impfent-
scheidung“ und demVerein „Ärztefür
individuelle Impfentscheidung e.V.“.
Nach dem neuen Masernschutzge-
setz mussfür Kinder,die ein Jahr und äl-
tersind, beim Eintritt in eine Kinderta-
gesstätte oder in die Schule ein Impf-
schutz nachgewiesenwerden –entwe-
der inForm vorgenommener Impfun-
genoder eines ärztlichenAttest s, das
bestätigt, dassdie Krankheit durchlit-
tenworden ist. Auch die nach1970 ge-
borenen Beschäftigten dieser Einrich-
tungen sowieTagesmütter und medizi-
nischesPersonal dieser Altersgruppe
müssenvorihrer Einstellung einen Ma-
sern-Impfschutz nachweisen.Werheu-
te bereits in Kindertagesstätten und
Schulen betreut wird, dortoder in einer
medizinischenEinrichtung arbeitet,
muss den Impfschutz erst bis Mittekom-
menden Jahresvorweisen. Erfolgt kein
Nachweis, droht eine Geldbußevon bis
zu 2500 Euro. Allerdings soll eskeine
Zwangsimpfungengeben. Die Masern-
Impfpflicht gilt auchfür Asylbewerber
und Flüchtlinge, die bereits vierWo-
chen in einer Gemeinschaftsunterkunft
leben.Auchsie müssen entwedergegen
Maserngeimpftwerden oder einen ent-
sprechenden Impfschutzvorlegen.
Die Elternklagen, dassihnen durch
die gesetzliche Impfpflicht die Möglich-
keit der institutionellen Kinderbetreu-
ung genommen wird,wenn sie ihreKin-
der nicht oder zu einem späterenZeit-
punkt impfen lassenwollen. Sie halten
es auchfür eineUngleichbehandlung,
dassfür Kinder,die bereits in einer Kin-
dertagesstätte betreut werden, eine
Übergangsfristexistiert, für neuaufge-
nommeneKinder jedochnicht .Die Klä-
germonieren zudem, dasseskeinen
Einzelimpfstoffgegen Maserngibt, son-
dernnur Kombinationsstoffe,mit de-
nen Kinder auchgegen andereInfekti-
onskrankheitengeimpftwerden.
Mit dergesetzlichen Impfpflicht sol-
len die Masernendgültig ausgerottet
werden. Dieses Ziel istinder Vergan-
genheit schon mehrfach verpasst wor-
den,weil Impfskepsis und andere Grün-
de denVire nimmer wieder ein Come-
backbescherthaben. Erreichtwerden
kann es nur,wenn mindestens 95 Pro-
zent der Bevölkerung beide empfohle-
nen Impfungen erhalten haben. Bei ei-
ner solchen Quote finden die Viren
nicht mehrgenügend ungeimpfte Perso-
nen für die nächste Ansteckung. Da sie
dann nicht auf einen anderenWirt aus-
weichenkönnen,kommtdie Infektions-
kette zum Erliegen. Allerdings sorgt
schon eine geringeAbweichungvon
der optimalen Impfquote dafür,dasses
immer wieder Masernausbrüche gibt.
Deshalb zählt für dieAusrottung jede
einzelne Impfung. DieBereitschaftzur
ersten Impfung zwischen dem elften
und dem 14. Lebensmonat istbei den
Elterndeutschlandweit sehr hoch.Lü-
cken gibt esvorallem bei der entschei-


denden zweiten Impfung zwischen dem


  1. und dem 23. Monat.Nachden Da-
    tendes RobertKoch-Instituts in Berlin
    warenimJahr 2017 nurrund 93 Pro-
    zent der Erstklässler zweimalgege nMa-
    serngeimpftworden–zuwenig für die
    Ausrottung des Erregers.
    Masernsind keine harmlose Kinder-
    krankheit.Esgibt auchkeine spezifi-
    sche Medizingegendiese Infektion.
    EineVeröffentlichung im „British Medi-
    cal Journal“ hat jüngstnocheinmal
    deutlichgemacht, dassbei einer Ma-
    sernerkrankung schwereKomplikatio-
    nen in allen Organen möglichsind (doi:
    101136/bcr-2019-232408).Typischsind
    Entzündungen derLunge, des Mittel-
    ohrsund der Bindehaut oder Durchfäl-
    le.Jeder fünfzehnteErkranktereagiert
    mit Fieberkrämpfen. Bei einemvontau-
    send bis zweitausend Erkrankten
    kommt es zu einer Entzündung des Ge-
    hirns, einer sogenannten Masern-Enze-
    phalitis. Bei einervonzehntausend bis
    hunderttausend Erkrankungen tritt
    rund sieben Jahrenachder akuten Ma-
    serninfektion eine sklerosierende
    Panenzephalitis aus, die immertödlich
    endet. ThelmaXerriund ihreKollegen
    vom„Mater Die Hospital“ in Msida auf
    Malta nennen im „British MedicalJour-
    nal“ nochzweiweiter eKomplikatio-
    nen: Hepatitisund Blinddarm-
    entzündung.
    Masernviren infizieren Immunzellen
    und verursachen dadurch einegenerel-
    le Immunsuppression. Dadurch kommt
    es oftauchzuBegleitinfektionen. Die-
    se tragenvorallem in den Entwick-
    lungsländernzur hohen Krankheitslast
    und zurgroßenZahl anTodesfällen bei.
    Masernviren behindernaber nicht nur
    die Immunzellen,sondern verursachen
    aucheine regelrechteImmun-Amnesie.
    Forscher umStephen Elledgeund Mi-
    chael Minasvon der Harvard Universi-
    ty haben kürzlichinder Zeitschrift
    „Science“gezeigt, dassungeimpfte Kin-
    der nacheiner Maserninfektionweni-
    gerAntikörpergegenbereits durchge-
    machteInfektionskrankheiten hatten
    als vorder Maserninfektion (doi:
    10.1126/science.aay6485). Den Kin-
    dernfehlten nachder Erkrankung im
    DurchschnittzwanzigProzent ihres An-
    tikörperrepertoires, manchen bis zu
    siebzig Prozent.Nacheiner Masernimp-
    fungwardas nicht derFall.
    An MasernErkrankteseien dadurch
    zwar immunologisch gesehen nicht
    ganz sowehrlos wie ein neugeborenes
    Kind, schriebStephen Elledge.Aber ei-
    nigeInfizierte hätten durchaus einen
    ähnlichen Immunstatus wie ein neuge-
    borenes Kind. SeinKollegeMichael Mi-
    nas fand ebenfalls deutlicheWorte. Mit
    der Immun-Amnesiesei es im Grunde
    so, als habe man massenhaftLöcher in
    ein Buchmit Fahndungsfotos gestanzt.
    Wegendieser Löcher sei es schwerer,ei-
    nenTäte rzuidentifizieren. Beim An-
    griffder Masernviren aufdas Immunge-
    dächtnis geschehe etwasÄhnliches.
    Das Immunsystem werdedadurch lü-
    ckenhaftund erkenne manche Erreger
    nicht mehr,denen es schon einmal be-
    gegnetsei. Die Betroffenen müssten
    die Infektion dann nocheinmal durchle-
    ben, um wieder eine Immunität zu er-
    langen.
    Derzeit erkranken mehr als sieben
    Millionen Menschenweltweit an Ma-
    sern.Rund 120 000 Menschensterben
    unmittelbar daran.Wieviele Betroffene
    später an denFolgen der Immun-Amne-
    sie sterben, istunklar.AuchdieseFol-
    genwerden durch die Impfungverhin-
    dert. HILDEGARD KAULEN


Kurz vordem Erblinden. Das eingeschränkteSichtfeld eines älteren Menschen mit einer Makuladegeneration. FotoYour PhotoToday

Wenn das Immunsystem


die Netzhaut attackiert


Versteinerte Bienennester FotoPlos One

Masernviren rutschen


weiter ins Minus


Warumdie neue Impfpflichtkeine Willkür ist:


Die Liste der Infektionsfolgen wirdimmer länger


Blut für bessereKognition


Eine guteDurchblutung des Gehirnsist
entscheidend für die kognitiveLeis-
tung. Besonderswichtig istdies im Hip-
pocampus, der zentralen Schaltstelle
für das Gedächtnis. Schäden der klei-
nen Blutgefäße in den beiden Hippo-
campi-Hälften–verursachtetwadurch
Ablagerungen vonAmyloid-Plaques,
Bluthochdruck, Diabetesoder Rauchen
–können die Durchblutungstörenund
damit zumvorzeitigenkognitivenVer-
fall beitragen. Manche Menschen ha-
ben aber offenbar Glück, und ihnen
macht das nicht so viel aus, wieFor-
scher aus Magdeburgherausfanden:
IhreHippocampiwerden aus unbekann-
tenGründen über zwei Arterien dop-
pelt so gut wie üblichmit Blutversorgt.
DieWissenschaftler untersuchten die
Hirnevon47Senioren mit Magnetreso-
nanztomographie und prüftenderen
Hirnfunktion mit standardisierten
Tests, etwa zur Ermittlung der Gedächt-
nisleistung, des Sprachverständnisses
und für allgemeineKognitionsleistun-
gen. Senioren mit doppelter Blutversor-
gung schnitten in denTestsbesser ab
als diejenigenmit nur einer Arterie. 17
Teilnehmer hatten bereits Schäden an
den kleinen Blutgefäßen. Wurden de-
renHippocampi doppeltversorgt, wirk-
te sichdies kaum auf ihrekognitiven
Leistungen aus. few


NützlichesTreibhausgas
Kohlendioxid (CO 2 ), das als klima-
schädlichesTreibhausgas inVerruf ge-
rate nist,reagiertdank einesKatalysa-
tors aus Ruthenium und Ceroxid bereits
bei hundertGradeffizient mitWasser-
stoff(H 2 )zuMethan (CH 4 ). Die indus-
triellenVerfahren arbeiten üblicherwei-
se beiTemperaturen zwischen 300 und
400 Grad. Dassman jetzt Methan mit ei-
nemgeringeren Energieaufwand her-
stellenkann, könntedas einfache orga-
nische Molekül als Kraftstoff oder als
Wasserstoffspeicher attraktiver ma-
chen, schreibenYasushi Sekine und sei-
ne Kollegenvonder Waseda-Universi-
tätunweitvon Tokio in den „Chemical
Letters“. DasVerfahren ließe sichauch
zur AbscheidungvonKohle ndioxid aus
Abgasen vonKohlekraftwerkennut-
zen. Das Treibhausgas müsse dann
nicht in unterirdischenReservoirsein-
gelagertwerden. DieForscher um Seki-
ne habenNanopartikeln ausRutheni-
um auf eine Ceroxid-Unterlageaufge-
bracht und einem Gasgemischaus Koh-
lendioxid undWasserstoffausgesetzt.
Wärmeund elektrische Spannungstar-
tete ndie Reaktion. AlsNebenprodukt
entstand nurWasserdampf.Nunmuss
sichzeigen, ob dieUmsetzung auchim
größeren Maßstabebenso effizient ab-
läuft. Die UmwandlungvonCO 2 in
nützliche Chemikalien wirdauchhier-
zulande mitNachdruc kbetrieben. mli

Anfang 2019waresChinagelungen, erst-
malig eine Mission auf derRückseitedes
Mondes zu landen. Die Chang’e-4-Raum-
sonde, bestehend aus einem Lander und
einem Rover, untersucht seitdem den
Mondkrater„Von Kármán“ imNordwes-
tendes Südpol-Aitken-Beckens, die ältes-
te undgrößteEinschlagstruktur auf dem
Mond. Eines der wissenschaftlichen In-
strumenteanBorddes Rovers „Yutu-2“ ist
ein Bodenradar,das mit Hilfeelektroma-

gnetischerWellen die Beschaffenheit des
Untergrundes des Gefährts entschlüsseln
soll. Diese Methode wurde bereitsvonder
Vorgängermission Chang’e3auf der
Mondvorderseiteeingesetzt.
Im Journal „ScienceAdvances“werden
nun die Messergebnissevorgestellt, die
Yutu-2 während der ersten beiden Mondta-
ge aufgenommen hat.Der Studiegemäß
unterscheiden diese sichdeutlichvon de-
nen auf der Mondvorderseite: Die elektro-
magnetischenWellen drangen sehr viel
tiefer in den Boden ein. Dies lässt darauf
schließen, dasssichunter demRoverzu-
nächsteine rund zwölf Meterdicke homo-
gene Schicht lockerenund porösen Materi-
als befindet, dievomRadar leicht durch-

drungenwerden kann. DieForscher spe-
kulieren, dasssie aus Auswurfmaterial
jüngerer Meteoriteneinschlägebesteht.
Darunter schließt sicheine irreguläre
größereGesteinsbrockenenthaltende
Schicht an.Ab einerTiefevon rund 24 Me-
tern finden sichwiederum Schichten aus
abwechselndfeinem undgröberem Materi-
al, die offenbar bei älteren Einschlägen
produziertwurden. Mare-Basalt, der den
Von-Kármán-Krater vor3,6 Milliarden
Jahrengeflutet hat, nachdem es aus dem
nochflüssigen Mondmantel aufgestiegen
war, scheint tiefer als 40 Meterzuliegen.
Die Ergebnissekönnten helfen, die Ge-
schichte der Einschlägeauf dem Mond zu
verstehen, so dieForscher. sian

Wissen inKürze


Unterhalb der


Mondrückseite


Nester wie


Tränen


Schon sehr frühwaren


die BienenVegetarier


AufderSuchenachdenmolekularenUrsachenderAltersblindheit.Britische


Forscher wollen nun ein Protein aus der Leberals Schuldigen ausfindig


gemachthaben.Wasist dran an dem Befund? VonNicolavonLutterotti

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