Der Spiegel - 22.02.2020

(C. Jardin) #1

Nachhaltigkeitskriterien investiert, Ten-
denz steigend, hat die Global Sustainable
Investment Alliance errechnet. Zahllose
Investoreninitiativen, vom Carbon Disclo-
sure Project bis zur Climate Action 100+,
haben sich gegründet. Das sichtbarste Zei-
chen für den Sinneswandel in der Finanz-
welt ist die Kehrtwende von Larry Finks
Blackrock.
Allerdings kann Fink im Moment gar
nicht so klimafreundlich handeln, wie er
redet, sein Geschäftsmodell hindert ihn
daran. Nur einen kleinen Teil des ihm
anvertrauten Vermögens legt Blackrock
aktiv an. Das meiste Geld fließt in Index-
fonds, sogenannte ETFs (Exchange-Traded
Funds), die Kursbarometer wie den Dax
oder Dow Jones exakt nachbilden. Klima-
politisch sind sie blind. In Dax und Dow
Jones enthalten sind auch Energieversor-
ger, die Kohlekraftwerke betreiben, und
Firmen aus anderen CO 2 -intensiven Bran-
chen. Weder kann Blackrock diesen Fir-
men das Geld entziehen, noch hat der
Konzern das Know-how, die Nachhaltig-
keit zu bewerten.
Um seine finanzielle Macht dennoch
ausspielen zu können, setzt Fink daher in
ESG-Fragen auf externen Sachverstand.
ESG ist die Formel, die sich in der Finanz-
welt etabliert hat, um den schwammigen
Begriff der Nachhaltigkeit in die Kate -
gorien Umwelt (Environment), Soziales
(Social) und guter Unternehmensführung
(Governance) zu gliedern. Fink will, dass
Indexanbieter wie MSCI die Listen von
Umweltsündern säubern, dann könne
auch er das Geld seiner Kunden guten Ge-
wissens anlegen, so das Kalkül. Kritiker
lästern: Fink schiebt die Verantwortung
weiter, um sein Geschäftsmodell zu retten.


Der Effekt bleibt der gleiche. Index -
anbieter gehören zu den Profiteuren des
Nachhaltigkeitsbooms. »Das ist einer un-
ser großen Wachstumstreiber«, sagt Remy
Briand, er leitet die ESG-Abteilung bei
MSCI. Rund 13 500 Unternehmen be-
leuchten seine Leute, insgesamt 37 ESG-
Ratingkriterien gebe es, nach denen MSCI
sie abklopft.
Der Kölner Vermögensverwalter Bert
Flossbach bezweifelt, dass allein dadurch
das Geld den sozial und ökologisch am
besten geführten Unternehmen zufließt.
Er hält die Flut von ESG-Produkten für
gefährlichen Etikettenschwindel, bloß dem
Opportunismus von Großinvestoren wie
Blackrock geschuldet. »Was Larry Fink be-
treibt, ist ›green washing at its best‹«, sagt
der Flossbach-von-Storch-Gründer.
Die Politik könne den Klimawandel am
besten bekämpfen, indem sie wirksame
Rahmenbedingungen setze, etwa den CO 2 -
Verbrauch effektiver bepreise. »Aber sie
tut es nicht, aus Angst vor den Gelbwesten,
und schiebt stattdessen die Finanzbranche

ker, ehe ihn die Finanzkrise zum Auto-
und Industriezulieferer Schaeffler brachte,
den er mittlerweile führt. Nachhaltigkeits-
ziele formuliert das Familienunternehmen
schon lange, doch sonderlich gehaltvoll
und konkret war es bislang nicht, was die
Herzogenauracher in ihren Nachhaltig-
keitsberichten zu erzählen hatten. Das soll
sich jetzt ändern. Es muss sich ändern.
»Im vergangenen Jahr haben sich die
Anforderungen von Kunden, Investoren
und einer kritischen Öffentlichkeit an
nachhaltige Unternehmensführung deut-
lich verändert und stark auf den Klima-
wandel konzentriert«, sagt Rosenfeld. Die
Autokonzerne wollen von Schaeffler mitt-
lerweile genau wissen, welchen CO 2 -Fuß-
abdruck die Vorprodukte mitbringen, die
sie aus Herzogenaurach beziehen. Der
Nachhaltigkeitsbericht für 2019 wird des-
halb erstmals konkrete Zahlen zum CO 2 -
Verbrauch enthalten. Künftig sollen sogar
die Boni der Vorstände bei Schaeffler zum
Teil davon abhängen, ob bestimmte inter-
ne Ziele für die Reduzierung des CO 2 -Aus-
stoßes erreicht werden.
Die Einhaltung anderer Nachhaltig-
keitsthemen, wie etwa Arbeitsbedingun-
gen und Menschenrechte, ist da schon
schwieriger zu überwachen. Die Bundes-
regierung hat das mit ihrem »Nationalen
Ak tionsplan Wirtschaft und Menschen-
rechte« versucht. Der wollte sich die Lie-
ferketten deutscher Unternehmen vor-
knöpfen, die gern dort fertigen lassen, wo
die Arbeitskräfte billig und die Umwelt-
gesetze lasch sind. Doch die Pläne drohen
im Berliner Politikbetrieb zerrieben zu
werden.
Mehrere Ministerien streiten, ob und in
welcher Form solch ein Gesetz nötig sei,
die Fronten laufen quer durch die Parteien.

60 DER SPIEGEL Nr. 9 / 22. 2. 2020

vor.« Die solle die Kapitalströme in die
richtige Richtung lenken. Wenn aber die
Investoren beim Thema ESG falsche Er-
wartungen schürten, produzierten sie den
nächsten Dieselskandal, »eine Verbrau-
chertäuschung über nachhaltige Geldanla-
ge im großen Stil«.
Bei Daimler hat Flossbach ein Exempel
statuiert. Noch vor einem Jahr gehörte der
Vermögensverwalter mit 1,8 Prozent zu
den größten Anteilseignern des Autokon-
zerns, im Herbst ist Flossbach ausgestie-
gen – weil Daimler seinen ESG-Anforde-
rungen nicht gerecht geworden sei.
Das E für die Umwelt? In Sachen Diesel -
affäre habe Daimler eine katastrophale
Kommunikationspolitik betrieben und zu
spät auf alternative Antriebe gesetzt, klagt
Flossbach. Das S für Soziales? Das Ma-
nagement habe Pensionslasten aufgetürmt,
die dem Konzern Mittel für dringende In-
vestitionen entzögen; das gehe zulasten
der Zukunftsfähigkeit des Konzerns, sei-
ner Eigentümer und Mitarbeiter. Das G
für gute Unternehmensführung? »Was das
Daimler-Management macht, ist keine
nachhaltige Governance«, bemängelt der
Vermögensverwalter, man gewinne fast
den Eindruck, in Stuttgart werde nach der
Maxime gehandelt: »Ich stelle meine Fir-
ma so auf, dass sie dauerhaft nicht erfolg-
reich ist.«
Die Autokonzerne sind ein gutes Bei-
spiel, wie das Zusammenwirken von Poli-
tik und Investoren eine ganze Branche auf
den richtigen Weg bringt. Denn die Her-
steller geben den Druck an ihre Zulieferer
weiter. Eine Spirale der erzwungenen gu-
ten Tat.
Niemand kennt das besser als Klaus Ro-
senfeld. Der hoch aufgeschossene Mann
mit der eigenwilligen Haartolle war Ban-

DIRK BRUNIECKI / LAIF
Siemens-Chef Kaeser: Schwerer Imageschaden
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