2020-02-28 trend

(Jacob Rumans) #1
KEN FISHER, ist
einer der erfolg-
reichsten Invest-
mentberater der
USA und Autor
zahlreicher Bücher
zu den Themen
Wirtschaft und
Finanzen.

UNSICHERHEIT. Das chinesische Coronavirus
macht Anleger von Shanghai bis Salzburg nervös.
Die bevorstehenden US-Wahlen verstärken das
Unbehagen, ebenso die Sorge über eine Eskalation
im Iran. In Österreich verunsichern die anhalten-
den Negativzinsen. Dafür ist der Goldpreis seit
Weihnachten um 15 Prozent gestiegen – stärker als
die globalen Aktien, auf den höchsten Wert seit


  1. Fachleute erwarten angesichts der vermehrt
    um sich greifenden Unsicherheit weitere Gold-
    gewinne. Aber Vorsicht! Das Märchen vom Gold-
    reichtum ist ein Mythos.
    Manche schreiben Gold magisches Investitions-
    potenzial zu. Vielleicht erscheint Gold durch seinen
    Glanz magischer als Aktien oder Anleihen. Es gilt
    als Inflationsschutz, als stabile Wertanlage und als
    beste Verteidigung gegen ökonomische Bedrohun-
    gen. Mich erinnert das an die anfängliche Bewun-
    derung der Bitcoins – als ob Kryptowährung und
    die ihr zugrundeliegende Blockchain alles Übel
    heilen und den gesamten Handel vorantreiben
    würden. Wann immer über eine Anlageform mit
    solcher Ehrfurcht gesprochen wird, ist höchste
    Vorsicht geboten.
    Gold ist nicht magisch. Es ist nur ein Rohstoff –
    so wie Öl, Aluminium oder Schweinebäuche. Wie
    bei allen Rohstoffen orientiert sich sein Preis an
    Angebot und Nachfrage. Verschiebungen beim An-
    gebot sind allerdings marginal – dem World Gold
    Council zufolge fördern die Minenarbeiter rund
    2.500 bis 3.000 Tonnen Gold zusätzlich pro Jahr;
    also ein Anstieg von ein bis zwei Prozent.
    Die begrenzte industrielle Nutzung von Gold
    dämpft die physische Nachfrage. Gold wird vor
    allem für Schmuck nachgefragt oder auch für
    Medaillen wie die von Anna Gasser und Marcel
    Hirscher. Einiges stammt von den Zentralbanken,
    vor allem aus Russland und China. Hauptsächlich
    verändern sich Goldpreise allerdings aufgrund von
    Finanzbedarf – und sind damit den Stimmungs-
    schwankungen der Anleger unterworfen. Gold
    lockt die Anleger mit großem Boom, kann aber
    auch für schwere Pleiten sorgen.
    Viele glauben an eine steigende Goldnachfrage,
    wenn die Ängste wachsen. Allerdings: Während der
    Marktschwäche von 1980 bis 1982 fiel Gold um 46
    Prozent (in USD). In der Baisse zwischen 2007 und
    2009 übertrumpfte Gold zwar die Aktien, ging aber
    zwischen März und Oktober 2008 immer noch um
    25 Prozent zurück und bot damit keine Sicherheit.


Simple Logik entzaubert die scheinbare Magie
des Goldes. Würde ein sicherer Hafen oder eine sta-
bile Wertanlage derart schwanken, insbesondere
während die Aktienmärkte schrumpfen? Würde ein
echter Inflationsschutz der tatsächlichen Inflation
über lange Zeit hinterherhinken? Sicherlich, wäh-
rend dem Höhenflug der Inflation in den 1970er-
Jahren, mit 9,5 Prozent Inflation in Österreich, er-
lebte Gold einen Boom sondergleichen. Während
der weltweiten Inflation im Jahr 1990 hingegen ver-
änderte sich der Wert des Goldes im Grunde kaum:
Lag die Inflation in den 1990er-Jahren im Schnitt
bei 7,3 Prozent pro Jahr, so fiel der Goldpreis in der-
selben Zeit um 2,7 Prozent.

VERGLEICH. Langfristig hapert es bei den
Gold-Renditen. Seit 1975 dürfen Amerikaner legal
Gold besitzen; die Jahresrendite liegt seitdem bei
4,9 Prozent – und damit deutlich
unter den 10,1 Prozent der Aktien.
Auch die langfristigen Treasury-
Bonds liegen mit 7,5 Prozent um
einiges besser.
Aktien beispielsweise steigen
häufiger, als sie fallen – historisch
gesehen um etwa zwei Drittel mehr.
Goldgewinne hingegen kommen in
seltenen Schüben. Mit Gold zu ge-
winnen, erfordert ein außerordent-
lich kurzfristiges Markt-Timing. Wenn Sie glauben,
das regelmäßig zu schaffen, dann viel Glück. Dann
brauchen Sie meinen Rat nicht. Zahlreiche Untersu-
chungen zeigen jedoch, dass die meisten Anleger zu
oft und zur falschen Zeit kaufen bzw. verkaufen.
Wenn Sie dazu gehören, sind ihre Chancen mit Gold
noch schlechter.
Sollten Sie dennoch auf Schwankungen bei der
Goldnachfrage setzen wollen, sind Bergbauaktien
die bessere Wahl. Goldminen können an veränder-
te Bedingungen angepasst werden – mit Kosten-
reduktionen, um die Gewinne zu erhöhen, oder mit
Ausschüttungen an Aktionäre.
Gold selbst zahlt keine Dividenden. Es liegt ein-
fach da und verlässt sich auf die Launen der Anle-
ger, die seinen Wert nach oben treiben. Lassen Sie
sich also nicht vom Mythos des Goldes oder dessen
Zuwächsen im Jänner blenden. Sehen Sie Gold als
das, was es ist: ein Rohstoff, der wenig glänzt, wenn
es um langfristiges Wachstum geht, das die meisten
suchen.

Lassen Sie sich nicht blenden!


II Gold selbst


liegt einfach


nur da und


bringt keine


Dividende. II


Der Goldpreis erlebt einen glänzenden Höhenflug – doch Aktien
bleiben auch jetzt das bessere Investment.

09/2020 | TREND 77

FOTO: BEIGESTELLT

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