2020-02-28 trend

(Jacob Rumans) #1
die Höhe. An der Decke lassen tel-
lerförmige Auslassungen im Beton er-
kennen, was hier bald passieren wird:
Mit modernster Robotertechnik und
weitgehend vollautomatisiert werden
hier Scheiben (die sogenannten Wafer)
mit kleinen und kleinsten Chips bestückt.
Im Inneren wurden bereits die Wände
ausgemalt, die Versorgungsstränge sind
deutlich zu sehen: „Für einen Quadrat-
meter Produktion brauche ich rund sie-
ben Quadratmeter für die Versorgung“,
erklärt Wittmann. Konstante Raumtem-
peratur, null Schwingungen, unterbre-
chungsfreie Stromversorgung auch bei
starken Gewittern und eine ausgeklügel-
te Wasseraufbereitung sind nötig. In ei-
nem Jahr wird diese komplexe Infra-
struktur hinter den Kulissen verschwun-
den sein. Das Allerheiligste – der
Reinraum – frei vom sprichwörtlichen
Staubkorn sein. „Wir produzieren hier
nach Klasse eins. Ein Staubteilchen mit
0,5 mm Durchmesser wird toleriert auf
28 Liter Luft“, sagt Wittmann. „In einem
Operationssaal sind es 1.000 bis 10.000
Teilchen.“

KOORDINIERTES CHAOS. Erst am Schluss,
wenn alles supersauber ist, ist der Rein-
raum „ready for Equipment“, dann wer-
den die Anlagen eingebaut und ange-
passt. Für das Infineon-Projekt war der
warme Winter bislang ein Glücksfall. Die
Chancen stehen gut, dass der nächste
Meilenstein – die Dachgleiche – wie ge-
plant spätestens Anfang Mai zelebriert
werden kann. Dass im Reinraum ausge-
malt wird, obwohl draußen noch die
Stahlträger in den Himmel ragen, ver-
wirrt den Betrachter, folgt aber einem
Masterplan: Wittmann hat für Infineon
bereits in Malaysia eine Werkserweite-
rung geleitet, und beschreibt die Heraus-
forderung in Villach: „Es ist die Paralleli-
tät, die wir hier organisieren müssen.

Gewerke, die normalerweise nacheinan-
der arbeiten, sind bei uns da und dort
gleichzeitig am Werk.“ Bislang hat die
Synchronisation gut geklappt, notwendi-
ge Planänderungen konnten kurzfristig
umgesetzt werden. Es wird nichts dem
Zufall überlassen: „Wir haben bei der
Auswahl der Gewerke Augenmerk darauf
gelegt, dass uns auch Ausfälle nicht auf-
halten können. So arbeiten wir zum Bei-
spiel mit zwei Malerfirmen.“
Kaum vorstellbar, dass irgendetwas
passieren könnte, das die Baustelle aus-
bremst. Geübt wurden sogar Katastro-
phenfälle: Ein Kranführer mit Herzin-
farkt wurde mit Hubschrauber geborgen.
Für die Auftragnehmer, darunter viele lo-
kale Firmen, ist das ein Prestigeauftrag.
Hier wollen alle ihr Bestes geben. Hier
hat eine ganze Region einen Ruf zu ver-
lieren. Wittmann ist derzeit fast die ganze
Woche auf der Baustelle, bei allem Stress
ist ihm der Humor noch nicht vergangen:
„Wir halt müssen darauf schauen, dass
wir den Kran rechtzeitig rausheben aus
dem Gebäude.“
Parallel zu den Bauarbeiten hat im Kon-
zern längst die Rekrutierung der neuen
Mitarbeiter begonnen, das neue For-
schungsgebäude ist bereits fertig. 160 Neue
sind schon 2019 eingestellt worden und
werden auf ihre Arbeit in der neuen Fabrik
vorbereitet. Bei aller Automatisierung und
künstlicher Intelligenz werden noch In-
standhalter, Prozess ingenieure und IT-Ex-
perten gebraucht, die die Fertigung über-
wachen und steuern – dem Roboterballett
eine Choreografie geben werden.

FACTS & FIGURES

PRODUKTION. Schon heute erledigen Roboter
die meisten der 1.000 Einzelarbeitsschritte je
Wafer. Auf einem Wafer sind Hunderte Chips.

DAS HERZSTÜCK. In diesem Raum werden
ab 2021 vollautomatisiert Chips hergestellt.
Die Deckenauslässe sind für die Wafer.

MILLIARDENMARKT CHIPS
Der deutsche Infineon-Konzern
DER KONZERN. Infineon macht
8,029 Mrd. Euro Umsatz (2019),
beschäftigt 41.400 Mitarbeiter
weltweit. Bei Energiesparchips ist der
Konzern weltweit Nr. 1, im Automobil-
bereich Nr. 2. Die Energiesparchips –
hier wird der Strom besser ausge-
nutzt – sind die „Spezialität“ der
Produktion in Villach: Von dort wird
auch das globale Geschäft mit diesen
Chips gesteuert.
In Österreich beschäftigt Infineon
über 4.600 Mitarbeiter. Der Umsatz
wuchs auf 3,11 Milliarden Euro.

25


PROZENT der Konzernproduktion
werden bei Vollauslastung der
neuen Fabrik aus derzeitiger
Sicht 2025 aus Villach kommen.

Hör mal, wer da hämmert!
Ein akustischer Baustellen-
besuch mit CEO Sabine
Herlitschka und Projektleiter
Andreas Wittmann.

TREND.AT/PODCAST


34 TREND | 09/2020

FOTOS: INFINEON

TREND
WIRTSCHAFT

ÖSTERREICH

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