Wayne Hubbard vom London Waste and Recy-
cling Board.
Ein Mann, der von der Umsetzbarkeit über-
zeugt ist und dessen Arbeit sich für viele andere
als Offenbarung herausgestellt hat, ist der ame-
rikanische Architekt William McDonough. Mit
dem deutschen Chemiker Michael Braungart,
von dem später die Rede sein wird, schrieb er
2002 das visionäre Buch „Cradle to Cradle: Ein-
fach intelligent produzieren“. Darin steht, Pro-
dukte und ökonomische Prozesse könnten so
gestaltet werden, dass sämtlicher Abfall „Futter“
wird, also Stoff für etwas anderes.
Ehe ich mich auf den Weg nach Europa
machte, fuhr ich zu McDonoughs Büro in Char-
lottesville, Virginia. Dort saß ich auf einem
Designer-Bürostuhl, der mit dem ersten Produkt
gepolstert ist, das er und Braungart je entwickelt
haben: einem Stoffmix aus Wolle und Fasern der
Ramiepflanzen. Beide Männer legten Wert auf
die Tatsache, dass der Stoff essbar sei.
Unser Gespräch sprang hin und her zwischen
seiner Kindheit in Tokio, Platon, Aristoteles und
dem Architekten und Visionär Buckminster Ful-
ler – bis zu neuen kompostierbaren Jeans, für
die McDonough sich begeisterte. Dann konnte
ich ihm endlich die brennende Frage stellen: Ist
dieses ganze Gerede über das Ende des Abfalls
unrealistisch? Ein Luftschloss?
„Absolut unrealistisch, keine Frage“, sagte
McDonough. „Aber man braucht Luftschlösser,
um vorwärtszukommen.“ Wenig später holte ich
meinen alten Rollkoffer von der Reparatur und
packte die zertifizierte Cradle-to-Cradle-Jeans
ein, die William McDonough mir geschenkt
hatte, um Hinweisen auf die Kreislaufwirtschaft
nachzugehen.
Metalle
DIE ERSTEN KLEINEN RISSE in unserem natür-
lichen Kreislauf gehen der industriellen Revo-
lution im 18. Jahrhundert voraus. Die Römer
führten als Erste eine nicht unproblematische
Erfindung ein: Abwasserkanäle. Das heißt, sie
leiteten menschliche Ausscheidungen in Flüsse,
anstatt sie auf die Felder zurückzubringen,
wohin – wie jeder Kreislaufexperte bestätigen
würde – diese Nährstoffe gehören.
Wie die Phönizier vor ihnen bauten auch die
Römer am Río Tinto in Spanien Kupfer ab. Aber
sie recycelten auch: Sie schmolzen eroberte
Bronzestatuen ein und stellten daraus Waffen
her. Kupfer war immer schon ein idealer Recy-
clingstoff. Verglichen mit Abwasser ist es selten
und wertvoll.
Im Hof des Kupferrecyclers Aurubis in Lünen
im Ruhrgebiet steht eine große Leninbüste in
einem Blumenbeet – Andenken an die vielen
Bronze-Lenins, die hier eingeschmolzen wur-
den. Sie kamen nach der Wiedervereinigung aus
der DDR. Aurubis, Europas größter Kupferpro-
duzent, ist auch der weltgrößte Kupferrecycler.
Als das Werk 1916, mitten im Ersten Weltkrieg,
in Betrieb ging, war Kupfer zur Herstellung von
Artilleriemunition Mangelware. Die Deutschen
gewannen Bronze aus den Glocken der Kirchtür-
men. „Seitdem hat dieses Werk ausschließlich
recycelt“, sagte Detlev Laser, stellvertretender
Werksleiter.
Kupfer kann, anders als etwa Plastik, ohne
Qualitätsverlust unendlich oft recycelt werden;
es ist ein perfektes Kreislaufmaterial. Das Werk
in Lünen verarbeitet noch immer große Kupfer-
teile, hauptsächlich Rohre und Kabel, musste
sich aber auch auf Abfälle mit wesentlich nied-
rigeren Metallkonzentrationen umstellen. Zum
Beispiel kommt aus den Müllverbrennungsanla-
gen viel Schlacke mit Metallanteil – „weil Leute
ihre Handys in den Restmüll werfen“, so Laser.
Mit Hendrik Roth, der für den Umweltschutz
im Werk verantwortlich ist, sah ich zu, wie ein
Bagger eimerweise Elektroschrott, darunter Lap-
tops, auf ein schräges Förderband schaufelte,
das alles zu einem Schredder transportierte
- nur der erste von mehr als einem Dutzend
Schritten in dem verwirrenden und ohrenbe-
täubenden Sortierprozess. An einer Station lief
ein schnelles Förderband vorbei, darauf handtel-
lergroße Bruchstücke von Leiterplatten. Einige
fielen in einen Spalt, andere sprangen wie aus
eigenem Willen auf ein darüberlaufendes För-
derband. Ein Kamerasystem prüfe, ob jedes
Teil Metall enthalte, erklärte Roth. Wenn nicht,
werde genau im richtigen Moment ein Luftstrom
darunter aktiviert.
Das gewonnene Aluminium und Plastik ver-
kauft Aurubis. Kupfer und andere Nichteisen-
metalle kommen in die Öfen. Im Hof kehren
Mitarbeiter täglich den Staub zusammen und
schütten ihn in den Schmelzofen. „Hier gibt es
keinen Abfall“, sagte Detlev Laser.
Laut einem UN-Bericht von 2017 wird welt-
weit lediglich etwa ein Fünftel des gesamten
DAS ENDE DES MÜLLS 49