„ICH HABE MEIN GESCHLECHT NIE
ALS HINDERNIS EMPFUNDEN, BIN
NIE EINER SCHWIERIGKEIT
BEGEGNET, DIE EINE FRAU NICHT
EBENSO WIE EIN MANN HÄTTE
ÜBERWINDEN KÖNNEN; ICH HABE
MICH NIE VOR GEFAHREN
GEFÜRCHTET; ICH WAR IN HEIKLEN
SITUATIONEN UND HABE
GRAUENVOLLE DINGE GESEHEN.“
Diese Aufnahme von der
französischen Front zeigt,
wie außergewöhnlich nahe
die Fotografin und Auto-
rin Harriet Chalmers Adams
dem Geschehen im Ersten
Weltkrieg kam. Adams war
während der ersten 50 Jahre
die produktivste NATIONAL
GEOGRAPHIC-Mitarbeiterin.
FOTOS: ALAMY STOCK PHOTO (O.);
HARRIET CHALMERS ADAMS
HARRIET
CHALMERS ADAMS
1875–1937
Berichtete als erste Journalistin
im Ersten Weltkrieg aus den
Schützengräben; Gründungs-
vorsitzende der Society of
Woman Geographers
In den 1880er-Jahren, lange bevor
sie die größte Entdeckerin ihrer Zeit
wurde, durchquerte die achtjährige
Harriet Chalmers mit ihrem Vater die
Sierra Nevada auf dem Pferderücken.
Mit 24 heiratete sie Franklin Pierce
Adams und ging mit ihm nach Latein-
amerika, wo sie 65 000 Kilometer zu
Pferd, im Kanu, zu Fuß und mit dem
Zug zurücklegten. Als sie fast drei
Jahre später zurückkehrten, hielt sie
einen Vortrag vor der National Geo-
graphic Society – der Beginn ihrer
30-jährigen Karriere als Mitarbeiterin.
Adams machte es sich zur Aufgabe,
jede aktuelle und einstige spanische
Kolonie zu besuchen. Sie durchquerte
Asien und wohnte Haile Selassies
Krönung zum Kaiser von Äthiopien
bei. Im Ersten Weltkrieg erhielt sie
als erste Journalistin die Erlaubnis,
die französischen Schützengräben zu
fotografieren.
Für NATIONAL GEOGRAPHIC
schrieb sie 21 Artikel. Dabei kritisierte
sie Unrecht, dem sie begegnet war.
„Welchen Segen hat ihnen die euro-
päische Zivilisation gebracht, den
sie nicht bereits genossen hätten?“,
schrieb sie nach einem Besuch in Peru.
„Was haben sie nicht alles erlitten im
Namen des Kreuzes, das auf dem
Hügel thront!“
Adams war weder eine ausgebildete
Geografin, noch hatte sie studiert, doch
ihre Farbdias und ihr abenteuerlicher
Reisestil verschafften ihr Einladun-
gen zu Vorträgen auf der ganzen Welt,
häufig von Organisationen, die noch
nie zuvor eine Frau zu sich gebeten
hatten. Als dritte Amerikanerin erhielt
sie eine Einladung in die Royal Geogra-
phical Society in Großbritannien. Der
Explorers Club mit Hauptsitz in New
York jedoch zeigte ihr und anderen
Abenteurerinnen die kalte Schulter.
Männer „hatten schon immer solche
Angst davor, dass eine einfache Frau
in ihre heiligen Hallen eindringt, dass
sie Frauen nicht einmal in ihre Club-
häuser lassen“, sagte Adams einmal,
„ganz zu schweigen davon, ihnen die
Teilnahme an Diskussionsrunden zu
erlauben, die von gegenseitigem Nut-
zen sein könnten.“
Schließlich beschlossen mehrere
Entdeckerinnen, einen eigenen Club
zu gründen. 1925 entstand die Society
of Woman Geographers mit Adams
an der Spitze. Sie blieb Vorsitzende
bis zu ihrem Umzug nach Frankreich
1933, wo sie vier Jahre später mit
61 Jahren starb.
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