Der Spiegel - 22.02.2020

(C. Jardin) #1

missbrauchen. Zugleich ist der Glau be im-
mer noch weit verbreitet, dass schöne er-
folgreiche Männer dies nicht nötig haben.
Als wäre es ein Naturgesetz, dass jede Frau
der Welt jederzeit mit Giganten wie Kobe
Bryant oder auch Cristiano Ronaldo schla-
fen wollte.
Der mehrmalige Weltfußballer steht
im Verdacht, 2009 in einem Hotel in Las
Vegas eine Frau vergewaltigt zu haben.
Obwohl zahlreiche Indizien die Glaubwür-
digkeit des mutmaßlichen Opfers unter-
mauern, wurde keine Anklage gegen den
Portugiesen erhoben.
Bryants Entschuldigung wurde über
die Jahre vergessen oder, besser gesagt:
überlagert von seinen Erfolgen auf dem
Platz. Angesprochen auf die Vorwürfe
gegen den Basketballer, erinnern sich heu-
te die meisten lediglich an den vier Mil-
lionen Dollar teuren Ring, mit dem er
seine Frau öffentlich um Verzeihung bat.
Und an die Pressekonferenz, bei der er
den reuevollen Ehebrecher gab. Bryants
mutmaßliches Opfer dagegen wird in -
zwischen im Netz wieder als Hure be-
schimpft.
Nach den Ereignissen in Colorado er-
schuf sich Bryant selbst ein Alter Ego:
»Black Mamba«. Er soll einmal gesagt
haben, dass diese Bezeichnung ihm
auch geholfen habe, sich seiner dunklen
Seiten bewusst zu sein. Er blieb zeitlebens
bei seiner Darstellung, es habe sich um
einvernehmlichen Sex gehandelt.
Menschen, die Kobe Bryant lange kann-
ten, sagen, der Fall in Colorado habe ihn
verändert. »Der Unterschied zwischen
dem Kobe, den ich kannte, als er jünger
war, und dem Kobe, den ich 2006 wieder
traf, war wie der zwischen Tag und
Nacht«, wird etwa Miki Turner, eine Jour-
nalistikprofessorin der University of Sou -
thern California, Los Angeles, zitiert. Er
habe sich danach sozial engagiert, um Ob-
dachlose gekümmert, sich für Mädchen-
und Frauenbasketball starkgemacht. 2018
rief er eine Stiftung ins Leben, die in erster
Linie mit Jugendlichen arbeitet und mit-
hilfe von Sport »Charaktereigenschaften
verbessern und persönliche Werte erwei-
tern« will.
Zuletzt betreute Bryant die Mannschaft
seiner Tochter Gianna. Als Trainer soll er
ruhig, besonnen und freundlich gewesen
sein.
Im Netz finden sich mittlerweile immer
mehr Stimmen, die Gayle King verteidi-
gen. Und solche, die sagen, Bryant wäre
nicht damit einverstanden gewesen, wie
die Moderatorin behandelt wird.
Der Rapper Snoop Dogg hat sich inzwi-
schen bei King für seinen Wutausbruch
entschuldigt. Öffentlich. Auslöser dafür
sei ein Gespräch mit seiner Mutter gewe-
sen, sagt er. Antje Windmann


Goretzka, 25, spielt seit anderthalb Jahren
bei Bayern München. Der gebürtige Bochu-
mer erzielte in seinen 25 Länderspielen elf
Tore.

SPIEGEL:Herr Goretzka, wird in der Ka-
bine des FC Bayern über Politik geredet?
Goretzka:In der Kabine nicht, da dreht
sich fast alles nur um Fußball. Aber wenn
ich mit Kollegen auf einen Kaffee ausgehe,
dann reden wir natürlich über politische
Themen, weil sich viele dafür interessieren.
Wir wissen schon, dass es mehr gibt als
Fußball.
SPIEGEL:Es werden in deutschen Stadien
Spieler rassistisch beleidigt, wie kürzlich
Jordan Torunarigha von Hertha BSC bei
Schalke. Wir erleben Antisemitismus,
Nationalismus. Beunruhigt Sie das?
Goretzka:Gerade weil diese Themen lei-
der so eine Aktualität bekommen haben,
habe ich für mich entschieden, dass es
höchste Zeit ist, mich dagegen klar zu
positionieren. Auslöser war das Video
eines Journalisten nach dem Länderspiel
gegen Serbien in Wolfsburg im vergange-
nen März. Darin berichtete der Mann von
rassistischen Beschimpfungen auf der Tri-
büne gegen zwei unserer Spieler. Wie sehr
ihn dieser Vorfall angefasst hat, das hat
mich bewegt und zum Nachdenken ge-

bracht. Eigentlich hatte ich geglaubt, dass
wir in unserem Land schon wesentlich wei-
ter sind.
SPIEGEL:Sie sagten nach dem Vorfall:
»Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. Da
antwortet man auf die Frage nach der Na-
tionalität mit Schalke, Dortmund oder
Bochum.«
Goretzka:Es war mir ein Anliegen, die Ini-
tiative zu ergreifen. Ich wollte und will
ganz bewusst dazu aufrufen, dass man ge-
gen Leute, die sich rassistisch äußern, vor-
geht. Es gab damals in Wolfsburg zu viele
Leute, die den Vorfall miterlebt hatten,
aber nicht eingeschritten sind. Dabei ist es
doch gerade in solchen Situationen ange-
bracht, wenigstens die Symptome zu be-
kämpfen. Die Ursachen liegen ganz woan-
ders, aber es wäre schon viel geholfen,
wenn sich jeder an der Nase packt und den
Mut hat, den Mund dagegen aufzumachen.
Ein tolles Beispiel dafür war das Einschrei-
ten der Fans beim Spiel zwischen Münster
und Würzburg in der vergangenen Woche.
Die Zuschauer hatten einen Mann, der
Affenlaute gegen einen Spieler geäußert
hatte, beim Ordner gemeldet, sodass die
Polizei ihn festnehmen konnte. Rassismus
muss im Keim erstickt und sanktioniert
werden.
SPIEGEL:Sie wurden nach Ihrem Kind-
des-Ruhrpotts-Spruch in E-Mails übel be-
schimpft und haben diese veröffentlicht.
Warum haben Sie das getan?
Goretzka:Um ganz bewusst ein Zeichen
zu setzen, dass solche Reaktionen uns
nicht davon abhalten dürfen, grundsätz-
lich unsere Meinung zu vertreten und für
sie auch einzustehen.
SPIEGEL:Warum trauen sich das so weni-
ge Spieler?
Goretzka:Dafür gibt es zwei Gründe: Ers-
tens, dass man mit einer klaren Haltung
und Position polarisiert und gerade in den
sozialen Netzwerken Gefahr läuft, extre-
men Gegenwind zu bekommen. Da kom-
men dann Aussagen wie: Du bist kein
Politiker! Spiel gefälligst nur Fußball!
SPIEGEL:Wurde Ihnen von Beratern oder
dem Verein schon mal geraten, grundsätz-
lich eher Banales von sich zu geben, um
keine Angriffsfläche zu bieten?
Goretzka:Mir selbst gar nicht. Ich weiß ge-
nau, wo ich was sagen kann und zu welchen

94

Sport

»Man kann schnell sein


Gesicht verlieren«


FußballNationalspieler Leon Goretzka über Rassismus im
Stadion und warum viele seiner Kollegen
lieber den Mund halten, statt sich einzumischen

GUENTER SCHIFFMANN / IMAGO
Profi Goretzka
»Wir sind alle gefordert«
Free download pdf