Der Standard - 24.02.2020

(C. Jardin) #1

20 |MONTAG,24.FEBR UAR2020DKommentar ER STANDARD


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.at/cartoons

AmazonischerKlimasünder

Jeff Bezoswill Milliarden spenden–sollte aber seinenKonzern nichtvergessen


NDR und Greenpeace die massenhafte
Vernichtung von Neuware, die bis heu-
te praktiziert wird. Das ist zwar eine
allgemeine Problematik von Versand-
händlern, Amazonträgt aber mit seiner
Rolleals mit Abstand größter eine be-
sondere Verantwortung. Immerhin hat
das aber die deutsche Politikauf den
Plangerufen, die das mit einersoge-
nannte nObhutspflichtimAbfallgesetz
verbieten möchte.
Dass das Unternehmen bis 2040 kli-
maneutral sein möchte, erscheint im
Hinblick auf all diese Versäumnisse
eher wie eine Beschwichtigung, um
dem öffentlichen Druck etwas ent-

gegenzuhalten, als ein ehrliches Un-
terfangen.
Was es braucht, um die globale Kli-
makrise zu bewältigen, ist nicht (nur)
philanthropisches Engagement von
Milliardären, die darauf abzielen, sich
den eigenen Ruf grünzuwaschen, son-
dern vor allem eines: politisches Han-
deln. Dass in diesem Zusammenhang
vor allem auf globaler Ebene zu einem
großen Teil Flaute herrscht, dürfte
wohl dazu beitragen, dass sich Super-
reiche wie Jeff Bezos erfolgreich als
Retter der Welt inszenieren können –
und dabei ihre eigene Rolle bei deren
Zerstörung verschweigen.

D

er reichste Mann der Welt
will die Erde retten: Jeff Bezos,
der Gründer des Onlineriesen
Amazon, spendet zehn Milliarden US-
Dollar, um den Klimawandel zu stop-
pen. Denn der sei die „größte Bedro-
hung für unseren Planeten“, wie er auf
seinem persönlichen Instagram-Konto
schreibt. Prompt heimste der CEO,
dessen Vermögen auf rund 130 Mil-
liarden Dollar geschätzt wird, hun-
derttausendeLikesein.Alsoallesrich-
tig gemacht. Bezos verlautbarte, Akti-
visten, Wissenschafter und NGOs auf
globaler Ebene zu finanzieren–und
holte sich dafür massiven Zuspruch.
Details, wohin die Gelder fließen sol-
len, ließ er aber offen.
Dabei sind das wesentliche Infor-
mationen: Nicht jede Institution, die
sich für Klimaschutz einsetzt, ist
gleich effizient. Ebenfalls ist nicht zu
ignorieren, dass Bezos kein Wort über
jenen Konzern verliert, der es ihm
überhaupt möglich gemacht hat, so
eine Summe beizusteuern, und das
wohl aus guten Gründen, trägt Ama-
zon in diesem Zusammenhang doch
eindeutig keine weiße Weste.
Erst im vergangenen Monat eskalier-
te ein Streit mit der eigenen Beleg-
schaft:Mehrals400Mitarbeiterforder-
ten ihren Arbeitgeber öffentlich auf,
klimaschädliche Praktiken des Unter-
nehmens zu unterbinden. Als Reak-
tion drohte ihnen das Management mit
der Entlassung, falls sie sich weiterhin
ohne Autorisierung öffentlich über
den Konzernäußern sollten.

D

abei ist die Kritik nicht gerade
unberechtigt: Amazons ökologi-
scher Fußabdruckliegt bei 44
MillionenTonnenCO 2 –das entspricht
jenem von Schweden–allein im Ge-
schäftsjahr 2018. Die genannten Mit-
arbeiter und Greenpeace werfen der
Firma vor, Technologie für Konzerne
in der Öl- und Gasindustrie zur Verfü-
gung zu stellen, mit der neue fossile
Energieträger gesucht werden. Bishe-
rige Plädoyers, das zu ändern, stießen
eher auf taube Ohren. Entsprechend
reserviertzeigtensiesichnunübrigens
in Bezug auf Bezos’ Ankündigung. Sie
verweisen auf die eher konträren
Handlungen seinesUnternehmens –
etwa Amazons Finanzierung eines
Events der klimawandelleugnenden
OrganisationCompetitive Enterprise
Institute. Auch im deutschsprachigen
Raum hat Amazons interner Umgang
mit der Thematik schon für Skandale
gesorgt: So belegten Recherchen von

Muzayen Al-Youssef

KOPF DESTAGES


A

uch wer in
Deutschland mit
Karneval nichts
am Hut hat, kommt in
diesen Tagen kaum da-
ran vorbei. Beim abend-
lichen Zappen stolpert
man immer in irgend-
eine der vielen Fernseh-
sitzungen–undoftmeist
schnell wieder raus.
Am Freitag allerdings
sorgte der in karneval-
affinen Kreisen äußerst
populäre, im Rest der
Republik eher unbe-
kannte Andreas Schmitt
für einen so denkwürdi-
gen Auftritt, den sogar
Youtuber Rezo (der mit
dem kritischen CDU-Vi-
deo) lobte: „Wenn die
Lines an Karneval mehr
hitten als die Lines der
halben Deutschrap-Sze-
ne. Nicer Typ.“
Der 57-jährige Schmitt
aus Rheinland-Pfalz ist beimKlassiker
„Mainz bleibt Mainz“ Sitzungspräsi-
dent und gibt seit Jahren den „Ober-
messdiener am Hohen Dom zu Mainz,
der der Politik die Leviten liest. Auch
diesesJahr, zwei Tage nach dem ras-
sistischen Terroranschlag von Hanau,
stieg er „in de Bütt“, rechnete bei der
Liveübertragung aus dem Kurfürstli-
chenSchlossmitderAfDabundmach-
te diese für das verrohte Klima im Land
verantwortlich.
„Die Morde von Hanau, die Schüs-
se auf die Synagoge in Halle–obJu-
den, Christen, Muslime, das war ein
Angriff auf alle. Wir leben hier zusam-
men, die Demokratie wird triumphie-

ren, dieses Land werdet
ihr niemals regieren“,
sprach er im rot-weißen
Kirchengewande von
seiner Kanzel herab und
erntete damit tosenden
Applaus. 5,46 Millionen
Zuseher waren live da-
bei, im Internet wurde
die Rede zum Klickhit.
Schmitt bekämpft die
AfD nicht nur im Kar-
neval, sondern auch als
Politiker. Der Vater
zweier erwachsener
Söhne ist Vize-Chef der
SPD-Fraktion im Stadt-
rat von Nieder-Olm,
zehn Kilometer von
Mainz entfernt. Vor ein
paar Jahren hat er nach
Kritik an der AfD eine
anonyme Drohung er-
halten, in der er als „fet-
te SPD-Sau“ beschimpft
wurde.
Als „Obermessdiener“
thematisiert er aber auch Missstände
in der katholischen Kirche. Schmitt ist
selbst katholisch und sagte in einem
Interview mit der Allgemeinen Zeitung
einmal: „Es kann auch schön sein in
der Kirche“–und dass er seit seiner
Kindheit eine Verbundenheit mit dem
Glauben habe.
Ideen für seine Auftritte sammelt er
das ganze Jahr, früher schrieb er auf
Zettel, jetzt kommt das Sprachmemo
aufs Handy. Ab November bereitet er
sich für seine Auftritte vor. Im richti-
gen Leben trägt er kein Messgewand,
aber er arbeitet für die Kirche. Schmitt
ist im Bistum Mainz für die EDV zu-
ständig. Birgit Baumann

Karnevalistischer


Obermessdiener


heizt der AfD ein


Andreas Schmitt hielt im
MainzerKarneval harsche
Büttenrede gegen rechts.
Foto: SWR/Volker Oehl

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Achtung,Trumpokraten


Manuel Escher

P

lötzlich zählt der Rechtsstaat doch nicht so viel wie
gedacht–und viele Beteuerungen wirken reichlich
aufgesetzt. Es gehe bei den Wahlen in diesem Jahr um
alles, hieß es immer wieder bei den US-Demokraten. Um
die Verfassung, Demokratie, den Rechtsstaat, die Zukunft
derUSA,wiewirsiekennen.AbernachMonatenderWahl-
kampfreden, der hehren Worte und der Appelle an das Ge-
wissen der Wählerinnen und Wähler sind sich einige in
der Partei nun nicht mehr so sicher–will man wirklich
Trump verhindern? Der Grund ist banal: Sie fürchten, im
Herbst enttäuscht zu werden und nicht all das zu bekom-
men, was sie sich erhofft hatten. Wäre es besser, noch vier
Jahre Trump zu ertragen, als einen Präsidenten Bernie San-
ders die demokratische Partei umgestalten zu lassen? Das
stellte MSNBC-Moderator Chris Matthews nach dem Sieg
des Senators Samstag in Nevada ernsthaft zur Debatte.
Aber auch in Sanders’ Lager steht die Abwahl Trumps
nicht über allem: Seine Fans nahmen in der vergangenen
Woche die Kandidatur des New Yorker Ex-Bürgermeisters
Michael Bloomberg auseinander. In einem von ihnen mas-
siv verbreiteten Kommentar aus der Zeitschrift The Week
war die Empfehlung zu lesen, statt Bloomberg gleich Trump
zu wählen. Beide seien „rechtsgerichtete Autoritäre“–im
Vergleich zu Bloomberg sei Trump wenigstens unfähig.


D

as mag stimmen. Aus der Perspektive der Sprechen-
den sind beide Ängste berechtigt. Linke werden sich
mit einem Präsidenten Bloomberg kaum anfreunden
können. Die Stop-and-frisk-Politik, mit der er als Bürger-
meister von New York Angehörigen von Minderheiten Tag
für Tag ein Gefühl der Benachteiligung vermittelte, ist in
der Tat rassistisch, seine späten Entschuldigungen un-
glaubhaft. Und ja, es wäre problematisch, wenn man sich
mit 500 Millionen an TV-Werbedollars den Weg zum Wei-
ßen Haus kaufen könnte–umPolitik im eigenen Sinn zu
betreiben. Und doch: Bloomberg ist nicht Trump. Er wür-
de gewiss nicht jene Gesellschaft bauen, von der Sanders’
Anhänger träumen–aber er würde sich an die Verfassung
halten, er würde Gesetze respektieren, seine Anhänger
nicht zur Gewalt aufrufen. Das sind Selbstverständlichkei-
ten –aber solche, die mit Trump auf dem Spiel stehen.
Auch Präsident Sanders würde vielen Demokraten etwas
zumuten. Denn, da hat Chris Matthews recht, er würde die
USA und seine Partei verändern. Seine Anhänger wün-
schen sich das sehnlich, manchmal auf eine beängstigen-
de, Dissens ausschließende Art fanatisch. Aber seine Zie-
le, selbst wenn man es ablehnen würde, sie mit der Bedro-
hung gleichzusetzen, die vier Jahre Donald Trump bedeu-
ten, sind fahrlässig. Sanders würde, mit Zustimmung des
Kongresses, das US-Wirtschaftssystem umbauen. Das wür-
de manche etwas kosten, vielleicht wäre es disruptiv. Und
doch ist seine Politik nicht von der Menschenfeindlichkeit
und offenen Ablehnung demokratischer Normen gekenn-
zeichnet, die Trump an den Tag legt. Das gleichzusetzen
ist intellektuell fahrlässig. Und moralisch schäbig.


Einerote Farce


David Krutzler

A

uch die SPÖ Wien-Donaustadt trägt das Wort Demo-
kratie in ihrem Namen. Bei der internen Wahl zum
neuen Parteivorsitz im 22. Bezirk, wo immerhin
mehr als 190.000 Personen leben, wird darauf aber nur be-
dingt Wert gelegt. Zwar findet im März eine Abstimmung
unter den SPÖ-Delegierten statt: Ex-Staatssekretärin Muna
Duzdar und SPÖ-Wien-Klubchef Josef Taucher haben ihre
Kandidatur angekündigt. Auf dem Stimmzettel selbst steht
aber nur Taucher. Wer Duzdar wählen will, muss Tauchers
Namen durchstreichen und Duzdar hinschreiben. Ent-
schieden hat das im Vorfeld eine SPÖ-interne „Wahlkom-
mission“, die aus 22 Funktionären besteht und sich sehr
deutlich für Taucher ausgesprochen hat.
Diese Vorgangsweise mag für Außenstehende höchst
fragwürdig erscheinen. Sie ist aber durch die SPÖ-Statu-
ten gedeckt. Den Delegierten wird ein Vorschlag präsen-
tiert, den diese nur abzunicken brauchen. Ein innerpartei-
licher Diskurs? Fairer Wettbewerb für alle Kandidaten?
Wird völlig überbewertet.
Dabei hat die Kampfabstimmung zwischen Michael Lud-
wig und Andreas Schieder um die Nachfolge von Wiens
Langzeitbürgermeister Michael Häupl Anfang 2018 funk-
tioniert. Es war keine Hofübergabe, dennoch hat sich die
Partei nach der Wahl hinter Ludwig versammelt. Die Ak-
tion der Genossen in der Donaustadt bringt aber auch Lud-
wig just im anlaufenden Wahlkampf für die Wien-Wahl in
die Bredouille. Die Öffentlichkeit konnte von der parteiin-
ternen Angelegenheit jedenfalls nur Kenntnis erlangen,
weil vor allem jüngere Delegierte gegen das Apparatschik-
System der Großpartei aufbegehren.
Die ganze Causa führt unvermeidlich zu folgender Fra-
ge: Wie kann die Bundes-SPÖ von Aufbruch, Öffnung und
Erneuerung sprechen, wenn es gleichzeitig SPÖ-Wahlen
wie in der Donaustadt gibt?


SPÖ-KAMPFABSTIMMUNG INWIEN


SANDERS’ ERFOLG

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