2020-02-28 trend

(Jacob Rumans) #1
FÜNF METER PLUS.
Für kurze Fahrten
kann gelten: Steigt
man hinten ein und
vorne wieder aus,
ist man auch ohne
Fahren schon fast
am Ziel.

MERCEDES GLS 400 D. Der GLS, obzwar das


einzige Auto, das man vom Mond aus mit freiem


Auge sehen kann, ist in der realen Anwendung dann


doch nicht so unhandlich wie gedacht.


Und morgen nehm


ich gleich den Bus


Z


wei Wochen mit einem Auto un-
terwegs, das sich als Feindbild
fast so gut eignet wie Herbert
Kickl im Nerzmantel, und nicht
ein einziges Mal wurde ich auch nur
schief angeschaut. Stimmt schon, die
Österreicher haben kein Talent zur Revo-
lution. Die meisten haben mich wahr-
scheinlich sogar noch beneidet.
Eh zu Recht. Es ist ein erhabenes Ge-
fühl, in einem 5,2 Meter langen, fast zwei
Meter hohen und, mit ein paar Extras,
knapp 150.000 Euro teuren Auto dahin-
zugleiten, vor sich, neben sich, hinter sich
nur graue Menschen in verhärmten Toyo-
ta Corolla, erschöpften VW Golf und ver-
zweifelten Opel Astra. Ja, das Leben der
kleinen Leute ist nicht einfach, und so se-
hen ihre Autos denn auch aus. Zeugen
von Rückschlägen und Enttäuschungen.

ICH HINGEGEN greife gelassen zum Do-
senhalter, um einen Schluck aus dem dort
abgestellten Becher Hawaii Kona zu neh-
men, den ich wegen seines fast zimtarti-
gen Geschmacks schätze, während plötz-
lich Krone Hitradio losplärrt. Schon wie-
der mit der Handfläche am Touchpad
angestoßen und dabei den Radiosender
verstellt. Oder sonst was.
Es dauert ewig, bis man wieder in die
ursprüngliche Einstellung zurückgefun-
den hat, abtauchend in ein Untermenü,
dort herumwurmisierend, dann wieder

hinauf an die Oberfläche. Dabei muss
man ständig auf den Bildschirm schauen,
während das 2.400-Kilo-Auto praktisch
führerlos weiterfährt. Wobei: Es bremst
und lenkt eh von selber, wenn was sein
sollte – es führt sich selbst, sozusagen.
Das sind so die Sorgen der Reichen,
aber im Ernst: Wenn ich 150 Riesen für

ein Auto ausgebe, will ich mich nicht mit
einem hakeligen Bediensystem herum-
schlagen müssen. Die Mercedes-Leute
hätten nur iDrive von BMW kopieren
müssen, statt mit ihrem Touchpad bewei-
sen zu wollen, dass sie es besser können.
Können sie nämlich nicht, zumindest,
was die Infotainmentbedienung betrifft.

TREND
PRIVAT

AUTO

VON WOLFGANG HOFBAUER

100 TREND | 09/2020
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