V O N
ROBIN LUMSDENGERADE WAR ICH WIEDER IN STANFORD. Ich
konnte mit der Business School an einem Finanz-
projekt im Kryptobereich arbeiten und auch vor
einer MBA-Klasse vortragen, eingeladen vom be-
kannten Stanford-Professor Jeffrey Pfeffer. Be-
kannt deshalb, weil er einer jener Professoren der
Business School ist, die eine sehr unkonventionel-
le Klasse unterrichten: „Paths to Power – die Wege
zur Macht“. Er hat alle großen Manager der
Silicon-Valley-Unternehmen direkt beraten und
forscht an den Mechanismen, die Menschen er-
folgreich – nicht zwingend glücklich – machen.
Seine Studenten sind bereits top ausgebildete,
erfolgreiche Menschen, wenn sie mit dem Studi-
um anfangen. Sie haben sich bereits bei Unterneh-
men wie Google, Tesla oder McKinsey und Black-
Rock durchgesetzt, aber dennoch vermittelt ihnen
Pfeffer zusätzliche Tipps für den Karriereweg.
Auf der Business School diskutierten nach mei-
nem Vortrag Pfeffer und ich mit dem Milliardär
Omid Kordestani, seit 2015 Chef von Twitter. Die-
ser iranischstämmige Silicon-Valley-Star, vorher
als eine „Seele“ von Google bekannt und noch im-
mer „kleiner“ Eigentümer des Giganten, hat auch
ein MBA-Programm in Stanford absolviert.
Die Studenten der aktuellen Klasse befragten
uns sehr präzise zu diversen Verhandlungssituati-
onen. Für sie von besonderem Interesse war, wie
der jetzige Chef von Twitter zu seiner Zwei-Pro-
zent-Beteiligung an Google im Wert von mehre-
ren Milliarden Dollar gekommen war.
Die Story in Kurzfassung: Kordestani war zum
Google-Start-up von den Gründern Larry Page
und Sergey Brin eingeladen und wurde über eine
Stunde lang rein technisch zum WWW befragt.
Bis er das Narrativ des Gesprächs umdrehte und
den Google-Gründern jene Fragen nannte, die er
in einem solchen Fall seinen Verhandlungspart-
nern stellen würde – ganz im Geiste der Klasse
„Paths to Power“.
Dann lud er die beiden auf ein Abendessen in
Palo Alto ein: Er wusste von ihrem Geldmangel,
wollte mit ihnen ausschließlich „privat“ diskutie-
ren. Hätte er nicht beim Essen die Atmosphäre
aufgelockert und das Verhandlungsfeld erneuert,
würde er heute nicht über seine milliardenschwere
Beteiligung an Google verfügen. Eine Verhand-
lung könne eben oft nicht am Preis scheitern,
sondern an der Art zu kommunizieren. Warum
Google so erfolgreich sei? Kordestani locker: „Da-
mals war Google ein winziges Start-up mit einem
Logo, das eher zu einem Kindergarten passte.“
Aber er glaubte fest an das Team und die Idee.
Übrigens: Larry Page und Sergey Brin haben
sich eben – 21 Jahre nach der Gründung von
Google – weiter zurückgezogen, nun auch aus dem
operativen Geschäft des Mutterkonzerns Alpha-
bet. Freilich: Sie halten weiter die Mehrheit an
Stimmrechten, obwohl sie nur 14 Prozent der Ak-
tien besitzen. Sie können also weiter an großen
Ideen basteln, ohne sich operativ den Kritiken an
der übergroßen Marktmacht des Unternehmens
zu stellen.PROFESSOR PFEFFER SAGT zu seinem persönli-
chen „Weg zur Macht“ übrigens: Den wolle er so
explizit gar nicht suchen. Er sei zufrieden mit
seinem Leben als gut bezahlter und unkündbarer
Stanford-Professor, mit Haus am Campus und
einträglichen Beraterverträgen. Er selbst wende
seine wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht für
sich selbst an, verlange das aber von seinenDER AUTOR.
Robin Lumsden ist
Wirtschaftsanwalt in Wien,
New York und Washington.
Die vergangenen zwei Jahre
verbrachte er an der
US-Eliteuniversität Stanford.
Seine Arbeit als Anwalt und
die dort gewonnenen
Erfahrungen verarbeitet er
jetzt in seiner neuen
Kolumne.TREND
SERVICEKARRIEREDie Wege zur Macht
Der Wiener Wirtschaftsanwalt ROBIN LUMSDEN hat zwei Jahre für
den trend von seinen Studien an der US-Eliteuniversität Stanford
berichtet. Jetzt, zurück in der Heimat, meldet er sich mit einer neuen
monatlichen Kolumne zu Wort: „The Art of Dealmaking“.
Folge 2:
Wie Twitter-Chef OMID KORDESTANI zu seinen Google-
Milliarden kam und was von einem Präsidentenduell Donald Trump
gegen den Milliardär MICHAEL BLOOMBERG zu erwarten wäre.
86 TREND | 09/2020