Die Welt - 14.03.2020

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14.03.20 Samstag,14.März2020DWBE-HP


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8 POLITIK DIE WELT SAMSTAG,14.MÄRZ


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iese Mühle der Gesetzgebung
mahlt so langsam wie keine andere
auf deutschem Boden: 101 Jahre
mussten vergehen, bis es nun dazu
kommen könnte, dass ein Auftrag
der Weimarer Reichsverfassung von 1919 und dann
des Grundgesetzes von 1949 endlich umgesetzt
wird. Versuchen jedenfalls wollen das die drei Op-
positionsfraktionen FDP, Grüne und Linke. Bun-
destagsabgeordnete der drei Parteien stellten am
Freitagmorgen in der Bundespressekonferenz ei-
nen Gesetzentwurf vor, mit dem eines der er-
staunlichsten Phänomene des deutschen Rechts
zu einem Ende gebracht werden soll.

VON MATTHIAS KAMANN

Das Phänomen heißt Staatsleistungen: 14
Bundesländer – Hamburg und Bremen sind
nicht beteiligt – zahlen alljährlich hohe Millio-
nenbeträge aus allgemeinen Steuermitteln an
die beiden großen Kirchen. Es handelt sich
nicht um Kirchensteuern, also nicht um die
Mitgliedsbeiträge.
Es geht auch nicht um das Geld, das Sozialkas-
sen der Caritas und Diakonie genauso wie dem
Paritätischen Wohlfahrtsverband für deren Leis-
tungen überweisen; es geht nicht um Zuschüsse
für kirchliche Bildungsträger, nicht um Denk-
malschutzmittel für Dome oder Klöster.
Stattdessen beziehen sich die Staatsleistun-
gen darauf, dass in der Reformationszeit und
verstärkt im 19. Jahrhundert die Kirchen zahlrei-
che Güter und damit Einnahmequellen an die
staatliche Gewalt abtreten mussten. Dazu wur-
den Verträge geschlossen, in denen sich die
Staatsgewalt verpflichtete, den Kirchen Aus-
gleichszahlungen für deren Verluste sowie den
Unterhalt der kirchlich genutzten Gebäude zu-
kommen zu lassen. Mittlerweile belaufen sich
diese Zahlungen, die von Bundesland zu Bundes-
land unterschiedlich hoch sind, auf eine Gesamt-
summe von nicht weniger als 550 Millionen Eu-
ro. Pro Jahr. Aus dem Geld aller Steuerzahler, ob
religiös oder nicht.
Dabei sollte schon 1919, als die Beträge noch
weit niedriger waren, Schluss mit diesen Zahlun-
gen sein. In Artikel 138 der Weimarer Reichsver-
fassung hieß es: „Die auf Gesetz, Vertrag oder
besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleis-
tungen an die Religionsgesellschaften werden
durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die

Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.“ Dies
übernahm 1949 das Grundgesetz in Artikel 140.
Aber passiert ist: nichts. Nie wurde das erfor-
derliche Reichs- beziehungsweise Bundesgesetz
beschlossen. Somit kam es auch nicht zu Lan-
desgesetzen. Und damit blieb unklar, wie hoch
die einmalige Abschlagszahlung sein soll, mit der
„abgelöst“ wird. Auch die DDRzahlte. Das Ein-
zige, was jedenfalls im Westen passierte, war ein
permanenter Anstieg der Zahlungen. Die betru-
gen nach bisher nicht widerlegten Berechnun-
gen der Humanistischen Unionim Jahr 1949 für
alle beteiligten Westländer zusammen umge-
rechnet 23 Millionen Euro. Insgesamt sollen seit
Gründung der Bundesrepublik auf diesem Wege
mindestens 17,8 Milliarden Euro in die Kirchen-
kassen geflossen sein.
Dass es zu dieser Entwicklung gekommen ist,
lag nicht nur daran, dass viele Politiker aus Angst
vor Ärger mit den Kirchen die Dinge einfach wei-
terlaufen ließen. Vielmehr verfügen die Kirchen
hier auch über eisenharte Rechtstitel, bei denen
sie zwar seit Jahren Verhandlungsbereitschaft
signalisieren, aber darauf beharren, dass es eben
eine Ablösungszahlung geben muss. Und die wä-
re nicht niedrig – was dann wiederum die Haus-
haltspolitiker der Länder abschreckt.
Um sehr viel Geld geht es denn auch bei dem
Entwurf für das Rahmengesetz des Bundes, das
die drei religionspolitischen Fraktionssprecher
Stefan Ruppert (FDP), Christine Buchholz (Lin-
ke) und Konstantin von Notz (Grüne) erarbeitet
und am Freitag vorgestellt haben. Ihr Entwurf
sieht vor, dass sich die Ablösezahlung am Bewer-
tungsgesetz orientieren und auf das 18,6-Fache
des jeweiligen Zahlungsbetrages aus dem Jahr
2 020 belaufen soll. Zusätzlich wären 20 Jahre lang
die bisherigen Staatsleistungen weiterzuzahlen.
Konkret soll es wie folgt ablaufen: Der Bund
beschließt zuerst das von den drei Fraktionen
vorgelegte Grundsätzegesetz. Danach erarbeiten
alle derzeit zahlenden Bundesländer innerhalb
von fünf Jahren in konkreten Verhandlungen mit
den Kirchen die jeweiligen Landesgesetze, in de-
nen die oft sehr komplizierten Details geregelt
werden müssten. 20 Jahre nach Verabschiedung
des Bundesgesetzes wären dann die Staatsleis-
tungen Geschichte.
Die Länder hätten laut Entwurf bei ihren je-
weiligen Gesetzen die Möglichkeit, den Kirchen
statt einer Ablösezahlung auch ganz oder teil-
weise Immobilien zu überlassen. Deren Wert

aber solle die Höhe des 18,6-Fachen einer Jahres-
zahlung nicht überschreiten. Die Ablösezahlung
soll nach dem Willen der Entwurfsautoren auch
in Raten abgestottert werden können.
So ergibt sich folgende theoretische Gesamt-
rechnung für alle Bundesländer und beide Kir-
chen zusammen: Jährlich fließen 550 Millionen
Euro – mal 18,6 ergibt 10,2 Milliarden Euro als ein-
malige Ablösung. Hinzu kommen weiterlaufende
jährliche Staatsleistungen von jeweils 550Millio-
nen, was in 20 Jahren insgesamt elf Milliarden
macht. Elf Milliarden plus 10,2 Milliarden Ablö-
sung wären 21,2 Milliarden Euro, die bis zum Ende
der Staatsleistungen im Jahr 2040 noch aus Steu-
ermitteln in die kirchlichen Haushalte flössen.
Für die Kirchen wäre das lukrativ. Ein Bei-
spiel: In Nordrhein-Westfalenmit einem ver-
gleichsweise moderaten Umfang der Staatsleis-
tungen erhält die katholische Kirche derzeit gut
13 Millionen Euro pro Jahr. Daraus ergäbe sich
eine einmalige Ablösezahlung von 241,8 Millio-
nen Euro. Hinzu kämen noch insgesamt 260 Mil-
lionen an jährlichen Zahlungen bis zum Ende der
Beendigungsfrist. Somit ergäben sich in der
Summe gut 500 Millionen Euro, die die katholi-
schen Bistümer in NRW noch bis zum Ende der
Staatsleistungen aus Steuermitteln erhielten.
Sehr viel mehr gäbe es in Baden-Württemberg,
dem Staatsleistungsspitzenreiter. Dort fließen
jährlich jeweils 62 Millionen Euro an jede der bei-
den großen Kirchen. Griffe dort die Ablöseformel,
erhielten die beiden großen Kirchen bis 2040
beim Weiterlaufen der Jahreszahlungen 2,38 Milli-
arden Euro vom Land Baden-Württemberg. Noch
im sparsamsten der zahlenden Bundesländer, dem
Saarland, kämen für die katholische Kirche 23,
Millionen Euro und für die dort recht kleine evan-
gelische Kirche 6,8 Millionen Euro zusammen.
Zwar wäre danach Schluss mit dem staatli-
chen Geldsegen für die Kirchen. Aber hierüber
dürfte sie hinwegtrösten, dass sie in naher Zu-
kunft sehr viel Geld bekämen. Und das werden
sie bald benötigen. Wegen ihrer gewaltigen Pen-
sionslasten. Die Pfarrer und die evangelischen
Pfarrerinnen sind bei der Altersversorgung wie
Beamte gestellt, erhalten also Pensionen von ih-
ren Arbeitgebern. In beiden Kirchen werden
demnächst sehr große Jahrgänge von Geistli-
chen in Pension gehen, und wenn die Kirchen bei
diesen Zahlungsverpflichtungen auf Geld aus
der Ablösung zurückgreifen könnten, wären die
kirchlichen Haushälter viele Sorgen los.

Viel schwieriger stellt sich der Lösungsvor-
schlag der drei Oppositionsfraktionen aus Sicht
der Bundesländer dar. Denn diese müssten ja
nicht nur noch 20 Jahre lang die jährlichen
Staatsleistungen berappen, sondern zusätzlich
noch den Ablösebetrag in Höhe des 18,6-Fachen
eines Jahresbetrages aufbringen. Zwar kann sich
der deutsche Staat derzeit Geld zum Nulltarif
leihen. Aber irgendwann müssten die Länder
solche Kredite zurückzahlen, im günstigsten Fall
ab 2040, wenn die jährlichen Staatsleistungen
wegfallen würden. Es könnte also sein, dass die
Länder dann noch einmal 18 Jahre benötigen, bis
sie alle finanziellen Lasten in diesem Bereich los
wären. Dann schriebe man das Jahr 2058.
Aber: Rund um die Staatsleistungen hat sich
längst eine politische Ausweitungslogik entwi-
ckelt. In einigen Ländern nämlich fließen Steu-
ergelder auch an die altkatholische, die refor-
mierte und die methodistische Kirche – meist
ein paar Zehntausend Euro pro Jahr –, und fünf
Länder lassen auch den nicht religiösen Organi-
sationen der Humanisten insgesamt rund eine
Million Euro pro Jahr zukommen. Zwar sind die-
se Zahlungen formell getrennt von den Staatslei-
tungen und haben ihre eigenen Begründungen,
aber politisch werden sie oft mit Kompensati-
onsargumenten angesichts der Zahlungen an die
beiden großen Kirchen gerechtfertigt.
Daher fragt sich, ob jene kleinen Kirchen be-
ziehungsweise die Humanisten nach einem
Auslaufen der Staatsleistungen ebenfalls kein
Geld mehr erhalten würden. Oder ob – umge-
kehrt – nicht die beiden großen Kirchen sagen
würden, dass auch sie noch etwas kriegen müss-
ten, wenn jene anderen Akteure weiterhin et-
was erhalten würden.
Hinzu kommen die jüdischen Gemeinden. Sie
erhalten von allen 14 Staatsleistungsländern ins-
gesamt gut 66 Millionen Euro pro Jahr. Dies sind
keine Geldflüsse nach dem kirchlichen Muster.
Vielmehr geht es darum, dass der deutsche Staat
zwischen 1933 und 1945 alles jüdische religiöse
Leben vernichtete und jetzt in der Pflicht steht,
es wieder zu ermöglichen. Aber es müsste sich
erst noch zeigen, ob die anderen religiösen (und
humanistischen) Steuergeldempfänger bereit
wären, nach dem Ende der eigenen Zuschüsse
die weiteren Geldflüsse an jüdische Gemeinden
hinzunehmen. Oder ob sie nicht mit Verweis auf
die jüdischen Gemeinden dann doch noch etwas
auch für sich selbst bekommen wollen.

GETTY IMAGES

/ SAKCHAI VONGSASIRIPAT

So soll der staatliche


GELDSEGEN


für die Kirchen


beendet werden


Mehr als eine halbe


Milliarde Euro pro Jahr


zahlen 14 Bundesländer


den Kirchen aufgrund


von Regelungen aus dem


1 9. Jahrhundert. Diesen


Zustand wollen Linke,


FDP und Grüne beenden.


Der Plan umfasst Kosten


in zweistelliger


Milliardenhöhe für den


Steuerzahler


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