Der Spiegel - 22.02.2020

(C. Jardin) #1

zur Anreise nach Berlin aufbringen können.
Auch den anderen Angeklagten traue er
keine politisch schwerwiegende Straftat zu.
Das sieht die Abteilung 5 des Landes-
kriminalamts Sachsen anders. Sie stuft die
meisten Angeklagten als gewalttätig ein
und gibt ihnen eine schlechte Prognose.
Sie hätten bereits so viele, immer schwe-
rere Straftaten begangen. Viele fielen seit
15 Jahren regelmäßig der Polizei auf.
Auch die Einträge über die Waffen -
beschaffung belasten die Chatgruppe
schwer. »... wegen Waffenbestellung gleich
vorweg an alle nur in bar und anonym«,
schrieb einer. Und: »Kannst Du schon
einen etwa Preis sagen, wenn man von
einer 9mm Halbautomatik ausgehen
bzw. Modell Walter P99 oder Heckler
und Koch SFP9 M und für mich MPS noch
interessant.«
Ende Januar sagte der Chef des sächsi-
schen Verfassungsschutzes, Gordian Mey-
er-Plath, vor Gericht aus. Es ging um Ver-
bindungen zwischen Verfassungsschutz
und Mitgliedern der Schlägertruppe. Mey-
er-Plath sagte, im Amt bekannt gewesen
sei nur Anführer K. Dieser habe zweimal,
2005 und 2015, versucht, mithilfe des Ver-
fassungsschutzes aus der Szene auszustei-
gen. 2005 organisierte ihm die Behörde
Sozialleistungen über das Jobcenter. Doch
K. verschwand nach wenigen Wochen wie-
der in der rechten Szene. 2015, so schildert
es Meyer-Plath, habe sich K. aus dem
Gefängnis heraus als V-Mann angedient.
Doch dieses Mal habe die Behörde abge-
lehnt, sagte Meyer-Plath.
Weitere Kontakte zwischen K. und dem
Verfassungsschutz soll es nicht gegeben
haben. Die Verteidiger glauben Meyer-
Plath nicht und haben beantragt, den ehe-
maligen Präsidenten des Bundesamts für
Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen,
als Zeugen zu laden. Maaßen, der inzwi-
schen für die konservative WerteUnion un-
terwegs ist, soll nun unter anderem darü-
ber Auskunft geben, ob der mutmaßliche
Anführer des Chats Hilfe vom Verfassungs-
schutz bei der Formulierung des Grün-
dungstextes der Chatgruppe hatte.
Bei ihrer Festnahme trugen die Mitglie-
der der Chatgruppe T-Shirts mit der Auf-
schrift »Volksaufstand Ostdeutschland«
und »Ostdeutschland kämpft«.
Die Vertreterin der Nebenklage, Kristin
Pietrzyk, fragte den Angeklagten Sten W.
einmal, ob er politisch rechts eingestellt
sei. »Was heißt rechts?«, fragte der zurück.
Er zählt zur gewaltbereiten Fußballszene
Sachsens, wurde verurteilt wegen gefähr-
licher Körperverletzung und Bedrohung.
Dann grinste er und sagte: »Leicht rechts,
angehaucht.« Auf seinem rechten Ober-
schenkel prangt ein Hakenkreuz.


Julia Jüttner
Mail: [email protected]

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