Der Spiegel - 22.02.2020

(C. Jardin) #1
Ausland

Z


u Beginn seiner politischen Karrie-
re trug Marian Kotleba zumeist
dunkle Kleidung, schwarze Leder-
jacke, schwarze Baseballmütze.
Auch die Uniformen seiner Unterstützer
waren schwarz, sie ähnelten denjenigen
der Hlinka-Garde, jener paramilitärischen
Truppe in der Slowakei, die im Zweiten
Weltkrieg den Nazis beim Holocaust
assistierte. Inzwischen hat Kotleba die
Farbe geändert. Er tritt jetzt meist in
grünem Sakko auf. Der Bezug zur dunklen
Geschichte soll nicht mehr offensichtlich
sein.
Kotleba will in die Mitte der Gesell-
schaft vordringen, wo faschistische Sym-
bole Wähler verschrecken würden. Grün
ist die Farbe seiner »Volkspartei – unsere
Slowakei« (ĽSNS), die in Umfragen der-
zeit bei elf Prozent liegt. Die ĽSNS hat
gute Chancen, bei der Parlamentswahl am



  1. Februar zur zweitstärksten Kraft zu
    werden. Sie liegt nur wenige Prozentpunk-
    te hinter den Linkspopulisten der Smer,


die das Land seit anderthalb Jahrzehnten
fast ununterbrochen regieren.
Die rechte Partei von Kotleba hat zu-
letzt eine steile Karriere in einem Land
hingelegt, das lange als einer der Muster-
staaten Mitteleuropas galt. Der politische
Treibstoff der ĽSNS ist der Hass auf die
Eliten in Bratislava und Brüssel, Hass auch
auf Roma, Migranten und Schwule. Die
Truppe ist so radikal, dass sich verglichen
mit ihr die Nationalkonservativen im
Nachbarland Polen und der Fidesz-Partei
von Viktor Orbán in Ungarn geradezu
bürgerlich ausnehmen.
Zwar beteuern die übrigen Parteien im
Parlament, auf keinen Fall mit Kotleba
paktieren zu wollen. Doch dass sie sich
auch daran halten werden, ist keineswegs
ausgemacht. Die politische Landschaft ist
zerklüftet, das liberale Lager zerstritten.
Sollten die Rechten bei der Wahl nächste
Woche so gut abschneiden, wie die Um -
fragen vorhersagen, könnte nach Polen
und Ungarn bald auch die Demokratie der

Slowakei ins Wanken geraten. Dabei galt
das Land lange als Beispiel gelungener
Westintegration. Die gut fünf Millionen
Bürger erarbeiten seit Jahren mindestens
drei Prozent Wachstum, es herrscht Voll-
beschäftigung. Die Autofabriken von Mer-
cedes, Kia, VW und Renault sind die größ-
ten Arbeitgeber, den Euro hat die Slowakei
schon 2005 eingeführt.

Vor zwei Jahren aberbekam die Fassade
des Musterlandes erste Risse, als ein Auf-
tragskiller den Journalisten Jan Kuciak
und dessen Verlobte erschoss. Der Mord
warf ein Schlaglicht auf die wahren Zu-
stände in der Slowakei. Führende Mitglie-
der der linkspopulistischen Partei Smer
hatten in ihrer Regierungszeit offenbar ein
weitverzweigtes korruptes Netzwerk aus
Politik, Business und Halbwelt geknüpft.
Diese Verbindungen wollte Kuciak auf -
decken – der Oligarch Marián Kočner gilt
der Staatsanwaltschaft als Drahtzieher hin-
ter dem Mord an dem Journalisten.

86 DER SPIEGEL Nr. 9 / 22. 2. 2020


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Die grüne Gefahr


SlowakeiDie Rechtsextremisten haben beste Chancen, bei der Parlamentswahl zur zweitstärksten
Partei aufzusteigen. Kippt jetzt das nächste mitteleuropäische Land nach rechts?

Parteiführer Kotleba
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