Der Spiegel - 22.02.2020

(C. Jardin) #1

gewesen waren. Er kontrollierte an einem
Donnerstag Anfang Oktober 2016 wieder
nur den neuen Stall. Zwar entdeckte er
einige Tiere mit Ohr- und Schwanzbissen,
fand das aber nicht weiter schlimm. »Ich
war in Eile«, sagt er vor Gericht.
Am Freitag schaute auch ein Adia-Zert-
Kontrolleur vorbei und berichtete erst-
mals von »erheblichen Mängeln«. Das
Ministerium verlangte eine erneute Kon-
trolle. Am Montag kamen Beamte aus
Stuttgart und der Leiter des Veterinäramts
mit. Aber: Auch sie schauten nur den
neuen Stall an. Ein Ministeriumsvertreter
ging um das Gebäude herum und stand
direkt vor dem alten Stall, bemerkte je-
doch nicht, dass auch hier Tiere unterge-
bracht waren.
Am Nachmittag, so erzählt es der Leiter
des Veterinäramts vor Gericht, habe er
in Ulm nochmals in die Pläne des Hofs
geschaut und entdeckt, dass das zweite
Gebäude ebenfalls über eine Belüftung
verfüge, also auch ein Stall sein müsse. Am
Folgetag wurde endlich auch der alte Stall
inspiziert. Der Betrieb wurde geschlossen,
160 Tiere wurden sofort getötet.
Man habe gelernt, nicht mehr so leicht-
gläubig zu sein, sagt der Veterinärdirektor
vor Gericht. Es könne allerdings auch heu-
te »passieren«, dass man so etwas »nicht
erkennt«. Es fehle Pe rsonal, weshalb man
einen Mastbetrieb maximal alle 11 Jahre
kontrollieren könne. »In Bayern werden
Tierhaltungsbetriebe durchschnittlich alle
48 Jahre kontrolliert, und das wird dann
in der Regel auch noch angemeldet«,
barmt Tierschützer Mülln.
Der Tierarzt, der zweimal den alten
Stall übersah, wurde angeklagt, aber frei-
gesprochen. S. hingegen erhielt in der ers-
ten Instanz mit drei Jahren Haft eine harte
Strafe. Eine zu harte?
Nein, finden die Demonstranten. Ja,
urteilt die Strafkammer. Zugunsten von S.
sprächen sein umfassendes Geständnis
und die Tatsache, dass er an Depressionen
gelitten habe, die mit erklären können,
warum er alles so schleifen ließ. Das Land-
gericht verhängt nur eine Strafe von zwei
Jahren, die es zur Bewährung aussetzt.
S. verfüge über eine günstige Sozial-
prognose und habe neben seiner beruf -
lichen Existenz sein gesellschaftliches An-
sehen verloren. Die Höchststrafe für Tier-
quälerei beträgt laut Gesetz drei Jahre. Sie
sei » sehr gering«, erklärt der Vorsitzende
Richter, »bei Betrug, Diebstahl oder Ge-
fährdung des Straßenverkehrs« sei der
Strafrahmen wesentlich höher. Das sei nun
mal die Vorgabe des Gesetzgebers.
Das Gericht belegt S. auch mit einer
Geldbuße von 20 000 Euro und einem um-
fassenden Tierhalteverbot. »Nicht mal die
Katze vom Nachbarn werden Sie füttern
dürfen«, sagt der Richter. Dietmar Hipp


D E R S P I E G E L N r. /..^43

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