National Geographic Germany - 03.2020

(backadmin) #1

leerem Blick vor sich hinstarrten; bewegende


Bilder der beiden Freilassungen von insgesamt


103 Mädchen – laut Berichten im Austausch


gegen Geld und Gefangene; die vier Mädchen,


die auf eigene Faust geflohen sein sollen. Von


den 276 verschleppten Chibok-Schülerinnen


werden 112 noch heute vermisst. Bei einigen


geht man davon aus, dass sie tot sind. Vor zwei-


einhalb Jahren gab die Regierung mehr als


100 der geretteten Schülerinnen die Möglich-


keit, auf einem streng abgeriegelten Campus


im Nordosten Nigerias weiterlernen zu können.


Seitdem herrscht relative Stille.


DEN SOMMER NACH IHRER ENTFÜHRUNG ver-


brachte Patience in ihrem Dorf Askira. Sie hörte


Gospelmusik. Sie versuchte, sich damit abzu-


finden, dass die Entführung das Ende ihrer Aus-


bildung bedeutete. Journalisten wollten wissen,


was genau damals passiert war; andere Eltern


fragten, ob sie ihre vermissten Töchter gesehen


habe. Die Geschichte vom 14. April wieder und


wieder zu erzählen, war anstrengend für sie.


Dann erhielten Patience und neun andere ent-

kommene Mädchen das Angebot, in den USA zu


studieren. Etwa um dieselbe Zeit, als Patience


in den Vorbereitungen für ihren Auslandsauf-


enthalt steckte, besuchte eine Sicherheitsange-


stellte Margee Ensign, Präsidentin der American


University of Nigeria (AUN) in Yola, einer Stadt


mit mehreren Hunderttausend Einwohnern.


Sie erzählte Ensign von ihrer Schwester und


56 anderen Mädchen, die kurz nach dem Über-


fall geflohen waren. Einige waren von den Lkws


gesprungen, hatten sich an Ästen festgehalten,


einen Fuß verstaucht und waren gerannt, bis sie


in Sicherheit waren. Andere, wie zum Beispiel


Mary K. (die nicht mit vollem Namen genannt


werden möchte), fuhren stundenlang mit den


Entführern mit. Als der Lkw anhielt, sprach sich


Mary im Dialekt mit ihren Mitschülerinnen ab:


Sie wollten sich in Paare aufteilen, darum bitten,


austreten zu dürfen, und dann weglaufen. Die


Entführer, die untereinander stritten, fanden sie


nicht. Mary brauchte 24 Stunden für den Weg


Am letzten Unter-
richtstag vor den
Sommerferien po-
sieren Chibok-Schü -
le rinnen für Fotos.
Der Kurs dient der
Vorbereitung auf


die Aufnahmeprü -
fung für die Univer-
sität. 15 Schülerinnen
haben das NFS-Pro-
gramm erfolgreich
absolviert und stu-
dieren jetzt.

DIE CHIBOK-SCHÜLERINNEN 91
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