2020-02-28 trend

(Jacob Rumans) #1
als zehn Jahren geworden ist. In die-
sem Jahrzehnt wurde das Produktions-
netz neu geknüpft: In Tirol ist heute ein
Viertel weniger Mitarbeiter beschäftigt
als vor der Krise (siehe Grafiken Seite 27),
gleichzeitig ist Swarovski global gewach-
sen. Als weitsichtige Entscheidung er-
weist sich der Rückzug aus der Produk-
tion in China vor fünf Jahren. Der neue
starke europäische Standort neben Wat-
tens, wo 100 Millionen Euro u. a. in die
laut Eigenangaben „modernste Kristall-
fabrik der Welt“ investiert wurden, ist
nun das serbische Subotica.
Noch wichtiger: Es ist gelungen, sich
von der Billigkonkurrenz, etwa aus Ägyp-
ten, Tschechien und China, abzusetzen,
indem konsequent Markenpflege in der
Welt der Spitzendesigner und des Gla-
mours betrieben wurde. Besonders lei-
denschaftlich engagiert ist auf diesem
Gebiet Swarovski-Adams, seit 2011 die
erste Frau im Group Executive Board.
Die Vertreterin des „Fritz-Stamms“ (siehe
Kasten auf der rechten Seite) ist nicht nur
in London, Mailand, New York oder
Hongkong eine glaubwürdige Vertreterin
des Clans, sondern auch auf Events wie
dem Weltwirtschaftsforum in Davos eine
verlässliche Markenbotschafterin.
Mit der Entwicklung laborgezüchteter
Diamanten („Swarovski Created Dia-
monds“) treibt sie das Thema Nachhal-
tigkeit voran und gewann zuletzt Stars
wie Penélope Cruz für die Zusammen-
arbeit. Swarovski ist heute nicht mehr die
Marke, die man mit Sammlern netter
Kristalltierchen assoziiert.

ENTSCHEIDUNGSKOMPLEX. Doch die
guten Jahre nach Bewältigung der Krise
haben die längst erkannten Organisa-
tions- und Strukturschwächen zuge-

deckt. Praktisch alle Versuche, neue Ge-
schäftsfelder zu erschließen, sind in den
letzten Jahren gescheitert. Für die 2013
gestar tete Modeschmuckkette Cadenzza
waren 150 Shops geplant, realisiert wur-
den nur 35, die am Ende erst recht
geschlossen werden mussten. Ebenfalls
ein Flop war die für junge Kunden entwi-
ckelte Marke Lola & Grace mit 80 Ver-
kaufsstellen in Italien. Die Filmsparte
Swarovski Entertainment dümpelt so vor
sich hin.
Familieninsider erklären die Fehl-
schläge auch mit der komplizierten Ent-
scheidungsstruktur des Konzerns, unter
der vor allem das Tempo leidet. Im zu-
letzt auf vier Köpfe verkleinerten Execu-
tive Board sind ebenso alle Stämme
vertreten wie im Beirat. Gefällt werden
die Entscheidungen im Konsensprinzip,
abwechselnd bei Sitzungen in Wattens
und in Männedorf am Zürichsee, wo die
Konsumgütersparte von Swarovski ihr

Headquarter hat. Bei 57 Aktionären und
insgesamt 200 Clanmitgliedern ist es
auch nicht einfach, die Dividendenwün-
sche unter einen Hut zu bringen.
Für einen globalen Konzern im Fami-
lienbesitz ist zudem erstaunlich, dass die
Schlüsselpositionen samt und sonders
von Clanmitgliedern besetzt werden:
Nicht nur der mächtige Kristallbereich,
auch Tyrolit und die zuletzt besonders er-
folgreiche, vergleichsweise kleine Optik-
sparte werden von Swarovskis der fünf-
ten Generation geführt.
Identität, Kultur und Charakter wer-
den hochgehalten. Das hat dazu geführt,
sagen Insider, dass begabte Führungs-
kräfte in Ermangelung weiterer Auf-
stiegsperspektiven das Unternehmen ver-
lassen. Mit dem ehemaligen McKinsey-
Mann Taro Nordheider, 2014 als starker
Mann des Industriekomponentenge-
schäfts (Swarovski Professional) instal-
liert, ist im Jänner eine langjährige Stütze
in Wattens ausgeschieden – die Verant-
wortung für diesen operativen Schlüssel-
bereich liegt nun wieder in den Händen
von MLS.

ÖFFNUNG. Im Geburtstagsjahr sind keine
Revolutionen zu erwarten. Doch die
Schatten am Horizont dürften den Druck
erhöhen, sich eher früher als später auch
ganz oben Expertise von außen zu holen,
macht MLS dem trend gegenüber über-
raschend deutlich klar: „Auf allen Ebenen
sollte externer Sachverstand integriert
werden. Auch in den Aufsichtsgremien,
die jetzt ausschließlich von Familien-
mitgliedern besetzt sind, halte ich es für
wichtig, externe Experten zuzulassen.“
Entscheidender Nachsatz: „Ich glaube,
der Charakter des Unternehmens würde
sich nicht maßgeblich ändern.“

MEHR ALS WATTENS. Carina Schiestl-
Swarovski aus dem „Wilhelm“-Stamm führt die
zuletzt besonders erfolgreiche Optik-Sparte
mit Sitz in Absam. Links: Von am Zürichsee
werden das internationale Konsumgüterge-
schäft und die Finanzen gesteuert.

Auch in den Auf-


sichtsgremien


halte ich es für


wichtig, externe


Experten


zuzulassen.“
MARKUS LANGES-SWAROVSKI
SWAROVSKI-CHEF

28 TREND | 09/2020

FOTOS: BEIGESTELLT, OTS/SWAROVSKI OPTIK/ DAVID DE VLEESCHAUWER, IAN EHM

TREND
WIRTSCHAFT

ÖSTERREICH

tren2009-WÖ-Swarovski.indd 28 25.02.20 20:23

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