Süddeutsche Zeitung - 09.03.2020

(Steven Felgate) #1

Den Taktikfüchsen, die heutzutage die
Trainerbänke bevölkern, genügt es oft
nicht mehr, ihre Spieler an der Taktiktafel
über den Matchplan zu unterrichten. Um
die Fußballer auch während des Spiels an
ihren Eingebungen teilhaben zu lassen,
bringen sie deshalb Zettel mit spontan er-
wogenen neuen Anweisungen in Umlauf.
Dies führt jedoch immer wieder zu Proble-
men. So hat der Spieler Gotoku Sakai vom
Hamburger SV einmal das Schriftstück,
das er aus der Hand seines Lehrers erhal-
ten hatte, nach dem Studium zusammen-
geknüllt und einfach fortgeworfen – just
vor der gegnerischen Trainerbank. Dort
wurde es von einem gerissenen Mitarbei-
ter der Feindesseite sogleich aufgelesen
und dem Chef zur Kenntnis gebracht. Nur
weil Sakais Trainer Hannes Wolf die an-
schließende Pause zu weiteren Umbauten
nutzte, konnte der HSV trotz der enthüll-
ten Geheiminformationen 1:0 gewinnen.
Eine ähnliche Panne trug sich vor eini-
gen Wochen bei der Begegnung zwischen
Werder Bremen und Mainz 05 zu. Der Bre-
mer Davy Klaassen warf das Schriftstück,
das ihm der eingewechselte Claudio Pizar-
ro überbracht hatte, an der denkbar ungele-
gensten Stelle fort und führte dadurch den
Mainzer Trainer Achim Beierlorzer in Ver-
suchung. Dieser blieb jedoch redlich: Er
nahm das Papier auf und reichte es ungele-
sen an den vierten Offiziellen weiter. Aber
hätte er den DFB-Mann auch dann als
Fundbüro genutzt, wenn seine Mann-
schaft nicht haushoch in Führung gelegen
hätte (Endstand 5:0 für Mainz)?
Es ist klar, dass im gnadenlosen Fußball-
geschäft kein Verlass sein kann auf den fai-
ren Sportsgeist der Kontrahenten. Aus die-
ser Einsicht hat nun ein Profi in der türki-
schen Süperlig Konsequenzen gezogen.
Nachdem Trabzonspors Mittelfeldspieler
Badou Ndiaye, 29, das geheime Dossier
gelesen hatte, knüllte er es zusammen und
aß es auf. Für Fußballer mit empfindli-
chem Magen ist diese Lösung jedoch nicht
ratsam, zumal es unbedenkliche
Alternativen gibt. Die Trainer könnten Ess-
papier für ihre Botschaften nutzen oder
einen Nachrichtenträger, der sich selbst
zerstört wie im Agentenfilm „Mission: Im-
possible“. Empfehlenswert wäre auch die
Verwendung von Geheimtinte wie in „Fan-
tomas“, das Anbringen von Hosentaschen
oder, je nach Personal, der Einsatz asiati-
scher Schriftzeichen. philipp selldorf


Köln– Die Generalprobe von Paris Saint-
Germain für das Achtelfinal-Rückspiel in
der Champions League gegen Borussia
Dortmund am Mittwoch (21 Uhr) ist ge-
platzt. Aufgrund der Corona-Krise wurde
die für Samstag angesetzte Ligue-1-Partie
beim FC Straßburg auf einen noch nicht
festgelegten Zeitpunkt verlegt. Das hatte
die Präfektur des Departements Bas-Rhin
angeordnet. Die Partie ist die erste in
Frankreich, die wegen des Virus verscho-
ben werden muss. Damit hat PSG keine
Möglichkeit mehr, vor dem Wiedersehen
mit dem BVB auf Wettkampfniveau zu spie-
len. Das Team des Trainers Thomas Tuchel
hatte das Hinspiel mit 1:2 verloren. sid


von ulrich hartmann

Mönchengladbach–Wenn sich zartsinni-
ge Balletttänzer plötzlich in raue Kampf-
sportler verwandeln, dann muss wohl die
Fußballsaison in ihre entscheidende Phase
einbiegen. Auch in Zombiefilmen neigen
ansonsten höfliche Menschen nach ihrer
Verwandlung zwar unversehens zur Kon-
frontation, aber diesen Befund darf man
im Fall von Borussia Dortmund getrost aus-
schließen. Die sonst eher kontaktscheuen
Westfalen sind bei ihrem 2:1-Erfolg in Mön-
chengladbach durch eine physische Streit-
barkeit aufgefallen, die man bislang nicht
von ihnen kannte. Sie hat ihnen den Sieg
und den zweiten Platz in der Tabelle einge-
bracht. Fünf gelbe Karten binnen 90 Minu-
ten sind BVB-Saisonrekord und standen ge-
gen wehrhafte Gladbacher zugleich symbo-
lisch für einen offenbar zunehmend kör-
perlichen deutschen Fußball. Die Bundesli-
ga wird immer englischer.
„Wir haben den Fight angenommen, wir
haben uns nichts gefallen lassen“, schwelg-
te Abwehrchef Mats Hummels. „Am meis-
ten gefreut hat mich, dass wir so gekämpft
haben“, jubilierte Torwart Roman Bürki.
Und so erfüllten diesmal gar nicht so sehr
die Momente ihrer beiden Treffer die Dort-
munder mit Stolz, sondern vielmehr die Au-
genblicke des Clinchs, also ihre fünf gel-
ben Karten: Axel Witsels Handspiel samt

Ballblockade, Dan-Axel Zagadous Ellbo-
gencheck, Emre Cans taktisches Foul so-
wie Jadon Sanchos und Raphael Guerrei-
ros schroffe Scharmützel mit grantigen Ge-
genspielern. „Das war zum Teil aber dem
Charakter dieses Spiels geschuldet“, sagte
Michael Zorc. Kürzlich hatte der Sportdi-
rektor noch leicht ironisch beklagt, dass
sein BVB an der Spitze der Fairnesstabelle
thront, und dort steht er auch weiterhin, al-
lerdings hegt Hummels nun Hoffnung auf
Besserung: „Wir haben jetzt eine andere
Herangehensweise, an diesem neuen Spi-
rit haben Emre Can und Erling Haaland
große Anteile, jetzt haben wir die richtige
Balance aus Künstlern und Arbeitern.“

Das Künstlerische freilich hielt sich dies-
mal ein bisschen zurück. Das Duell zweier
technisch eigentlich hochgradig versierter
Mannschaften war von Anfang an ein solch
leidenschaftlicher Infight, dass sie die Auf-
zeichnung bei den schottischen Highland-
Games gut als Pausenfüller zeigen könn-
ten. Schmerzverzerrte Gesichter und zu-
ckende Muskeln prägten auch jene drei
Schlüsselszenen, die die Gladbacher zähne-
knirschend für ihre Niederlage mitverant-

wortlich machen mussten: als Torwart
Yann Sommer seinem Vordermann Denis
Zakaria versehentlich aus vollem Lauf ei-
nen kapitalen Bluterguss ins Knie trat und
dieser ausgewechselt werden musste; als
Jonas Hofmann im Dortmunder Straf-
raum über die absichtlich ausgefahrene
Hüfte des Abwehrmanns Dan-Axel Zaga-
dou stürzte, es aber keinen Elfmeter gab –
und als die Gladbacher kurz vor dem 1:2 ab-
gelenkt wirkten, aus einer Art falsch ver-
standener Nächstenliebe, weil Dortmunds
Haaland sich verletzt am Boden krümmte.
Achraf Hakimi nutzte die Konfusion,
preschte rechts außen durch und schob
Torwart Yann Sommer den Ball zum Sieg-
treffer durch die Beine (71.).
Bis zum Mittwoch sollten sich die Glad-
bacher erholt haben, denn dann erscheint
der 1. FC Köln zum nachgespielten Rhein-
derby, das vor einem Monat dem Orkan
zum Opfer gefallen war. „Dann haben wir
gleich wieder die Chance, oben dranzublei-
ben”, sagte der Trainer Marco Rose, der sei-
nen Spielern diverse Komplimente widme-
te für „den Puls 220“, mit dem sie sich der
anderen Borussia entgegengeworfen hat-
ten. Momentan sind die Gladbacher von
Bayer Leverkusen zwar aus der Champi-
ons-League-Zone (Platz eins bis vier) ver-
bannt, können dies mit einem Sieg gegen
Köln aber rückgängig machen. Vermutlich
kann auch Zakaria wieder mitspielen.

Puls 220 benötigen auch die Dortmun-
der am Mittwoch, denn sie müssen einen
2:1-Vorsprung bei Paris St. Germain in der
Champions League verteidigen. Bereits im
Achtelfinal-Hinspiel hatten sie den vorneh-
men Franzosen die neue westfälische
Gangart näher gebracht. „Genau das brau-
chen wir jetzt wieder“, sagt Michael Zorc.

Der Sportdirektor mag eine erfolgrei-
che Fortsetzung der Saison aber nicht aufs
rein Rustikale limitieren: „Wir brauchen
vor allem eine sauberere Defensivleistung,
weil die Jungs, die dort auf dem Platz ste-
hen, Fehler noch kaltblütiger bestrafen.“
Am Mittwoch in Paris, warnt Zorc, „muss
man fast fehlerfrei spielen“.
Für Dortmund war der erfolgreiche Aus-
flug an den Niederrhein der Start in die
wichtigsten Wochen der Saison. Denn
nach dem Besuch bei Ex-Trainer Thomas
Tuchel in Paris, nach dem Revierderby da-
heim gegen Schalke am Samstag und nach
dem Spiel in Wolfsburg eine Woche später
folgt eine Länderspielpause, an deren En-
de am 4. April das Heimspiel gegen die Bay-
ern ansteht. „Genau dann müssen wir auf
dem Maximum sein“, sagt Hummels.

Leverkusen–Wer begreifen will, warum
Leverkusen eine der formstärksten Mann-
schaften der Bundesliga stellt, braucht zu-
nächst einmal nur auf die Ersatzbank zu
gucken. Dort saßen am Samstag – trotz der
Verletzungen von Kevin Volland (Syndes-
moseriss), Nadiem Amiri (Kapselruptur
des Schultereckgelenks) und Lars Bender
(profane muskuläre Probleme) – so nam-
hafte Spieler wie Kerem Demirbay, Jona-
than Tah, Lucas Alario und Leon Bailey.
Auf dem Platz wirbelte stattdessen der lan-
ge verschmähte Brasilianer Paulinho. Im
Sommer 2018 an seinem 18. Geburtstag
für 18,5 Millionen Euro von Vasco da Gama
ausgelöst, sammelte der Brasilianer lange
nur Kurz- bis Kürzesteinsätze, 21 an der
Zahl, bevor er gegen Eintracht Frankfurt
erstmals in der Bundesliga in der Startelf
auftauchte. Der Teenager dankte es mit
zwei Toren, einer Vorlage und einem demü-
tigen Auftritt nach dem 4:0 (2:0). „Ich habe
mich lange gedulden müssen“, sagte Pau-
linho, „das war nicht immer einfach. Aber
ich wusste, wenn meine Chance kommt,
muss ich da sein.“ Nach dem 3:0 verneigte
er sich vor den Fans und erklärte: „Ich woll-
te mich einfach mal vorstellen. Einige ken-
nen mich vielleicht noch nicht so gut.“
Der zweite Grund für Bayers Hoch heißt
Kai Havertz. Der 20-Jährige, in der Hinrun-
de noch blockiert und fehlerbehaftet, von
den eigenen Fans leise ausgepfiffen und von
Fragezeichen begleitet, ist besser in Form
denn je. Er spielt flott und unberechenbar,
den Kopf oben, das Spiel lesend, so als sei


er von der Last des Transferpokers rund
um den wohl unvermeidlichen Wechsel im
Sommer befreit. Niemand will bestätigen,
dass etwas entschieden ist, aber gewöhn-
lich spielen Fußballer vor allem dann so
auf wie Havertz, wenn sie nicht von Zu-
kunftssorgen gebremst werden. „In der
Hinrunde lag viel Druck auf meinen Schul-
tern“, sagte der Nationalspieler bei Sky.
Jetzt sei er aber „wieder der Alte“. Am Sams-
tag verbesserte Havertz einen edlen Re-

kord: Keinem Spieler seines Alters gelan-
gen so schnell 30 Liga-Tore – die Legende,
die er beerbt, ist immerhin Klaus Fischer,
nun die Nummer zwei der ewigen Liste.
Grund Nummer drei für die Serie des
Werksklubs (elf Siege aus den vergange-
nen 13 Pflichtspielen) sind die Ideen von Pe-
ter Bosz. Es ist ja schön, auf talentierte Spie-
ler zurückgreifen zu können, aber man
muss sie erst einmal ins ideale Verhältnis
zueinander setzen. Der Trainer, in Dort-
mund vor zweieinhalb Jahren noch an star-
ren, rasch vorhersehbaren Mustern ge-
scheitert, rochiert und taktiert mit Wonne
und Erfolg. Gegen Frankfurt verzichtete
der Niederländer auf einen echten Mittel-
stürmer, schickte dafür Havertz und/oder
Paulinho in die Spitze, flankiert von den un-
ermüdlichen Dauerläufern Karim Bellara-
bi und Moussa Diaby. Letzterer, auch erst
20 Jahre alt, vermittelt sogar Lust an De-
ckungsaufgaben – dort hinten hat er nach
Ballgewinnen ja noch mehr Platz für seine
frappierenden Speed-Dribblings.
Der Franzose, für heutzutage nachgera-
de läppisch anmutende 15 Millionen Euro
aus Paris geholt, ist ein weiterer Beweis für
die umsichtige Einkaufspolitik von Bayer;
ein anderer ist der 21-jährige Innenvertei-
diger Edmond Tapsoba (18 Mio.), der auf-
tritt, als stünde er schon seit Jahren in der
Startelf – so ließ er die Auswechslung des
Routiniers Sven Bender (Knie) fast verges-
sen; kaum getestet wurde außerdem ein
anderer Wintertransfer, der 21-jährige Exe-
quiel Palacios (17 Mio.).

Derzeit hat Bosz die richtige Mischung
gefunden aus Coolness (Havertz, Tapsoba)
und Feuer (Paulinho und die zum Aktionis-
mus neigenden Bellarabi und Bailey), aus
Tempo, Dribbelkunst und Abgeklärtheit.
Das scheint sogar Mitläufer mitzureißen:
Außenverteidiger Wendell, jahrelang eher
durch unfreiwillige Purzeleien als durch
brasilianische Fertigkeit aufgefallen, zeig-
te am Samstag eine seiner besten Leistun-
gen im Bayer-Dress. Neu bei den Rheinlän-

dern ist auch die Effizienz, die schon gegen
Dortmund (4:3) und Union Berlin (3:2) auf-
fiel: In der Hinrunde verschleuderten sie
Großchancen wie Kamelle – in der Rück-
runde brauchen sie wesentlich weniger Ver-
suche; am Samstag wurden die ersten vier
Chancen allesamt in Tore umgemünzt.
Nicht ganz falsch ist der relativierende
Einwurf, dass Leverkusens jüngste Gala
auch ein Verdienst des Gegners war, der im
freundlichen Abstand betrachtete, was
Bayer da so trieb. Eindrucksvoll bewiesen
die Hessen, warum kein Ligateam aus-
wärts so wenig gepunktet hat wie sie (sie-
ben Zähler in zwölf Versuchen), und man
konnte verstehen, warum Adi Hütter „sehr
sauer“ war: Diese Art, Zweikämpfen aus
dem Weg zu gehen, konnte der Trainer sei-
nen Spielern unmöglich mitgegeben ha-
ben. Abwehr-Dynamo Martin Hinteregger
glaubt längst an ein psychologisches Pro-
blem: „Wir gehen ins Spiel rein und den-
ken: ,Schon wieder auswärts. Wir würden
lieber daheim spielen.‘“ Dass in der Arena
zwei Teams agierten, die noch in drei Wett-
bewerben vertreten sind, hätte ein Außen-
stehender kaum geglaubt. Für die Ein-
tracht, die ihr 43. Pflichtspiel der Saison be-
stritt (Paderborn zum Beispiel kommt auf
27, Bayer immerhin auf 37), scheint der Lu-
xus der drei Hochzeiten längst zur Last ge-
worden zu sein. Während Leverkusen sich
auf den Trip zu den Glasgow Rangers freut,
erwartet Frankfurt den FC Basel am Don-
nerstag mit gemischten Gefühlen. Aber
wenigstens daheim. milan pavlovic

Gelsenkirchen–Zuschauer, die schon ein
wenig älter sind, erinnerten sich womög-
lich an den alten Fachbegriff „Schlafwagen-
fußball“, als die Partie zwischen Schalke 04
und der TSG Hoffenheim in der zweiten
Halbzeit weiterlief. Etikettiert war die Ver-
anstaltung als Spitzenspiel um den mut-
maßlich letzten offenen Platz für die Quali-
fikation zur Europa League, der Sechste
stand dem Siebten der Tabelle gegenüber.
Aber das Spiel sah aus, als hätten sich zum
Ende der Saison zwei Teams getroffen, die
aussichtslos im Mittelbau der Tabelle fest-
sitzen. Dass hier zwei Schicksale überein-
stimmten, ging auch aus den Kommenta-
ren beider Trainer hervor, als der Schieds-
richter beim Stand von 1:1 das Duell been-
dete. Beide erklärten sich unter Verweis
auf die jeweils verfahrene Lage ihres
Teams mit dem Gebotenen und mit dem
Ergebnis einverstanden. Es seien zwei
Teams in Aktion getreten, „die sicher nicht
ihre beste Periode haben“, betonte seuf-
zend Schalkes Coach David Wagner.

Sein TSG-Kollege, der Niederländer Al-
fred Schreuder, machte geltend, seine Spie-
ler seien nach dem 0:6 gegen den FC Bay-
ern noch moralisch befangen gewesen
(„Die Jungs sind keine Robots, sondern
Menschen“). Wagner ließ wissen, der neue
Schalker Rückzug in „einen total defensi-
ven Ansatz“ sei die einzige Rettung vor
Unheil: „Etwas anderes steht uns nicht zu,
weil wir dafür nicht das Personal haben.“
Tatsächlich herrschte nach dem Spiel vor
der Schalker Kabine ein Andrang wie zur
Rush Hour in der U-Bahn von Tokio. Für all
die verletzten Profis, die in Zivilkleidung ih-
ren Kollegen die Aufwartung machen woll-
ten, war kaum genügend Platz im engen
Gang. Sieben Spieler fehlten Wagner zur
Disposition, fast alle fungierten bisher als
Angehörige der Stammelf.
Die Teams begegneten sich mit dem glei-
chen System. Wie Schalke nahmen auch
die Gäste in der Defensive eine massive
5-4-1-Formation ein. Das ließ Schlimmes
ahnen für den Unterhaltungsfaktor, doch
die verbliebene Schalker Elf trat gegen ein
furchterregend harmloses Hoffenheim zu-
nächst ansehnlich und dominant auf. Ange-
führt vom 22 Jahre alten Draufgänger Wes-
ton McKennie, trug sie den Ball in steter Re-
gelmäßigkeit nach vorn, folgerichtig war
es McKennie, der das 1:0 (20.) besorgte –
der erste Treffer für Schalke nach vier tor-
losen Partien. Statt den Druck auf den ver-
schreckten Gegner zu steigern, blieb es je-
doch anordnungsgemäß bei gebremstem
Antrieb. Die Folge war abzusehen: In der
zweiten Hälfte zogen sich die Schalker in
passive Defensive zurück, sie behielten die-
se Haltung sogar nach dem 1:1 (67.) durch
Baumgartner bei. Die Einwechslungen von
Amine Harit und Ahmed Kutucu kamen zu
spät, um noch etwas zu bewegen. Spielma-
cher Harit hatte, wie beim Pokalspiel ge-
gen die Bayern (0:1) am Mittwoch, aus takti-
schen Gründen auf der Bank gesessen. Für
einen Dribbler auf der Zehnerposition
sieht Wagner zurzeit keinen Platz im Kon-
zept der Risiko-Minimierung.

Die Frage, warum er nicht spätestens
nach dem 1:1 wieder mehr offensive Initiati-
ve angewiesen habe, rief bei Wagner eine
gereizte Reaktion hervor. Es habe keinen
Unterschied zwischen den Herangehens-
weisen gegeben, beschied er. Dass ein Trai-
ner fast renitent darauf besteht, seine
Mannschaft habe im Heimspiel gegen ei-
nen Tabellenkonkurrenten von der ersten
bis zur letzten Minute dem Ungeist des Ca-
tenaccio gehuldigt, hört man auch nicht al-
le Tage. Wagners Bekenntnis zur vorsätz-
lichen Selbstlimitierung zeigt nicht nur die
Entschlossenheit, mit der er Schalke nun
Underdog-Fußball spielen lässt, sondern
es zeigt auch den Grad seiner Frustration.
Man habe nach Beginn der Saison „sieben,
acht Monate eine Identität aufgebaut“, so
Wagner, diese Entwicklung sei aber leider
durch die zahlreichen Verletzten „unterbro-
chen“. Totale Defensive sei derzeit „der ein-
zig richtige Ansatz – weil das Andere funk-
tioniert ja nicht“, betonte Wagner.
Ob diese Ansicht von allen Schalker Ver-
antwortlichen geteilt wird, darf bezweifelt
werden. Der Klub braucht den Europacup
nicht zwingend zum Überleben, aber er
braucht ihn. Am Samstag hat es so ausgese-
hen, als habe Schalke die Chance, ein ange-
schlagenes Hoffenheim zu distanzieren,
gar nicht richtig ergreifen wollen. Leichter
wird’s nicht unbedingt: Am nächsten Sams-
tag steht für Schalke das Derby in Dort-
mund an. philipp selldorf

„Dann müssen wir auf dem
Maximum sein“, sagt Hummels
schon mit Blick aufs Bayern-Spiel

PSG muss pausieren
Keine Generalprobe für BVB-Rückspiel

Wie bei den Highland-Games


Die Bundesliga wird britischer: Das Borussen-Duell entwickelt sich zum kurzweiligen, ruppigen Kampfspiel,
nach dem sich besonders die 2:1-siegreichen Dortmunder für ihren Kulturwandel feiern

HÄNGENDE SPITZE


Jugend forsch


Paulinho und Havertz, Coolness und Feuer: Auch beim 4:0 gegen Frankfurt hat Trainer Bosz für Leverkusens Elf die richtige Mischung gefunden


Beim 1:1 gegen Hoffenheim bleibt
derUnterhaltungswert gering

Puls 220 benötigt Dortmund auch
am Mittwoch, wenn in Paris ein
2:1-Vorsprung zu verteidigen ist

Sieht schlimmer aus, als es war: Erling Haaland (fliegend) verließ Gladbach trotz Kollisionen mit Matthias Ginter (liegend) auf beiden Beinen. FOTO: RATTAY / REUTERS

DEFGH Nr. 57, Montag, 9. März 2020 (^) SPORT 25
Cool beim Abschluss vor dem Tor: Paulin-
hoerzielt das 3:0. FOTO: DENNIS EWERT / IMAGO
Streng geheim!
Bitte aufessen!
Maximal enttäuscht: Weston McKennie
und Maskottchen Erwin. FOTO: UWE KRAFT / AFP
Gestatten, Paulinho: Leverkusens Brasilia-
nerstellt sich vor. FOTO: ROLF VENNENBERND / DPA
Schalker
Fastenzeit
Trainer Wagner verordnet wegen
der Personalnot eine Defensivtaktik

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