2020-02-28 trend

(Jacob Rumans) #1
GENUSS IN ISLAND
Sæmundur í
Sparifötunum
kexhostel.is/saemundur-
gastro-pub
Fjörukráin
fjorukrain.is
Matur og Drykkur
maturogdrykkur.is
Dill
dillrestaurant.is

Haifleisch, getrockneten Dorsch und einen fetten
Hering mit eingelegtem Gemüse. Dazwischen musi-
ziert noch eine isländische Folkloretruppe. Na ja,
irgendwie ist mir das Lokal für mehr als 200 Leute
zu touristisch und ich ziehe weiter.

VORERST ZU DEN GEYSIREN im Norden der
Insel, wo alle zehn Minuten die heißen Wasser-
fontänen bis zu 30 Meter aus dem Boden schießen,
zum Gaudium der aus aller Welt Eingeflogenen.
Zurück nach Reykjavík in eines der Restaurants, wo
man die neue isländische Küche tatsächlich verkos-
ten kann. „Matur og Drykkur“ nennt es sich (auf
Deutsch wiederum ganz banal „Essen und Trinken“).
Auf der anderen Seite der Straße tobt das Meer,
und hier drinnen werden die frischesten Muscheln,
die ich je gegessen habe, Fischkroketten, Heilbutt-
suppe, gebackene Kabeljauzunge und ein Rentier-
steak aufgetischt. Das Rentier ist vom Geschmack
her Reh hoch drei. Ich muss nur meine Tochter be-
ruhigen, dass es sich dabei nicht um „Rudi, the
red-nosed reindeer“ handelt – und im Übrigen hab
ich ihr zuliebe ja auch auf die Fohlenkroketten
verzichtet.
„Wir versuchen, die echte isländische Küche in die
Neuzeit rüberzuretten. Weil die meisten typischen
Gemüsesorten gibt es nur im Sommer, deswegen
muss man viel einkochen, fermentieren, das Gemüse
haltbar machen“, erklärt mir der Koch. „Wollen Sie
nicht zum Schluss unseren Schafskäse mit Karotten,
Pastinakenpüree und knusprigen Malzknospen
probieren?“ Natürlich, wenn schon, denn schon.
Bevor wir am Tag drei das beste Restaurant der
Insel testen, steht noch ein Besuch der blauen Lagu-
ne auf dem Programm. Draußen minus fünf Grad,
das vom Vulkan gespeiste Wasser hat plus 37 Grad,
da lässt es sich selbst im Freien aushalten – vor allem,
wenn einem dann an der schwimmenden Bar ein
ordentliches kühles Bier serviert wird.
Aber dann wollen wir weiter ins „Dill“ auf der klei-
nen Hauptstraße von Reykjavík. In seinem alten Lokal
am Rande der Stadt, eigentlich eine bessere Kaschem-
me, hat Gunnar Karl Gislason den ersten Michelin-
Stern Islands erkocht. Die französische Sterne-Bibel
will uns Genießern ja auch ab und zu mal etwas

Besonderes bieten. Jetzt ist er umgezogen und ver-
sucht, diesen Erfolg im etwas feudaleren neuen
Restaurant zu wiederholen. Rauf die Treppe in den
ersten Stock, dort warten eine moderne offene Küche
und an die 30 Sitzplätze.
Der bärtige Gunnar ist schon am Werken und
grüßt freundlich hinterm Herd. Hier also soll’s die
beste nordische Küche mit isländischem Einschlag
geben, hoffentlich. Immerhin kostet das Menü
80 Euro und die dazugehörige Weinbegleitung wür-
de noch einmal 70 Euro ausmachen (die erspar ich
mir, denn fünf Naturweine en suite erscheinen mir
doch ein bisschen viel ...).
Gunnar serviert zum Einstand einen Zwiebelku-
chen mit Karotten, Roten Rüben, Blaubeeren, einge-
legtem Kohl, Sellerie mit Schafskäse und Koriander
mit Rutabaga, einer speziellen Steckrübe. Und tat-
sächlich, jedes Gemüse bringt den nordischen Akzent
auf den Gaumen, hilft aber wenig, um den Hunger
zu stillen. Das holt der Kabeljau in drei Varianten
nach – als „Cod Mash“ mit der knusprigen Haut, als
Suppe mit Kartoffeln und Dill und als Kabeljaufilet
mit Topinambur und Kaviar. Ehrlich gesagt, frischer
und bissfester habe ich Kabeljau noch nie gegessen.
Zum Schluss kommen noch eine kleine Gänse-
keule mit eingelegten Wurzeln und die Gänsebrust
mit Seealgenbutter auf den Tisch. „Alles, was du hier
bekommst, ist aus Island – und das meiste haben wir
von Farmen aus der Umgebung von Reykjavík, die
uns direkt beliefern“, erklärt mir der Chef. Man sieht
dem rotbärtigen Gunnar die Freude darüber an, dass
es uns geschmeckt hat.
Nordische Küche mit isländischem Charakter
eben. Und die bekommt man nur auf dieser faszinie-
renden Insel. Der abschließende Brennivín, ein
Schnaps aus fermentiertem Getreide mit Kümmel-
aroma, brennt tatsächlich ordentlich, sodass man
versteht, warum er im Isländischen „svarti dauði“,
„schwarzer Tod“, genannt wird. Das schwarze Etikett
auf der Flasche sollte eigentlich die Menschen vom
Kauf des Branntweins abhalten, stattdessen ist es
zum Markenzeichen geworden.
Als wir kurz vor Mitternacht durch Schnee und
Eis zum Hotel stapfen, hält er uns noch immer warm
und am Leben, der „schwarze Tod“ ...

EIN MICHELIN-STERN • Das „Dill“ in Reykjavík WIKINGER FÜR TOURISTEN • Das „Fjörukráin“

09/2020 | TREND 99

ILLUSTRATION: STEPHANIE HILGERT; FOTOS: WWW.PAULSCHIRNHOFER.DE, BEIGESTELLT (2)

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