Frankfurter Allgemeine Zeitung - 04.03.2020

(Darren Dugan) #1

I


rene Montero iststolz.Das neue Ge-
setz sei „historisch“ und eingroßer
Erfolg für diefeministische Bewe-
gung, sagt die spanische Gleichstel-
lungsministerin. Biskurz vorder Kabi-
nettssitzung hat sie um den Entwurfge-
rungen, den sie unbedingt vordem


  1. Märzeinbringenwollte: Amkommen-
    den Sonntag möchtedas jüngste Kabi-
    nettsmitglied an der Spitze des Demons-
    trationszugs aus Anlassdes Weltfrauen-
    tags mitmarschieren, an dem jedes Jahr
    mehrereMillionen Spanierteilnehmen.
    Mit dem Entwurffür das Gesetz über
    die sexuelle Selbstbestimmung will die
    linksalternativeUnidas-Podemos-Partei
    (UP) ihrenWählernzeigen, dassesrich-
    tig war, der ersten Koalitionsregierung in
    der Geschichteder spanischen Demokra-
    tie beizutreten. Erst im Januar trat die
    Minderheitsregierung aus Sozialisten und
    UP ihr Amt an. ImKabinett sitzt alsstell-
    vertretender Ministerpräsident auchPa-
    blo Iglesias. Er istUP-Vorsitzender und
    Lebenspartner der Gleichstellungsminis-


terin–und Vaterder sieben Monatealten
Tochter,die Irene Monteroins Ministeri-
um und zu öffentlichenTerminen mit-
nimmt.Der Kernsatz des neuen Geset-
zes, das die 32 JahrealteMinisterinfür
beispielhaftfür denRest Europas hält,
lautet:„Nurein Ja istein Ja.“ Die aus-
drücklicheZustimmung derFrau soll in
Spanienkünftigbei der Entscheidung dar-
über ausschlaggebend sein, ob es sichum
einen sexuellen Übergriffhandelt. Im
Strafrecht wirdder milder bestrafte Tatbe-
stand des sexuellen Missbrauchs abge-
schafft.Einschüchterung und Gewalt
müssen alsTatmerkmale für eineVerge-
waltigungkünftig nicht mehrvorliegen.
Später als Deutschland setzt Spanien da-
mit dieVorgaben des IstanbulerÜberein-
kommens des Europarats zurVerhütung
und BekämpfungvonGewalt gegenFrau-
en aus dem Jahr 2011 um.
Die Ministerin mussteinSpanien für
ihreInitiative nicht mehr vielÜberzeu-
gungsarbeit leisten. AmWochenende wur-
de in diesem Jahr die 14.Frau vonihrem
Lebenspartner ermordet. Seit 2003ka-
men insgesamt 1047Frauen durchGewalt
ihrer Ehemänner oderPartner um–durch
„Macho-Gewalt“, wie diese DelikteinSpa-
niengenanntwerden. DieZahlen mach-
tendeutlich,dassdas Gesetz zum Schutz
vorgeschlechtsspezifischer Gewalt aus
dem Jahr 2004 überarbeitet werden muss.
Damalshattedie sozialistischeRegierung
in Europa Maßstäbegesetzt, dasStraf-
rech tverschärft,besondereGerichte und
spezialisierte Sozialdienste eingeführt.
Die Forderungen nacheinerReform nah-
menvorzweiJahren nachder Empörung
über das mildeUrteil nacheiner Gruppen-
vergewaltigungwährend derFiestavon

Pamplona weiter zu:Fünf Männer, die
sich„La Manada“(DasRudel) nannten,
warennur wegenMissbrauchs einerAcht-
zehnjährigenverurteilt worden.
Obwohl in derRegierungKonsens über
ein neues Gesetz bestand, bedeutete Mon-
terosVorpreschen die erstegrößereKrise
für die neue Linkskoalition. Denndas
neue Gesetz, das auchstark auf Präventi-
on und Sensibilisierung setzt, hatweitrei-
chendeFolgen für dasStraf-und Arbeits-
rech tbis hin zu den Lehrplänen.Monte-
rosEntwurfsei unausgegoren undvoller
handwerklicherFehler,hieß es aus ande-
renRessorts. „DieGleichstellungspolitik
darfkein Lernlabor fürPodemoswerden“,
hieß es aus der sozialistischen Partei. Vor
allemdas Justizministerium, das selbstan
einergrößerenStrafrechtsreformarbeitet,
hattezahlreiche Einwände: So solleneini-
ge Strafenverringer toder sogar abge-
schafft undgleichzeitig neueStraftatbe-
stände eingeführt werden. Die autonomen
Regionen sehen ihreZuständigkeitenge-
fährde t. In der spanischen Presse wurde
zudemüber ein persönliches Motiv speku-
liert. Die stellvertretende sozialistische Mi-
nisterpräsidentin Carmen Calvo habe
nichtverwunden,dasssie in der neuenRe-
gierung nicht mehr für dieFrauenpolitik
zuständigsei, und habe ihrerNachfolgerin
den Erfolg nichtgegönnt.
„Das Gleichstellungsministerium hat
die Schlachtgewonnen“, zitierte die On-
line-Zeitung „El Diario“ am Dienstagun-
genannteQuellen aus MonterosPartei.
Die Blockade Calvosund des Justizminis-
teriums sei überwunden. „Wichtig ist
nicht,wie wir denWegbis hierher zurück-
gelegt haben“, sagteIrene Monterodiplo-
matisch-versöhnlich nachder Kabinetts-
sitzung.

sat./boe.WASHINGTON/PEKING.Die
amerikanischeRegierung hat auf Ein-
schränkungen ausländischer Journalisten
in China mit Gegenmaßnahmenreagiert.
Das Außenministerium in Washington
teilteamMontag mit, dassinKorrespon-
dentenbüros chinesischer Staatsmedien
in denVereinigtenStaatenkünftig deut-
lichweniger Mitarbeiter zugelassen sind.
WieesimState Department hieß, seien
vonden Einschränkungen diestaatliche
Nachrichtenagentur Xinhua, der Aus-
landskanaldes Staatsfernsehens, derAus-
landsradiosender ChinaRadioInternatio-
nal sowie dieParteizeitungen „China Dai-
ly“und „Volkszeitung“ betroffen.
Die vier Medien sowie derVertriebs-
händler „HaiTian Development“, die alle-
samtvomchinesischenStaat kontrolliert
würden, müssten vonFreitag kommender
Wocheanmit insgesamt nur noch hun-
dertMitarbeiternauskommen. Bisher
wardas Personal auf 160Personen be-
schränkt.Esgehe nicht darum, einzelne
Journalistenauszuweisen, sonderndar-
um, einePersonalhöchstgrenze für Me-
dienunternehmen durchzusetzen. Dies
sei eineReaktion auf die „andauernde
Einschüchterung und Schikane“ ausländi-
scher Journalisteninder Volksrepublik,
sagteAußenministerMikePompeo. Ein
ranghoher Regierungsangestellter fügte
hinzu, ein „ziemlichungeheuerliches“
Beispiel dafür sei dieAusweisungvon
Journalistendes „Wall StreetJournal“.
Im Außenministerium wurde darauf
verwiesen, dassWashington allein seit
dem Jahr 2015 insgesamt 11 000 Journa-
listenvisa fürAuslandskorrespondenten
und derenFamilienmitgliedergenehmigt
habe. Man erhoffe sichvon den nun be-
schlossenen Maßnahmen, dassauchPe-
kingkünftig einenfairen undreziproken
Ansatz imUmgang mit der freienAus-
landspressewähle. DreiKorresponden-
tendes „Wall Street Journal“warenkürz-
lichdie Journalistenvisa entzogenwor-
den.Zuvorhattedie Zeitung eine Ent-
schuldigung für einenchinakritischen Ar-
tikel abgelehnt.Schon imvergangenen
Jahr mussteein Journalistder Zeitung die
Volksrepublikverlassen, seinVisumwar
nichtverlängertworden. ImStateDepart-

ment hieß es, denchinesischen Medien
werdedie Entscheidung überlassen,wel-
cheMitarbeitergehen sollten. SollteChi-
na mitweiteren MaßnahmengegenJour-
nalistenreagieren, lägen für dieVereinig-
tenStaaten alle Optionen auf demTisch.
Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt.
China drohtederweil mitVergeltungs-
maßnahmen. „Jetzt haben dieVereinigten
Staaten das Spiel eröffnet, lasst uns spie-
len“, schrieb die Leiterin des Informati-
onsamts imAußenministerium, Hua Chu-
nying, aufTwitter .Mit Blickauf Pompeos
Aussage, das Ziel seiReziprozität, schrieb
sie: „Reziprozität? 20 US-Medienagentu-
renversus9chinesische in den USA.
Mehrfach einreise nachChinaversus Ein-
facheinreise in die USA. 21 chinesischen
Journalistenseit vergangenem Jahr Visa
verweigert.“Der Sprecher desAußenmi-
nisteriums Zhao Lijian sagte, dieamerika-
nische Maßnahme bedeute, dasseinige
chinesische Journalistendefactoausge-
wiesen würden. Chinabehaltesich Gegen-

maßnahmenvor. UnterStaats-und Partei-
chef Xi Jinping hat die Bedeutungvon
ChinasAuslandsmedien in denvergange-
nen Jahren erheblich zugenommen. Sie
sind offiziell beauftragt, die „China-Story
besser zu erzählen“ und „die Hegemonie
der westlichen Medienzu brechen“. Zu-
gleichhat Xi Jinping alleStaats- undPar-
teimedien angewiesen, „diePartei als ih-
renNachnamenzutragen“, also den Inter-
essen derPartei zu dienen.
Die Arbeitsbedingungen ausländischer
JournalisteninChina haben sichlaut ei-
ner Umfrag edes Clubs derAuslandskor-
respondenten in China (FCCC) imver-
gangenen Jahr „merklichverschlechtert“.
In einem am Montagveröffentlichten Be-
richtheißt es, China nutze Presseakkredi-
tierungen zunehmend als „Instrument
der Kontrolle“, indem es immer häufiger
nur Kurzzeitvisa vergebe und explizit
kommuniziere, dassdie Verlängerung
vonVisa an die Einhaltung „roter Linien“
in der Berichterstattunggebunden sei.

KeineMacht denMachos


Ausgewiesen: DieKorrespondenten des„Wall Street Journal“Wenund Chin FotoAFP

Der CDU-Europaabgeordnete PeterLie-
se wollteamDienstagmorgenmit Journa-
listen über das neue Klimaschutzgesetz
der EU-Kommission sprechen, wie üb-
lichimAbgeordnetenres taurant des Euro-
päischenParlaments. Dochumkurzvor
neun wurde derTermin abgesagt–wegen
des „Quasi-Versammlungsverbots“, das
Parlamentspräsident David Sassoli erlas-
sen habe, hieß es in einer E-Mail. Eswar
der ersteTermin, der dem Coronavirus
zum Opferfiel. Oder besser:den stren-
genVorsichtsmaßnahmendes Parla-
mentspräsidenten. Denn nochgibt eskei-
nen bekanntenFall einer Ansteckung im
Hohen Haus.
SassoliverbotamMontagabend jegli-
cheVeranstaltungen in Brüssel wie in
Straßburg, die „nicht zumKern gehören“.
Das betrifft Treffennationaler Delegatio-
nen, parlamentarische Anhörungen, Be-
suchergruppen jeglicher Artund all die
vielenVeranstaltungen, dievonAbgeord-

netenund Fraktionen organisiertwerden.
Das Abgeordnetenres taurant darfnur
nochzum Essengenutztwerden. Der Prä-
sidentenerlassgilt zunächstfür dreiWo-
chen, kann dann aberverlängertwerden.
NachSassolis Angaben müssen nun 130
Veranstaltungen abgesagtwerden, zu de-
nen 6000 bis 7000Teilnehmer erwartet
wurden.
Plenar-und Ausschusssitzungen sollen
weiter stattfinden, auchwenn dasParla-
mentkommendeWochewieder mal in
Straßburgtagt.Regulär betretendürfenes
nur nochAbgeordnete,Parlamentsmitar-
beiter und akkreditierte Journalisten–vor-
ausgesetzt, siewareninden zweiWochen
zuvor nicht in einerRegion mit erhöhtem
Ansteckungsrisiko. Diese Gebietewerden
vomParlament auf einer eigenenSeiteim
Intranetständig aktualisiert. In Italienge-
hören dazunicht nur die abgeriegeltenro-
tenZonen, sondernauchdie gelbenZo-
nen. Das Parlamentgeht damit vielweiter

als die EU-Kommission. Deren Präsiden-
tin Ursulavonder Leyenhattenocham
Montagwortreichbeteuert, wie eng man
sichbei der Bekämpfung des Coronavirus
abstimme, mit den Mitgliedstaaten, aber
auchzwischen den Institutionen.Freilich
istdas Europäische Parlament mitrund
700 000 BesuchernimJahr eine außerge-
wöhnlich offene Institution.
Am Dienstagzeigtesichnoch ein un-
einheitliches Bild bei den Kontrollen.
Während draußen die ersten Besucher ab-
gewiesen wurden,warenimParlament
nochGruppenunter wegs, die fröhlich Sel-
fies vorEU-Fahnen machten. Jedenfalls
am Morgenfragten die meistgrimmigen
Wachleute am Einlassauchnoch nicht
nachden letztenReisezielen. Dafür muss-
tenJournalistenUhren, Gürtelund alle
anderen metallischen Gegenstände able-
gen, bevorsie nachausführlicher Gepäck-
kontrolle eingelassen wurden–das ist
aber immer so.

NurnochKerngeschäft


Das EU-Parlamentkämpft gegendas Coronavirus / VonThomas Gutschker,Brüssel


ChinasStaatsmedien eingeschränkt


Amerika reagiert auf PekingerMaßnahmengegenausländische Journalisten


Podemos in Spanien will


ein Gesetz für sexuelle


Selbstbestimmung. Es


soll auchein Signal an


Europa sein.


VonHans-Christian


Rößler,Madrid


BRIEFE AN DIE HERAUSGEBER


Kann man auf die Schreckenstat von
Hanau überreagieren? Unterdem Ein-
druc kdes furchtbaren Geschehens
scheint es sichzuverbieten, dieFrage
mitJazubeantworten.Aber einNein
wäre unwahrhaftig.Mankannüberrea-
gieren. DerArtikel „Stimmenfang mit
derAngstvor demFremden“von Eck-
artLohse und MarkusWehner (F.A.Z.
vom22. Februar) istein ungutes Bei-
spiel dafür. Er zieht eineKontinuitätsli-
nie des„Stimmenfangs mitder Angst
vordem Fremden“, dervon derCDU
zurAfD führt.Undmach tdiesenver-
werflichen „Stimmenfang“, wasdie
CDUangeht,ander Unterschriftenak-
tiongegendie Pläne derrot-grünen
Bundesregierungzur Einführung der
doppelten Staatsangehörigkeit aus
demJahr1999 und an demRuf nachei-
nerLeitkultur,der ein paar Jahre spä-
terinder Partei laut wurde,fest. Muss
die CDU deshalb an den Prangerge-
stellt werden, wieesder Artikel tut?
Ichdenke nicht.
Die doppelte Staatsangehörigkeit
warnicht nur einvollkommenlegiti-
mes Streitthema für ein demokrati-
sche sGemeinwesen. Sie musstestrei-
tig diskutiertwerden.Undman durfte
sichmit de nMitteln,die die Demokra-
tiedafür zurVerfügungstellt,gegen
dasVorhabenwehren. Esgabund gibt
sehrgewichtigeGründefür dieAuffas-
sung, dasseine vererbbare doppelte
Staatsangehörigkeit und das demokra-
tische Verständnis vonStaatsbürger-
scha ft sichnicht gutmiteinanderver-

tragen. Esgabund gibtebensogewich-
tigeGründefür die Auffassung, dasses
die Integr ation nicht fördert, wenn
GroßgruppenvonEinwanderern, die
ohnehin in engerKohäsionleben, die
doppeltevererblicheStaatsangehörig-
keit an gebotenwird.
DieAlternative zu diesem Angebot
wardie Aufforderung, eineWahl zu
tref fen, sichalsobewusst für dasLand,
in das man eingewandertwar,zuent-
scheiden oder eben nicht.Diese Auffor-
derung hat nichts Ausländerfeindli-
ches an sich. Sie isteine Einladung,der
ein bestimmtesVerständnisvonDemo-
kratie und Staatsangehörigkeit zugrun-
de liegt. Ähnliches istzur Debattedar-
über,obeine Demokratie eine ihre Bür-
gerverbindendeLeitkulturbrauche, zu
sagen.
Es geht hier nicht um das Pround
Contrainder Sache.Esgeht um den
Raum,der in der Demokratie offen
sein solltefür politischenStr eit.Soent-
schieden derKampfgegen Hassund
Gewalt geführtwerdenmuss, er darf
nicht sogeführ twerden,dasserdie de-
mokratische Auseinandersetzung über
Zuwanderung und ihreFolgen erstickt.
Genau dasist die Bewährungsprobe,
die der Demokratie imZeitaltergloba-
ler Migration aufgegeben ist.Die De-
mokratieistnicht nur durch Extremis-
musgefährdet, siekann sich,sopara-
doxdas klingen mag, auch durch die
Art, wie sieden Extremismus be-
kämpft,selbstgefährden.

PROFESSORDR.PETERGRAF
KIELMANSEGG,LAUDENBACH

Vonden vielen Zuschriften, die unstägl ich
erreichen und dieuns wertvolle Anregun-
genfür unsereArbeitgeben,könnenwir nur
einen kleinenTeil veröffentlichen. Dabei
kommt es nicht darauf an,obsie Kritikoder
Zustimmung enthalten. Oftmüssenwir kür-
zen, denn möglichst vieleLeser sollenzu
Wort kommen.Wirlesen alle Briefesorgfältig
undbeachten sie,auchwennwir sie nicht
beantwortenkönnen.

DieRegierungsbildung nach Wahlen
in Deutschland wirdimmerkomplizier-
terund läuftauf einvergleichbares
Grundmusterhinaus (F.A.Z.vom7.Fe-
bruar): Die beiden ehemaligenVolks-
parteien sindnicht mehr inder Lage,
mit ihrennatürlichenVerbündeten
(Grüneund FDP)Regierungen zu bil-
den, die daneben nochRaum lassen für
unbelastete parteipolitischen Alternati-
ven. Da die AfDwegenihrerNähe zum
Faschismus alsKoalitionspartner aus-
fällt, müssen sich die Parteien der Mit-
te immer mehrzueiner(riesen-)gro-
ßenKoalition zusammenschließen. Im
Ergebnis bleibt in den ostdeutschen
Länderndie Opposition fastaus-
schließlich denParteien der äußeren
Rändervorbehalten.
Nach denWahleninThüringen hat
auch das nicht mehrgereicht .Inder
IdeevonGewaltenteilung und dem Mo-
dell, dasseiner Regierung eine Opposi-
tion als Alternative gegenübersteht, ist
aber auch die Erwartungenthalten,
dass bei denfolgendenWahlen die Op-
position dann berechtigteChancen
hat, dieRegierungzuübernehmen.
Wenn alsodie Rolle der Opposition
ausschließlich den Linken(ex PDS,ex
SED) undder AfDüberlassen wird,
dann wird damit derKeim gelegt, dass
dieseParteien einesTages dieRegie-
rung übernehmen. Dennder demokra-
tischeWechsel istBasis einer jeden De-
mokratie. (Demokratische) Oppositi-
on istdaher für dasFunktionieren der
Demokratiefastgenauso wichtig wie
eine funktionierendeRegierung. Die-

ses Problemstellt sichnicht nur in Thü-
ringen.
DieWahl vonRamelowinThürin-
genund Duldung durch CDU und FDP
hättebedeutet, dassesinThüringen zu-
künftig nur nocheine echteOppositi-
on gegeben hätte, di eAfD mit einem
Vorsitzenden Höcke, als parlamentari-
schem Gegenpartzum Ministerpräsi-
dentenRamelow. EineRegierungKem-
merich,gestützt aufFDP und CDU
(„Expertenregierung“), würde bedeu-
ten, dassesinThüringen einelinke
undeinerechtsnationale Opposition
gäbe und dassdamit der Wähler in Thü-
ringenkünftig wiederechte Alternati-
venhätte.
Istaber eineRegierungKemmerich
nicht belastet, weil sievonnationalkon-
servativen undfaschistoidenAbgeord-
netengewählt wurde? Ja, das istsie für
den Zeitpunktihre rEntstehung.Aber
auchein Bürgermeistervon Beustin
Hamburg isterstdurch die Stimmen
der Abgeordneten einerdubiosen
Schill-Parteizum Ersten Bürgermeis-
terinHamburg gewählt worden.Erst
damit hat er aberden Wählerwillen,
der mehrheitlichjenseitsderLinken
angesiedeltwar,inHamburg durchset-
zen können. Ähnliches würdefür eine
Regierung Kemmerich/Mohring gel-
ten. Diesewirdauch unter besonderer
Beobachtungder Öffentlichkeit ste-
hen.Das istgut so und zeigt, dassin
Deutschland rechtsnationaleTenden-
zen in der Öffentlichkeit unter beson-
derer Beobachtungstehen.

PROFESSOR DR.THOMAS WIESKE,
HAMBURG

ZurFilmkritikvon „Isi&Ossi“ (F.A.Z.
vom..Februar):Ich stimme in vielen
Punkten mit Ihnenüberein, aberin
manchem mussich widersprechen: Ich
denkeschon, dass „Isi &Ossi“ überdie
Botschaft„Freundschaftist wichtiger
als Geld“ hinauskommt,dennder Film
spiegelt gesellschaftliche Phänomene
wiedie deutlichzunehmende Schere
zwischen Armund ReichinDeutsch-
land wider (wenn auchsehr überspitzt)
oderversucht auszudrücken, dass Geld
undMaterielles einennicht immer
glücklichmachenkann,wasIsabella
(kur zIsi)zum Endehin schließlichbe-
greift. Ichdenke, geradedieseBot-
scha ft istinder heutigenZeit nichtge-
radeunwichtig:Wir, nicht nurdie jün-
gerenGener ationen,erhoffenuns mit
Geld undMateriellem einbisschen
Glückzuerkaufen, jedochmerkenwir
meistensnicht, wie unsdieserKonsum
ersti cken lässt.
Dochauchwenn dieserFilm Ihrer
Meinung nachnicht tiefgründiggenug
ist, denke ichnicht, dassein Film im-
mereine tiefgehendeAbsichtbeinhal-
tenmuss. EinFilm diente schon immer
auch derUnterhaltung, und das hater
meinerMeinung nachdefinitiv ge-
scha fft. Selbst meiner Gastschwester
ausMexiko, dienochnicht so gut
Deutsch spricht,hat derFilm gefallen.
Denn dieKonversationenwaren, wie
Sieschon erwähnthaben, nicht allzu
wortgewandt,haben aberdennoch et-
wasausgesagt.Genau dieseWortwahl
unddieserAusdrucksind auf alleFälle
beabsichtigt und spiegelndie derzeiti-
ge Jugendsprache in Deutschland wi-
der, wenn auch sehrübe rtrieben. Oli-
verKienle, derdas Drehbuchgeschrie-
ben hat, treibt vieleAspekte aufdie
Spitze,was demFilm einegewisse Iro-
nie verleiht undihn zumindestfür jün-
gere Zuschauer amüsantmacht.
Ichdenke, unsereAnsichtengehen
wohl wegendes Altersunterschieds
weit auseinander.Ich kann nicht für
meinegesamteGeneration sprechen,
aber ichglaube, „Isi&Ossi“spricht
unsmehranals ihreGener ation,weil
derFilm,wie Sie auch schreiben, auf
meine Generation„zugeschnitten“ ist.
Esist zumindesteine Teenie-Komödie.
VALENTINAOBINGER (14JAHRE),BREMEN

Zurpolitischkorrekten Sprache in der
F.A.Z.: Nach meiner Wahrnehmung
wirdinder F.A.Z. mit zunehmender
Häufigkeit eine Sprachegepflegt, die in
die Kategorie „politischkorrekt“fällt.
So wirdbeispielsweise in Artikeln mit
Hochschulbezug mittlerweile fast
durchgängig von„Studierenden“ ge-
schrieben.Unabhängigvonder inhaltli-
chen Richtigkeit (studieren denn wirk-
lichalle Studenten?), wirkt dies in der
einzigen überregionalen Zeitung
Deutschlands mit bürgerlicher Grund-
haltung merkwürdig deplaziertund
auchirgendwie anbiedernd.
Ganz sicherkann man davonausge-
hen, dassF.A.Z.-Leser in der Lagesind,
zwischen biologischem undgrammati-
schem Geschlecht differenzieren zu
können und dassvor ihremgeistigen
Auge nicht nur Männer, sonderneben
auch Frauen erscheinen,wenn sie Mehr-
zahlbegriff ewie Studenten lesen.
In diesem Sinnewäreeine Rückbesin-
nung sehr dankenswert.

DR.CORNELIUSPLAUL, DRESDEN

Zu „Südwest-CDUunterstütztMerz“
(F.A.Z.vom 27.Februar):Vom„Politi-
sche nAschermittwoch“ istman ja aller-
handgewöhnt.Indiesem Jahrdrängte
sichder Eindruckauf,sogut wie alle
politischen Akteurehätten begriffen,
dassdie Lagezu erns tist für mehr oder
weniger gelungeneverspäteteFa-
schingsscherze. EineAusnahmemach-
te die baden-württembergische CDU.
Als ob die Situationder Union nicht oh-
nehin schwieriggenug unddie Konkur-
renz derKandidatenfür die Spitzenäm-
ternicht riskantgenugwäre, haben der
Landesvorsitzende und Innenminister
ThomasStrobl und die designierte Spit-
zenkandidatin für die Landtagswahl
2021,KultusministerinSusanne Eisen-
mann,ihre nLandesverbandfür Fried-
rich Merzpositioniert,geschmackvoll-
erweise in Anwesenheit ihrer amtieren-
den Bundesvorsitzenden Kramp-Kar-
renbauer. Kein anderer Landesverband
hattesichzuvor auf einen derKandida-
tenfestgelegt.
DieseParteinahme istansichschon
erstaunlichgenug.Völlig rätselhaftist
das, waszur Begründung angeführt
wird: nichtetwaBeratungendes Partei-
vorstands, der Landtags- undBundes-
tagsabgeordneten oder Ergebnisseei-
ner Mitgliederbefragung,sonderneine
„unfassbareDynamik“ an derBasis
(was daswohl is tund wiedas wohl von
den beiden Auguren ermittelt wurde?)
und die durch nichts bewiesenesteile
Behauptung, 70 Prozentder Mitglieder
des Landesverbandes neigten Merzzu.
Inhaltlichwurde einebemerkenswerte
Leerformel alsBegründung strapa-
ziert:„Erkennbarkeit und klareinhaltli-
chePositionen hatFriedrichMerz. Das
wünschen sichdie Menschen.“Als Teil
der baden-württembergischen CDU-
Basis seit 40 Jahren frageich mich:

SindnachAuffa ssung der hiesigenPar-
teiführung der nordrhein-westfälische
Ministerpräsident Laschet, Bundesge-
sundheitsministerSpahnund der pro-
minenteCDU-AußenpolitikerRöttgen
nicht „erkennbar“?Haben siekeine
„klaren inhaltlichenPositionen“?Und
müssen sich„die“ Menschen,die „kla-
re inhaltlichePositionen“wünschen,
unbedingt dievonFriedrich Merzwün-
schen? Noch vorkürzester Zeit hat
Frau Eisenmann selbstJens Spahn für
denCDU-Vorsitz empfohlen.
Dassausgerechnet die Führung ei-
nesCDU-Landesverbands, der in den
vergangenen Jahrenbundesweit nicht
geradedurch große Erfolgeaufgefallen
ist, sichvor Eröffnung des Wettbe-
werbs derKandidaten auf einenvonih-
nen festlegt und ihn damit auchder Ge-
samtparteiempfiehlt, istfragwürdig ge-
nug. ZudemisteseineUnverfrorenheit
gegenüber denMitgliederndes eige-
nenLandesverbandes, die eine andere
personelle Präferenz haben oder zu-
mindest das Kandidaten-Karussellun-
voreingenommen begutachtenwollen.
Vorallem aber zeugt esvoneinem
beachtlichen Mangel an politischer
Weitsicht, wenn ausgerechnet der
CDU-Landesverband,der schon ein-
mal mitdem „Blinken nachrechts“ be-
achtlich Schiffbrucherlitten hat, nun
aufdas –tatsächlicheoder scheinbare
–„konservative“ undetwas haudegen-
arti ge Profil als Erfolgsmodell setzt.Im
Übrigen: Haben die Akteurebei ihrem
„unfassbardynamischen“Vorpreschen
darangedacht, wie begeistertdie Posi-
tionierung der baden-württembergi-
schen CDUimNachbarlandBayern,in
derParteiführung derSchwesterpartei
CSU,aufgenommen wird?

HANSGEORG KOCH,
MINISTERIALDIRIGENTA. D.,AICHWALD

ZumBeitrag „Die Muslime und wir“
(F.A.Z.vom26.Februar):PeterGauwei-
ler gebührtDank für seine deutlichen
Worteüber BedeutungvonGlauben in
der Politik.Der Autorbeschränkt seine
Toleranz allerdings aufReligionen, die
mit dem Christentumkompatibel sind.
Alles in allem istdeutlichzumerken,
dassersein Christentum über alles
stellt und alle anderen nichtchristli-
chen Religionen sichdem anzupassen
haben. Muslimen wirdhäufigvorgehal-
ten, dasssie ihrereligiösenRegeln über
die Gesetze stellen. Ichhabekeinen
Zweifel, dassessichbei Gauweilerkei-
nen Deut andersverhält. Da die Kir-
chen in Deutschland bereits im Grund-
gesetz ausreichend Einflussnehmen
konnten, kommt der Christnaturge-
mäß nur nichtsohäufiginKonfliktzwi-
schen Glauben und dem (auf ihn ange-
passten) Gesetz–Muslime hatten in
Deutschland nochkeine Gelegenheit,
ihreWertvorstellungen (Schariaetc.)
und muslimische Sonderrechteim
Grundgesetz zuverankern.

JOACHIM ZUCKSCHWERDT, WINDHAGEN

CDU am Pranger


Sprachkultur


Die Opposition der AfD überlassen?


Sonderrechte nötig? DynamischesVorpreschen


Teenie-Komödie


SEITE 6·MITTWOCH, 4.MÄRZ 2020·NR. 54 Politik FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

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