Der Spiegel - 22.02.2020

(C. Jardin) #1

Islamisten, sie wird vom Verfassungs-
schutz beobachtet.
Halima sagt, sie habe in den Sommer -
ferien 2015 beschlossen, Chimar zu tragen.
Da war sie zwölf Jahre alt. Die Mutter hat-
te ihr immer wieder zugeredet, das zu tun,
aber Halima habe sich zunächst geweigert.
Erst der Nachhilfeunterricht in Englisch
und Mathe bei einer älteren Schülerin, die
mit einem Chimar verschleiert war, habe
ihre Einstellung verändert. Sie bewunderte
dieses Mädchen, so habe sie auch sein
wollen.
Ihre Mutter sagt, sie habe Halima gera-
ten, in der Schule am Anfang helle, freund-
liche Farben zu tragen, um Lehrerinnen
und Lehrer weniger zu irritieren. Doch Ha-
lima habe sich gleich für Schwarz entschie-
den. »Ich weiß mittlerweile, dass alle bei
Schwarz denken, ich wäre radikal, aber
ich finde es einfach elegant«, sagt Halima.
Im Laufe des letzten Schuljahres habe
sie in der Freizeit immer öfter einen Nikab
über das Kopftuch gebunden. Nur nicht in
der Schule, sie wollte die zehnte Klasse
beenden und dort »nicht noch mehr Pro-
bleme« haben.
Erst zum Beginn der Berufvorberei-
tungsschule habe sie sich entschlossen, voll
verschleiert in den Unterricht zu gehen.
Die Schulleitung intervenierte, unterstützt
von der Schulbehörde, die argumentierte:
Ein Kopftuch sei natürlich in Ordnung,
aber der Nikab überschreite eine Grenze.
Guter Unterricht sei nicht möglich, wenn
Lehrkräfte die Mimik nicht erkennen
könnten. Außerdem sei der Nikab ein
frauen feindliches Symbol, das Halima ih-
rer Individualität beraube.
Laut Schulbehörde gab es bereits vier
ähnliche Fälle in Hamburg. Jedes Mal hät-
ten es die Schülerinnen nach Gesprächen
der Pädagogen mit den Eltern irgendwann
»eingesehen«, sagt Schulsenator Ties Rabe
(SPD), und den Nikab wieder abgelegt.
Halima blieb bei ihrer Entscheidung. Sie
sagt, sie fühle sich unwohl ohne Nikab, un-
geschützt und »irgendwie nackt«. Ihr Ar-
gument: »Die anderen Mädchen durften
in superkurzen Hotpants zur Schule kom-
men, bei denen der ganze Hintern raus-
hängt. Aber ich darf nicht tragen, was ich
möchte.« Allerdings störe der Anblick der
anderen, körperbetont gekleideten Ju-
gendlichen sie auch nicht. Sie kenne die
deutsche Mode und komme schließlich
nicht aus Saudi-Arabien.
Halima muss in die Schule gehen. In
Hamburg besteht elf Jahre lang Schul-
pflicht. Vor dem Urteil kam sie deshalb
monatelang morgens um acht Uhr in ein
Besprechungszimmer der Schule. Dort
trank sie Tee und diskutierte mit Lehrern,
Sozialpädagogen oder Mitarbeitern der
Antiradikalisierungsstelle Legato. Sie sagt,
sie hätte das Schuljahr einfach abgesessen,
wenn die Schulaufsichtsbehörde nicht


schließlich mit einem Zwangsgeld von
500 Euro gedroht hätte. Ihre Mutter ging
gegen diese Anordnung vor – und gewann
vor dem Verwaltungsgericht.
Nach einer Beschwerde der Schulbehör-
de bestätigte das OVG im Februar die Ent-
scheidung. Senator Rabe kündigte noch
am selben Tag an, das Schulgesetz »zügig«
ändern zu wollen. Nach der Bürgerschafts-
wahl am Sonntag werde man einen ent-
sprechenden Entwurf vorlegen.
Bayern und Niedersachsen haben be-
reits 2017 solche Gesetze beschlossen.
Dem Niedersächsischen Schulgesetz zufol-
ge dürfen Schülerinnen und Schüler die
»Kommunikation mit den Beteiligten des
Schullebens« durch ihr Verhalten oder ihre
Kleidung »nicht in besonderer Weise er-
schweren«. Ein Gesichtsschleier wird als
ein solches Hindernis bewertet.
Rechtsanwalt Heyers verweist hingegen
auf das »hohe Gut« der Religionsfreiheit.
Man müsse in Deutschland auch Tradi -
tionen tolerieren, die der Mehrheit fremd
seien. Verbote schadeten der Integration,
statt sie zu beschleunigen: »Es ist doch
besser, meine Mandantin im schulischen
Umfeld zu lassen und sie nicht auszu-
schließen.«
Auch Bülent Uçar, Professor für Islami-
sche Theologie an der Universität Osna-
brück, sagt, Verbote provozierten häufig
Trotzreaktionen. »Viele schotten sich ab
und radikalisieren sich im Zweifel weiter.«
Die Gefahr, dass Schülerinnen mit Ni-
kab andere animieren könnten, ebenfalls
den Schleier anzulegen, sieht Uçar nicht.
Nikab-Trägerinnen seien eine sehr kleine
Minderheit, mit der umzugehen man ler-
nen müsse. Er glaube an »die Kraft der
Argumente«.
Und Halima? Denkt sie nie an Frauen
in Iran, Saudi-Arabien oder Afghanistan,
die dafür kämpfen, das Kopftuch oder die
Burka ablegen zu dürfen? »Doch«, sagt
sie und setzt sich im Stuhl auf. »Ich hab
mich schon gefragt, ob die denken, ich bin
blöd, weil ich dafür kämpfe, mich ver-
schleiern zu dürfen.« Aber sie lebe nun
mal in Deutschland, hier wolle sie selbst
bestimmen, wie sie sich kleide.
Seit einigen Wochen darf sie nun ihr
Klassenzimmer betreten und am Unter-
richt teilnehmen. Sie hat eine Praktikums-
stelle in einem Bekleidungsgeschäft für
muslimische Mode. Im Sommer würde sie
dort gern eine Ausbildung beginnen.
Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler
hätten sie sofort akzeptiert, erzählt Ha -
lima. Eine Lehrerin habe sie gebeten, mehr
mit ihr zu sprechen. An ihrem Gesichts-
ausdruck könne sie schließlich nicht er -
kennen, wie es ihr gehe. Halima sagt, sie
wolle in Zukunft darauf achten.
Laura Backes
Mail: [email protected]

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