Der Spiegel - 22.02.2020

(C. Jardin) #1

Die Blockade sprach sich bis zum Kanz-
leramt herum. Als Angela Merkel im Ja-
nuar mit Spitzengewerkschaftern speiste,
soll sie sich besorgt nach dem Stand der
Beratungen erkundigt haben.
Es wundert nicht, dass es mit Börsch-
Supan ausgerechnet einer der drei betei-
ligten Wissenschaftler ist, der seinem Är-
ger jetzt Luft machte, und dass es vor al-
lem die Politiker sind, die ihm das übel
nehmen. »Unser Anliegen ist es, Sachar-
beit zu leisten, nicht zu wehklagen!«, hieß
es nach Börsch-Supans Ausbruch etwas
spitz in einer Mitteilung der Vorsitzenden.
Einige Beteiligte im Umfeld der Runde
werfen ihm Anmaßung vor. Der Professor
benehme sich, »als hätte er die Weltformel
gefunden«. Gemeinsam mit dem Sozial -
experten und langjährigen DIW-Vorden-
ker Gert Wagner hatte Börsch-Supan in
der Kommission für ein dynamisiertes ge-
setzliches Rentenalter geworben. Die Öko-
nomen plädieren für einen Automatismus:
Steige die Lebenserwartung, müsse auch
die Altersgrenze ein Stückchen steigen, um
die Kosten der Demografie abzufedern.
Für gestandene Sozialdemokraten und
die Gewerkschaften ist deren Vorschlag
ein Graus. Faktisch bedeute ein höheres
gesetzliches Rentenalter eine Leistungs-
kürzung: Wer nicht bis zur Altersgrenze
durchhalte, werde mit Abschlägen gestraft.
Als die Bundesbank im vergangenen Ok-
tober die Rente mit 69 bis 2070 gefordert
hatte, konterte Kommissionsmitglied Katja
Mast (SPD): »Das halte ich für falsch.«
Unionsvertreter mahnten in der nächsten
Sitzung: »Wenn wir uns alle nicht bewe-
gen, können wir nach Hause gehen.«
Im Bericht könnte es nun allenfalls eine
sehr weiche Formulierung geben. Bis zum
Jahr 2031 steigt die Altersgrenze ohnehin
per Gesetz auf 67. Ob sie danach weiter
angepasst werden muss, könnte von einem
externen Gremium wie einem moderni-


sierten Sozialbeirat geprüft werden. Die
Entscheidung wäre damit vertagt.
Ähnlich trickreich erwog die Kommis-
sion, eine Lösung für das verminte Thema
»Rentenniveau« zu finden. Die SPD hat
sich bis 2030 auf ein Niveau von mindes-
tens 48 Prozent festgelegt, auch für die
Gewerkschaften gilt das als absolute Un-
tergrenze. Die Union wiederum kann sich
mehr als 46 Prozent kaum vorstellen.
Man ließ deshalb prüfen, was es bedeu-
ten würde, Senioren mit einem Sicherungs-
niveau von anfangs 48 Prozent in den
Ruhe stand zu schicken, die jährliche Ren-
tenanpassung aber bescheidener ausfallen
zu lassen als zuletzt, etwa indem Renten -
erhöhungen künftig an die Inflationsrate
gekoppelt wären – statt wie derzeit vor
allem an die Löhne.
Den Vorschlag verwarf die Kommission
dann wieder, weil er das Sicherungsniveau
für langjährige Rentner zu sehr schrump-
fen könnte. Weil das Niveau eine Größe
ist, die kaum jemand versteht, sucht die
Runde nun nach einer neuen Messgröße
für individuelle Rentenansprüche.
Ungeklärt bleibt bislang auch die Frage,
ob die Beschäftigten künftig verpflichtet
werden sollen, mit vier Prozent ihres Brut-
toeinkommens betrieblich vorzusorgen.
Ein erstes Papier verwarf die Runde als
unausgereift, vor allem die Gewerkschaf-
ten sollen sich dagegen sperren, nur Ar-
beitnehmer mit den Kosten zu belasten.
Fünf Wochen bleiben noch. »Ich kann
nur hoffen, dass wir am Ende von unserer
Ehre gepackt werden«, sagt ein Mitglied.
Um zu vermeiden, dass einzelne Teil -
nehmer ein Minderheitenvotum abgeben,
basteln die Zuarbeiter bereits an einer Not -
lösung: Beschlussvorlagen, die breite Lö-
sungskorridore für Rentenniveau und Bei-
tragssatz vorgeben, schlimmstenfalls »Sze-
narien« ohne Verbindlichkeit.
Zu rechnen ist demnach mit einem sehr
dicken Bericht, aber einer sehr dünnen
Lösung.
Für die wenigen konkreten Ergebnisse,
die sich abzeichnen, hätte man keinen
Expertenkreis gebraucht: Künftig soll es
Präventionsprogramme geben, um Ältere
im Arbeitsleben zu halten, eine höhere
Erwerbsbeteiligung von Frauen sowie
eine säulenübergreifende Renteninfor -
mation.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil
müht sich inzwischen, die Erwartungen an
die Runde, die er selbst eingesetzt hat, he-
runterzufahren. Als der SPD-Politiker bei
einem Auftritt am vergangenen Mittwoch
auf die Kommission angesprochen wurde,
antwortete er nüchtern: »Wenn da gute
und valide Vorschläge dabei sind, bin ich
auch gewillt, die in dieser Legislatur -
periode noch umzusetzen.«
Wenn. Cornelia Schmergal

DER SPIEGEL Nr. 9 / 22. 2. 2020 69


PROGNOSE


27
65-Jährige
und Ältere


37


54


Quelle: Statistisches Bundesamt

Seniorenrepublik


Auf hundert 20- bis 64-Jährige
in Deutschland
kommen ...


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