Der Standard - 24.02.2020

(C. Jardin) #1

DERSTANDARD sport MONTAG, 24.FEBRUAR2020| 17


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SebastianPrödl hat die beiden höchstenFußballligen in England und Deutschlandgesehen. Seit heuersteht
er in Italien beiUdinese Calcio unterVertrag.Füreine Bilanz seinerKarriereist es also noch zu früh.

Prödl:Wir brauchen hier nicht um
den heißen Breiherumreden:Es
gab in den letzten Jahren politisch
einige Probleme in Österreich. Und
es haben sicher nichtalleaktuellen
Nationalspieler die politische Mei-
nungdesehemaligen Sportminis-
tersgeteilt. Es istdannauchokay,
wennman sich nichtäußert und für
sich seine eigenenSchlüsse zieht.

STANDARD: Fürviele wirken Profi-
fußballer wie Aliens. Leben Sie in
einer Parallelgesellschaft?
Prödl:Ich glaube, viele wollen uns
so sehen. Und sind dann über-
rascht, dass wir ganz normal sind,
wenn man uns näher kennenlernt.
Ein entscheidender Faktor sind
natürlich die finanziellen Struk-
turen im Fußball. Die Blase, in der
Profis leben, ist schwer greifbar.

STANDARD: Aber nehmen wir die
Kicker, die sich vor einem Match
einen Starfriseur einfliegen lassen.
Istdasnichtextremabgehobenund
dekadent?
Prödl:Diese Friseurtermine gibt es
schon, seit ich Fußballer bin. Und
es wird doch erst zum Thema,
wenn die Mannschaft dann ver-
liert. Natürlich ist heute alles

S

ebastian Prödl hat Probleme.
In Norditalien spricht man
derzeit mehr über das Coro-
navirus als über Fußball. Außer-
dem leidet der 32-jährige Vertei-
diger an einem Knochenmarks-
ödem, der Heilungsverlauf ist un-
gewiss. Dennoch soll Udine die
dritte erfolgreiche Auslandsstation
des Steirers werden.


STANDARD: Siehaben am 19. Sep-
tember 2016 auf Facebook ge-
schrieben: „A date to remember.“
Können Sie sich noch erinnern?

Prödl:Helfen Sie mir. Meine Ver-
tragsverlängerung?


STANDARD: Nein. Sie wurden bei
Watfords erstem Sieg über Man-
chester United seit 30 Jahren zum
Man of the Match gewählt. Sie ha-
ben Zlatan Ibrahimovic abmon-
tiert.

Prödl:Es istauf jeden Fall ein „date
to remember“. Rooney hat noch
gespielt, Pogba wurde gerade ver-
pflichtet, es war eigentlich nur die
Frage, wie hoch sie gewinnen
würden. Wir haben unglaublich
gefightet, hätten sogar noch höher
gewinnen können.


STANDARD: Wie war es zuletzt in
Watford? Sie haben nicht mehr oft
gespielt.

Prödl:Die letzte Zeit war nicht
einfach. Ausgangspunkt war eine
Verletzung und die Akzeptanz
meinem Körper gegenüber, dass
es nicht mehr geht, jeden Tag Voll-
gas zu geben. Ich wollte um jeden
Preis wieder in die Mannschaft,
und mein Ehrgeiz hat mehr Pro-
bleme verursacht als Lösungen ge-
bracht. Außerdem war da ein Trai-
ner, der nicht auf mich gebaut hat.
Das war ein gefährlicher Mix. Ein
Teufelskreis. Die Situation würde
ich lieber missen, die Erfahrungen
nehme ich aber gerne mit.


STANDARD: Wenn man Großbri-
tannien sagt, muss man auch über
den Brexit reden. Sollen wir?

Prödl:Estut mir sehr leid für die
Briten, dass ich das in meiner Zeit
in London nicht lösen konnte. Ich
habe mich sehr bemüht, aber es ist
mir nicht gelungen.


STANDARD: Schwach.
Prödl:Ja,das ist das Einzige, das
ich mir vorwerfen kann in Eng-
land. Aber im Ernst: Es war ein
extremes Hin und Her. Am Anfang
ein leidiges Thema und zum
Schluss nur mehr ein nerviges.
Man hat die Ratlosigkeit in Eng-
land und in Europa nicht mehr
vertuschen können.

STANDARD: Marc Janko wurde
nach Karriereende auch immer
wieder fernab des Fußballs befragt.
Sollten Fußballer mit ihrer Mei-
nung exponierter sein?
Prödl:Es ist natürlich gut, wenn
man eine eigene Meinung hat.
In welche Richtung sie auch im-
mer geht. Und es ist auch wichtig,
dass man sie kundtut. Wenn Marc
etwas sagt, dann merkt man,
dass das vorbereitet und überlegt
ist und wirklich seine Meinung
widerspiegelt. Wenn er damit
Spannungen erzeugt und die Leu-
te darüber reden, dann ist das
sinnvoll.

STANDARD: Die vergangenen Jah-
re waren auch innenpolitisch tur-
bulent. Als Nationalspieler ist man
immer irgendwie Aushängeschild.

durch Social Media viel öffentli-
cher. Aber solche Themen werden
aufgebauscht. Ich habe selbst nie
an solchen Aktionen teilgenom-
men, weil ich nicht gerne die glei-
che Frisur habe wie die anderen.

STANDARD: Sinddie Medien dar-
an schuld, die auf solche Themen
nur zu gerne aufspringen?
Prödl:Nicht nur die Medien. Man
vergisst gerne, dass Fußball ein
riesiger Wirtschaftsfaktor ist. Neh-
men wir wieder die Frisuren: Vie-
le gehen nicht alle zwei Monate
zum Friseur, das sind Frisuren,
die man alle zehn Tage nach-
trimmen muss. Dann erscheint
ein Bild in den Medien und die
jungen Burschen wollen genau so
eine Frisur haben. Mit den bunten
Fußballschuhen verhält es sich
ähnlich. Für Eltern ist das eine
Katastrophe, wenn sie den Kids
jede Woche einen neuen bunten
Schuh kaufen müssen.

STANDARD: Wenn Sie fußballe-
risch etwas an sich ändern könn-
ten, was wäre das?
Prödl:Ich habe schon ein gewisses
Talent, bin aber eher der Arbeiter-
Typ. Ich habe mir meine Träume

durch harte Arbeit, Verzicht und
Disziplin ermöglicht und damit
wohl das Maximum rausgeholt.
Aber vielleicht hätte mir ein biss-
chen Drecksack-Mentalität auf
dem Platz nicht schlechtgetan. Ein
bisschen mehr Sergio Ramos.
Aber das war ich nie und werde
ich wohl auch nie werden.

STANDARD: Jetzt also Italien. War-
um setzen sich so wenige Österrei-
cher in der SerieAdurch?
Prödl:Bei mir gab es schon vor
meinem Wechsel zu Werder die
Möglichkeit, nach Italien zu ge-
hen. Aber ich habe mich bewusst
für Deutschland entschieden. Ers-
tens wollte ich zu einem größeren
Klub, und das war Bremen da-
mals. Und zweitens kann man
sich mit 20 in Deutschland viel
leichter anpassen. Es gab so viele
neue Faktoren, auf die ich mich
einstellen musste, da wollte ich
nicht auch noch die Sprache als
Barriere haben.

STANDARD: ValentinoLazarowur-
de nach einer halben Saison bei
Inter verliehen. Ist er gescheitert?
Prödl:Nein. Vielleicht waren die
Schuhe ein bisschen zu groß,
denn bei Inter herrscht ja ein
Riesenkonkurrenzkampf. Aber
wenn man die Chance bekommt,
dort zu spielen, muss man es ver-
suchen. Die Spiele, die ich von
ihm gesehen habe, waren gut.

STANDARD: Immer wieder kommt
es im Italiens Fußball zu rassisti-
schen Vorfällen. Ist das ein Thema
unter den Spielern?
Prödl:Es hatsich schon deutlich
gebessert. Man darf sich nicht von
einzelnen Idioten blenden lassen.
Die werden mittlerweile selbst auf
den Tribünen ausgebuht. Unter
uns Spielern ist es überhaupt kein
Thema. Bei Watford war ein span-
nender Mix aus vielen Kulturen.
Man kann sich so viel abschauen
und profitieren.

SEBASTIAN PRÖDL(32)ausGrazhat
73 Spiele für das ÖFB-Team absolviert.
Nach fünf Jahren in England heuerte
der ehemalige Kicker von Sturm Graz bei
Udinese Calcio an.

„Ich konnte den Brexit nichtlösen“


INTERVIEW: Andreas Hagenauer

Sebastian Prödl will sich auch in Italien durchsetzen.

Foto: APA/Scheriau
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