Handelsblatt - 24.02.2020

(Martin Jones) #1
Peter Köhler, Robert Landgraf Frankfurt

E


s sind alljährlich die Tage mit der
höchsten Millionärsdichte in Berlin. Ab
Dienstag treffen sich die großen, inter-
nationalen Finanzinvestoren auf der
Branchenkonferenz „Super Return“ in
der Hauptstadt und nehmen das Hotel Interconti-
nental komplett in Beschlag. Hier, in der Nähe des
Zoologischen Gartens, wird die erfolgsverwöhnte
Branche die aktuelle Lage und die Aussichten für
den Private-Equity-Sektor diskutieren. Im Gegen-
satz zur Champagnerlaune in den Vorjahren ist die
Stimmung diesmal getrübt.
Als besonders problematisch sehen die Finanzin-
vestoren das mittlerweile erreichte Preisniveau für
den Kauf von Mittelständlern und Konzernteilen
an. Eine Rekordzahl von 94 Prozent der Beteili-
gungsmanager hält die Firmen – gemessen an den
bezahlten Preisen – inzwischen für überbewertet,
wie aus einer Studie der Unternehmensberatung
Roland Berger hervorgeht, die dem Handelsblatt
vorliegt. Private-Equity-Manager sammeln von in-
stitutionellen Investoren wie Versicherungen und
Pensionskassen Kapital ein und investieren es. In-
nerhalb von fünf bis zehn Jahren werden die über-
nommenen Firmen dann restrukturiert. Mitunter
gibt es auch Zukäufe, um den Umsatz anzukurbeln.
Im Anschluss verkaufen die Private-Equity-Häuser
die Firmen dann in der Regel zu einem höheren
Preis weiter oder bringen sie an die Börse. Als
Gründe für die Preisexplosion bei den übernomme-

nen Unternehmen zählt die Studie die anhaltend
niedrigen Zinsen bei der Aufnahme von Krediten für
Übernahmen sowie den zunehmenden Wettbewerb
auf. Ein gutes Beispiel dafür ist der laufende Bieter-
kampf um die Aufzugsparte von Thyssen-Krupp.
Hier haben mehrere Finanzinvestoren den Übernah-
mepreis in zweistellige Milliardenhöhen katapul-
tiert. Die beiden verbliebenen Bietergruppen – ein
Konsortium der Finanzinvestoren Blackstone, Carly-
le und dem Canada Pension Plan Investment Board
sowie ein von der RAG-Stiftung unterstütztes Team
um Advent und Cinven – boten zuletzt rund 16 Milli-
arden Euro. „Zweistellige Milliardenbeträge zu stem-
men ist für Finanzinvestoren inzwischen kein Pro-
blem“, sagt Christian Kames, Chef des Investment-
bankings für Deutschland bei der US-Bank JP
Morgan. „Sie werden bei großen Transaktionen oft-
mals von Staatsfonds und anderen größeren Institu-
tionen wie zum Beispiel kanadischen Pensionsfonds
unterstützt, die gerne mit Finanzinvestoren zusam-
men investieren.“ Inzwischen weichen die Beteili-
gungsfonds auch verstärkt auf Infrastrukturinvest-
ments aus. Vor wenigen Tagen verkaufte KKR die
Deutsche Glasfaser in einer milliardenschweren
Transaktion an andere Finanzinvestoren weiter.
Die Private-Equity-Branche hat einen beispiello-
sen Aufstieg hinter sich. Die verwalteten Vermögen
in den Beteiligungen überschritten 2019 die Marke
von vier Billionen Dollar, pro Tag kamen 2,4 Milli-
arden Dollar hinzu, hat der Branchendienst Preqin

ausgerechnet. Im vergangenen Jahr konnten gut
1 300 Fonds neu aufgelegt werden – was einer klei-
nen Wachstumsdelle gleichkam, denn 2018 waren
es noch 1 790 Fonds gewesen. Trotzdem glauben
die meisten Experten, dass der Aufwärtstrend
nicht unterbrochen ist. „Die Branche ist auf Kurs,
um jährlich um rund eine Billion Dollar zu wach-
sen“, sagt Christopher Beales von Preqin. Aller-
dings sieht auch er die hohen Bewertungen bei den
Firmenkäufen als Problem an, denn sie könnten
die Renditen unter Druck bringen.
Angesichts der erreichten rekordhohen Bewer-
tungen wird sich der Markt wohl erst einmal auf
dem jetzigen Niveau stabilisieren, erwarten Bran-
chenkenner. „Was das laufende Jahr angeht, stellen
sich 70 Prozent der Private-Equity-Experten auf ei-
ne potenzielle Eintrübung der Wirtschaft ein und
ergreifen daher entsprechende Maßnahmen in ih-
ren Beteiligungsportfolios“, sagt Christof Huth,
Partner bei Roland Berger. Diese Maßnahmen
könnten je nach Situation der Private-Equity-Fonds
und der Industrieschwerpunkte im Beteiligungs-
portfolio variieren. „Maßnahmen können beispiels-
weise verstärkte Investments in krisenresistentere
Branchen wie Technologie oder Healthcare sein so-
wie die Vermeidung von sehr zyklischen Bran-
chen“, ergänzt Huth. Es könnten aber auch Pro-
gramme in den Portfoliounternehmen angescho-
ben werden, um die Unternehmen wetterfest zu
machen. Während existierende Beteiligungen si-

Vorsicht statt Übermut


Hohe Preise und ein harter Wettbewerb drücken bei den erfolgsverwöhnten


Finanzinvestoren auf die Stimmung. Die meisten von ihnen rechnen nicht mehr damit,


dass sich das zuletzt starke Wachstum der Branche in diesem Jahr fortsetzt.


Aufzüge von
Thyssen-Krupp:
Um die Konzernsparte
liefern sich Finanz -
investoren ein heißes
Bietergefecht.

ThyssenKrupp

4


BILLIONEN
Dollar verwaltete
die Private-Equity-
Branche Ende 2019.

Quelle: Preqin

Finanzen

& Börsen

MONTAG, 24. FEBRUAR 2020, NR. 38
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cherlich unter einer wirtschaftlichen Eintrübung
leiden würden, könnten neue Private-Equity-Inves-
titionen während einer Abschwungphase sogar zu
sehr guten Renditen führen, glaubt Huth.
Laut der Roland-Berger-Studie auf Basis von
2 500 Experteneinschätzungen in Europa werden
die Branchen Technologie, Medien, Software,
Pharma und Healthcare in diesem Jahr die meisten
Deals mit Private-Equity-Beteiligung sehen (siehe
Grafik). Hier dürften auch die Bewertungen noch
weiter nach oben klettern. Dagegen blieben sie bei
Autoherstellern und Kfz-Zulieferern sowie den Bau-
firmen unter Druck. Hauptgrund ist die unsichere
Zukunft der Automobilbranche, die sich vom Ver-
brennungsmotor wegentwickelt hin zu alternativen
Antrieben. „Der Industrieanteil bei unseren Invest-
ments hat zuletzt abgenommen“, sagt Torsten Gre-
de, Vorstandschef bei der Deutschen Beteiligungs
AG (DBAG). „Das liegt auch daran, dass beispiels-
weise die Automobilbranche und damit auch die
Werkzeugmaschinenbauer einen Strukturwandel
durchlaufen. Da halten wir uns mit neuen Engage-
ments eher zurück.“

Bewertungen 2019 auf Rekordniveau
Die Preissteigerungen lassen sich nicht nur bei Me-
gatransaktionen beobachten, sondern auch bei
nicht börsennotierten kleinen und mittelgroßen
Unternehmen in Europa. Nach Berechnungen der
Investmentgesellschaft Argos Wityu und der Re-
search-Firma Epsilon lagen die Bewertungen Ende
2019 auf einem Rekordniveau. Im Schnitt wurde
das 10,3-Fache des operativen Gewinns (Ebitda) be-
zahlt, 2012/2013 war es noch das 6,3-Fache gewe-
sen. Besonders deutlich sei dabei der Anteil der
Transaktionen gestiegen, bei denen sogar das
Zwanzigfache und mehr bezahlt wurde.
Ein Problem ist neben den gestiegenen Bewer-
tungen auch der seit Jahren zu beobachtende Man-
gel an Firmen, die erstmals auf den Markt kom-
men. Mehrheiten an Familienunternehmen und
Verkäufe von Finanzinvestoren sind vor diesem
Hintergrund die wichtigsten Quellen für neue
Deals, sagen 70 beziehungsweise 50 Prozent der
befragten Profis. Außerdem rechnen viele Beteili-
gungsmanager in der Branche mit weiteren Kon-
zernabspaltungen, weil sich die Vorstände auf ihre
Kerngeschäfte konzentrieren wollen. Transaktio-
nen unter 250 Millionen Euro sind laut der Studie
derzeit am vielversprechendsten, Megadeals wer-
den dagegen etwas zurückgehen.
„Das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen
im laufenden Jahr sollte sich auf einem ähnlichen
Niveau wie 2019 bewegen“, sagt JP-Morgan-Banker
Kames. Finanzinvestoren spielten dabei in
Deutschland eine wichtige Rolle. „Sie sind sehr ak-
tiv und könnten im laufenden Jahr einen Anteil am
M&A-Volumen einnehmen, der über dem langfris-
tigen Durchschnitt von rund 20 Prozent liegt.“ Die
verfügbaren Mittel von Private-Equity-Fonds befän-
den sich schließlich auf einem historischen Höchst-
stand. Und die Firmen suchten nach Möglichkei-
ten, diese sinnvoll unterzubringen, auch wenn die
Unternehmensbewertungen hoch seien.
Weil Versorgungswerke, Family Offices und an-
dere Profi-Anleger bereitwillig in die Fonds inves-
tieren, um zweistellige Renditen zu erzielen, wird
das Einsammeln neuer Mittel – das sogenannte
Fundraising – 2020 im Fokus stehen. „Nach einer
starken Investitionsaktivität in den vergangenen
Jahren nähern sich viele Fonds dem Ende ihres ak-
tuellen Fondsvolumens an“, erklärt Experte Huth.
„Um weiterhin investieren zu können, müssen da-
her wieder neue Fonds aufgelegt werden.“
Zunehmend Sorgen bereitet der Branche der
wachsende Protektionismus, der zu weniger Deals
über Ländergrenzen hinweg führen dürfte. „Grenz-
überschreitende Deals insbesondere in sensitiven
Branchen wie etwa im Hochtechnologiesektor
oder in der Informationstechnologie werden unse-
rer Erfahrung nach wieder kritischer hinterfragt
und müssen mit mehr Widerstand durch Politik,
Regulatoren und verschiedene Stakeholder rech-
nen als noch vor einigen Jahren“, sagt Huth. Die
grundsätzliche Logik von Konsolidierungen in vie-
len Branchen, auch mithilfe von länderübergreifen-
den Transaktionen, bleibe allerdings bestehen.

Die Branche ist


auf Kurs, um


jährlich um


rund eine


Billion Dollar


zu wachsen.


Christopher Beales
Preqin

Ulrike Hinrichs

„In Deutschland haben wir ein


Umsetzungsproblem“


U


lrike Hinrichs fürchtet, die deut-
schen Start-ups könnten wegen des
Mangels an Wachstumskapital inter-
national den Anschluss verlieren oder von
angelsächsischen Wagnisfinanzierern aufge-
kauft werden. Von der Politik fordert sie,
endlich den Zukunftsfonds auf den Weg zu
bringen, der schon im vergangenen Jahr an
den Start gehen sollte. Die 51-jährige ge-
schäftsführende Vorständin des Bundesver-
bands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesell-
schaften (BVK) hofft, dass der Dachfonds bis
zum Sommer von der Bundesregierung um-
gesetzt wird. Mithilfe privater Geldgeber
könnten in den kommenden Jahren mehre-
re Milliarden Euro mobilisiert werden.

Frau Hinrichs, vom Zukunftsfonds für
Venture Capital ist nichts zu sehen. War-
ten die Gründer und Beteiligungsmana-
ger auch dieses Jahr vergebens?
Das will ich nicht hoffen. Die Politik ist deut-
lich im Hintertreffen, aber bis zum Sommer
sollte der Zukunftsfonds stehen. Ansonsten
hat er auch kaum eine Chance, noch vor
den Bundestagswahlen das Licht der
Welt zu erblicken. Das kann eigent-
lich niemand wollen.

Was ist die Idee hinter der
Initiative?
Die Politiker und auch die Ventu-
re-Capital-Branche sehen großen
Handlungsbedarf beim Thema
Wachstumskapital. Wir brauchen
einen kapitalstarken Dachfonds, der
in einzelne deutsche und europäische
Risikokapitalfonds investiert. Wir können es
uns nicht länger leisten, dass angelsächsische
Fonds unsere besten Jungunternehmen auf-
kaufen. Außerdem müssen wir auch Start-ups
aus dem Ausland nach Deutschland locken.

Wie groß muss der Zukunftsfonds sein?
In einer ersten Runde sollten es mindestens
500 Millionen Euro sein. Mit Finanzierungs-
runden von 30 Millionen oder 40 Millionen
Euro kann man schon viel bewegen, das
sind gute Hebel, um auch entsprechende
Summen von privaten Geldgebern zu mobi-

lisieren. Auf Sicht von zehn Jahren sind si-
cher zehn Milliarden Euro realistisch.

Kann der Zukunftsfonds die Lücke zum
Silicon Valley schließen?
Nein, sicher nicht, aber Deutschland kann
seine Position in Europa verbessern. Gemes-
sen am Bruttoinlandsprodukt, liegen wir
mit den Venture-Capital-Investments nur im
europäischen Mittelfeld. Mit dem Zukunfts-
fonds käme ein großer Sprung nach vorn
zustande. Der US-Markt ist 30-mal so groß,
das werden wir nicht so einfach einholen.

Wer soll den Fonds managen?
Wir hätten gern einen privat gemanagten
Dachfonds gesehen. Nur das will die Politik
nicht. So ist die KfW Capital sicher die beste
Adresse. Die Tochter der staatlichen Förder-
bank KfW investiert bereits zwei Milliarden
Euro in Fonds, die die frühen Gründungs-
phasen abdecken. Da wäre der Zukunfts-
fonds die richtige Erweiterung nach oben.
Da geht es um Jungunternehmer, die schon
Umsätze generieren und die Wachstumska-
pital für die Auslandsexpansion oder für
Übernahmen brauchen.

Wo sehen Sie die größten Defizite bei
der Finanzierung junger Unternehmer?
In Deutschland haben wir kein Erkenntnis-
problem, sondern ein Umsetzungsproblem.
Wir wissen, was zu tun ist, aber es geschieht
nichts.

Was können institutionelle Investoren
tun, um den Standort Deutschland at-
traktiver zu machen?
Die Versicherungen legen jährlich 1,5 Billio-
nen Euro an. Je länger die Niedrigzinsphase
anhält, umso mehr Geld könnte auch in
Venture-Capital-Fonds fließen. Und wenn
man das Stiftungsrecht reformieren würde,
lässt sich auch über diese Schiene mehr Ka-
pital für Gründer mobilisieren.

Frau Hinrichs, vielen Dank für das In-
terview.

Die Fragen stellte Peter Köhler.

Die Chefin des Branchenverbands BVK fordert, den Fonds zur Finanzierung
von Neugründungen in Deutschland endlich ans Laufen zu bringen.

Privat

Tech-Perlen gesucht
Wo Beteiligungsmanager 2020 die meisten Deals erwarten*

HANDELSBLATT *Mehrfachnennungen möglich; Befragt: 2 500 Equity-Experten in Europa • Quelle: Roland Berger

Technologie, Medien, Software

Pharma, Gesundheit

Dienstleistungen, Logistik

Finanzdienstleistungen

Konsumgüter, Einzelhandel

90 %

81 %

59 %

41 %

29 %

Industriegüter, Maschinenbau

Energie, Versorger

Chemie

Bau

Automobilbau, -zulieferer

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Finanzen & Börsen


MONTAG, 24. FEBRUAR 2020, NR. 38
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