Der Spiegel - 22.02.2020

(C. Jardin) #1
DPA

Coronaviren Sars-CoV-2 (rot gefärbt)

Im Virus-Fieber


MedizinDer neuartige Erreger der Lungenkrankheit Covid-19 schickt sich an, den Globus zu
erobern. Epidemiologen und Ärzte weltweit versuchen, die Seuche einzudämmen.

Doch neue, ungeklärte Todesfälle deuten darauf hin, dass das Virus bereits außer Kontrolle ist.


Wattestäbe in den Rachen der beiden Jor-
gensens, nahmen je einen Abstrich, dann
gingen sie wieder. Es wurde nicht viel ge-
sprochen – das Englisch der Besucher war
brüchig, das Japanisch der Jorgensens
nicht besser.
Die beiden Amerikaner aus dem US-
Bundesstaat Utah fürchteten sich vor dem
Testergebnis. Jerri Jorgensen hatte sich un-
wohl gefühlt in den letzten Tagen. Aber
da war nichts, hatte sie versucht, sich ein-
zureden. Jedenfalls nichts, was mit dem
seltsamen neuen Virus zu tun haben konnte.
Größer war die Sorge um ihren Mann:
Mark Jorgensen war zwar beschwerdefrei.
Doch er hat zwei transplantierte Nieren.
Seit der Operation nimmt er Medikamen-
te, die sein Immunsystem schwächen, da-
mit die neuen Organe nicht abgestoßen
werden. Jerri und Mark wussten: Eine In-

fektion mit dem Coronavirus könnte für
ihn tödlich enden.
Die Jorgensens öffneten die Tür. Wieder
standen zwei in Schutzkleidung gehüllte
Personen vor ihnen. Sie kamen mit dem
Virenbefund: Bei Jerri, verkündeten sie,
war er positiv.
Sie hätte gern noch einen kleinen Reise -
koffer gepackt. Das sei nicht möglich, sag-
ten die beiden Mediziner. Einen Tages-
rucksack mit dem Nötigsten, mehr dürfe
sie nicht mitnehmen.
Wenig später war Jerri Jorgensen auf
dem Weg in die Quarantänestation eines
Krankenhauses in Fukushima. Ihr Mann
blieb allein in der Kabine zurück.
Mark Jorgensen fragte sich: Wenn das
Virus sich schon vor drei Tagen im Rachen
seiner Frau eingenistet hatte, wie groß
war dann wohl die Gefahr, dass es den

E


in Klopfen an der Tür, am Tag
zehn der Quarantäne, ließ Jerri
und Mark Jorgensen fürchten,
dass es nun an ihnen war, die
Seite zu wechseln, von den Gesunden
an Bord der »Diamond Princess« zu den
Infizierten und Kranken. Zu denen, die
getrennt von ihrem Ehepartner, ihrer
Familie in verschiedensten Kranken -
häusern in und um Yokohama liegen, in
sich hineinhorchen und hoffen, dass
die Infektion mit dem neuartigen Co -
ronavirus einen milden Verlauf nehmen
möge.
Das Klopfen bedeutete nichts Gutes.
Drei Tage zuvor hatten auf dem Kreuz-
fahrtschiff zwei Japaner die Kabine des
Ehepaars betreten, ein Mann und eine
Frau. Sie trugen Kittel, Mundschutz, Plas-
tikvisier und Handschuhe. Sie schoben


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