Der Standard - 24.02.2020

(C. Jardin) #1

12 |MONTAG, 24.FEBRUAR 2020 Wirtschaft&Recht DERSTANDA RD


Das türkis-grüne Regierungsprogramm sieht einigeVeränderungen desVergaberechts zur Stärkung des
Klimaschutzesvor. EinigeVorhaben sind mit dem EU-Recht nicht leichtvereinbar.

klingen. In der Praxis kann es
einen erheblichen Mehraufwand
bedeuten, die Qualitätsabstufun-
gen unterschiedlicher Leistungen
nach ökologischen Kriterien zu
gewichten. Der deutlich einfacher
zu ermittelnde „Billigstbieter“
bleibt beim Gesetzgeber unbe-
liebt, auch wenn er noch so hohen
Mindeststandards genügen muss.
QStärkung der Regionalität Dies
wird mehrfach hervorgehoben,
wobei auch hier konkrete Maß-
nahmen offen sind und das
Unionsrecht dem Gesetzgeber
enge Grenzen setzt. Die Förderung
regionaler Anbieter kann nämlich
eine Benachteiligung von Unter-
nehmern aus anderen Mitglieds-
staaten bedeuten und damit die
Stoßrichtung des EU-Diskriminie-
rungsverbots konterkarieren. Öko-
logisch messbare Kriterien (z. B.
CO 2 -Fußabdruck) sind aber sehr
wohldenkbar. Auch die Schlech-
terstellung von Bietern/Produkten
aus Drittstaaten ist zulässig und
wird im Regierungsprogramm

D

ie neue Bundesregierung
will das Vergaberecht als
„wichtiges Instrument zur
Bekämpfung des Klimawandels“
nutzen. Tatsächlich hat der Staat
als Auftraggeber nicht nur Vor-
bildfunktion, sondern kann mit
seinem Einkaufsverhalten maß-
gebliche Steuerungseffekte erzie-
len. Das Beschaffungsvolumen
der öffentlichen Hand beträgt
immerhin mehr als 60 Mrd. Euro
pro Jahr. Schon nach derzeitiger
Rechtslage können Auftraggeber
klimafreundliche Akzente setzen
(teilweisemüssensiediesbereits).
Der vorgesehene vollständige
Umstieg auf emissionsfrei betrie-
bene Fahrzeuge bedürfte somit
keiner Gesetzesänderung, son-
dern könnte durch entsprechend
formulierte Ausschreibungen um-
gesetzt werden. Die Regierung
möchte aber offenbar nicht nur in
ihrem unmittelbaren Verantwor-
tungsbereich grüne Farbe beken-
nen, sondern allen öffentlichen
Auftraggebern –auch Ländern,


Gemeinden und hunderten ausge-
gliederten Rechtsträgern–klima-
schonende Beschaffungen vor-
schreiben. Folgende Ankündi-
gungen finden sich im Regie-
rungsprogramm:
QKlima Auftragsvergaben sollen
nach verbindlichen ökosozia-
len Vergabekriterien erfolgen. Die
„Umwelt- und Gesundheitsvor-
teile“ von Leistungen sollen ent-
scheiden, etwa durch Messung
der Lebenszykluskosten (TCO).
Konkreter wird es nur bei Fahr-
zeugen, wo möglichst bereits ab
2022 nur mehr emissionsfrei be-
triebene Fahrzeuge durch die öf-
fentliche Hand beschafft werden.
Ökosoziale Kriterien sind nicht
nur im Sinne von Mindeststan-
dards vorgesehen, sondern primär
durch eine neuerliche Stärkung
des sogenannten Bestbieterprin-
zips („Paradigmenwechsel vom
Billigstbieter zum Bestbieter“).
Als Schlagwort soll dies offenbar
auch bei der mittlerweile dritten
Bestbieternovelle seit 2016 gut

ausdrücklich als Maßnahme er-
wähnt.
QTransparenzGanz im Sinne des
gläsernen Staats sollen Auftragge-
ber Verträge ab einem bestimmten
Schwellenwert der Öffentlichkeit
zugänglich machen. Dabei wird
die Auflösung des Spannungsver-
hältnisses Informationsbedürfnis
einzelner Unternehmer einerseits
und Wahrung der Geschäfts- und
Betriebsgeheimnisse von Auftrag-
gebern und Auftragnehmern an-
dererseits eines Höchstmaßes an
juristischer Raffinesse bedürfen.
QVereinfachungenIm Regierungs-
programm ist von einem nicht
näher beschriebenen Bürokra-
tieabbau im Vergabeverfahren die
Rede. Darüber hinaus sollen die
rechtlichen Voraussetzungen für
eine vereinfachte und raschere
Beschaffung in Krisen-und Katas-
trophenfällen geschaffen werden
–eine Maßnahme, die Auftragge-
ber in Zeiten globaler Katastro-
phenfälle wie des Coronavirus
sehr begrüßen. Bemerkenswerter-

weise soll auch eine Erhöhung
der Betragsgrenze für sogenannte
Direktvergaben (derzeit 100.
Euro) geprüft werden.
Diese Auftragsvergaben ohne
vorgelagertes Vergabeverfahren,
die weniger transparent sind und
die Rechtsschutzmöglichkeiten
interessierter Unternehmer wei-
testgehend ausschließen, werden
damit attraktiver gemacht. Bereits
jetzt erfolgt ein großer Teil aller
öffentlichen Auftragsvergaben
durch Direktvergaben. In wel-
chem Ausmaß die Direktvergabe-
schwelle angehoben werden
könnte, lässt das Regierungspro-
gramm offen. Der Spielraum des
Gesetzgebers für die Umsetzung
der Erleichterungen ist aufgrund
der unionsrechtlichen Vorgaben
jedenfalls beschränkt.

SEBASTIAN FEUCHTMÜLLERistPart-
ner bei Feuchtmüller Stockert Moick
Rechtsanwälte und spezialisiert auf
Vergabe- und Immobilienrecht. feucht-
[email protected]

Die Beschaffung ökologischerer Fahrzeuge aus Klimaschutzgründen wäre schon nach jetziger Rechtslage kein Problem.

Foto: Getty

Lizenz zur Klimarettung


KTM-Förderung sollTatbestanddes Beihilfenverbots erfüllen


Rechtsgutachtenkommt zum Schluss,dass die derKTMMotohall großzügiggewährte Subvention EU-rechtswidrig sei


Olga Kronsteiner

D

ass sich die Kulturszene
über Oberösterreichs Gren-
zen hinaus neuerdings mit
dem europäischen Beihilfenrecht
beschäftigt,hateinengutenGrund.
Anlässlich drastischer Kürzungen
der Fördermittel bei zeitgenössi-
schen Kunst- und Kulturvereinen
(2018: 2,4 Millionen Euro) mach-
te die Kulturplattform (Kupf) des
Landes im August 2019 eine hohe
Zuwendung für die als Museum
bezeichneteKTMMotohallöffent-
lich, die eine wesentliche Frage
aufwarf: Warum bezog ein Unter-
nehmen mit Millionengewinnen
in dreistelliger Höhe eine Förde-
rung, während bei kleinen Ver-
einen gespart wurde.
In einem ersten Schritt ging es
um 600.000 Euro, die sich als Rate
einer 1,8-Millionen-Subvention


aus dem Kulturbudget entpuppte.
Später stellte sich heraus, dass
sich der Umfang der aus unter-
schiedlichen Töpfen des Landes
gewährten Zuschüsse sogar auf
6,7 Millionen Euro belief.
Um wettbewerbsverzerrende
Über- oder Quersubventionierun-
gen aus staatlichen Mitteln in der
EU zu vermeiden, sind Beihilfen
verboten und bedürfen deshalb
einer expliziten Freistellung. Eine
solche gab es im Fall der KTM
Motohall jedoch nicht, da keine
Meldung an die Kommission er-
folgt war.

Meldepflicht oder nicht
Laut der Allgemeinen Gruppen-
freistellungsverordnung (AGVO)
sei der Bereich Kultur grundsätz-
lich nicht meldepflichtig, argu-
mentierte die Landesregierung.
Dem widersprach Franz Leiden-

mühler, Vorstand des Instituts für
EuroparechtanderJohannes-Kep-
ler-Universität (JKU) vehement.
Denn der Wegfall des Anmelde-
erfordernisses sei an bestimmte
Voraussetzungen geknüpft, die
nichterfülltseien:DieSubvention
hätte keine Anreizeffekte, und die
Qualifikation als Kulturbeihilfe
nach der AGVO sei mehr als frag-
lich.
Das bestätigt jetzt auch ein seit
vergangener Woche vorliegendes
Gutachten, das Kupf bei einer
Wiener Kanzlei beauftragte. Peter
Thyri, spezialisiert auf Kartell-
und Wettbewerbsrecht, kommt in
seiner „Beihilfenrechtlichen Be-
urteilung“ zu dem eindeutigen Er-
gebnis: Die vom Land OÖ als Kul-
turförderung gewährten Beihilfen
an KTM sind EU-wettbewerbs-
widrig. Konkret sei etwa der Tat-
bestand des Beihilfenverbotes in

allen sechs relevanten Kriterien
erfüllt: bestimmter Begünstigten-
kreis, wirtschaftlicher Vorteil,
Bestimmtheit, Staatlichkeit der
Mittel, Wettbewerbsverfälschung
und Handelsbeeinträchtigung.
Denn die KTM Motohall GmbH
als Betreibergesellschaft ist Teil
der wirtschaftlichen Einheit des
KTM-Konzerns,deraufdemMarkt
für die Herstellung und den Ver-
trieb von Motorrädern im Wettbe-
werbmitanderenErzeugernsteht.
Dazu erfasst der Beihilfebegriff
alle Formen wirtschaftlicher Vor-
teile für Unternehmen, wozu auch
die Verringerung von Belastungen
zählt.
Mit der Förderung für die Er-
richtung eines der Präsentation
der Unternehmensmarke gewid-
meten Showrooms („Museum“)
ersparte sich KTM, finanziellen
Aufwand für Marketing- und Wer-

bemaßnahmen aus eigenem zu
erbringen, womit solche Mittel
„anderweitig im Wettbewerb mit
anderen Motorradherstellern“
eingesetztwerdenkönnen.Daraus
ergibt sich ein Vorteil für KTM,
der anderen Wettbewerbern nicht
zur Verfügung steht.

Rechtliche Schritte
Bei Wettbewerbsverfälschung
ist das Ausmaß für den Gerichts-
hof unerheblich, selbst geringe
Vorteile könnten theoretisch ge-
ring verfälschen, ihr Eintritt
braucht praktisch nicht nachge-
wiesen zu werden.
Das Gutachten wurde der EU-
Kommission übermittelt, bei der
die Neos jüngst auch einen Antrag
auf Prüfung stellten. Abhängig
vom Ergebnis behält sich Kupf OÖ
die Einleitung rechtlicher Schrit-
te vor.

Sebastian Feuchtmüller
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