Kehrtwende vollzogen. Noch vor zwei Jah-
ren versuchte Söder, die Rechtspopulisten
kleinzukriegen, indem er mit einer Kreuz-
pflicht für Behörden den Retter des Abend-
landes gab. Seit klar ist, dass das nicht
funktionierte, setzt er auf kompromisslose
Abgrenzung und versucht strukturpoli-
tisch, dem Frust vieler Wählerinnen und
Wähler zu begegnen. Kürzlich verkündete
er eine Reform des ländlichen Raums.
3000 Posten aus der Metropolregion Mün-
chen sollen in schrumpfende Gegenden
wie Zwiesel, Hof oder Schweinfurt verlegt
werden.
Seiner Partei scheint sein Kurs bislang
weniger geholfen zu haben als ihm persön-
lich. Während Söders Popularitätswerte in
den vergangenen Monaten nach oben
schnellten, stagnierten die der CSU. Sie
kommt laut Umfragen derzeit auf 36 Pro-
zent – noch unter dem Wert des historisch
schlechten Landtagswahlergebnisses vom
Oktober 2018. Und in drei Wochen sind
Kommunalwahlen. Spekulationen, ob Sö-
der nach Berlin entschwinden könnte, hel-
fen da eher nicht.
In der Vorstandssitzung am vergange-
nen Montag zeigte sich CSU-Landesgrup-
penchef Dobrindt laut Teilnehmern be-
sorgt, was die nächste Bundestagswahl an-
gehe: Sollten die Grünen in den Umfragen
dauerhaft das Niveau der Union halten,
werde das zu einer »Mobilisierungswelle
im linken Lager führen«.
Söder muss, wenn er selbst nicht an -
treten sollte, auch deshalb ein Interesse an
einem starken CDU-Kandidaten haben.
Nur hat er bereits klargemacht, was er von
den bisherigen Aspiranten hält: Keiner
von denen habe »eine breite Mehrheit« in
der Bevölkerung, warnte er kürzlich in
einem Interview. Das war zwar, bevor Rött -
gen die Bühne betrat – doch dessen Kan-
didatur dürfte an der Einschätzung nichts
geändert haben.
Söder wird aufpassen müssen, in den
kommenden Wochen nicht zu überdrehen- gerade auch am Aschermittwoch, der für
CSU-Politiker die ideale Gelegenheit bie-
tet, es mal ordentlich krachen zu lassen,
in alle Richtungen.
Schon zuletzt hat Söder viel riskiert mit
der Forderung einer Kabinettsumbildung.
Das Regierungsteam in Berlin müsse jün-
ger und dynamischer werden, forderte er
schneidig, und die Wackelkandidaten wa-
ren für ihn nicht CSU-, sondern CDU-Leu-
te. Seither ist außer warmen Worten, die
Kramp-Karrenbauer fand, nichts gesche-
hen. Insofern kann Söder es sich kaum leis-
ten, noch weitere Forderungen aufzustel-
len, die sich nicht erfüllen. In Berlin gehen
viele Unionsleute davon aus, dass der
bayerische Ministerpräsident als Trost-
preis im Machtpoker zumindest versuchen
würde, eine Kabinettsumbildung durchzu-
setzen, sollte er selbst nicht nach der Kanz-
lerkandidatur greifen. Aber die Erfolgs-
chancen dafür sind ungewiss: Kanzlerin
Merkel hätte bei den Personalien ihrer Re-
gierungsmannschaft entscheidend mitzu-
reden.
Und wenn Söder letztlich doch noch
nach der Kanzlerkandidatur greift?
An einem Dienstagabend im Oktober
steht Markus Söder in einem früheren
DDR-Supermarkt, inzwischen eine hippe
Party-Location in Berlin-Mitte, die CSU-
Landesgruppe im Bundestag begeht hier
ihren 70. Geburtstag. So will sie herüber-
kommen, die moderne CSU – doch die
poli tischen Fragen bleiben auch an diesem
Abend die gleichen. Irgendwann geht es,
natürlich, um die Kanzlerkandidatur.
Zweimal hätten CSU-Politiker versucht,
Kanzler zu werden, sagt Söder. Dann fügt
er hinzu: »Keine Sorge, es bleibt bei zwei.«
Vier Monate ist das jetzt her. In der
Politik ist das fast eine Ewigkeit.
Anna Clauß, Florian Gathmann,
Christoph Hickmann, Martin Knobbe,
Veit MedickDeutschlandfedex.com/de/possibilitiesWenn man sich mit nur einem Klick weltweit an italienischem Design
erfreuen kann, dann ist die Welt Ihr Schaufenster.