National Geographic Germany - 03.2020

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Marie


Tharp


1920–2006


Kartierte den
Meeresboden,
belegte die Theorie
der Plattentektonik


Gewissenhaft kartierte Sonar-
daten des Meeresbodens
halfen den Geo logen Marie
Tharp und Bruce Heezen, die
Kontinentalverschiebung zu
beweisen, damals noch eine
Randtheorie.
FOTO: JOE COVELLO

Der Zweite Weltkrieg
bot Marie Tharp die
Chance auf eine welt-
erschütternde Entde-
ckung. Die männlichen
Studenten waren im
Krieg, und die Universi-
täten mussten Studien-
plätze füllen. Tharp,
die bereits je einen
Abschluss in Englisch
und Musik hatte, ergriff
die Gelegenheit, Geo-
logie zu studieren.
Nach einem Zwischen-
spiel als Feldgeologin
wurde sie am Lamont
Geological Observa-
tory der Columbia Uni-
versity als technische
Assistentin eingestellt.
Hier lernte sie einen
Doktoranden namens
Bruce Heezen kennen.
Gemeinsam wagten
Tharp und Heezen sich
an die Kartierung des
Meeresbodens.


Da Frauen damals
nicht an Bord wis-
senschaftlicher For-
schungsschiffe arbeiten
durften, trug Hee-
zen Sonarmessungen
zusammen, die er auf
Meeresexpeditionen
gesammelt hatte, da-
runter einige von der
National Geographic
Society finanzierte. In
einem Kellerbüro an
der Columbia Univer-
sität erstellte Tharp
aus diesen Daten sowie
den Messungen Hun-
derter anderer Expedi-
tionen Karten.
Während ihrer Arbeit
an der ersten Karte des
Atlantischen Ozeans
entdeckte Marie Tharp
einen tiefen Graben
im Meeresboden und
schloss daraus, dass
Stücke der Erdkruste
sich gegeneinander
verschoben. Ihre Theo-
rie der Kontinentalver-
schiebung war „fast so
etwas wie wissenschaft-
liche Ketzerei“, sagte
sie später.
Heezen verwarf ihre
Theorie zunächst und
verspottete sie als
„Frauengerede“. Doch
Sonardaten stützten
ihre Schlüsse. Der Riss

in der Erdkruste über-
zeugte die wissen-
schaftliche Gemeinde
davon, dass die Konti-
nente einst eine einzige
Landmasse gewesen
waren, die später durch
tektonische Bewegun-
gen getrennt wurde.
1977 wurden ihre Da -
ten unter dem Namen
„World Ocean Floor
Map“ (Meeresrelief-
karte) als erste weltum-
spannende Darstellung
der Meeresböden ver-
öffentlicht. Die Karte
zeigte eine Landschaft
voller Vulkanketten und
Everest-hoher Berggip-
fel, getrennt durch eine
65 000 Kilometer lange
Fuge quer über die
Erdoberfläche.
„Es war eine Gelegen-
heit, wie man sie nur
einmal im Leben – und
nur einmal in der Welt-
geschichte – bekam,
insbesondere als Frau
in den Vierzigerjah-
ren“, schrieb sie. Im Jahr
nach dem Erscheinen
der Karte bekamen
Marie Tharp und Bruce
Heezen die Hubbard-
Medaille verliehen, die
höchste Auszeichnung
der National Geogra-
phic Society.

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