Der Standard - 24.02.2020

(C. Jardin) #1

DERSTANDARD International MONTAG,24.FEBRUAR 2020 | 3


Beider Arbeitnehmerveran-
lagung gelten zumBeispiel
Ausgaben fürfreiwillige
Kranken-,Unfall- oder Pen-
sionsversicherung,Kosten
zurWohnraumsanierung
(bei Vertragsabschlussvor
2016)sowie Spendenunter
bestimmten Voraussetzun-
genals Sonderausgaben.

Außergewöhnliche Belas-
tungen sindetwaKrank-
heitsk ostenoderKinderbe-
treuungskosten. Letztere
können noch in derVer-
anlagungfür 2018 berück-
sichtigt werden;seit
werden siemit demFami-
lienbonusabgedeckt.

Zu denWerbungskosten
werden jene Ausgaben
gerechnet,die Sienur ha-
ben,weilsie direkt mit
IhrerberuflichenTätigkeit
in Zusammenhang stehen.
DassindAufwendungen
oderAusgaben,die beruf-
lich veranlasst sind. Sie
stehen also in unmittel-
baremZusammenhang mit
einernich tselbständigen
Tätigkeit. Beispiele dafür
sind Kosten fürComputer
und Internet(Priv atanteil
abziehen!),Aus-und Fort-
bildungsmaßnahmen oder
Arbeitsmittel.

ENTGELTLICHEEINSCHALTUNG

Veranlagung 2019


Wasist


absetzbar?


EXPERTENTIPP


6000 Menschendemonstrieren inHanaugegenHass


Nach rassistischem Anschlag sehen 60 Prozent der Deutschen eineMitverantwortung der AfD


Berlin –„Menschenrechte statt
rechte Menschen“ stand auf
einemTransparent.„Ihrseidnicht
allein“ stand auf einem anderen.
Zu lesen war aber auch „AfD hat
mitgeschossen“. Rund 6000 Men-
schen haben am Wochenende in
der hessischen Kleinstadt Hanau
gegen Hetze und Menschenver-
achtung demonstriert. Dort hatte
am Mittwochabend der 43-jährige
Deutsche Tobias R. aus rassisti-
schen Gründen neun Menschen
mit Migrationshintergrund in und
vor zwei Shisha-Bars getötet. An-
schließend erschoss er seine 72-
jährige Mutter und sich selbst.
Auf der Demonstration und
auch im Internet rufen Freunde
der Getöteten nun unter dem
Hashtag #SayTheirNames (Sag
ihre Namen), dazu auf, sich nicht
nur mit dem Täter zu beschäfti-
gen, sondern sich an die Opfer zu
erinnern: Die meisten von ihnen
waren jung, alle hatten einen Mi-
grationshintergrund.
Das hessische Landeskriminal-
amt hat in einer E-Mail an die
Stadt Hanau die Nationalitäten
der Opfer aufgelistet: Drei der To-
ten haben eine deutsche Staatsan-
gehörigkeit, zwei eine türkische,
eine bulgarische und eine rumäni-
sche. Eine Person kommt aus Bos-
nien-Herzegowina, eine weitere
hat eine deutsche und afghani-
sche Staatsangehörigkeit.


Grünen-Politiker Cem Özde-
mir, der an der Kundgebung teil-
nahm, sagte, er hoffe, „dass dieses
Jahr in die Geschichte eingeht als
das Jahr, in dem die Republik
ernst macht gegen Rechtsradika-
lismus“. Mahnwachen und Kund-
gebungen gegen Rechtsradikalis-
mus gab es auch in anderen Städ-
ten: in Köln, Bonn, Düsseldorf,
Dortmund (Nordrhein-Westfalen)
sowie im hessischen Marbach.
60 Prozent der Deutschen sind
überzeugt davon, dass die AfD
eine Mitverantwortung für rechts-

extremistische Gewalttaten wie
jene in Hanau trägt. Das ergab eine
Umfrage des Instituts Kantar für
Bild am Sonntag .Nur 26 Prozent
glauben dies nicht, 14 Prozent
sind unentschlossen. 49 Prozent
meinen, dass vom Rechtsextre-
mismus die größte Terrorgefahr in
Deutschland ausgeht, 27 Prozent
finden islamistische Fundamen-
talisten seien die stärkste Bedro-
hung, sechs Prozent sehen diese
im Linksextremismus.
Mittlerweile wird nicht nur in
der SPD, sondern auch in der CDU

die Beobachtung der AfD durch
den Verfassungsschutz gefordert.
So sagt die nordrhein-westfäli-
sche Integrationsstaatssekretärin
Serap Güler (CDU): „Die AfD hetzt
gegen Flüchtlinge, gegen Musli-
me, sie hetzt gegen Menschen mit
Migrationsgeschichte in unseren
Parlamenten, in sozialen Netz-
werken und bei Veranstaltungen
auf offener Bühne. Sie macht Ras-
sismus salonfähig und nennt das
auch noch ‚bürgerlich‘.“

Kein Staatsdiener Höcke
SPD-Generalsekretär Lars
Klingbeilfordert,dasLandHessen
müsse dem Thüringer AfD-Chef
Björn Höcke den Beamtenstatus
entziehen: „Er ist beurlaubter Ge-
schichtslehrer. Ein Feind der De-
mokratie und Spalter des Landes
kann nicht dem Staat dienen“,
schrieb Klingbeil auf Twitter.
Nach dem Anschlag von Hanau
hat die AfD laut einer Forsa-Um-
frage zwei Punkte verloren und
liegt nun seit langer Zeit mit neun
Prozent im einstelligen Bereich.
Die Grünenfordern eine Ver-
schärfung des Waffenrechts. Muni-
tion solle nur noch gelagert werden,
wo auch geschossenwerde. Derzeit
dürfen Sportschützen Munition
und Waffen auch zu Hause aufbe-
wahren.Tobias R. war Sportschüt-
ze und hatte zwei Waffen legalbe-
sessen.(bau)Kopf desTages Seite 20

Den Siegschaffen die Grünen bei derWahl in der Hansestadt nicht, die SPD isttrotz Verlusten Nummereins.
Esverliert die CDU,bei AfD und FDP machten nurwenigeihr Kreuz. In der CDUrumort es wiederwegenThüringen.

E

ine Zeit lang hatte es im
Wahlkampf so ausgesehen,
als habe die Zweite Ham-
burger Bürgermeisterin, Kathari-
na Fegebank, eine echte Chance,
SPD-Mann Peter Tschentscher zu
verdrängen und Erste Bürgermeis-
terin der Stadt zu werden.
Doch dann drehte sich die Stim-
mung wieder und am Sonntag
wurdebestätigt,wasdieUmfragen
vorausgesagt hatten: Stärkste
Kraft bleibt in Hamburg die SPD,
sie erreichte laut erster Hochrech-
nung 37,6 Prozent.
Zwar musste sie bei der einzi-
gen geplanten Landtagswahl die-
ses Jahres einige Punkte abgeben,
2015 hatte sie unter dem heutigen
Finanzminister Olaf Scholz noch
45,6 Prozent geschafft. Doch das
Ergebnis ist eines, von dem die
SPD in anderen deutschen Bun-
desländern nur träumen kann.
„Das ist ein toller Abend für die
SPD insgesamt“, sagte der Gene-
ralsekretär der Bundes-SPD, Lars
Klingbeil, und er verwies auch auf
die „klare Haltung gegen rechts“.
Die Grünen legten stark zu und
verdoppelten ihre Stimmen auf
rund 25 Prozent. Doch eine Um-
kehr der Verhältnisse, von Rot-
Grün zu Grün-Rot, gelang nicht.
Hamburg ist sehr rot, die wirt-
schaftsliberale SPD stellt seit 1946
den Bürgermeister, nur 1953 bis
1957 und 2001 bis 2011 schaffte
dies die CDU.

CDU auf tiefstem Wert
Diese war auch diesmal mit
einem Bürgermeisterkandidaten
angetreten, mit Marcus Weinberg.
Während die Linke ihr Ergebnis
von 2015 (8,5 Prozent) leicht ver-
bessern konnte, schaffte die CDU
dies nicht. Sie rutschte von 15,
Prozent auf ihr schlechtestes Er-
gebnis–auf rund elf Prozent.
Auch die anderen beiden Par-
teien, die bei der Wahl des Minis-
terpräsidenten von Thüringen am


  1. Februar für so viel Aufregung


gesorgt hatten, kamen nicht in die
Höhe. Die FDP (2015: 7,4 Prozent)
und die AfD (2015: 6,1 Prozent)
mussten am Abend um den Wie-
dereinzug in die Bürgerschaft
(möglich mit fünf Prozent) ban-
gen. Thüringen habe nicht gehol-
fen, räumte CDU-Generalsekretär
Paul Ziemiak ein, FDP-Chef Chris-
tian Lindner sieht es ebenso.
Immer noch unklar ist, wie es in
Thüringen weitergehen soll. Zu-
nächst hatten–amFreitagabend –
die Linke und die CDU eine Eini-
gung erzielt, welche so aussieht:
Erst in mehr als einem Jahr, näm-
lich im April 2021, soll es in Thü-
ringen Neuwahlen geben. Bis da-
hin wird die CDU mit einer rot-
rot-grünen Minderheitsregierung
unter dem Linken-Ministerpräsi-
denten Bodo Ramelow projektbe-
zogen kooperieren. Ramelows
Wahl, so der Plan, findet am


  1. März im Erfurter Landtag statt.


Ramelow ist optimistisch
Das rot-rot-grüne Lager hat im
Landtag42Stimmen,fürdieMehr-
heit im ersten Wahlgangsind 46
Stimmen nötig. Diese sollen aus
den Reihen der CDU kommen, da-
mit Ramelow nicht widerfährt,
was dem FDP-Mann Thomas Kem-
merich passiert war: Er war mit
Stimmen der FDP, der CDU und –
erstmalsineinem deutschen
Landtag–auch mit den Stimmen
der AfD zum Regierungschef ge-
wähltworden, was zu scharfen
Protesten geführt hatte.
Ramelow sagt: „Ich gehe fest
davon aus, dass ich am 4. März im
ersten Wahlgang ausreichende
Stimmen aus den demokratischen
Fraktionen erhalte, ohne auf
AfD-Stimmen angewiesen zu
sein. Diese Sicherheit habe ich in
vielen individuellen Gesprächen
gewonnen,dieichmitAbgeordne-
ten anderer demokratischer Frak-
tionen führte.“
Ramelow und seine Linken ha-
ben dafür auch etwas geboten. Sie

SPD bleibtstärksteKraft in Hamburg


Birgit Baumann aus Berlin

„Sag ihre Namen“ steht auf Schildern, mit denen der Opfer des
rassistischenTerrors von Hanau gedacht wird. Ermordet wurden
Ferhat Ünver (22), Mercedes Kierpacz (35), Sedat Gürbüz (30),
Gökhan Gültekin(37), Hamza Kurtović (20), Kalojan Welkow (33),
Vili Viorel Păun (23), Said Nessar El Hashami (21) und
Fatih Saraçoğlu (34) sowie die Mutter des Täters.

Foto: EPA

/A

rmandi Babani

Jubel in der SPD-Zentrale in Hamburg: Zunächst, weil die Partei
weiterdeutlich voran liegt. Dann wegen des AfD-Ergebnisses.

Foto: AP

/C

hristian Charisius

wollten eigentlich sehr viel früher
neu wählen. Doch die Thüringer
CDU, die im Umfragen äußerst
schlecht dasteht, hatte hohes Inte-
resse daran, die Wahl möglichst
weit nach hinten zu schieben.
Und die CDU in Thüringen ver-
sichert, die „Stabilitätsvereinba-
rung“ bedeute weder Koalition
nochTolerierung.Dennochgibtes
scharfe Proteste aus der Bundes-
CDU, die auf den Unvereinbar-
keitsbeschluss vom Dezember
2018 verweist. Laut diesem ist
jede Zusammenarbeit mit der AfD
und der Linken verboten.
Generalsekretär Ziemiak kriti-
siert die Thüringer Parteifreunde:
„Es geht hier um nichts wenigerals
um die Glaubwürdigkeit der CDU
Deutschlands insgesamt.“ Ebenso
sehen es die potenziellen Kandida-
ten für den CDU-Vorsitz, Jens
Spahn und Friedrich Merz. Wie es
bei der CDU-Chefsuche weitergeht,
soll am Montag bekannt werden.

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