Frankfurter Allgemeine Zeitung - 04.03.2020

(Darren Dugan) #1

E


sist kein Geheimnis, dass
manche BischöfeinDeutsch-
land bei dem Gedanken an
den „SynodalenWeg“ nachgeraderot-
sehen. Denn nicht allein dieForm –
einDialogaufAugenhöhemitkatho-
lischen Laien –, sondernnoch mehr
die ThemenweckenÄngste sonder-
gleichen. Unddas nichtgrundlos:
Noch vorwenigen Jahren spielteman
als Theologeoder Bischof mit dem
Feuer,wenn man die lehramtlichver-
ordnete Biopolitik etwain Sachen
Dienste und Ämter fürFrauen, Zöli-
bat oder Homosexualität auchnur
zaghaft in Fragestellte. Dass dieseTa-
bus gefallen sind, istaber nicht nur
dem Franziskus-Effekt zuzuschrei-
ben.VorzweiJahren hat eineStudie
den Bischöfen unmissverständlich
vorAugengeführt, dassihre Vorgän-
gerTeil des Problems und sie nur be-
dingtTeil der Lösung sind.
Vordiesem Hintergrund erscheint
die Wahl des LimburgerBischofs
GeorgBätzing als Zäsur.Die Gruppe
derjenigen, die den „SynodalenWeg“
unddendarinzumAusdruckkom-
menden Mentalitätswandel für abwe-
gig halten, istsoklein, dasssie die
Wahl eines klaren Befürwortersdes
„SynodalenWegs“ nichtverhindern
konnten.Wenn vonder Frühjahrs-
Vollversammlung ein Signal in die
Gesellschaftund in dieWeltkirche
ausgeht, dann dies: Diekatholischen
BischöfeinDeutschland sind ent-
schlossener denn je, andersKirchezu
sein als in allen Jahrhundertenzuvor
–wohl wissend, dassdie eigentlichen
Konflikteuntereinander und mit
Romerstnoch bevorstehen.


Anders Kirche sein


VonDaniel Deckers

Wievor jederVollversammlung der
Bischofskonferenz trafen sichauch
vorder diesjährigenFrühjahrs-Voll-
versammlung in Mainz die Bischöfe
der im SüdwestenDeutschlandsgele-
genen Diözesen zu einem Gedanken-
austausch.Vorvielen Jahren gingvon
einigen Mitgliederndieses Kreises ein
folgenschwerer Impuls aus: 1993war-
ben die Bischöfevon Freiburg,Rotten-
burg-Stuttgartund Mainz in einem
Hirtenwort für einen neuenUmgang
mit wiederverheirat eten Geschiede-
nen. Es brauchte mehr als 20 Jahre
und einenPapstFranziskusin Rom,
ehe sichdie Mehrzahl der Bischöfe
dieses Anliegen zu eigen machte.
Jetzt aber dauerte es nurwenige
Tage,und derTon, derwährend die-
ser Zusammenkunftgesetztworden
war, fand unter den annähernd 70 Mit-
gliedernder Deutschen Bischofskon-
ferenz Resonanz. Am Dienstagwähl-
tensie den im Südwesten favorisier-
tenKandidaten im drittenWahlgang
zu ihremVorsitzenden: GeorgBät-
zing, BischofvonLimburg.
Dassauchder scheidendeVor-
sitzendeReinhardKardinal Marxfür
Bätzinggeworben hatte, wardem
58 Jahrealten Geistlichen nicht ab-
träglich. Beide schätzen sichseit
Jahren.Während MarxBischofvon
Trier war, hatteBätzingdas dortige
Priesterseminargeleitet und vondort
aus Kontakte in viele andereBis-
tümergeknüpft. So auchseit 2012 als
GeneralvikarvonMarx’ Nachfolger
StefanAckermann und seit 2016 als
Nachfolger des an Machtmissbrauch
gescheitertenLimburgerBischofsTe-
bartz-van Elst.
Bätzings ersteGehversuche in Lim-
burgwarenvonZurückhaltung,wenn
nichtKonfliktscheugeprägt, zumin-
destimUmgang mit den personellen
und mentalen Hinterlassenschaften
seinesVorgängers. Dochseit derVer-
öffentlichung der MHG-Studie über
sexuellen Missbrauchder katholi-
schen KircheinDeutschland istauch
ihm klar,dassesein „Weiter so“ nicht
geben kann. Bätzing zählt zu den ent-
schiedenstenBefürworterndes „Syno-
dalenWegs“ und leitet seitens der Bi-
schofskonferenz daskonfliktträchtige
Forum„Leben ingelingenden Bezie-
hungen“. Dabei gibt es für ihnkeinen
Zweifel mehr daran, dassdie kirchli-
cheLehreimBlickauf Partnerschaft
und Sexualitätweiterentwickeltwer-
den muss, um angesichts der Lebens-
und Glaubenserfahrung vielerZeitge-
nossen anschlussfähig zuwerden.
Trotzdem erhielt er auchStimmen
aus der Riegederer ,die seine Ansich-
tennicht teilen.Aber der Essener Bi-
schofFranz-Josef Overbeck, der sich
ebenfalls Hoffnungen auf das Amt
des Vorsitzenden machenkonnte, ist
nochumeiniges radikaler und auch
politischer als sein Mitbruder aus Lim-
burg.UndBätzing, 1961 in Kirchen an
der Grenze zwischen Westerwald und
Siegerlandgeboren, trauen allezu, die
Konferenz und auchden „Synodalen
Weg“ so zu moderieren, dassbei den
vielenstrittigenThemen überdem
Proauchdas je weiligeContrazusei-
nemRechtkommt. DANIEL DECKERS

A


ls in Afghanistander Krieg be-
gann, warDonald JohnTrump
ein 31 Jahrealter ,aufstreben-
der Immobilienunternehmer,
der gerade seinen erstenDeal in Manhat-
tanunter Dachund Fach gebracht hatte.
Heuteist Trumpein älterer,wenngleich
laut eigenerAussagekerngesunder Herr;
73 Jahrealt, passionierterGolfspieler
und Präsident seines Landes. In Afghani-
stan sind seit 1978 mehrereGenerationen
herangewachsen, die nur Kriegkennenge-
lernt haben. Sie haben zahlreiche Führer
anderer Länderkommen undgehen se-
hen, die sichindie Belangeihres Landes
einmischten–die letztegroße Zäsurwar
die Militärintervention einer internationa-
len Koalition im Herbst2001, die an der
Seiteder Nordallianz dieTalibanvonder
Machtvertrieb. Bereits nachwenigen Jah-
renaber kamendie brutalenIslamistenzu-
rück, heutekontrollieren sie schon wieder
einengroßenTeil des Landes.
Werden sie bald auchwieder inKabul
an den Schaltstellen der Macht sitzen?

Für Trumpverheißt dasAbkommen mit
den TalibanvomvergangenenWochenen-
de einen Erfolg auf demWegzur Wieder-
wahl, der sicheinprägsam verpacken
lässt: die Beendigung des längstenKrie-
gesinder GeschichteAmerikas.Fürdie
Afghanen bedeutet dasselbeAbkommen
möglicherweise nur,dasseine neue Phase
in dem nun schonfast 42 Jahrewähren-
den Kriegszustand beginnt.
Der hatteimApril 1978 mit einem
Putschder –selbstgespaltenen –afghani-
schenKommunistenund bürgerkriegsarti-
genZuständen begonnen, dieWeihnach-
ten1979 zum sowjetischen Einmarsch
führten. Nachdem die Supermacht 1989
geschlagen abgezogenwar, begann das
Jahrzehnt des afghanischen Bürgerkriegs,
in demwechselnde Bündnisseder Kämp-
ferdes antisowjetischenWiderstands –
der Mudschahedin–einander bekämpf-
tenund die Hauptstadt Kabul verwüste-
ten. Der Anfang der neunziger Jahreim
Süden des LandesgegründetenTaliban-
Bewegunggelang es schließlich, das Ge-
schehen zu dominieren; 1996 nahmendie
TalibanKabul ein und errichtetenauch
dortihr „Emirat“, das zum Inbegriff eines
grausamen, frauenfeindlichen, vermeint-
lichauthentischen Islamswurde.
Bald 20 Jahrenachdem sie aus der
Hauptstadt vertriebenworden sind, sol-
len dieTaliban nunVerhandlungspartner
werden. In dem in Doha unterzeichneten
Abkommen heißt es, dieVereinigtenStaa-
tenwürden sichfür eineAufhebung der
eigenen sowie der UN-Sanktionengegen
Taliban-Mitglieder einsetzen.Undmehr
noch: Beide Seitenstrebten positiveBe-
ziehungenmiteinander an. Ein nur
scheinbar nebensächlicher Indikator für
das Ausmaß, in demWashington denIsla-

mistenentgegenkam, istder Ums tand,
dass die afghanischeRegierung in demge-
samten vierseitigen Dokument nicht ein
Mal namentlicherwähnt wird,während
man sichfür dieTaliban auf einegewun-
deneFormulierung einigte: „Das Islami-
scheEmiratAfghanistan, dasvon denVer-
einigtenStaaten nicht alsStaat anerkannt
wirdund als dieTaliban bekannt ist“.
Die Mängel derVereinbarung zeigen
sichauchdarin, dassesumgehend zu
Streit überdie Abfolgeder nächstenSchrit-
te kamund dassdie Taliban zuWochenbe-
ginn ihreAngriffeauf afghanische Sicher-
heitskräfte wiederaufnahmen. Dennoch
isteswohl unerlässlich, den Dialog mit ih-
nen zu (ver)suchen. Illusionen sollteman
sichdabei nicht hingeben. „Das Ziel der
Taliban istes, wieder an die Macht zukom-
men und einen islamischenStaat mög-
lichs tnachihrenVorstellungen einzurich-
ten“, fasst ThomasRuttig vonder Denkfa-
brik AfghanistanAnalystsNetwork zusam-
men. „Selbsteine Machtteilungwäre in ih-
renAugenkein Endzustand.“ Bei aller
Skepsis siehtRuttig in möglichen
innerafghanischen Verhandlun-
gendennochdenBeginneines
„wichtigenWegs“.
Wasaber könnte am Ende die-
ses Wegs stehen? Mit Blickauf
die in Dohavereinbarteninneraf-
ghanischen Gespräche isteshilf-
reich, dieTaliban nicht nur als
Terroris tenoder als „Steinzeit-
islam“-Gruppierungwahrzuneh-
men, sondern alspolitisch-ideolo-
gische Bewegung. In denvergan-
genen Jahren haben sie immer
wieder eine bemerkenswerte Ge-
schlossenheit und Disziplin an
denTaggelegt;eine homogene
Truppe sind dieTaliban nicht.
NachAnsicht mehrerer Experten
istinternerWiderstand zu erwar-
tengegen einen möglichen Ge-
waltverzicht imRahmenvonVer-
handlungen. Eskönnte sogarAb-
setzbewegungengeben hin zura-
dikaleren Gruppen,etwadem af-
ghanischenAbleger derTerrormi-
liz „IslamischerStaat“,den dieTa-
liban eigentlichbekämpfen.
Kompliziertist auchdie Frage
des Verhältnisses zu Al Qaida.
Aufdem Papier haben dieTali-
ban nun mit derTerroror ganisati-
on gebrochen,die sie langebeher-
bergt haben.Wasdas in derRealität be-
deutet,ist offen. Sinnbildlichfür die jahre-
langeKoexistenz steht das Haqqani-Netz-
werk,eine auf die achtziger Jahrezurück-
gehende, damals mit amerikanischer und
pakistanischerUnterstützung aufgebaute
Guerrilla-Miliz, die heuteoft als militäri-
scher Armder Taliban gilt.Sie wuchs in
engerZusammenarbeit mit Al Qaida.
Auch sonstgibt es mehrereMachtzen-
tren innerhalb derTaliban. An ihrer Spit-
ze steht seit 2016 Hibatullah Akhundza-
da, der sichineinem Nachfolgestreit
durchsetzte. Es gibt dieFührung–den
Schura-Rat–impakistanischen Quetta.
Es gibt dieFeldkommandeure in Afgha-
nistan. Undesgibt dasVerhandlungs-
team in Qatar,angeführtvon Abbas Sta-
nikzai sowieAbdul Ghani Baradar,einem
Weggefährtendes Taliban-GründersMul-
lah Omar.Was für Rivalitäten zwischen
diesen unterschiedlichen Gruppen herr-
schen, istschwerabzuschätzen.
Beobachter heben immer wieder her-
vor, dassdie Talibanzumindestvorgeben,
aus den Erfahrungenvon1996 bis 2001ge-
lerntzuhaben.Inmanchenvon ihnenkon-
trollierten Gebietenversuchen sie offen-
bar,sichals Regierung zugerieren und
Dienstleistungen anzubietenwie Bildung
oderGesundheitsversorgung. Dabei arbei-
tensie teilweise auchmit der afghani-
sche nRegierung und Nichtregierungsorga-
nisationen zusammen. Daraus zu schlie-
ßen, dassdie Bevölkerung mit dieser Art
vonHerrschaftzufriedenerwäre als mit je-
ner der oftkorrupten afghanischenBehör-
den, sollteman jedoch nicht.Und eine Ge-
währ,dassdie Taliban sichamEnde des
vonRuttig erwähnten langenWegs wo-
möglichinein pluralistisches System ein-
binden lassen, istesauchnicht.

D

ie dritteParlamentswahl in-
nerhalb eines Jahres hat die
Mehrheitsverhältnisse in Isra-
el nichtverändert. Auch wenn Netan-
jahus Likud nacheinemvonSchmutz
und Lügengetränkten Wahlkampf
stärkste Kraftwurde, hängt seine poli-
tische Zukunftvon schwierigenKoali-
tionsverhandlungen und mehreren
Gerichtsentscheidungen ab. Schon
jetzt isteine Verfassungskrise abseh-
bar in einem Land,indem die Hälfte
der Wähler für Netanjahus Lager
stimmteund sichdabei auchvon drei
Korruptionsanklagennicht abschre-
cken ließ.Das mag darangelegen ha-
ben,dassNetanjahu(wieder) Anne-
xionen besetzter palästinensischer Ge-
biete angekündigt hat:ein Verspre-
chen, das durch den amerikanischen
Nahost-Plan realistischer geworden
ist. Dochglauben viele Israelis ihrem
Ministerpräsidenteneinfach, wenn
dieserganz im StileTrumps sagt, die
Strafverfahren seien nur ein Putsch-
versuch„linker“ Richter und Eliten.
Vordiesem Hintergrund wirdein of-
fener Machtkampf zwischenNetanja-
hus Lager und der Justiz ausbrechen,
sollten ihm die Gerichteverbieten, als
AngeklagterKoalitionsgespräche zu
führen. Wenn Netanjahuinde sweiter-
regiert, wirderseineZeit zwischen
Gerichtsterminen und Amtsgeschäf-
tenaufteilen müssen.Undwohl Ge-
setze einbringen,welche die Gerichte
beschränken und ihm Immunitätver-
schaffen. Die Opposition hat es nicht
geschafft,das zuverhindern. So wird
der KampfumIsraels Rechtsstaat
nicht nur in der Knesset, sondern
maßgeblichvor Gericht ausgetragen.


D


ie amerikanischen Streitkräfte
verließen den Irak im Schutze
der Nacht. AusSicherheitsgrün-
denbrachen die 500Soldaten
mit 100Fahrzeugen um zwei Uhr morgens
in ihrem Lager naheNassirijas im Süden
RichtungKuweit auf. So solltensie Angrif-
fenAufständischer entgehen.Viele Fotos
entstanden nicht in jenerDezembernacht
des Jahres2011.Vor allemkeines, das die
Niederlageder VereinigtenStaaten aufiko-
nographischeWeise dokumentierte, wie
es das berühmteBilddes Fotografen Hu-
bertvan Es 36 Jahrezuvorgetanhatte.
Im öffentlichen Gedächtnisfestgesetzt
hatsich, dassdie Aufnahmedes Niederlän-
derszeigt,wie ei namerikanischer Militär-
hubschrauber im April 1975 auf dem Dach
der BotschaftinSaigonsteht,umdie letz-
tenMilitärangehörigen und Diplomaten
aufzunehmen.Tatsächlichhandelteessich
nicht um dieamerikanischeBotschaftund
auchnichtumeinen Militärhubschrauber.
Der Hubschraubergehörte der CIA, die
Südvietnamesen in Sicherheitbrachte.
Gleichwohl symbolisierte die Akti-
on das erste milit äris cheFiasko
der westli chen Supermacht.
Der nunvereinbarte Abzug der
amerikanischenTruppen aus Af-
ghanistanist ebenfallsAusdru ck
einerNiederlage–der Vereinigten
Staatenund desWestens.Das Ab-
kommenstellt keinenFriedensver-
trag dar,sondern überlässt die Ver-
handlungender verbündeten af-
ghanischenRegierung undden Ta-
liban. Sollteesdazu wirklichkom-
men,können Letzteregestärkt in
die Gesprächegehen. Diewestli-
chen Streitkräfte,die Kabulbis-
lang zur Seitestanden, bietenkei-
ne Sicherheitsgarantie mehr.Präsi-
dent DonaldTrumpverzichtete
zwar auf einefalsche Siegesfeier.
Wohl aber lobteersichdafür, ge-
tanzuhaben,woran anderege-
scheitertseien: Er beende Ameri-
kaslängsten Krieg undhole nun
die Soldaten heim. Diese seien
müde,wie auchdie Taliban müde
seien.
In einem wichtigenPunkt unter-
schied sichder Afghanistan-Ein-
satz vonden KriegeninVietnam
und im Irak.Die Domino-Theo-
rie, mit der die Interventiongegen
die Kommunisten begründetwor-
den war, wurde spätervonRober tMcNa-
mara, demPentagon-Chef der Präsidenten
Kennedyund Johnson, fürfalscherklärt:
DerVerlustSüdvietnamshätte die Stel-
lung AmerikasinAsien nicht untermi-
niert, befand er rückblickend. DassSad-
dam Hussein dochkeineMassenvernich-
tungswaffenbesaß,musstedie Bush-Regie-
rung einigeZeit nachdem militärisch zu-
nächst erfolgreichenFeldzugvon 2003 ein-
gestehen. Bisheute sind die Akteurevon
einstdamit beschäftigt, einanderdie
Schuldzuzuschieben.
Der Afghanistan-Einsatzgründete we-
der auf falschen Annahmen nochauf Mani-
pulationen. Das seinerzeitige Taliban-Re-
gime botUsamaBin Ladin und dessen Al
Qaidaden Hindukuschals Operationsba-
sis an.Weil dieTalibansichweigerten, den
Terrorführer auszuliefern, derfür denTod
vonfast3000 Menschen inNewYork, Wa-
shington undPennsylvania verantwortlich
war, begannenimHerbs t2001 amerikani-
sche und britischeLuftangriff e, die beglei-
tetwurdenvoneinerBodenoffensiveder
Nordallianz. DieMission der „Operation
Enduring Freedom“lautetezunächst:die
Operationsbasen derTerroristenund die
militärischenEinrichtungendes Taliban-
Regimes zu zerstören .WestlicheStaaten –
einschließlichDeutschlands undFrank-
reichs–sagtenUnterstützung zu. Und
nachdem Fall Kabuls begann auf demPe-
tersberg bei Bonn ein politischer Prozess,
der in der Bildung einer provisorischenRe-
gierung unter dem PräsidentenHamidKar-
zai mündete. Kurzum: Der Afghanistan-
Einsatz wurdeweithinals gerechte rKrieg
betrachtet.
Politisc hbeging derWestenden Fehler
einerÜberhöhung seiner Kriegsziele,die
balddie Demokratisierung des Landes ein-

schließen sollte. Militärisch bestand dieUr-
sünde Amerikasdarin, sich unmittelbar
nachdem Fall desTaliban-Regimesauf das
nächste Wagniseinzulassen: denKrieg im
Irak ,der baldimmenseRessourcen band
und dasWiedererstarkender Taliban zur
Folgehatte. Im Mai2003–kurz nachdem
militärischen SiegüberSaddam Hussein –
erklärte VerteidigungsministerDonald
Rumsfeld diewesentlichen Kampfhandlun-
geninAfghanistanfür beendet. Kurz dar-
auf übernahm dieNato die Internationale
SchutztruppeIsaf. AusSicht derTaliban
freilichhatten die eigentlichen Kampf-
handlungen nochgar nicht begonnen.
Aufdie relativruhigenJahre2004und
2005folgt e2006die Rückkehr der Gewalt
in Form vonSelbstmordanschlägen, Bo-
denminen und heftigenKämpfenvor al-
lem in densüdlichen ProvinzenKandahar
und Helmand. 2008reagierte Washington
daraufmit einerStrategieänderung:„Af-
pak“betrachtete Afghanistan undPakis-
tanals gemeinsames Schlachtfeld–nicht
nur,weil dieTaliban das Grenzterritorium

als Rückzugsgebietnutzten, sondernauch
wegender fortdauerndenUnter stützung
der Taliban durchden pakistanischen Ge-
heimdienstISI. UnterPräsident Barack
Obama,der 2009 eigentlichangetreten
war, die eigenenTruppen aus dem Irak
und Afghanistanabzuziehen,kam es zur
bishergrößte nTruppenverstärkung: 2011
warenrund 100 000 amerikanischeSolda-
tenamHindukuschstationiert–mit dem
Ziel, die westli chen Anstrengungen zur
Ausbildung der afghanischen Sicherheits-
kräf te zu intensivieren.Zudem begann un-
terObamader umstrittene Drohnenkrieg
–sowohl in Afghanistanals auchinPakis-
tan.
Im selben Jahrkonnteder Demokrat
aberauchseinengrößten Erfolg vorwei-
sen:Usama bin Ladin wurde in einer Ge-
heimoperation, überdie auchdie Regie-
rung in Islamabadnicht im Bildewar, im
pakistanischenAbbottabadgetöte t. Kolla-
teralschaden desEinsatzes: Dieamerika-
nisch-pakistanischen Beziehungenerreich-
teneinenTiefpunkt. Von2012angab es
immer wieder Bemühungen, mit denTali-
ban inVerhandlungen zu treten. DerWes-
tenwar entschlossen, sein Engagement zu-
rückzufahren: dieSiche rheitsverantwor-
tungwurde 2013anKabulübertragenund
im Jahr darauf derIsaf-Kampfeinsatzin
die Ausbildungsmission „ResoluteSup-
port“ überführt.
Der Rückzug begann. Trumpunter-
brac hdiesen 2017nur kurz ,umdann das
„Ende des endlosenKriegs“ zuverkünden.
Amerikahat fast 2000 gefalleneund
20 000verletzteSoldaten zu beklagen.Wa-
shingtonkosteteder Einsatz 800 Milliar-
den Dollar. Undnochein Opfer istzube-
klagen: DieWeltordnungsmacht Amerika
gibtes(vorerst) nicht mehr.

GeorgBÄTZING FotoWolfgang Eilmes

Amerikas Preis des Afghanistan-Kriegs: Fast 2000gefallene und 20 000verl etzte Soldaten FotoAP

Eineneue Phase


Müssen die Afghanen sichanein Leben mit den


Talibangewöhnen? / VonChristian Meier


Rechtsstaat in Gefahr


VonJochenStahnke

Der längste Krieg


Die NiederlageinAfghanistanist andersals jene im


Irak und in Vietnam / VonMajidSattar,Washington


Befürworterdes


SynodalenWegs


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SEITE 8·MITTWOCH, 4.MÄRZ 2020·NR. 54 Zeitgeschehen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

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