2020-02-28 trend

(Jacob Rumans) #1
Arbeiten Sie mit ESA und NASA zusam-
men? Wir sind mit dem ÖWF auch bei
ESA-Projekten engagiert und pflegen ei-
nen akademischen Austausch, bei dem
uns etwa auch NASA-Mitarbeiter über
die Schulter schauen und vice versa.
Unser Wissen, das wir hier generieren,
fließt also in die Arbeit von NASA und
ESA mit ein. Wir sind zwar klein und
natürlich nicht so gut dotiert wie etwa
eine ESA, aber wir sind schnell und kön-
nen die etwas wilderen Ideen ausprobie-
ren, frei nach dem Slogan: Fail fast, fail
cheap, have a steep learning curve!

Woher beziehen Sie Ihre Forschungs-
mittel? Das sind oft Drittmittel von Uni-
versitätsinstituten und wir kooperieren
viel mit der Industrie, weil Unternehmen
gerne Produkte testen wollen, und wir
gut darin sind, Dinge kaputtzumachen


  • also unter kontrollierten Bedingungen
    die Schwachpunkte herauszufinden.


Von welchen Größenordnungen reden
wir bei Ihren Forschungsprojekten? Wir
sind da bei keiner Kostenstruktur, wie sie
oft in anderen Industrien üblich sind. Das
macht uns auch im Bereich dieser For-
schung so attraktiv. Das Projekt im Oman
kostete zum Beispiel einen mittleren
sechsstelligen Eurobetrag, wobei man
sagen muss, dass ein Großteil der Kosten
vom jeweiligen Gastland getragen wird.

Warum werden Sie dabei eigentlich
nicht von öffentlicher Seite unterstützt?
Das Weltraumengagement in Österreich
war immer schon sehr stark industrie-
getrieben. Die Beiträge, die Österreich
in der ESA einbringt, laufen vor allem
über Industrieaufträge für verschiedene
Raumfahrtprogramme. Und für jeden
Euro, den Österreich in die ESA einbe-
zahlt, kommt auch mehr als ein Euro an
Umwegrentabilität zurück. Gleichzeitig
wissen wir, dass unsere Grundlagenfor-
schung längst auf europäischer und in-
ternationaler Ebene angekommen ist,
alleine wenn wir uns anschauen, in wel-
chen Gremien unsere Expertise inzwi-
schen gefragt wird. Und das, obwohl Ös-
terreich traditionell eher das Schlusslicht
ist, was die öffentliche Dotierung dieser
Forschung betrifft. Wir erwarten aber in
Kürze eine Neuauflage des österreichi-
schen Weltraumplans, der Rahmenstra-
tegie des Technologieministeriums, und
hoffen, dass das Thema bemannte Raum-
fahrt und Analogforschung deutlich mehr
Bedeutung bekommt als bisher.

Ist es nicht bedenklich, dass Österreich in
dem Bereich Schlusslicht ist? Ich sehe das
gar nicht negativ, denn zuerst muss sich
etwas in einem Land etablieren, bevor
von politischer Seite nachgezogen wird.
Und schließlich gibt es ja doch einige po-
sitive Bereiche in Österreich, in die Welt-
raumgelder fließen, zum Beispiel in die
Entwicklung und Produktion von Hitze-
schutzfolien der RUAG Space, einer
Schweizer Firma mit österreichischer
Niederlassung, über Kommunikations-
tools von Frequentis bis zu Magna Steyr
mit ihrer Abteilung Weltraumtechnik in
Graz, die etwa Treibstoffleitungen für Ra-
keten entwickelt. Da ist also auch öffentli-
ches Interesse dahinter – und dieses wird

nun hoffentlich immer größer: Denn
wenn ich in einer Schulklasse erzähle, wie
es sein könnte, wenn die ersten Menschen
auf dem Mars landen und nach Lebens-
spuren suchen, dann spüre ich ein enor-
mes Interesse der jungen Generation. Das
alleine sollte Auftrag genug an die Politik
sein, künftig auch die bemannte Raum-
fahrt zu unterstützen.

Das geht wohl nur Hand in Hand mit
einem dafür geeigneten Bildungssystem,
das offen ist für Innovation und For-
schung ... Absolut! Wenn ich einen
Wunsch ans Christkind hätte, dann wür-
de ich mir den Freiraum für jeden Schü-
ler wünschen, den Lebenszyklus eines
Forschungsprojektes von Anfang an
durchleben zu können. Wir reden jetzt
nicht von der Vorwissenschaftlichen Ar-
beit, sondern davon, mit dem Lötkolben
herumzuprobieren, Flüssigkeiten zusam-
menzumischen und etwas zu bauen, was
fliegt. Das wäre auch sicher etwas, wofür
die Industrie bereit wäre, ihre Expertise
zur Verfügung zu stellen, um junge Leu-
te schon früh für Forschung und Ent-
wicklung zu begeistern. Das käme der
Neugierde von jungen Menschen deut-
lich mehr entgegen, als eine gut formu-
lierte Papierarbeit abliefern zu müssen,
und würde gleichzeitig auch dem Fach-
arbeitermangel entgegenwirken und den
Innovationsstandort stärken.

... mit neuen Tools, die aus der Weltraum-
forschung kommen? Auf jeden Fall. Jeder
Österreicher hat mindestens ein Dutzend
Mal am Tag mit Dingen zu tun, die auf
Weltraumtechnologien beruhen, von der
Wettervorhersage angefangen über das
Navi bis hin zum Einspritzsystem im Mo-
tor seines Autos. Die Weltraum-Infra-
struktur ist ein wesentlicher Bestandteil
unserer gesellschaftlichen Infrastruktur
geworden. Nur müssen wir da auch wei-
terhin dran bleiben. Und die bemannte
Raumfahrt ist genau der Schärfstein, der
notwendig ist, um diese Technologien zu
verbessern und neue zu erfinden.

Auch welche, um dem drohenden Klima-
wandel entgegenzuwirken? Die Erdbe-
obachtung und Klimaforschung der ESA
ist besser als jede andere. Denn um her-
auszufinden, welche Maßnahmen am ef-
fizientesten sind, benötigen wir die bes-
ten Forschungsergebnisse. Die Hand-
lungsgrundlage für die Reduktion des
Klimawandels liefert also zum Großteil
die Raumfahrt.

Das 4GAMECHANGERS Festival
2020 bietet von 31. März bis


  1. April ein fulminantes Programm an
    insgesamt vier Tagen:
    4PIONEERS am Dienstag, 31. März,
    4FUTURE am Mittwoch, 1. April,
    4GAMECHANGERS am Do., 2. April,
    4JOBS (Premiere!) am Fr., 3. April.
    Unter dem Motto „The Power of Co-
    operation“ bringt 4GAMECHANGERS
    Zukunftsdenker und Stakeholder aus
    Wirtschaft, Industrie, Politik sowie
    der Medienbranche zusammen und
    bietet ein dichtes Programm mit Top-
    speakern und spannenden Live-Acts.


Alle aktuellen Infos rund ums
Festival finden Sie unter:
4gamechangers.io

trend-Leserinnen und -Leser erhalten
mit dem Code TRENDx4GC20
30 Prozent Rabatt auf die Ticketpreise!

4GAMECHANGERS
Festival 2020

Gernot Grömer, 44, ist Mitbegründer
und Direktor des Österreichischen Welt-
raumforums (ÖWF) in Innsbruck sowie
Leiter der Raumanzugentwicklung. Nach
Astronomie-Studium und seiner Doktor-
arbeit in Astrobiologie leitete Grömer u. a.
mehrere Mars-Analog-Missionen, zuletzt
im Sultanat Oman. Das ÖWF betreibt
Grundlagenforschung und arbeitet eng
mit ESA und NASA zusammen.
Grömer ist einer der Top-Speaker beim
4GAMECHANGERS Festival 2020 (s. u.).

09/2020 | TREND 37

FOTO: FLORIAN VOGGENEDER

ZUR PERSON

tren2009-WÖ-Interview Grömer.indd 37 25.02.20 18:38

Free download pdf