Die Welt - 14.03.2020

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14.03.20 Samstag,14.März2020DWBE-HP


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14.03.2014.03.2014.03.20/1/1/1/1/For2/For2 PKRUEGE1 5% 25% 50% 75% 95%

DIE WELT SAMSTAG,14.MÄRZ2020* FORUM 3


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B


is vor Kurzem forderten Zehn-
tausende „Fridays for Future“-
Anhänger, dass sich die Älteren

tausende „Fridays for Future“-
Anhänger, dass sich die Älteren

tausende „Fridays for Future“-

einschränken sollen. Sie sollen ver-
zichten, damit das Klima geschützt
wird und junge Menschen wie ich in
Zukunft noch gut leben können. Das
sind hohe Ansprüche an all die Men-
schen, die ihr ganzes Leben hart ge-
arbeitet haben – und nun doch, bitte
schön, Verzicht üben sollen.
Nun ist die Corona-Krise da – und
eine ganze Generation kann beweisen,
dass auch sie bereit ist zu verzichten,
um die Alten und Schwachen, und
damit die ganze Gesellschaft, zu schüt-
zen. Die Krise stellt ein ganzes Land
vor extreme Herausforderungen.
Schon jetzt ist klar, dass das öffent-
liche Leben zum Erliegen kommen
wird. Für viele junge Deutsche ist das
eine Situation, die noch vor wenigen
Wochen unvorstellbar gewesen ist. Die
noch nie da war.
Wir sind in einer Welt der unbe-
grenzten Möglichkeiten aufgewachsen.
Wir konnten immer und überall hin-

reisen, treffen, wen wir wollten, und
hatten in unserem Alltag de facto kei-
ne Einschränkungen. Viele unserer
Großeltern haben andere Zeiten er-
lebt. Und auch unsere Eltern sind
teilweise hinter Mauern aufgewachsen.
Das Corona-Viruswird junge Men-
schen – nach aktuellem Kenntnisstand


  • zumindest gesundheitlich nicht nach-
    haltig schädigen. Ohne Vorerkrankung
    dürften wir die Krankheit gut weg-
    stecken. Viele von uns werden das
    Virus körperlich wahrscheinlich gar
    nicht bemerken. Wir könnten also
    weitermachen wie bisher. Doch gerade
    jetzt müssen wir Verantwortung über-
    nehmen – und dürfen nicht als Ver-
    breiter des Virus fungieren. Das tun wir
    einerseits durch Verzicht. Kinos, Bars,
    Clubs oder Fitnessstudios sind tabu.
    Noch wichtiger aber ist: Wir soll-
    ten unseren älteren Mitmenschen
    helfen. Wer einkaufengeht, kann
    seine Nachbarn fragen, was sie brau-
    chen. Wichtige Gänge zur Apotheke
    sollten wir übernehmen. Es ist an der
    Zeit zu zeigen, dass auch wir bereit
    sind, Opfer zu bringen. Dass wir soli-
    darisch sind. Es wird die Generatio-
    nen in Deutschland wieder mehr
    zusammenschweißen. Das hilft dem
    ganzen Land – auch wenn die Krise
    überstanden ist.


Jugend muss Größe beweisen


MORITZ SEYFFARTH

[email protected]

D


ie Leere zeigt die Angst. In der Gro-
ßen Moschee von Mekka breitet sich
der Marmorboden weit und weiß um
den schwarzen Würfel der Kaaba, den
jetzt nur noch selten ein Gläubiger
umrundet. Wegen der Ansteckungsgefahr durch das
Coronavirus hat das Königreich Saudi-Arabien die
Omrah ausgesetzt, die ganzjährige kleine Pilger-
fahrt, und niemand weiß, ob die große Hadsch im
Sommer stattfinden kann.
Wie jedes Unglück im Nahen Osten wird auch
die Pandemie als politische Waffe gebraucht: Mo-
hammed Saidi, schiitischer Freitagsprediger der
iranischen Stadt Qom, erklärte, US-Präsident
Donald Trump habe das Virus geschickt, um die
Gläubigen vom Besuch der Heiligen Stätten ab-
zuhalten. Und die saudische Journalistin Nura
al-Motiari schrieb auf Twitter, Irans Verbündeter
Katar verbreite Corona absichtlich in der Region,
um die Interessen des Königreichs und seiner
sunnitischen Verbündeten zu beschädigen. Doch
in Wahrheit zeigt das Virus vor allem, wie stark
der Nahe Osten vernetzt und verflochten ist. Von
der Aussetzung der Omrah sind auch iranische
Schiiten betroffen, die wie die Sunniten nach Mek-
ka pilgern; und den Anstoß für die Suspendierung
gaben zwei Erkrankungen saudischer Staatsbür-
ger, die von Reisen in den verfeindeten Iran zu-
rückgekehrt waren. Für alle Staaten im Einzelnen
und für die Region im Ganzen wird Corona eine
existenzielle Herausforderung. Und wie in ande-
ren Fällen ist der Nahe Osten ein Labor der Ka-
tastrophen, aus dessen Erfahrungen andere ihre
Schlüsse ziehen können.
Zunächst scheinen die Gefahren durch Corona
im Nahen Osten ziemlich speziell. Und vor allem
ziemlich dramatisch. In keiner Gegend der Welt
trifft das Virus auf so viele bewaffnete Konflikte. In
Syrien, dem Jemen, dem Irak und Libyen wird ge-
kämpft. In keiner Weltgegend sind dadurch so viele
Menschen heimatlos geworden und haben damit
auch die Einbindung in ein reguläres Gesundheits-
system verloren. Sie müssen – wie Hunderttausen-
de Syrer in Jordanien – die Ausbreitung einer wo-
möglich tödlichen Atemwegsinfektion in Zelten
überstehen; oder sie leben außerhalb von Lagern
mitten unter der Bevölkerung und dennoch mit nur
mangelhaftem Schutz, wie im Libanon oder in
Ägypten. Zusätzlich sind viele dieser Menschen in
Bewegung, passieren Grenzen, ohne registriert zu
werden. In den Golfstaaten wiederum ist der wirt-
schaftliche Alltag nicht denkbar ohne die Gast-
arbeiter, die in ständigem Verkehr aus Pakistan,
Indien, Südostasien ein- und ausreisen, eng ge-
drängt in Flugzeugen, Bussen, Unterkünften. Sol-
che Umstände erleichtern die Ausbreitung erheb-
lich und sind mit allen Mitteln der Eindämmung
höchstens teilweise zu beheben.

Im Iran ist das Virus eine zusätzliche Gefahr für
ein ohnehin schon bedrohtes Herrschaftssystem.
Vor Kurzem erlebte das Land die schwersten Pro-
teste seit 1979. Dabei rebellierte die Bevölkerung
einerseits gegen die Not infolge der internationalen
Sanktionen wegen des Atomstreits, andererseits
gegen eine Führung, die ihre Bürger seit Jahrzehn-
ten belügt, isoliert und in ihren Grundrechten
einschränkt. All diese Gegensätze werden schlim-
mer durch das Virus. Denn zunächst wurde Corona
von den Herrschenden als Propagandalüge, dann
als Waffe des Westens abgetan und wird nun zum
Teil unter Einsatz von Soldaten bekämpft. Dass
sich die Krankheit im Iran so ausbreiten konnte,
liegt auch daran, dass das Gesundheitswesen durch
die Sanktionen im Zuge des Atomstreits extrem
angegriffen ist. Und dass die Regierung die heiligen
Stätten von Qom nicht schließt, wo zahllose Men-
schen jeden Tag dicht an dicht dieselben Schreine
besuchen und berühren, lässt sich nur mit der zen-
tralen Rolle der Religion im System des Iran er-
klären. In all diesen Punkten enthüllt die Corona-
Krise die grundlegenden Schwächen des Kleriker-
staates und der Politik seiner Führung. Wenn die

Krankenzahlen zurückgehen und die Angst der Wut
weicht, könnte es durchaus sein, dass die Krise im
Iran erneut die Systemfrage stellt. Aber genau das
ist ein globales Phänomen.
In der Einleitung zu seinem Buch „Herrschaft
über Syrien“ beschreibt der Orientalist Daniel
Gerlach eine Grunderfahrung, die am Beginn des
sogenannten arabischen Frühlings ab 2011 stand –
nicht der Protest gegen Staaten, sondern eine
Sehnsucht nach ihnen unter den Bevölkerungen.
Eine Sehnsucht nach dem Staat im eigentlichen
Sinn: als Bereitsteller öffentlicher Güter, der ge-
meinsame Ressourcen ebenso unparteiisch ver-
waltet wie Sanktionen zur Wahrung der öffent-
lichen Ordnung. In diesem Sinne, so Gerlach, war
der Staat in vielen Ländern der Region schon längst
abgestorben, ausgesaugt und erdrosselt von den
parasitären Strukturen, die ihn überwuchert hatten


  • Clans, Religionsgruppen, militärischen Juntas,
    Staatsparteien. Diese Strukturen gibt es so nicht
    überall auf der Welt. Aber die Grundfrage an die
    Leistungsfähigkeit und die Moralität von Staatlich-
    keit ist global. Es ist eine der Schicksalsfragen un-
    serer Zeit, und sie entscheidet sich in Krisen.
    Dass ausgerechnet der Nahe Osten und Nord-
    afrika damals Feuer fingen, mag daran liegen, dass
    dort Bedrohungen und Reichtümer gleichermaßen
    in Extremen vorhanden sind. Doch während die
    Glut von damals in vielen arabischen Ländern noch
    immer schwelt, brechen Proteste in allen Erdteilen
    aus. In Hongkong wie in Lateinamerika wie in
    Frankreich wie in Ostafrika, wo ähnlich dem Liba-
    non unter anderem für die Freiheit und Steuer-
    freiheit des Internet demonstriert wird. Fast überall
    geht es in unterschiedlichen Abstufungen sowohl
    um individuelle Freiheiten und Rechte als auch um
    öffentliche Güter – weil das eine jeweils nicht ohne
    das andere zu haben und zu heilen ist. Das ist eine
    Grundbedingung menschlicher Gesellschaften. Die
    heutige globale Unruhe wird dadurch verstärkt,
    dass wir digitaler kommunizieren und umfassender
    reisen. Aber ihre Ursachen hat sie darin, dass unse-
    re individuellen Ansprüche gewachsen sind, dass die
    Ressourcen weniger geworden sind und wir alle
    mehr. Kurz: in den Herausforderungen, die heute
    andere sind als im 19. Jahrhundert, wo man Na-
    tionalstaaten herbeifantasierte und erkämpfte.
    Eine Seuche wie Corona ist der klassische Fall
    einer solchen Herausforderung. Zum einen im
    Weltmaßstab, weil sie ohne den globalen Verkehr
    von Menschen und Waren nie zur Pandemie gewor-
    den wäre; weil sie nicht zu bekämpfen ist ohne
    internationale Zusammenarbeit einerseits und
    Isolation andererseits. Und zum anderen in den
    einzelnen Staaten, weil sie Grundfragen der Vertei-
    lung und der Moralität auf sehr konkrete Weise
    stellt: Exportieren wir unsere Mundschutze? Wem
    verbieten wir die Einreise? Wer bekommt ein Bett
    auf der Intensivstation? Wer nicht?
    Weil die Lage so angespannt ist, bleibt kaum
    mehr Abstand zwischen der Effektivität einer Lö-
    sung und ihrer moralischen Berechtigung. Genau
    darum stellt auch Corona Systemfragen – im Iran
    die nach dem Herrschaftsanspruch der Geistlichen,
    in Deutschland jene nach der Zweckmäßigkeit des
    Föderalismus. Ob der Staat die Lösung für diese
    Herausforderungen ist oder eine ihrer Ursachen,
    ist eine Antwort, die wir vielleicht später finden,
    wenn wir sie suchen. Aber zunächst ist der Staat
    der Raum, in dem solche Fragen gestellt werden
    können. Dafür kann Corona auch eine Chance sein.
    [email protected]


Labor der


Katastrophen


Nirgendwo könnte das


Coronavirus derart


verheerende Folgen haben


wie im Nahen Osten. Doch


aus der Systemfrage, die


das Virus dort stellt,


können wir


Schlussfolgerungen für


uns selbst ziehen


Nirgends trifft das Virus auf so viele bewaffnete


Konflikte, sind so viele Menschen heimatlos


LEITARTIKEL


ǑǑ


DANIEL-DYLAN BÖHMER

ASAAAtDktienindex (Dax) rutschte zum ersten Mal seitommer 2016 unter die Marke von 10.000 Punk-ktienindex (Dax) rutschte zum ersten Mal seiten. Auch an anderen Handelsplätzen ging esen. Auch an anderen Handelsplätzen ging esie Coronavirus-Pandemie undThtdalfahrt geschickt. Der Deutscheat die Aktienmärkte erneut aufe Einreisestopp für Europäerer damit von den USA verhäng-
AAALLAtief abwärts – unter Druck geriet vor allem dieuftfahrtbranche. So verlor etwa die Lufthansa-ktie zeitweilig knapp zwölf Prozent.ief abwärts – unter Druck geriet vor allem diektie zeitweilig knapp zwölf Prozent.
Die Europäische Zentralbank (EZB) konnteVON ANJA ETTEL, MARCUS HEITHECKER UND HOLGER ZSCHÄPITZ
dPPRR–ie Investoren nicht beruhigen. Während derressekonferenz nach der Zinssitzung des EZB-ates stürzte der Dax zusätzliche 300 Zähler abam Ende ging es mehr als zwölf Prozent hinab
aLbgab. Sie verwechselte Zahlen und sorgte mitlag auch daran, dass EZB-Präsidentin Christineag auch daran, dass EZB-Präsidentin ChristineLabgab. Sie verwechselte Zahlen und sorgte mitabgab. Sie verwechselte Zahlen und sorgte mitaagarde als Krisenmanagerin keine gute Figuruf einen Schlussstand von 9161 Punkten. Dasuf einen Schlussstand von 9161 Punkten. Das
hnnhhen für zusätzliche Verwirrung. „Wir sind nichtimieren“, sagte Lagarde. Dafür seien andereeier, um die Risikoaufschläge für Italien zu mi-iner Aussage zu den italienischen Staatsanlei-hiner Aussage zu den italienischen Staatsanlei-
e Zinsen und damit höhere Finanzierungskos-ve Zinsen und damit höhere Finanzierungskos-RRrzuständig. Der Fauxpas sorgte dafür, dass dieon 1,3 auf 1,9 Prozent in die Höhe schoss. Höhe-on 1,3 auf 1,9 Prozent in die Höhe schoss. Höhe-endite italienischer Staatsanleihen kurzzeitiguständig. Der Fauxpas sorgte dafür, dass die
en sind für ein Land wie Italien angesichts derxtrem angespannten Lage geradezu Gift. en sind für ein Land wie Italien angesichts derextrem angespannten Lage geradezu Gift. tert darüber gezeigt, dass die EZB anders als diegert darüber gezeigt, dass die EZB anders als dieZuvor hatten sich die Finanzmärkte verär-
UUnnS-Notenbank und die Bank of England auf ei-e Zinssenkung verzichtet. Stattdessen wollen

wtDSchengenraum aufgehalten haben. Wirksamird das Präsidialdekret in der Nacht von Frei-ag auf Samstag ab 4.59 Uhr MEZ. Passagiere,eutschland oder einem anderen Land im
dneeren Flug vorher startet, dürfen demnachoch einreisen.Dinseitig und ohne Abstimmung mit den Euro-ie EU missbilligte das Einreiseverbot. Es sei
ponspräsidentin Ursula von der Leyen und Rats-präsident Charles Michel. Der LuftfahrtverbandAirlines for Europe forderte Unterstützung: „Esäern getroffen worden, erklärten Kommissi-
Alhwird die europäischen Airlines Zeit und harterbeit kosten, sich von dem Schaden zu erho-en, den der Ausbruch von Covid-19 verursachtat.“ Zusätzliche Belastungen zum Klimaschutz
sgaußerordentlicher Umstand in die Fluggast-rechte-Verordnung aufgenommen werden, da-ollten verschoben werden. Die Airlines verlan-en auch, die Coronavirus-Pandemie müsse als
mmden.als ein mit dem Coronavirus infizierterit keine Entschädigungszahlungen fällig wer-In Baden-Württemberg ist unterdessen erst-
MJtmensch gestorben. Es handle sich um einen 67ahre alten Mann aus dem Rems-Murr-Kreis,eilte das Gesundheitsministerium in Stuttgartit. Sein Leichnam sei positiv getestet worden
ei, nachdem auch seine drei Jahre ältere Ehe-ffrau am Coronavirus erkrankt war. Auch in Bay-frau am Coronavirus erkrankt war. Auch in Bay-sern ist erstmals ein Corona-Patient gestorben.Es ist der bislang fünfte Todesfall in Deutsch-l
Mdddand. Insgesamt sind hierzulande mehr als 1500en Krankenzahlen gerechnet. Experten gehenavon aus, das sich zwischen 60 und 70 Prozenter Menschen infizieren werden, solange es kei-enschen infiziert. Es wird mit weiter steigen-

Einreiseverbot
der USA löst
Panik an der
DBie Corona-Krise lässt die Aktienkurse erneutörse aus
aZbstürzen. Die Maßnahmen der Europäischenentralbank können die Investoren nicht beruhigen

Zugang zum Mount Everestgesperrt. Wissenschaftler sindnicht sicher, ob sich Berge beiChina verbietet nach wievor alle Großveranstal-tungen, deshalb ist der
infizierten Alpinisten anste-cken können. Der Mount Eve-rest gehört durch sein fort-geschrittenes Alter aber ein-
deutig zur Risikogruppe undlitt in diesem Winter bereitsan diversen Lawinenabgängen,Vorerkrankungen sind also
diagnostiziert. Aufatmen da-gegen bei Millionen Haustier-besitzern, Hunde können dasVirus nicht übertragen. Die
Tiere dürfen unbesorgt zumEinkaufen geschickt werden,falls ihre Besitzer wegen Qua-rantäne die Wohnung nicht
den Politikern profitieren,denn der Bundestag könnteverlassen dürfen. Davon wür-den auch die Tierhalter unter
bald geschlossen werden. Dasist ohne große Probleme mög-lich, die Abgeordneten müss-ten dann von zu Hause aus
arbeiten, wie es die Kanzlerinseit Jahren ohne jede Quali-tätseinbußen oder Demokra-tiedefizite tut. Damit lieb ge-
wonnene Rituale wie der Ham-melsprung weiter stattfindenkönnen, dürfen sich die Par-lamentarier auch von Hunden
vertreten lassen.

Zippert zappt

tion Reporter ohne Grenzendie Behörden im Tschad erneutNMartin Inouaach dem Beginn desBerufungsverfahrens imFall des Journalistenhat die Organisa-
dazu aufgefordert, Inoua frei-zulassen. Aus Protest gegenseine Haftbedingungen und dieUmstände seiner Verhaftung
war der Journalist noch vordem ersten Verhandlungs-termin in einen Hungerstreikgetreten.
seit August dieses Jahres inHaft. Ursprünglich war er we-gen des Vorwurfs der „Ver-Inoua befindet sich bereits
leumdung“ festgenommenworden. Hintergrund war seineBerichterstattung über einenMissbrauchsskandal, in dem die
na, verdächtigt wurde, ihreNichte sexuell misshandelt zuehemalige Gesundheitsministe-rin des Landes, Toupta Bogue-
haben. Arnaud Froger, Chef desAfrika-Büros von Reporterohne Grenzen, kritisierte dieVerurteilung des Journalisten
schon damals scharf. Es seikaum zu übersehen, dass essich bei der Inhaftierung Inou-as vor allem um „eine Ver-
nen regierungskritischen Jour-nalisten“ handele.geltungsmaßnahme gegen ei-Auf der Rangliste der Presse-

#tahemllFree
MARTIN INOUA

KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9358537 FREITAG,13.MÄRZ
*D2,80EUROBNr. 62

er deutschen Mentalität: die melan-Sden auseinandertreibenden Kräftedatz klammert die bei-IDwn der Gefahr er-ieser Hölderlin-ächst das Rettende.
etBcholisch-nostalgische Sorge auf derinen Seite und die fast unreflektier-e Zuversicht auf der anderen Seite.eides ist in der deutschen Kultur
ddHdersacher, liebte Hölderlins prophe-rin: der Fortschrittssog von Hegel,er Kulturpessimismus von Spengler.eidegger, der große Moderne-Wi-
mtischen Satz. Denn hinter aller Poesielauert eine vernünftige Annahme: InKrisensituationen gibt es nicht nurögliche Katastrophen, sondern
ajrtrott zerrissen. Die Menschen ändernuch Chancen zur Bewährung und –a – auf Weiterentwicklung. Das Co-onavirus hat schockhaft den Alltags-
ihr Leben, nicht nur dort, wo sie esmeigenverantwortlich neu gestalten.üssen, sondern auch dort, wo sie esDie Unternehmen treffen drasti-
Mddsche Entscheidungen im Dienste derer wir alle leben. Auch die WELT,ie Sie in den Händen halten, ist initarbeiter und der Gesellschaft, in
esgin einem vollkommen neuen Work-inem fast leeren Newsroom ent-tanden – mit Dutzenden von Kolle-en, die im Homeoffice arbeiten, und
ren kann und dass in der Herausfor-flow. Wir erfinden unsere Art zu pro-fduzieren neu: Wir lernen, dass manVideokonferenzen problemlos füh-flow. Wir erfinden unsere Art zu pro-
dgdderung die Bereitschaft wächst, Din-e ganz anders anzugehen. Dass unsas Virus nicht lähmt, sondern erfin-erisch und noch solidarischer
mWden sich soziale Gefüge, Vereine, Un-acht. Wir helfen einander mehr.ir denken mehr in Teams. Überall in der Gesellschaft erfin-
wsternehmen, Parteien neu. Die Wuchtdes Virus wirkt brutal, die Gegen-ehr pragmatischer Vernunft kannich nur bescheidene Ziele setzen:
ZMEMeit gewinnen, Panik verhindern,enschen dabei helfen, vernünftigentscheidungen zu treffen. Angelaerkel und Jens Spahn hatten dabei
am Mittwoch einen guten Ton ge-troffen, andere schafften das nicht,wBürgermeister, der es fertigbrachte,ie Berlins eigentlich Regierender
eafffan Verantwortungssinn zu unterlau-en. Der etwas reaktionäre Ruf nachinem starken Mann oder der hartenuch in dieser Krise ein Mindestmaßen. Der etwas reaktionäre Ruf nach
zlich, aber nicht hilfreich. Liberalitätuspruch zu entschiedenem Handelnentralisierten Hand sind verständ-nd Subsidiarität sind kein Wider-
Lund mutiger Entscheidung. Geradein der Krise beweist sich die innereiberalität und Zivilität.Natürlich wird die Corona-Krise
aRrzuch instrumentalisiert. Die rechtenänder pflegen Verschwörungstheo-ien und sehnen sich nach einer Welturück, in der Viren noch an den EU-
önnten. Die linken und grünen Rän-tAdAAex-Soldaten abgewehrt werdenker (seit der Wahl von Bodo Rame-ußengrenzen von wütenden Fron-ußengrenzen von wütenden Fron-

einem antipopulistischen BeruhigerstDhat sich mit einer eben-o sachlichen wie empa-hischen Volksnähe zuer 48-jährige Virologe
uubtgnd Beschwichtiger gemacht, wo esm Panik ging – und zu einem Antrei-er im funktionalsten Sinne, wo poli-isch versucht wurde, Entscheidun-
vgigkeit, wenn er (wie für FFF) Akti-vist sein will und seine Forschung ei-nem politischen Ziel unterordnet.en auszusitzen. Ein Wissenschaftlererrät seine intellektuelle Unabhän-
AACsAchaftlicher Sachverstand nur dannlexander Kekulé und Jonas Schmidt-Phanasit verdeutlichen, dass wissen-rofessoren wie Drosten, aber auchlexander Kekulé und Jonas Schmidt-
pwSbolitisch zielführend wirken kann,enn er sich eben nicht ins politischeprachspiel verirrt. Die Mediziner ha-en als Mediziner ihre ethische Un-
ebestechlichkeit im Sinne des antikenhippokratischen Eides und des mo-derneren Genfer Gelöbnisses weiter-ntwickelt. Sie beeindrucken mit ih-
rIZer Souveränität.talien an wirklich katastrophalenuständen und dramatischen Szena-Gelingt es Deutschland, anders als
rien vorbeizukommen, hätte dasLwrüttung ein Signal, dass man gemein-and Bemerkenswertes geleistet. Esäre in Zeiten gesellschaftlicher Zer-
essam – in aller individuellen Schattie-rung – Katastrophen verhindern oderindämmen kann. Die meisten Men-chen sehnen sich nach anderen
MBenschen. Beim Fußballgucken zumeispiel. Da versammeln sich die

Fmokans auch vor dem Stadion, um ge-einsam ihrem Team zuzujubeln,bwohl das gefährlicher Quatsch seinann. Wie sozial der Mensch ist, wird
ich bringt.Nsdähe bleibt, obwohl sie Gefahren miteutlich, wenn diese Sehnsucht nachAAAuch die Volkswirtschaft hängt da-uch die Volkswirtschaft hängt da-
VVVNrewsroom der WELT brandet sonstterkehrslärm, und das hektischeümlich leer. Rund um denerkehrslärm, und das hektischean. Die Straßen Berlins sind eigen-
Tznjunktur werden gravierend sein. Je-reiben einer Millionenmetropole istu spüren. Jetzt ist alles entschleu-igt. Die Schleifspuren in der Kon-
des zweite Unternehmen spürt nachUdie Folgen der Pandemie. Die Bun-dmfragen des Ifo-Instituts bereits

Augenmaß und Zuversicht:KOMMENTAR
Deutschland lerntULF
POSCHARDT

MEDIZINER ZEIGEN,WIE EIN GUTERUNAUFGEREGTE
DISKURSFUNKTIONIERT


Ihre Post an:
DIE WELT, Brieffach 2410, 10888 Berlin,
Fax: (030) 2591-71606, E-Mail: [email protected]
Leserbriefe geben die Meinung unserer Leser
wieder, nicht die der Redaktion. Wir freuen
uns über jede Zuschrift, müssen uns aber das
Recht der Kürzung vorbehalten. Aufgrund der
sehr großen Zahl von Leserbriefen, die bei
uns eingehen, sind wir leider nicht in der Lage,
jede einzelne Zuschrift zu beantworten.

eigenes Süppchen. Anstatt hier Staats-
recht über Landesrecht anzuwenden,
bleibt es leider dabei, dass jeder ma-
chen kann, was er will. Was aber bei
dieser Coronavirus-Epidemie richtig
ans Tageslicht kommt, ist die Tatsache,
wie abhängig wir von Indien und China
bei der Medikamentenversorgung wer-
den können. Die Pharmaindustrie lässt
dort zu Dumpingpreisen produzieren,
um ihren Gewinn zu maximieren. In
Apotheken werden, je länger sich diese
Epidemie hinzieht, notwendige Medi-
kamente kaum oder gar nicht mehr zu
bekommen sein. Das hat fatale Folgen
für manche Patienten, die dauerhaft
auf Medikamente angewiesen sind.
GERHARD NÖTHER, WELT-COMMUNITY

Als Dauerkritiker von Merkel muss ich
sagen, dass sie dieses Mal das Richtige
gesagt hat. Aus ihrer Position heraus

Ratgeberin Angst


Zu: „Lob der Angst“ vom 11. März

Als Rentner mit Vorerkrankung gehöre
ich zwar zur größten Risikogruppe,
aber ich kann mich als solcher auch
besser schützen als Berufstätige. Ich
muss nicht mehr U-Bahn fahren, ich
muss nicht am Samstag einkaufen,
wenn die Läden voll sind, und schon
gar nicht acht Stunden in einem Büro
sitzen. Wenn alle Stricke reißen, dann
könnten wir auch wochenlang zu Hau-
se bleiben, Vorräte haben wir genug.
ALBERT WEINSTEIN, WELT-COMMUNITY

Angst zu haben ist nichts Verwerfliches.
Entscheidend ist – wie immer im Leben


  • , was man daraus macht. Wenn die
    Angst dazu führt, vorsichtiger zu sein,
    mehr zu überlegen und besonnener zu


handeln, dann ist das ein positiver Ef-
fffekt. Wenn die Angst zu Panik und un-ekt. Wenn die Angst zu Panik und un-
üüüberlegten Schnellschüssen führt, dannberlegten Schnellschüssen führt, dann
ist das kein positiver Effekt. Darf man
sich wirklich darüber wundern, dass die
Leute in Deutschland dieser Tage eher
schnell in Panik geraten? Genau das ist
seit Längerem die Strategie, die gefahren
wird, wenn politische Entscheidungen
durchgedrückt werden sollen. Sei es der
AAAusstieg aus der Kernenergie oder dasusstieg aus der Kernenergie oder das
Klimapaket – immerzu wird die Angst
vor der Zerstörung der Welt und der
VVVernichtung des Lebens beschworen.ernichtung des Lebens beschworen.
SUSANNE KALKBRENNER, WELT-COMMUNITY

Das Problem ist, dass unser Gesundheits-
minister, anstatt vorsorglich zu handeln,
vor einigen Wochen lieber bei Markus
Lanz einen Experten verspottete, der die
aaaktuelle Entwicklung exakt vorhersagte.ktuelle Entwicklung exakt vorhersagte.
BIANCA KUSS, WELT-COMMUNITY

LESERBRIEFE


kann sie nur die rechtlichen Möglich-
keiten des Gesundheitsministeriums
und die Darstellungen der Virologen
und Ärzte beurteilen, ohne eine All-
roundlösung anbieten zu können.
Wenn auf hoher See ein Orkan auf-
kommt, kann man alles Mögliche be-
rechnen und das Sicherheitsprogramm
durchlaufen lassen, aber welchen
Schaden das Schiff nimmt, ist nicht
berechenbar. Ebenso wie der Schaden
durch das Virus. Der Unterschied
besteht darin, dass auf See die Men-
schen angemessen reagieren, auf Land
fühlen sie sich vermeintlich sicher und
gesund. Das ist ein Trugschluss. In
den kommenden Wochen wird sich
zeigen, ob Einzelne ihren Egoismus
der Mitverantwortung unterordnen
können oder nicht. Staatlich befehlen
lässt sich das nicht.
WOLFRAM KANTHER, WELT-COMMUNITY

Merkels Rolle


Zu: „Merkels politisch gefährlichster
Satz“ vom 12. März

Die Finanzkrise 2008 hat die Regierung
Merkel besser bewältigt bekommen als
jede andere westliche Regierung. Die
damaligen Maßnahmen sind jetzt die
Blaupause für ein gelungenes Krisenma-
nagement. Auch damals ist die Bundes-
kanzlerin nicht mit aufgeregten Stellung-
nahmen aufgefallen. Solange die Situati-
on bei einem großen Teil der Bevölke-
rung noch immer nicht ernst genommen
wird, ist effektives Handeln schwierig.
EBERHARD GANNS, WELT-COMMUNITY

Wir werden das Notwendige tun, sagt
Merkel. Was aber das Notwendige ist,
bleibt offen. Jedes Bundesland und
jeder Stadtstaat bei uns kocht sein

D


ie Corona-Epidemie ist eine
gesundheitliche, aber auch eine
mentale Krise. Sie ist eine
Krise der Gewissheiten. Die Mehrzahl
der Bürger im Westen Deutschlands
hat es ja nie erlebt, dass Gewohnheiten
verrückbar sind. Der Osten hat diesen
entscheidenden Erfahrungswert vo-
raus. Die Ostdeutschen wissen, dass es
schnelle Veränderung gibt. Sie wissen,
wie sich der Verlust von Arbeit, ver-
trauten Bindungen, von Vertrauen in
die staatliche Ordnung auswirkt. Der
Osten weiß, wie zersetzend das sein
kann. Und dass man sich dagegen-
stemmen muss: mit Solidarität.
Jetzt erlebt das ganze Land eine mas-
sive Veränderung, im Zeitraffer. Jeden
Tag werden Rechte, die als Freiheits-
rechte unveräußerlich schienen, be-
schränkt. Um der Gesundheit vieler
willen. All das will von denen, die nicht
krank sind, mental erst einmal bewältigt
werden. Diesen Prozess macht auchdie
Kanzlerin durch. Aber sie macht ihn als
Ostdeutsche durch, mit einem spezi-
fischen Erfahrungsschatz, den nur die
Bürger der ehemaligen DDR mitbrin-
gen. Wenn Merkel in kleinen Runden
ins Plaudern kommt, erzählt sie über
die Wendejahre als eine Phase disrupti-

ven Wandels in ihrem Leben und ihrer
Umgebung; was damals geschah, ist den
aktuellen Umwälzungen, die sich hof-
fentlich zeitlich befristet vollziehen,
durchaus verwandt.
Zwei Mal trat Merkel in dieser Wo-
che vor die Öffentlichkeit. Am Mitt-
woch wirkte sie vor der Bundespresse-
konferenzbeinahe gelassen, sogar zu
Scherzen aufgelegt. Sie ließ nicht er-
kennen, dass sie Zweifel hat, diese
Krise könne bewältigt werden. Sie
spendete Zuversicht; sie sprach da für
sich. Am Donnerstag wirkte sie hin-
gegen erschöpft, sorgenvoll, ihre Worte
waren weniger bestimmt und doch in
ihren Kernaussagen unmissverständ-
lich. Merkel bemühte sich auch da um
Zuversicht. Vorangegangen war dem
aber ein Treffen der Ministerpräsiden-
ten der Länder. Und da muss es mit-
unter heftig zugegangen sein. Als Kri-
senmanager bewähren sich längst nicht
alle Regierungschefs gleichermaßen.
Merkels Auftritt, ihr Gesicht hat diesen
Tumult widergespiegelt.
Zu den spezifisch ostdeutschen Er-
fahrungen gehört es, dass man sich
stärker half, als dies im Westen üblich
war, und nicht nur darauf achtete, was
einem selbst nützt. Dieser Erfahrungs-
schatz kann nun dem ganzen Land
zugutekommen. Die Corona-Krise
kann gar das Verständnis des Westens
für den Osten befördern. Die Tatsache,
dass eine Ostdeutsche dieses Land
noch immer führt, ist ein Glücksfall.
[email protected]

Merkels zweiter 1989-Moment


KOMMENTARE


THOMAS VITZTHUM

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