Der Standard - 24.02.2020

(C. Jardin) #1

6 |MONTAG, 24.FEBRUAR 2020 Inland DERSTANDARD


der frühere Staatsanwalt R. die Er-
mittlungen geleitet hatte, äußerst
unglücklich. Der Akt gehöre an-
ders strukturiert, man brauche
viel mehr Ressourcen, hieß es in
einer mittlerweile legendären
DienstbesprechungimApril2019.
Dort sagte Strafrechtssektions-
chef Pilnacek dann, man müsse
aussichtslose Stränge „derschla-
gen“, um schneller bei den wich-
tigsten Punkten voranzukommen.
Er sprach von einem „Scheißakt“.
Die WKStA zeigte Pilnacek dar-
aufhin wegen Amtsmissbrauchs
an; von der Dienstbesprechung
existiert ein heimlich aufgenom-
menes Tonband. Pilnacek reagier-
te mit einer Gegenanzeige, zu
Ermittlungen kam es nicht. Eine
Mediation sollte die Gräben zu-
schütten; Finanzprokuraturpräsi-
dent Wolfgang Peschorn–ein ex-
zellenter Kenner der Eurofighter-
Causa –wollte zuletzt kein
schlechtes Wort über Pilnacek
verlieren.

Fehlendes Vertrauen
Im Gegensatz zu Doskozil: Weil
er dem heimischen Justizapparat
und vor allemPilnacek nicht ver-
traute, hatte der die US-Behörden

S

ie erwarte sich, dass Airbus
jetzt auf sie zukomme, sagte
Verteidigungsministerin
Klaudia Tanner (ÖVP) vor einer
Woche in der ORF-Sendung Im
Zentrum
–doch es ist fraglich, ob
Tannerbei einem solchenTermin
viel in der Hand hätte. Mittlerwei-
le deutet einiges darauf hin, dass
die Justiz nicht nur die Betrugsan-
zeigevon Tanners Vorvorgänger
Hans Peter Doskozil (SPÖ), son-
dern das gesamte Eurofighter-
Verfahren einstellen wollte–und
zwar schon zur Mitte des Vorjah-
res. Das geht aus einem Profil -
Bericht hervor, der am Wochenen-
de Wellengeschlagen hat. Schon
EndeApril2019schriebIlseVrabl-
Sanda, Chefin der Wirtschafts-
und Korruptionsstaatsanwalt-
schaft (WKStA), an den damaligen
Justizminister Josef Moser (ÖVP)
von einer möglichen Einstellung
aller Verfahren. Johann Fuchs,
LeitenderStaatsanwaltderWiener
Oberstaatsanwaltschaft (OStA),
habelautVrabl-Sandas Brief zwei
mit der Causa betreutenStaatsan-
wältengesagt, dass mit Hinblick
auf die lange Verfahrensdauer
Einstellungen wegen zu geringer
Verurteilungswahrscheinlichkeit


nötig sein könnten. War er dafür,
das ganze Eurofighter-Verfahren
abzudrehen? „Nein“, sagt Fuchs
klar auf AnfragedesSTANDARD.

Verfahren zur WKStA
Damals lief das Verfahren seit
kurzem–zumindest formell– bei
der WKStA. Eigentlich hatte sich
der Wiener Staatsanwalt R. jahre-
lang allein um die Causa geküm-
mert. Dem war das Verfahren aber
Ende 2018 entzogen worden. Ihm
wird vorgeworfen, Amtsgeheim-
nisse an den damaligen Abgeord-
neten Peter Pilz verraten zu ha-
ben: nämlich dass Aktenteile auf
Wunsch des Verteidigungsminis-
teriums entnommen worden sei-
en. Die Causa kam dann, samt
einer Staatsanwältin, zur WKStA
–aber offenbar kam der Justiz die
Suppe damals schon recht dünn
vor. Einen „doppelten Anschlag
auf die Aufklärung“ nennt das
Pilz. Die Ermittlungen seien zwar
unter dem Dach der WKStA ge-
führt worden, verantwortlich wa-
ren jedoch WKStA-fremde Staats-
anwälte –wie Vrabl-Sanda in
ihrem Brief beklagte.
Bei den Korruptionsjägern war
man über die Art und Weise, wie

informiert, ohne die heimische
Justiz einzubinden.Inder Anzeige
geht es um den Vorwurf,Airbus
habedie Republik beim Verkauf
betrogen,unteranderem, weilder
Konzern die behaupteten Beste-
chungszahlungen mitverrechnet
und darübergetäuscht habe. Zu-
dem, so der Vorwurf, sei der Kon-
zern gar nichtlieferfähig gewesen.
Die WKStA wollte diesen Strang
rasch einstellen,weilsie etwa be-
zweifelt, dass die Täuschungsab-
sicht nachzuweisen wäre. Zudem
liegteinGutachtenimAkt,wonach
eineTäuschungsabsicht bei der
Lieferungnicht beweisbar wäre.
An der Neigung der WKStA, das
Verfahren einzustellen, ändert
auch nichts, dass Airbus mittler-
weile in einem Deal mit den USA
„nichtdeklarierte Zuwendungen“
in der Eurofighter-Causa einge-
räumt hat. Auch das sogenannte
„Stammverfahren“, in dem es um
Bestechung rund um Typenent-
scheidung und Gegengeschäft
geht, dürfte großteils eingestellt
werden. Auch hier brachte der
Airbus-Deal mit der US-Justiz kei-
ne neuen Erkenntnisse.
Es steht bis heute im Raum,
dass fragwürdige Zahlungen an

politische Entscheidungsträger
geflossen sein könnten, von einer
Identifikation der „Endempfän-
ger“ ist man aber weit entfernt.
Airbus weist Bestechungsvor-
würfe strikt von sich. Bald soll es
endgültig zu Einstellungen und
Anklagen kommen. Zwar warnte
Vizekanzler Werner Kogler (Grü-
ne) vor „vorschnellen Einstellun-
gen“, daran dürfte aber kein Weg
vorbeiführen. Angesichts der
allgemeinen Unruhe rund um
Großverfahren der Justiz wolle
man mit der Enderledigung aber
warten.
Für die Lage machen manche –
etwa Doskozil, Pilz oder die FPÖ –
„schwarze Netzwerke“ in der Jus-
tiz verantwortlich. Andere sehen
die Schuld bei Staatsanwalt R.,
der zu langsam gearbeitet habe.
Dem Vernehmen nach hält die
WKStA den Akt für „vermurkst“,
vieles sei schon verjährt.
Und eine wiederum andere
Fraktion glaubt: Selbst wenn
fragwürdige Gelder über weitver-
zweigte Briefkastenfirmen geflos-
sen sein sollen, übersteigt deren
Nachweis die Ressourcen der
Justiz. In der Causa gilt die Un-
schuldsvermutung.

Foto: Bundesheer

Der Rumor und das Rumoren nach der Burgenlandwahl


Die burgenländischenParteien sind noch dabei, dasWahlergebnis zuverdauen


Wolfgang Weisgram

D

ie SPÖ–also die Liste Dos-
kozil–hat die burgenlän-
dische Landtagswahl am


  1. Jänner haushoch gewonnen,
    acht Prozent zugelegt und mit
    knapp 50 Prozent die absolute
    Mandatsmehrheit erreicht. Nun
    gibt es eine rote Alleinregierung.
    Während die pannonischen Ro-
    ten nun alle Hände voll damit zu
    tun haben, dass ihnen nicht un-
    versehens der Kamm schwillt,
    wurden die anderen Landtagspar-
    teien in jenen Gemütszustand ver-
    setzt, den die Bundes-SPÖ gerade
    auskostet: die Nabelschau.
    Übertrieben genussvolle Innen-
    schau tut selten gut. Das hat die
    ÖVP beherzigt. Schon am Don-
    nerstag präsentierte sie Christian
    Sagartz als neuen Landespartei-
    chef. Der 39-Jährige, zuvor Klub-
    obmann, folgt Thomas Steiner,
    dem Bürgermeister von Eisen-
    stadt, nach. Sagartz sitzt aber auch
    auf dem Ticket der nunmehrigen


EU-Ministerin Karoline Edtstad-
ler im EU-Parlament.
Die ÖVP nagt an einem Nicht-
Fisch-nicht-Fleisch-Ergebnis. Das
leichte Plus von anderthalb Pro-
zentpunkten brachte sie zwar
über die 30 Prozent, angesichts
der Dauerpräsenz von Wahl-
kampflok Sebastian Kurz waren
die 30,6 Prozent freilich wie eine
Niederlage, zumal man zuletzt –
EU-Wahl 35,4 Prozent, National-
ratswahl 38,3–die Roten jeweils
überholen konnte.
Natürlich, das lag auch an
Doskozil, seinerseits eine Wahl-
kampflok. Wohl aber auch daran,
dass die pannonischen Freunde
sich zu sehr verlassen haben auf
die Kurz’sche Strahlkraft. Vor
allemimLandessüden hat es darob
schon zu rumoren begonnen. Man
fühlte sich von Eisenstadt und
seinem Bürgermeister vernach-
lässigt. Um die Südgemüter–die
auch außerhalb der ÖVP zu Ver-
nachlässigungstrübsinn neigen –
zu beruhigen, wird der im nord-

burgenländischen Pöttsching be-
heimatete Sagartz sein Europa-
büro in Oberwart einrichten. Er
selber werde eben ein typisch bur-
genländisches Pendlerleben ha-
ben. Nur halt im Flieger.

Blaue Basisrevolution
Der FPÖ hat noch rascher
reagiert. Die schmerzlichen Din-
ge stehen aber noch bevor. Am


  1. März trifft sich die einstige
    Regierungspartei zum Landespar-
    teitag. Parteichef Johann Tschürtz
    ist zwar schon Ende Jänner zu-
    rückgetreten, hat an den Ex-Wirt-
    schaftslandesrat Alexander Pet-
    schnig übergeben und sich mit
    dem Klubobmann begnügt. Aber
    dass es dabei bleibt, glauben nur
    wenige. Glaubt man dem Rumor,
    rumort es gewaltig. Eine Basisre-
    bellion formiert sich. Allerdings:
    „Noch trauen sich nur wenige an
    die Öffentlichkeit.“ Aber „hinter
    den Kulissen“ werde bereits „mas-
    siv an Gegenkandidaten zu Pet-
    schnig gearbeitet“. Petschnig und


Tschürtz hätten „die Wahl verlo-
ren und keine Konsequenzen ge-
zogen“. Mehr noch: Tschürtz habe
sich aus der Verantwortung „für
eine völlig kaputte Landespartei“
gestohlen. „Als Klubobmann aber
weiter abkassieren und einer
notwendigen Neuaufstellung im
Wege stehen!“, geißelt der Anony-
mus seine Führung.
Johann Tschürtz hat unmittel-
bar nach der Wahl davon gespro-
chen, die FPÖ–9,8 Prozent, mi-
nuszweiMandate–habesich„sta-
bilisiert“. Das mag dumm geklun-
gen haben bei einem Minus von
5,2 Prozentpunkten. Betrachtet
man die Ausgangslage–das All-
zeithoch von 15 Prozent 2015, die
Ibiza-Fisimatenten und die Rich-
tung Wienwahl sich nun zuspit-
zende Strachiade –, dann hat er
damit wohl nicht ganz unrecht.
Von den Grünen, die so gehofft
hatten aufs Zunehmen, hört man
nach dem mageren Plus von 0,
Prozentpunkten nichts. Mag sein,
nur vorderhand.

Offenbar sollten schongegenEnde 2019 alle Eurofighter-Verfahren eingestelltwerden. Daran hat sich in der
Zwischenzeit nurwenig geändert.Wenig Chancen auf Anklagewerdenetwa Doskozils Betrugsanzeigeeingeräumt.

Drohende Bruchlandung


Renate Graber, Fabian Schmid, Nina Weißensteiner

Babler will personelle
Neuaufstellung in SPÖ
Wien–Der Traiskirchner Bürger-
meister Andreas Babler stößt die
Personaldebatte in der SPÖ erneut
an. Die Performance der Bundes-
partei sei desaströs, sagte er im
ORF-Interview. Die Partei müsse
sich programmatisch und perso-
nell „komplett neu aufstellen“.
Von der Vorsitzenden Pamela
Rendi-Wagner sei er enttäuscht,
sie agiere passiv. Das habe sein
Vertrauen erschüttert. (APA)

Korosec willFinanzierung
der Pflegeaus einerHand
Wien–Ingrid Korosec, Präsidentin
des ÖVP-Seniorenbunds, fordert
bei der Pflege eine Finanzierung
aus einer Hand. Sie soll beim
Bund verortet werden, die Länder
sollen dafür mehr Kompetenzen
beideroperativenAusführungder
Pflege bekommen. Langfristig sol-
len Gesundheit und Pflege ge-
meinsam geplant und finanziert
werden. Deshalb müsse Präven-
tion stärker gefördert werden, die
Kosten dafür würden sich volks-
wirtschaftlich rechnen. (APA)

KURZ GEMELDET

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