Die Welt - 14.03.2020

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14.03.20 Samstag,14.März2020DWBE-HP


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28 DIE LITERARISCHE WELT DIE WELT SAMSTAG,14.MÄRZ2020


B


ruce Chatwin war Nomade, Pa-
trick Leigh Fermor Abenteurer,
Robert Byron stellt man sich am
besten als Ästheten auf Abwegen

Robert Byron stellt man sich am
besten als Ästheten auf Abwegen

Robert Byron stellt man sich am

vor, als Architekturkritiker, der
auf dem Weg zum Gebäude sei-
ner Wahl notfalls auch im Graben
schläft, doch mit dem gestrengen Blick eines
Kunstrichters aufwacht und, kaum dass der helle
Tag begonnen hat, über die sich öffnende Land-
schaft richtet. Die unbeugsame Lakonie hat sich
Chatwin von Byron geborgt; Patrick Leigh Fer-
mor hat von Byron seine wilde Liebe zu Byzanz.
Sollte es Reiseschriftsteller geben, die Reise-
schriftsteller machen, könnte Byron der mäch-
tigste von ihnen gewesen sein. Dabei war sein
Leben kurz, eigentlich hat er nur ein Jahrzehnt
lang geschrieben und das meist im Schatten an-
derer Reiseschriftsteller getan: Peter Fleming,
der große Bruder des James-Bond-Schöpfers,
und der ewige Rivale Evelyn Waugh sind zu Leb-
zeiten viel erfolgreicher gewesen.

VON WIELAND FREUND

Byrons Karriere beginnt mit „Europa 1925“,
der Beschreibung einer unverdrossenen Auto-
fahrt von Grimsby nach Athen, und endet 1937
mit „Der Weg nach Oxiana“, der legendären
Schilderung seiner Reise durch Persien und Af-
ghanistan. Geschrieben hat Byron dieses letzte
Buch übrigens zu großen Teilen in Peking, dem
östlichsten und vielleicht glücklichsten Punkt
seiner Lebensfahrt, die am 26. Februar 1905 tief
im Westen, im wachsenden Londoner Vorort
Wembley, begann. Der Großvater, noch ganz vik-
torianischer Schnurrbartträger, schickte zum
feierlichen Anlass der Geburt ein paar tote Ka-
ninchen, selbst erlegt am Familiensitz Coulsdon
Manor, der heute, als würde es sich im Westen
nie anders ergeben, ein zuschanden renoviertes
Golfhotel ist.
So nahe das Missverständnis auch liegen mag
(noch ein jung verstorbener Philhellene, der ei-
gentümliche Bücher schreibt): Robert Byron
kam nicht als Nachfahre Lord Byrons zur Welt.
Die Byrons, von denen er abstammte, hatten im


  1. Jahrhundert noch Baron geheißen und sind
    niemals Barone gewesen. Zu Wohlstand hatten
    sie es durch Ehrgeiz und Heirat gebracht; aller-
    dings ging dieser Wohlstand zu Roberts Zeiten
    mit schwer erfüllbaren Ansprüchen und einigen
    Abstiegsängsten einher. Roberts Vater arbeitete
    als Ingenieur, nach Eton und Oxford konnte der
    Junge nur dank der finanziellen Hilfe des Groß-
    vaters und des unauslöschlichen Ehrgeizes sei-
    ner Mutter gehen, die lebenslang seine wichtigs-
    te Briefpartnerin blieb. Byrons „Letters home“
    sind 1991, 50 Jahre nach seinem frühen Tod er-
    schienen. Und „home“, falls Robert Byron eines
    hatte, ist keine der Londoner Wohnungen gewe-
    sen, in denen er vorübergehend Station bezog,
    sondern Savernake Lodge in Wiltshire, ein An-
    wesen, das seine Eltern 1923 gepachtet hatten
    und das die Familie „The Ruins“ nannte. Im kal-
    ten Winter 1928 etwa zog sich Byron dorthin
    zum Schreiben zurück – eine Zwischenmieterin
    war vor den Mäusen geflohen; im feuchten Salon
    saß der Frost in den Wänden. „Sobald es taut,
    wird das Haus zusammenbrechen“, schrieb By-
    ron an seine Mutter, die ihn im Gegenzug dräng-
    te, sich einen Job zu suchen.
    Daraus wurde lange nichts. „Mir wurde schon
    wieder ein schrecklicher Zeitungsartikel zuge-
    schickt“, schrieb sie ihrem Sohn, nachdem der
    als Trauzeuge bei einer öffentlich aufgeführten
    Hochzeitsparodie aufgetreten war, an der vor al-
    lem die Klatschblätter Freude hatten. „Das ist
    wirklich drittklassig & und ich kann mir gar
    nicht ausdenken, wie du dich in eine solche Sa-
    che hineinziehen lassen kannst ... Du hast einige
    Freunde von der falschen Sorte, lieber Junge, &
    ich wünschte, du würdest sie fallen lassen.“
    Doch daran kein Gedanke. In Eton und Ox-
    ffford, wo der „liebe, schlaue Rob“ kurz vorord, wo der „liebe, schlaue Rob“ kurz vor
    Schluss wegen ungebührlichen Betragens rele-
    giert worden war, hatte Byron Anschluss an jene
    bald „Bright Young People“ gerufene Gruppe ge-
    fffunden, zu deren nützlichen Erfindungen derunden, zu deren nützlichen Erfindungen der
    Partyroman zählt. Andere Bright Young People
    waren Christopher Sykes, der Byron später nach
    Persien begleitete, oder die Fotografin Joan Eyres
    Monsell, die ab 1944 Patrick Leigh Fermors Ge-
    fffährtin war und mit ihm jenes legendäre Haus amährtin war und mit ihm jenes legendäre Haus am
    Tor zur griechischen Mani baute, in dessen un-
    mittelbarer Nähe Bruce Chatwin seine „Traum-
    pfade“ schrieb. Evelyn Waugh hat dieser strah-
    lenden, klimpernden, untergangstrunkenen Lon-
    doner Subkultur mit seinem Roman „Lust und
    Laster“ („Vile Bodies“) das berühmteste Denk-
    mal gesetzt; als Figur kommt Robert Byron so-
    wohl in Henry Greens „Bright Young People“-Ro-
    man „Blindness“ als auch in „Highland Fling“
    von Nancy Mitford vor. Ihren „Christmas Pud-
    ding“ hat die klügste der schrecklichen Mitford-
    Schwestern ihm gewidmet, weil sie „Robert sim-
    ply killing“ fand. Ins Bett gegangen ist Byron
    dann allerdings mit Tom, dem einzigen Mitford-
    Bruder, was Nancy ihm lebenslang verübelt hat:
    „Diese elende Päderastie“, rief sie ihm nach, „ver-
    fffälscht alle Gefühle, & dennoch wird erwartet,älscht alle Gefühle, & dennoch wird erwartet,
    dass man ihr huldigt.“
    Dabei huldigte man der Homosexualität au-
    ßerhalb der genderfluiden Kreise, in denen sich
    Byron bewegte, keineswegs. Unmittelbar bevor
    er zu jener Reise aufbrach, die er in „Der Berg
    Athos“ beschreibt, war er zum Junggesellenab-
    schied eines Freundes eingeladen, dessen Hoch-
    zeit mit der Tochter eines Lords wenig überra-
    schend als Farce enden sollte. Mithilfe von
    zwanzig Gallonen Benzin zündeten die jungen


Männer mitten in der Nacht die Themse an.
Kehrte Byron von einer seiner zahlreichen Rei-
sen zurück, so hat es sein Biograf Robert Knox
beschrieben, wirkten die Eindrücke noch eine
Weile nach, dann jedoch fiel Byron in die alte
„Cocktail-Urbanität“ zurück, um sich schließ-
lich, bevor er wieder aufbrach, in eine gesell-
schaftliche Zeitbombe zu verwandeln. Einen be-
kannten Salonlöwen brüllte er einmal als
„schreckliches altes Überbleibsel des viktoriani-
schen Zeitalters“ an. Der Beleidigte nahm es als
Beweis für den Untergang des Abendlands – und
dürfte sich, ohne es zu ahnen, zumindest darin
mit Byron einig gewesen sein.
Nicht alle zornigen jungen Männer neigen zur
Revolution. Robert Byron ist qua Geburt ein To-
ry gewesen. Sein Unbehagen in der Kultur hatte
keine sozialen, sondern spirituelle Gründe. Im
Oktober 1928 beklagte er in Wien, Hauptstadt
des untergegangen Kakaniens, auf dessen Ring-
straße Demonstranten schon Hitler-Banner
schwangen, „die grässliche Idee modernen Le-
bens“: „keine Kontinuität – warum ist das so?“ In
Indien hoffte er auf eine Annäherung von west-
lichem Materialismus und östlicher Spiritualität,
in Russland, dessen orthodoxe Reste ihn anders
als der verhasste Katholizismus entzückten, sah
er die zivilisierte Welt zerbrechen: „Wenn der
Fünfjahresplan funktioniert“, schrieb er aus Le-
ningrad an seine Mutter, „wird die industrielle
Barbarei Wirklichkeit – Affen in Besitz von Ma-
schinen, auf brutale, wahnsinnige Weise natio-
nalistisch, voller Hass auf und gehasst von an-
dersdenkenden Menschen.“ Amerika hingegen,
das er lange als „große Gefahr für die Zivilisati-
on“ betrachtet hatte, überraschte ihn 1935 mit
Umgangsformen wie vor dem Ersten Weltkrieg –
„langweilig vielleicht, aber im Grundsatz nicht
vulgär“. Mit Begeisterung las Byron Oswald
Spengler. Natürlich war er selbst dennoch un-
rettbar modern – wer es in seinem Schreiben
nicht erkennt und in seinem Lebensstil nicht se-
hen will, betrachte seine bemerkenswerten Foto-
grafien, die zum Grafischen, manchmal fast zum
Abstrakten neigen.
Mit „Europa 1925“, seinem ersten Reisebuch,
kam der Erfolg. Byron lernte schnell, sein unste-
tes Leben mit Vorschüssen und Artikeln vom
Wegesrand zu finanzieren. Über die Art der Ma-
nuskripte, die er einreichte, herrschte zwischen
ihm und seinen Verlegern allerdings nicht im-
mer Einigkeit. Die Verleger wollten die persönli-
che Note, den garstigen Witz und die herrliche
Prosa, die „Europa 1925“ ausgezeichnet hatte;
Byron hingegen wollte außerdem Kulturtheorie
und Kunstkritik. Er war ein Pionier der noch jun-
gen Byzantinistik; er hatte nicht allein Reisebe-
schreibungen, er hatte maßgebliche Reiseführer
im Sinn und wollte sich nicht immer für das eine
und gegen das andere entscheiden. Parallel zum

„Berg Athos“ entstand ein weit ge-
lehrteres Buch mit dem Titel „The
Byzantine Achievement“, auf das
ein kunsthistorisches folgte, das
„The Birth of Western Painting“
hieß. „An Essay on India“, im Jahr
drauf erschienen, war nichts, was
Peter Fleming je geschrieben hät-
te, und „First Russia, then Tibet“
von 1933 versuchte, abwechselnd
Reisebericht und Reiseführer zu
sein, was der Verleger mit Blick
auf die Verkaufszahlen äußerst be-
dauerlich fand. Schon als Byron im
Februar 1928 das „Athos“-Manu-
skript eingereicht hatte, war man
im Verlag enttäuscht gewesen, wie
viel „schwerer Stoff“ sich darin
fand. Und vielleicht hat Byron die Leichtigkeit
von „Europa 1925“ wirklich erst wieder in „Der
Weg nach Oxiana“ erreicht.
1934 war Byron in Jerusalem, Damaskus, Bei-
rut, Bagdad, Teheran, Herat, Ghom, Isfahan,
Gorgan, Masar-i-Scharif, Kabul und Peshawar,
hatte mittlerweile 600 Pfund Schulden, und sein
Buch „First Russia, then Tibet“, zwischenzeit-
lich erschienen, hatte sich rund 800-mal ver-
kauft.
Im Jahr darauf war er wieder rastlos auf Rei-
sen, im November 1935 traf er in Peking ein, we-
niger der Kulturschätze wegen (Architektur im
eigentlichen Sinn, urteilte Byron, gebe es dort
nicht), sondern um Desmond Parsons zu treffen,
seine große, unerfüllte Liebe, einen schönen und
einigermaßen erratischen jungen Mann, der,
wenn er nicht gerade aus einer Eingebung heraus
in Peking residierte, eine Burg in Irland sein Zu-
hause nannte. Doch Parsons erkrankte an Mor-
bus Hogdkin und musste zur Behandlung in die
Schweiz, Byron blieb allein zurück, um in dem
großen Haus in Peking an „Der Weg nach Oxia-
na“ zu arbeiten. Er wusste, wie gut das Buch war
(„das Beste, was ich geschrieben habe“), und
doch kehrte er als gebrochener Mann nach Eng-
land zurück. Desmond Parsons starb im Juli 1937
in der Schweiz, und „The Ruins“ waren bald Ge-
schichte: Die Byrons wurde das Gemäuer endlich
los. Im Frühjahr 1938 schrieb Byron an seine
Mutter: „In gewisser Weise, schätze ich, ist das
Haus ein Symbol für das, was vorbei ist, oder
vielmehr dafür, dass es vorbei ist: das Reisen, das
Jagen ... sogar das Schreiben, genau genommen
meine Jugend & Unabhängigkeit.“
Zum ersten Mal, seit er sich in Indien hatte
zzzwischenfinanzieren müssen, suchte sich Byronwischenfinanzieren müssen, suchte sich Byron
einen richtigen Job und heuerte bei der Anglo-
Iranian Oil Company an, aus der später British
Petroleum wurde. Vor allem aber wurde Robert
Byron politisch. Seit er zu seiner Grand Tour
durch Europa aufgebrochen war, hatte er den
AAAufstieg des Faschismus erlebt, bereits 1925 hatteufstieg des Faschismus erlebt, bereits 1925 hatte
er ihn in Bologna als „eine Art Boy-Scout-Re-
gime“ beschrieben: „Italien ist nicht so sehr Op-
fffer einer Diktatur, sondern einer Ochlokratie, derer einer Diktatur, sondern einer Ochlokratie, der
Herrschaft eines bewaffneten Pöbels.“ In Tehe-
ran hatte er ein knappes Jahrzehnt später einen
NS-Propagandafilm gesehen: „Hitler, Goebbels
und die anderen brüllten dauernd“, schrieb er,
„ich war froh, kein Deutscher zu sein.“ Bei aller
AAAbneigung aber hatte er die Nazi-Sympathisan-bneigung aber hatte er die Nazi-Sympathisan-
ten unter den Mitfords ausgehalten, die glühende
Hitler-Verehrerin Unity ebenso wie Diana, die
Gattin des britischen Faschistenführers, oder
Bruder Tom, der 1945 in Burma fiel, weil er nicht
gegen die Deutschen kämpfen wollte. Im Hafen
von Triest hatte Byron 1933 „jüdische Flüchtlinge
aus Deutschland“ sich nach Palästina einschiffen
sehen und in ausgestellter Herzlosigkeit vor al-
lem über ihren Aufzug gerichtet. Nun allerdings

sah er „Zivilisation“ und „Freiheit“ in Gefahr und
„„„Tyrannei“ und „Obskurantismus“ siegen: „WirTyrannei“ und „Obskurantismus“ siegen: „Wir
alle müssen kämpfen“, schrieb er.
Byron sprach beim britischen „War Office“
vor, bot seine Dienste als Propagandist an und
nutzte seine Kontakte zu den Mitfords, um 1938
als Ehrengast zum Nürnberger Parteitag zu rei-
sen. „Ich will den Feind mit eigenen Augen se-
hen“, erklärte er Christopher Sykes, „und ein
bisschen Kriegshetze betreiben.“ Sein Aufent-
halt in Nürnberg wirkt in der Rückschau ziem-
lich surreal – vom Gefühl des Todes, das ihn bei
der Parteitagseröffnung beschlich (er sah „ein
Volk, verdammt auf Erden und im Himmel“), bis
zu jener, von ihm selbst in typischer Manier ge-
schilderten Szene, als er sich auf einem der bes-
ten Plätze des Parteitagtheaters in Ermangelung
eines Huts zum Hitlergruß entschloss und plötz-
lich Hitler um die Ecke bog: „Meine Finger wur-
den vom Führer beinahe abgebissen, und halb
zog ich den Arm zurück, wobei ich eine Haltung
grotesker Schlaffheit annahm.“ Über Hitlers Re-
de schrieb er: „Während seine Wut wuchs und
sein Haar in Unordnung geriet, erreichte der
Albtraum der ganzen Woche seinen Höhepunkt
... es wurde einem schließlich klar, dass dies ein
Albtraum war, aus dem man womöglich nicht
mehr erwachen würde.“
Zurück in London schrieb Byron einen Be-
richt, der sich gegen jegliche Form des Appease-
ments wandte; die Deutschen sollten gewarnt
sein. Das Münchener Abkommen hielt er für eine
Katastrophe und der Besuch einer antisemiti-
schen Berliner Ausstellung bestärkte ihn darin,
dass man gegen die Nationalsozialisten nur
Krieg führen könne: „auf der Welt ist kein Platz
für sie & einen selbst.“ Nancy Mitford („Schade,
dass du so rot bist“) lud ihn nun nicht mehr zu
ihren Partys ein; „die Nachkriegsdekadenz“, er-
klärte Byron grimmig, „sollte diesmal noch bes-
ser werden als beim letzten Mal.“
Im Dezember 1940 wurde beschlossen, ihn in
den Nahen Osten zu schicken, offiziell als
Kriegskorrespondent der „Sunday Times“, inof-
fiziell, um ein Auge auf die russischen Aktivitä-
ten in der Region zu haben. Byron schiffte sich
am 21. Februar 1941 in Liverpool ein, einer von
nur elf Passagieren auf dem Frachtdampfer „Jo-
nathan Holt“. Bereits am 22. Februar wurde der
Geleitzug bombardiert, am 24. wurde die „Jona-
than Holt“ von einem deutschen U-Boot getrof-
fen, geriet in Brand und sank in einer Wolke aus
Wasserdampf und Feuerrauch. Drei Menschen
konnten gerettet werden. Robert Byron starb
südwestlich der Färöer-Inseln.

Der Text ist das gekürzte Nachwort zu
Robert Byrons Buch „Der Berg Athos“.
Es erscheint in der „Anderen Bibliothek“ zum
ersten Mal auf Deutsch (aus dem Englischen
von Niklas Hoffmann-Walbeck, 407 S., 44 €).

Robert Byron und sein Begleiter
Desmond Parsons; Mönch im russisch-
orthodoxen Kloster Rossikon und
Moni Simonos Petras auf Athos (v.l.)

Er bereiste die Welt


vom Berg Athos bis nach


Afghanistan, ließ sich


von Hitler fast die Zähne


ausschlagen und erfand


die Reiseliteratur neu.


Über das kurze Leben


des Robert Byron


Ästhet auf


Abwegen


Ästhet auf


Abwegen


Ästhet auf


ROBERT BYRON PAPERS/ BEINECKE RARE BOOK & MANUSCRIPT LIBRARY DER YALE UNIVERSITY (3)

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